Ränkespiel - Tanja Rast - E-Book

Ränkespiel E-Book

Tanja Rast

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Beschreibung

Der Magie verfallen – das ist eine Gay-Fantasy-Reihe um Krieger und Magier, Priester und Diebe. Jeder Roman erzählt die Romanze zweier gegensätzlicher junger Männer – zwischen Gefahren, Abenteuern und großen Gefühlen. Zinian kann sein Glück kaum fassen: Nach einer Wirbelwindromanze wollen der Berater des Thronfolgers und sein kapriziöser Geliebter sich das Ja-Wort geben. Es soll die Hochzeit des Jahres werden! Doch Royon taucht gar nicht erst auf. Als Zinian zornig und verletzt eine Erklärung verlangt, erkennt er den Mann nicht wieder, mit dem er sein Leben teilen wollte. Aber es kommt schlimmer: Zinian wird vergiftet. Natürlich fällt der Verdacht auf Royon, ist er doch der beste Alchemist der Stadt. Vor Entsetzen gelähmt ist es ihm vollkommen gleichgültig, was aus ihm wird. Ohne Zinian ist die Welt grau, kalt und leer … Doch noch ist Zinian nicht tot. Und nur Royon kann ihn retten. Vielleicht.

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Der Magie verfallen XIII

 

 

Ränkespiel

 

 

 

 

Tanja Rast

 

 

 

 

 

 

Roman

 

 

 

 

 

Impressum: Tanja Rast, Haßmoorer Weg 1, 24796 Bredenbek

www.tanja-rast.de

 

Cover: Sylvia Ludwig, www.cover-fuer-dich.de

 

Motive für Cover:

Shirtless sexy male model with a seductive attitude (#1239113953): ArtOfPhotos /shutterstock.com

beautiful old town of Provence (#145666070): 

Konstanttin / shutterstock.com

 

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Menschen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

Inhaltswarnungen: Zu allen meinen Romanen findest Du auf meinem Blog eine Übersicht mit Triggerwarnungen. Diese können naturgemäß leichte Spoiler enthalten. Dies ist nur ein Angebot und eine Möglichkeit.www.tanja-rast.de/inhaltswarnungen

Inhaltsverzeichnis
1 Sonnenschein
2 Ein Herz zu brechen
3 Kalte Asche
4 Im Namen der Königin
5 Verschwörung unter Freunden
6 Tenenochs Feuer
7 Erinnerungen
8 Plätzchen des Todes
9 Ab durch die Mitte
10 Ein Prinz in Not
11 Rosenblüte

 

Die Autorin
Eine kleine Bitte
Danksagung
Lesefutter
Lesefutter

1.

Sonnenschein

 

Zinian gab sich wirklich Mühe, in seine Kleidung zu gelangen, was durch Royons beständige Sabotage kaum möglich schien. Die schlanken Finger fanden immer wieder eine Lücke in den Stoffstücken, streichelten verlockend über Zinians Haut und verhinderten zuverlässig, dass er auch nur das Bundband zuschnüren konnte.

»Du weißt, dass ich in den Palast muss«, versuchte er, seinen reizenden Gefährten zur Vernunft zu bringen.

Royon kniete – natürlich splitterfasernackt, wie hätte er auch Zeit zum Anziehen finden sollen, da er doch vollauf damit beschäftigt war, Zinian irgendwie erneut zu entblättern – auf dem Bett und schlang nun die Arme um Zinians Nacken, warf sich rückwärts und zog den Geliebten dabei einfach mit sich. Gut, viel Gegenwehr leistete Zinian auch nicht, wenn er ehrlich war.

Er spürte, wie Royon besitzergreifend ein Bein über seinen Unterschenkel hakte, die Wärme des drahtigen Körpers und dann samtige, heiße Lippen, die sich auf seinen Mund schmiegten. Zinian konnte gar nichts dafür, dass er Royons ohnehin schlafwirres Haar zerwühlen und den Kuss heftig erwidern musste. Alles Royons Schuld.

Ein lautloses Lachen ließ den Brustkorb unter seinem erbeben, als Zinian nach etlichen Augenblicken versuchte, eine schlanke Hand aus seinem Nacken zu pflücken. Mühsam hob er den Kopf ein wenig, und Royon umklammerte ihn nur noch heftiger und ließ sich schließlich aus den zerwühlten Laken emporheben, ohne auch nur das geringste Anzeichen erkennen zu lassen, dass er Zinian in den Palast abziehen lassen wollte.

