Soko Norddeich 117 - Die schrägste Ermittlertruppe in Ostfriesland Band IV - Moa Graven - E-Book

Soko Norddeich 117 - Die schrägste Ermittlertruppe in Ostfriesland Band IV E-Book

Moa Graven

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Beschreibung

Die Soko Norddeich 117 löst jeden Fall, egal wie! Die schrägsten Ermittler in Ostfriesland schlagen wieder zu. Erleben Sie Thekla, Agneta, Okko, Siggi und Herbert in zwei weiteren spannenden und humorvollen Ostfrieslandkrimis! Friesen schießen Bei den Schützen in Norddeich ist alles in heller Aufregung. Das jährliche Friesen schießen steht an. Wer nimmt den begehrten Pokal in diesem Jahr mit nach Hause? Die Krummhörner treten an, um ihren Sieg vom Vorjahr zu verteidigen. Doch ausgerechnet der beste Schütze unter ihnen, Manni Küper, wird am Sonntag beim Ausschießen des Pokals von einer Kugel mitten ins Herz getroffen. Die Soko Norddeich 117 ermittelt wie immer in alle Richtungen, und sie suchen fieberhaft nach einem echten Motiv für diesen schockierenden Mord. Sauerkraut & Seidenstrümpfe Alle gehen gerne in den Gasthof „Zur Eule“, wo Doris Dübbel kleine und größere Gesellschaften immer mit ihrem Sauerkrauttopf verwöhnt. Mittlerweile schwärmt ganz Ostfriesland von diesem Genuss und ihr Mann Friedhelm träumt davon, für den gepachteten Gasthof endlich die restliche Schuld zu begleichen, damit er ganz ihm gehört. Und dann der Schrecken, als Doris plötzlich blutüberströmt in der Gaststube liegt. Wer um alles in der Welt hat diese sympathische Frau erschlagen? Genau mit dieser Frage beschäftigt sich die Soko Norddeich 117.

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Impressum
Friesen schießen
Mein Vorwort zum Schützenverein
Teestunde bei Oma Gerda
Friesen schießen
Im Einsatz
Oma Gerda
Theo Schuster
In der Dienststelle
In der Krummhörn
In der Dienststelle
In der Bank
Ein erstes Motiv
Die Nacht hat viele Gesichter
Theo Schuster
Die Waffe
Das Verhör
Bernd Siebels
Bei Gerda
Stella Hahnekamp
Ein Haus für alle
Sauerkraut & Seidenstrümpfe
Der Schaukelstuhl
Doris
Bei Oma Gerda
In der Eule
In der Dienststelle
Gerda trauert
Katerstimmung
Spätschicht
Das Doppelleben der Doris D.
Die Schneekugel
Helga Baumann
Überführt
Die Mauer des Schweigens
Bei Oma Gerda
Mein Brief an Sie, liebe Leserin und lieber Leser,
Rührei à la Oma Gerda
Sauerkrauttopf à la Moa Graven
Zur Autorin
Die Reihe Soko Norddeich 117
Die weiteren Krimi-Reihen von Moa Graven im Überblick
Leseprobe aus dem aktuellen Fall mit der Langeooger Ermittlerin EVA STURM
„Rosen auf ihrem Grab“ von Moa Graven
Vielen Dank für Ihr Interesse an meinen Krimis!

Soko Norddeich 117 Sammelband IV

Ostfrieslandkrimis

 

Friesen schießen

und

Sauerkraut & Seidenstrümpfe

 

 

Von

 

Moa Graven

Moa Graven ist Ostfriesin und schreibt seit 2013 Krimis. Erst mit fünfzig hat sie die Leidenschaft für das subtile Verbrechen auch für sich entdeckt, als sie einen Fortsetzungskrimi für ein Monatsmagazin schrieb. Seit 2017 lebt die Autorin vom Schreiben und eröffnete ein Krimihaus in Rhauderfehn, wo man sie auch besuchen kann. Mit über 100 Krimis, mit denen sie bisher über 1.000.000 Leserinnen und Leser begeisterte, gehört sie zu den erfolgreichsten Krimiautorinnen in Deutschland, die ihre Bücher im Eigenverlag herausbringen.