Es kostete Zinian viel Kraft und noch mehr Selbstbeherrschung, den Geliebten an den Schultern zu fassen und sanft von sich zu schieben. Ein enttäuschtes Murren war die Antwort, und Royon schenkte ihm einen provozierend verletzten Blick aus leuchtend grünen Augen.

»Marol wartet auf mich«, sagte Zinian geduldig und streichelte über eine erhitzte Wange, weiches, kurzes Barthaar und dann eine vorwitzige Haarsträhne fort. »Wirklich.«

Royon ließ sich rücklings wieder aufs Bett fallen und bewies erneut, dass an ihm ein begnadeter Bühnenschauspieler verloren gegangen war, indem er herzzerreißend seufzte. »Marol. Immer nur Marol. Was ist mit mir? Ich werde derweil vor Einsamkeit vergehen!«

»Du, mein Herz, kannst von den Erinnerungen an eine lebhafte Nacht zehren und dich auf die nächste freuen.«

»Ich werde verschmachten!«

»Du wirst in deinem Laboratorium herumspielen. Oder du könntest deine Eide üben. Obwohl ich ja glaube, dass wir beide die Geduld des Priesters auf eine harte Probe stellen werden.«

Royon riss die Augen weit auf und richtete sich auf den Ellenbogen auf. »Ich kann meine Eide auswendig! So schwierig sind die ja auch nicht. Was muss ich tun, um dich hierzubehalten? Versprechen, dass ich nicht lachen werde? Schwören, dass ich dich nicht auf den Altar werfen und dort vernaschen werde?«

Zinian spürte Hitze in seine Wangen steigen – oh, und viel tiefer ebenfalls. »Das bringst du fertig.«

»Ja, natürlich. Ich möchte wetten, dass in grauen Urzeiten Ehen genau auf diese Art geschlossen wurden.«

»In jenen Urzeiten gab es auch Menschenopfer.«

Royon zog fröstelnd eine Decke um seine Wohlgestalt. »Reizendes Thema. Ich denke, das Wort lässt sich auf unterschiedliche Weise deuten. Wenn ich auf dem Altar über dich herfalle, ist das ja auch so eine Art Menschenopfer. Der Göttin gefällt es gewiss, wenn sie dabei zusehen kann. Außer staubigen Priestern und vielen Blumen hat sie ja sonst nichts, was sie betrachten kann. Die Ärmste muss sich schier zu Tode langweilen. Noch eine Fragestellung, die unserer Betrachtung würdig ist: Können Göttinnen an Langeweile sterben?«

»Ich flehe dich inständig an, das niemanden außer mir hören zu lassen. Die Zeiten, da Lästerer der Göttin verbrannt wurden, sind vorbei, aber …«

»Ich lästere nicht! Ich überlege, wie wir die Göttin erbaulich unterhalten können! Ich will doch nur nett sein.«

»Royon, behalte diese Gedanken einfach mal bei dir.« Er beugte sich vor und küsste diesen Verrückten lange und innig, hörte dabei das Rascheln der Decke, die Royon natürlich nun wieder von sich streifte, spürte warme Haut unter den streichelnden Fingerkuppen und wusste doch, dass er sich endlich zum Palast begeben musste.

Als er sich wieder von Royon löste, sah dieser ihn ernst an. Das verführerische Lächeln war wie fortgewischt. Royon streichelte ihm über die Halsseite und sagte leise: »Manchmal bin ich auf Marol eifersüchtig. Ich weiß, er will nichts von dir und wird irgendwann seine gähnend langweilige Janes heiraten, die ebenso tumb und ehrpusselig ist wie er, aber …«

»Kein Aber, Royon. Er ist mein Ammenbruder und mein bester Freund. Er braucht mich, das weißt du. Doch wen werde ich morgen heiraten?«

Eine leichte Röte stieg in Royons Wangen.

Zinian küsste ihn auf die Stirn und setzte hinzu: »Ich fühle mich geehrt, dass du mich der Eifersucht für würdig erachtest. Ich liebe dich vollkommen. Ich will mit dir den Rest meines Lebens verbringen, und nichts und niemand kann zwischen uns treten. Auch Marol und meine Pflichten als sein Vertrauter und Hofmeister nicht. Du weißt das.« Er zog mit einer Fingerspitze die Linie eines Schlüsselbeines nach und streichelte dann ebenso zart und behutsam über Royons Kehle bis zum Kinn nach oben. »Ein Vorschlag zur Güte: Ich plündere heute Abend vor meiner Heimkehr die Palastküche und werde notfalls auch nicht vor der Bestechung der Köche zurückschrecken, damit wir ein hochherrschaftliches Mal mit allen Raffinessen zu uns nehmen können.«

»Im Bett?«

»Wo sonst?«

»Ich gebe mich geschlagen.«

Noch ein langer Kuss, der nach Honig und Hitze schmeckte. Dieses Mal war es Royon, der zuerst wieder Vernunft entdeckte und Zinian behutsam von sich schob.

»Wir könnten heute Abend auch unsere Hochzeitsgewänder anprobieren«, schlug Zinian vor.

»Ganz schlechte Idee, da wir sie uns danach gegenseitig von den Körpern reißen und kein Schneider dieser Stadt sie über Nacht wieder instand zu setzen vermag. Jetzt lauf, bevor ich nicht mehr an mich halten kann. Flüchte vor mir und meiner unermesslichen Phantasie in den Palast. Und wehe, du bringst keine Fischröllchen mit.«

 

Zinian flüchtete zwar nicht direkt, aber er war doch froh, an die frische Luft zu kommen, wo Royons Duft ihn nicht ebenso locken konnte wie der ganze Mann. Bestimmt grinste er dumm, während er der breiten Straße folgte.

Doch das war vollkommen in Ordnung und gerechtfertigt. Nie zuvor war Zinian so glücklich gewesen wie mit Royon. Sie waren beide jüngere Söhne ohne Aussicht auf den Titel, aber während Zinian seiner Pflicht gegenüber dem Thronfolger und seinem Amt als dessen Hofmeister zu genügen versuchte, wurde Royon von einer beneidenswerten Unbekümmertheit und kühner Pflichtvergessenheit beseelt. Der Geliebte lebte wirklich in jeden Tag hinein, genoss jede Stunde, als wäre es seine letzte, schüttelte Kummer ab wie eine Ente Wassertropfen von ihrem Gefieder. Lebendig, unmöglich und temperamentvoll.

Und doch … Sie hatten sich zwei Monate vor dem Tod von Zinians Eltern kennengelernt. Dann raste eine Seuche durch Zinians Heimatstädtchen Tinnran und riss ein Viertel der Bevölkerung mit sich, darunter die Eltern. Niemand – nicht einmal die eigene große Schwester – hätte rücksichtsvoller sein können als Royon. Niemand sich fürsorglicher um Zinian kümmern können. Vorher war Zinian nur verliebt gewesen, nach diesen schwierigen Wochen war er in Liebe entbrannt. Allen Unkenrufen seiner Schwester Geleve zum Trotz, die diese Liebe als die übliche Vernarrtheit junger Männer abtun wollte. Dergleichen hätte sie bei ihrem Bruder ja schon so oft gesehen. Zinian war sehr froh gewesen, als Geleve wieder in den Familiensitz abreiste und dass er sie seitdem nicht öfter als ein halbdutzend Male gesehen hatte. Nun, gut, zur Hochzeit war sie eingeladen und hatte bislang auch nicht abgesagt. Auch wenn das Schweigen vom Familiensitz deutlich machte, dass die große Schwester ihren Bruder für töricht hielt.

Gleichgültig! Alles war egal, denn morgen würden er und Royon vor die Priester der Göttin treten, ihre Eide sprechen und die Ringe tauschen. Ein Höhepunkt – und bestimmt nicht der letzte – in etwas, was Zinian nur als Wirbelwindromanze bezeichnen konnte.

Sein Herzschlag beschleunigte sich vor Freude. Traumbilder tanzten vor seinem inneren Auge von Royons Lächeln, während Zinian ihm den Ring auf den Finger schob. Von dem Kuss vor dem Altar der Göttin, dem Duft von Weihrauch in der Luft und Royon und Zinian Arm in Arm inmitten ihrer Freunde.

Vielleicht war es albern, einer Zeremonie so viel Bedeutung zuzugestehen, da sie ja schon seit vier Monaten zusammenlebten, fast jeden Morgen nebeneinander aufwachten und schon so sehr zusammengehörten, als wären sie bereits verheiratet. Aber für Zinian war es wichtig. Die Eide von Royons Lippen zu vernehmen, dem frechen Funkeln in den grünen Augen zuzusehen, wie es das strahlende Lächeln einläutete.

 

Royon vertraute dem leeren Schlafzimmer leise an: »Marol, manchmal hasse ich dich wirklich.« Das half seiner Laune leider nur begrenzt.

Er setzte sich auf die Bettkante, stützte den Kopf in die Hände und atmete einmal tief durch, ehe er wirre Haare nach hinten strich und sich aufrappelte. Barfuß und nackt marschierte er ins angrenzende Badezimmer und blieb lächelnd auf der Schwelle stehen. Zinian hatte gebadet und den Raum unordentlich wie immer hinterlassen. Aber über der Stange nahe dem Ofen hingen frische Handtücher, und auf einem Hocker stapelte sich ordentlich Royons Kleidung frisch aus einer Wäschetruhe. Alles liebevoll für ihn bereitgelegt.

Er lugte in den großen Topf auf dem Ofen, und tatsächlich: Wasser hatte der wundervollste Mann der Welt auch aufgesetzt, bevor er die Badekammer verließ.

»Du bist der Beste«, murmelte er liebevoll. »Und ich verzeihe sogar Marol, dass er so viel unserer Zeit beansprucht.«

Er lachte über sich selbst, richtete sein Bad und kletterte in den großen Badezuber – groß genug für ihn und Zinian, obwohl der Geliebte ein so hochgewachsener Mann war. Einer der vielen, vielen Reize, die Zinian zu bieten hatte, obgleich Royon der Größenunterschied anfangs sehr gestört hatte. Mittlerweile fand er es reizvoll. Vor allem, wenn Zinian ihn ungestüm die Treppe hinauf ins Schlafzimmer verschleppte. Und dabei auf halber Strecke vor Lachen kaum noch die Stufen bewältigen konnte.

Royon seifte sich ab, spülte die Haare aus und kletterte wieder aus dem Bad, um sich abzutrocknen und anzuziehen. Sie lachten viel zusammen. Damit und mit viel Spaß im Bett hatte ihre Romanze begonnen, und anfangs hatte Royon sich nicht zu träumen gewagt, dass aus ihnen mehr werden würde.

Ob Zinian von Anfang an Hoffnungen gehegt hatte? Sie sollten darüber sprechen. Abends. Im Bett mit Fischröllchen. Und gemeinsam ein wenig freundlich über ihre Freunde lästern und lachen, die überzeugt gewesen waren, dass aus dieser Tändelei nichts werden würde.

So genau hatte Royon noch in Erinnerung, wie nachsichtig Kena gelächelt hatte, als er ihr nach der ersten Nacht mit Zinian vorgeschwärmt hatte, wie wundervoll das gewesen, wie verliebt er in den großen Mann war. Wenn er ehrlich war, hatte er ihr vor der Begegnung mit Zinian oft ähnliche Schilderungen in ein unwilliges Ohr ergossen. Kena war genau im Bilde, wie viele Liebhaber er gehabt hatte – falls sie die Hälfte nicht vergessen hatte, was ihr ähnlich sähe, weil sie nur in ihren Büchern lebte. Ungewöhnlich für eine Elfe, aber die ganze Frau war aus der Art geschlagen. Tröstlich, dass ihre Verwandtschaft sie bestimmt genauso mitleidsvoll und verächtlich betrachtete, wie Royon von seinem älteren Bruder angesehen wurde.

Er schnürte seine Stiefel zu und grinste dabei und vor allem bei dem Gedanken an Bonal, der vor Wut bestimmt rot anlief, wann immer er von dem Gedanken angekaut wurde, dass sein nervtötender kleiner Bruder immerhin den Ammenbruder des zukünftigen Königs heiraten würde. Wenn man auf solche Dinge Wert legte und sich auf derartige Dünkel etwas einbildete, was Bonal den ganzen Tag lang tat.

»Vergiss Bonal. Der kommt nicht zur Hochzeit. Weil ich ihn nicht eingeladen habe.« Er lachte wieder leise und trat auf den Flur vor dem Schlafzimmer, wo er glücklicherweise Pave entdeckte, die mit missbilligender Miene eine kleine, nicht sehr anständige Statue abstaubte und sich Mühe gab, nicht zu genau hinzusehen.

»Guten Morgen, Pave«, begrüßte Royon sie freundlich und setzte hinzu, da die Dienerin sich bestimmt freuen würde, der Statue zu entrinnen: »Zinian hat leider mal wieder das halbe Bad überschwemmt. Ich habe mir Mühe gegeben, es ihm nicht gleich zu tun.«

»Zinian ist schon wieder ohne Frühstück aus dem Haus«, brummelte Pave und klang trotz finsteren Gesichtsausdrucks grimmig erfreut darüber. »Ich habe den Tisch schon für dich gedeckt und frischen Tee aufgebrüht.«

»Danke. Du bist die Beste.«

»Ich bin nur dankbar, dass ich nicht für die Hochzeit kochen muss«, grollte die Dienerin leise weiter und ging an Royon vorbei, um sich die Bescherung in der Badestube anzusehen. Sie blieb aber dicht bei ihm stehen. »Aber dieser Koch, den Zinian verpflichtet hat, soll sich nicht einbilden, dass er meine Plätzchen von der Süßspeisenauswahl verdrängen darf!«

»Pave, deine Plätzchen waren der alleinige Grund, warum wir dich als Haushälterin haben wollten«, sagte Royon ganz ernst.

Sie lachte leise. »Ich weiß«, behauptete sie dann, tätschelte Royons Schulter und setzte befehlend hinzu: »Geh frühstücken. Ich lasse nicht noch einen Herrn hungrig herumlaufen.«

»Ich sollte vielleicht noch die Warnung aussprechen, dass Zinian für heute Abend Leckereien aus der Palastküche mitbringen will.«

»Das soll er tun. Habe ich mehr Zeit und Ruhe für meine Plätzchen.« Sie rauschte hoheitsvoll in Richtung Badestube davon.

 

Zinian fand seinen Kronprinzen, Ammenbruder und Freund in der Übungshalle – wo sonst. Marol mochte jeglichen Unterricht über Geschichte, Strategie, Staatswesen und Diplomatie im dauerhaften Griff von Tagträumen hinter sich gebracht haben, aber im Waffengang war er unschlagbar. Ebenso machte er hoch zu Ross oder auf der Jagd eine gute Figur. Die körperlichen Merkmale eines Königs besaß er auf jeden Fall. Für den Rest, sagte Zinian sich energisch, hatte er Berater und Freunde. Und es war nicht in Ordnung, dass Royons Elfenfreundin Marol einen liebenswerten Tölpel nannte, nur weil er kein solcher Büchernarr war wie sie.

Seine zukünftigen Untertanen liebten ihn so, wie er eben war. Er merkte sich Namen und Familienumstände und schaffte es immer wieder, selbst einen einfachen Pferdeknecht zu fragen, wie es denn der Oma mit dem schlimmen Rücken ging. Marol nahm sein Volk ernst, liebte das Reich und war … ja, er war liebenswert. Das glich doch gewiss alles andere aus. Und ein Tölpel war er wirklich nicht, fand Zinian.

Marol und Tulos traten auseinander, senkten die Waffen und verneigten sich förmlich voreinander. Dann wandte Marol sich zu Zinian um. »Der glückliche Bräutigam! Ich hatte dich heute kaum noch erwartet.« Er reichte sein Schwert mit einem Lächeln an Tulos. »Hattest du überhaupt genügend Zeit für alle Vorbereitungen? Oder überlässt du die Royon?«

»Absolut. Ich habe ihm nur ausgeredet, den gesamten Festsaal mit zartgrüner Seide zu verhängen«, antwortete Zinian mit betont ausdrucksloser Miene.

Tulos prustete sofort los, während Marol einen Augenblick lang sehr erschüttert aussah. Dann schüttelte er grinsend den Kopf. »Er plant doch bestimmt ein Feuerwerk, und dann wäre womöglich alles abgebrannt. Und was macht man nach der Feier mit mehreren hundert Ellen Seide?«

»Eine gute Frage«, antwortete Zinian. »Weiterverkaufen?«

»Geht nicht, wenn Brandlöcher darin sind. Und die halbe Bevölkerung der Stadt mit hellgrüner Seide auszustatten, sähe auch merkwürdig aus.«

Tulos lief rot an vor Lachen. Er musste sich auf seinen Schild stützen und gab sich hilflos seiner Heiterkeit hin.

»Wir sollten Rücksicht auf deinen Schwertmeister nehmen«, meinte Zinian.

»Das fordert er ständig von mir.« Marol klopfte dem alten Armeefeldwebel auf die Schulter. »Habe ihn heute prächtig gescheucht, nicht wahr, mein Freund? Ernsthaft jetzt, Zinian: Wenn du Zeit für die letzten Vorbereitungen benötigst, bin ich der Letzte, der dich von Royons Seite fernhalten will.«

»Es ist in Ordnung«, versicherte Zinian ihm und ergriff seine Hand. »Es ist alles vorbereitet. Wir haben das Gasthaus Zur Sonne mit Beschlag belegt und alles geklärt. Morgen Vormittag wollen Royon und ich gemeinsam nach dem Rechten sehen und uns dann bis zum Abend gegenseitig und allen anderen in unserem Umkreis auf die Nerven fallen, bis es Zeit ist, in den Tempel zu gehen.«

»Ich kann nur hoffen, dass Janes und ich halb so glücklich werden wie ihr beide. Also gut: Ich habe einen Berg Bittschriften erhalten. Wenn du dich um die kümmerst, machst du mich glücklich.«

»Selbstverständlich.« Zinian wusste genau, dass auch noch Abrechnungen auf ihn warteten. Royon und er hatten sich die Arbeit der Vorbereitungen für die Hochzeit gerecht geteilt, und so war in Marols Arbeitszimmer einiges liegen geblieben. Gerne wollte Zinian all das vom Tisch haben, bevor er Royon heiratete und dann mindestens zwei Wochen lang nicht mehr aus dem Schlafzimmer ging.

Er entsann sich seines Versprechens, für ein königliches Abendessen zu sorgen, und machte deswegen einen kleinen Umweg in die Küche, um dort einen Korb voller Leckereien zu erbitten. Danach begab er sich in das Schreibzimmer, betrachtete die Papierberge auf dem Tisch mit einem Seufzen und machte sich an die Arbeit.

Er sehnte sich nach Royon, obgleich der Geliebte eine gewaltige Ablenkung bedeutete. Da in dem Sessel könnte er sich räkeln und ein Buch lesen. Wobei er es nicht belassen würde.

Die Tinte trocknete auf dem Federkiel, während Zinian im Geiste eine der Phantasie entsprungene Unterhaltung durchlebte, die darauf hinauslief, dass Royon und er noch nie in Marols Palast miteinander geschlafen hatten und das dringend auf der Stelle nachholen sollten. Notfalls in einer Besenkammer, da Zinian ja bestimmt den Schreibtisch nicht zur Verfügung stellen wollte; aber selbst unter Beachtung der Grundregel, dass das kronprinzliche Schlafgemach nicht in Frage kam, bot das Anwesen doch zahlreiche Gästezimmer.

Zinian tauchte den Federkiel wieder in die Tinte und gab sich heldenhaft Mühe, Royons freches Lächeln, die halb gesenkten Lider und die fleischgewordene Einladung aus seinem Kopf zu verbannen. Während er die ersten Zahlenkolonnen auf eine Rechnung übertrug, hatte er dennoch das Lachen des Geliebten im Ohr.

 

Was ist eine Hochzeit ohne Feuerwerk? Da kann die Torte noch so viele Stockwerke haben, die Speisen noch so erlesen und die Musikanten noch so gut sein – ohne Feuerwerk ist das nicht groß genug für Zinian und mich.

Das war der fromme Vorsatz, und diesem getreu hatte Royon sich nach dem Frühstück auf der Flucht vor Paves Fürsorge in sein Laboratorium verfügt. Das Haus, das er und Zinian gemeinsam bewohnten, besaß einen großen Garten, einen angrenzenden Hof und vor allem alte Pferdestallungen. Da Marol ihnen die eigenen Reittiere zur Verfügung stellte, hatte Royon hier seine Werkstatt eingerichtet. Sein Bruder Bonal war heilfroh gewesen, alle Pülverchen, Gifte, Kräuter und Glasflaschen aus dem Herrensitz verbannen zu können. Natürlich, der Dummkopf hatte beständig Angst gehabt, Royon könnte etwas in die Luft jagen. Dabei hatte es in den Jahren, die er im heimatlichen Keller getüftelt hatte, nur zwei Mal gebrannt. Und beide Male wäre es gar nicht so schlimm gewesen, wenn nicht irgendwelche hirnverbrannten Knechte eimerweise Wasser auf die Bescherung gegossen hätten, was etliche der übrigen Ingredienzen sehr übel genommen hatten.

Zinian hegte keinerlei Befürchtungen, eines Morgens auf dem Boden eines tiefen Kraters zu erwachen. Zinian vertraute seinem Geliebten natürlich und wusste um dessen Fähigkeiten, wilde Elemente zu bändigen und aus drei unterschiedlichen Stäuben wirkungsvolle Mischungen zu fertigen, die zur Verteidigung der Hauptstadt zum Einsatz gelangten. Immerhin konnte niemand Royon bezichtigen, ein Anfänger der Alchemie zu sein.

Diese Gedanken stärkten sein Selbstbewusstsein, das sich immer klein machte und wahrscheinlich gerne unter einem Tisch oder einer Kommode Zuflucht suchen wollte, sobald Royon auch nur an Bonal und seine ständige Häme dachte. Dann drängte etwas nach oben, wofür Royon sich schämte: Morgen heirate ich einen wundervollen Mann, meinen Geliebten, meinen Freund, meinen Zinian. Und Bonal kann vor Neid platzen, weil ich mit Zinian glücklich bin.

Zinian war nicht Mittel zum Zweck, um einen anmaßenden älteren Bruder in die Schranken zu verweisen, der Royon so oft als flatterhaft und unbeständig bezeichnet hatte, sodass dieser niemals jemanden finden würde, der es länger als zwei Wochen mit ihm aushielt.

Nun, Bonal hatte sich geirrt! Und Zinian bekam ein wunderschönes Feuerwerk. So einfach war das.

Royon hatte vor einigen Tagen auf dem Kasernenhof die ersten Flugversuche mit einigen Funkenregen vorgenommen, und obwohl er das am helllichten Tag getan hatte, damit niemand Zinian etwas verraten konnte, war er mit den Ergebnissen sehr zufrieden.

Jetzt stellte er Geschosse her, die in den Nachthimmel über den Gasthof abgefeuert werden und dort als bunte Glutbälle Funken sprühen sollten. Nachdem er das grundsätzliche Prinzip erarbeitet hatte, war der Rest ein Kinderspiel. Einige Bücher aus der königlichen Bibliothek hatten ihm dabei geholfen, und da er schon einmal vor Ort gewesen war, hatte er gleich noch einige Folianten mehr entliehen. Royon wusste, dass er auf dem Gebiet der Alchemie sehr bewandert war, aber es gab immer noch mehr zu entdecken und zu lernen.

Nun allerdings wurde es auf der Werkbank eng, und so schleppte er einen Bücherstapel voller erbaulicher Notizen lange toter Giftmischer, Sprengmeister und Irrer, die einen Weg gesucht hatten, Blei in Gold zu verwandeln, zur Seite und legte die dicken Wälzer auf einer Truhe ab. Es stand nicht zu erwarten, dachte er mit einem verträumten Lächeln, dass er in den Wochen nach der Hochzeit viel Zeit für die Bücher haben würde, aber immerhin befanden sie sich schon einmal im Laboratorium.

Sorgfältig maß er unterschiedliche Pulver, Eisenspäne und Farbe ab, vermischte alles und füllte es in Rollen aus dickem Leinenpapier. Dass Prinz Marol das Spektakel mit großen Augen verfolgen würde, stand außer Frage, aber Royon hoffte, dass auch Zinian staunen würde.

Er hielt inne, drehte eine Rolle zwischen den Fingern und stellte sich vor, wie Zinians klarblaue Augen sich weiten, wie das ganze Gesicht strahlen würde. Es war ein schönes Gesicht mit den hohen Wangenknochen, der geraden Nase und diesen leuchtenden Augen. Wie der ganze Mann eine Augenweide war. Royon wusste genau und genoss es, dass andere Menschen sich umwandten und Zinian bewundernd nachsahen. Goldblondes Haar, militärisch kurz, dazu war Zinian hochgewachsen, breitschultrig und mit einem knackigen Hintern über göttlichen Beinen ausgestattet.

Ein wenig mühsam tauchte Royon aus einer geistigen Betrachtung der flachen Bauchdecke und tieferen Regionen wieder auf und versuchte, sich wieder auf das Feuerwerk zu konzentrieren.

Dies war eine so viel angenehmere Anwendung von Royons Wissen, als nur langweilige Sprengpulver für die Verteidigung der Stadt herzustellen. Selbst jene speziellen Heilverbände, die Royon zusammen mit seiner Freundin Kena entwickelt hatte, mit deren Hilfe Wunden sich gar nicht erst entzünden konnten, fand er im Vergleich zum Feuerwerk und der erhofften Wirkung auf Zinian öde und unwichtig.

Vorsichtig stopfte er farbige Kristallkugeln als letztes in seine Papierröhren und klebte das obere Ende der Rollen zu.

Ein Blick zur Wasseruhr, und Royon stöhnte leise auf. Es würde noch allzu lange dauern, bis Zinian heimkehrte. Er verstaute das Feuerwerk in einer Kiste, die er nachher einem Boten übergeben würde, damit sie zum Gasthaus kam. Dann trat er zur Truhe und den darauf gestapelten Büchern und suchte einen stockfleckigen Band heraus, in dem es um aus Pflanzen und Tieren gewonnene Gifte ging.

»Irgendwie muss ich die Zeit ja vertrödeln, weil Marol nicht einmal Briefe schreiben mag«, redete er sich gut zu und ging mit seinem Buch über den Innenhof zurück ins Haus.

Bestimmt konnte er Pave überreden, ihm einen Teller mit Plätzchen und eine Kanne Tee zu überlassen. Und wehe, Zinian dachte nicht an die Fischröllchen!

Ein Kribbeln stieg in seine Magengrube. Morgen! Morgen war es so weit. Er fühlte sich ganz leicht, als würde er auf Wolken gehen. Das Herz schlug heftig vor Freude und Aufregung. Mein Zinian. Und ich bin sein. Ich muss die dummen Eide nicht üben. Wozu auch? Ich werde ohnehin vor lauter Glück nur stammeln können. Und die Göttin und Zinian wissen ja, dass ich ihn haben will.

2.

Ein Herz zu brechen

 

Zinian hatte keine Ahnung, wie er den Tag überstehen sollte, ohne sich vor lauter Vorfreude und Anspannung in ein nervliches Wrack zu verwandeln. Beim Frühstück bekam er vor lauter Aufregung kaum einen Bissen herunter.

»Sag nicht, dass du kalte Füße bekommst«, sagte Royon über den Rand seines Teebechers hinweg, die grünen Augen weit und ernst.

»Um nichts in der Welt. Dies ist der Tag, auf den ich seit Monaten hoffe und seit Wochen lauere«, antwortete Zinian.

Royon stellte seinen Becher hastig ab, sprang auf und kam um den Tisch herum. Zinian rückte prompt ein wenig vom Tisch ab, damit der Geliebte genug Platz hatte, um sich rittlings auf seinen Schoß zu setzen und ihm die Arme um den Nacken zu legen.

Zinian zog ihn dichter an sich, spürte die drahtigen Muskeln durch den Stoff des Leinenhemdes, die Körperwärme, sog tief den Duft nach dunklem Holz, nach Honig und einem verwirrenden Gewürz in seine Lungen. »Ich liebe dich, Royon. Ich bin aufgeregt und kann es kaum glauben, dass wir heute vor die Priester und unsere Freunde treten …«

»Du hast kalte Füße.«

Zinian verlor sich im dunkelgrünen Blick, sah den dichten Wimpern zu, wie sie sich senkten und nur halb wieder hoben. Er hielt Royon im Arm und konnte kaum noch atmen, weil sein Herz so rasch schlug und den gesamten Brustkorb auszufüllen schien.

»Ich sollte dich aufwärmen«, schnurrte Royon und rückte näher. Er war so nahe, dass seine Lippen bei diesen Worten bereits Zinians streiften. Hauchzarte, samtige Berührungen, die ein Feuerwerk in Zinian entfachten, dass selbst eines, das Royon für die Feierlichkeiten erdenken mochte, dagegen kümmerliches Kerzenflackern sein musste.

»Das solltest du«, brachte er hervor und wusste, dass er atemlos und heiser klang.

Warm, fest und fordernd drückten sich Royons Lippen auf seine. Jetzt schmeckte er tatsächlich Honig und einen Hauch von Zimt, vor allem tanzte Hitze von einem Mund zum anderen, loderte durch Zinians Körper und vertrieb die angebliche Kälte selbst aus seinen Zehenspitzen. Rastlose Finger zerwühlten sein Haar, streichelten über seinen Nacken, seinen Hals und seine Wangen.

Bis ganz leise die Tür klappte.

Was Royon nicht dazu antrieb, den Kuss vorzeitig zu beenden. Als er es nach geraumer Zeit tat, lächelte er so träge, so sehr wie eine Katze im Sonnenlicht, dass Zinian ihn noch einmal fest an sich drücken musste. Es schien unmöglich, Royon jemals wieder loszulassen.

---ENDE DER LESEPROBE---