 

 

Die Soko Norddeich 117

Sie sind anders als die anderen. Und genau das schweißt sie am Ende zusammen. In der Soko Norddeich 117 lernen wir Thekla, Agneta, Okko, Siggi und Herbert kennen. Sie alle teilen das Schicksal, dass man sie aus dem normalen Polizeialltag einfach aussortiert hat. Sie sitzen in einem Büro in Norddeich an zwei Schreibtischen mit fünf Telefonen, die nie klingeln. Und in der Ecke wartet ein PC darauf, dass er angeschlossen wird. Die Männer spielen Skat, um sich die Zeit zu vertreiben, während Agneta und Thekla sich um ihre Gesundheit sorgen. Und dann eines Tages lösen sie gemeinsam jeden noch so kniffligen Fall.

Impressum

Sammelband mit den Krimis „Friesen schießen“ und „Sauerkraut & Seidenstrümpfe“ – Soko Norddeich 117

Ostfrieslandkrimi von Moa Graven

Alle Rechte am Werk liegen bei der Autorin

Erschienen im Criminal-kick-Verlag Ostfriesland

Das Krimihaus – 3. Südwieke 128a – 26817 Rhauderfehn

März 2023

Covergestaltung: Moa Graven

 

Friesen schießen

Zum Inhalt

„Friesen schießen“ ist der siebte Band aus der Krimi-Reihe Soko Norddeich 117 mit Thekla, Herbert, Okko, Siggi und Agneta, den schrägsten Ermittlern in Ostfriesland.

Bei den Schützen in Norddeich ist alles in heller Aufregung. Das jährliche Friesen schießen steht an. Wer nimmt den begehrten Pokal in diesem Jahr mit nach Hause? Die Krummhörner treten an, um ihren Sieg vom Vorjahr zu verteidigen. Doch ausgerechnet der beste Schütze unter ihnen, Manni Küper, wird am Sonntag beim Ausschießen des Pokals von einer Kugel mitten ins Herz getroffen. Die Soko Norddeich 117 ermittelt wie immer in alle Richtungen, und sie suchen fieberhaft nach einem echten Motiv für diesen schockierenden Mord.

Wenn Sie Schützenfeste lieben,

genießen Sie es.

Denn diese Geschichte ist

natürlich frei erfunden.

 

Moa Graven

Mein Vorwort zum Schützenverein

Meine ersten Berührungen zu Schützenfesten bekam ich, da war ich ungefähr vier oder fünf Jahre alt. Ganz in der Nähe unseres Hauses gab es eine Gastwirtschaft, wo ein kleiner Markt mit einem Kettenkarussell und Buden mit Süßigkeiten aufgebaut wurden für uns Kinder. Und für die Erwachsenen gab es Bratwurst und Bier. Gefeiert haben die Schützen dann abends im Saal.

Später dann, zu Teenagerzeiten, war das Schützenfest natürlich interessant, um Jungs zu treffen. Ach, was haben wir Mädchen für die Älteren geschwärmt und sie aus der Ferne angehimmelt. Ferne bedeutet in diesem Fall auf der anderen Seite des Autoscooters. Und auf so einem Schützenfest habe ich an einer Losbude meine erste Fotokamera gewonnen. Sie war aus Plastik und machte nur verhalten gute Bilder. Aber da entdeckte ich meine Leidenschaft für das Fotografieren. Und hier vor allem große alte Bäume.

Im Erwachsenenalter war es immer noch schön, über Märkte zu schlendern. Und als ich dann für den SonntagsReport in Leer als freie Journalistin arbeitete, durfte ich immer wieder einmal über Schützenvereine und ihre Feste berichten.

Man sieht also, so ein Schützenverein kann einen ein ganzes Leben lang begleiten. Die Arbeit, die von den Mitgliedern ehrenamtlich geleistet wird, mag oft unterschätzt werden. Aber wer schon einmal in einem Verein aktiv gewesen ist, der weiß, was es heißt, so ein Fest auf die Beine zu stellen. Deshalb ist das Engagement der Schützen wirklich lobenswert. Und jedes helle Kinderlachen, wenn es in einem Kinderkarussell ertönt, ist diese Arbeit allemal wert.

Teestunde bei Oma Gerda

„Nee nä“, mehr fiel Thekla in diesem Moment wirklich nicht dazu ein. Sie saßen gerade alle in Oma Gerdas guter Stube um den Teetisch versammelt. Bis auf Okko. Er hatte sich freiwillig für die Dienststelle gemeldet. Schon das war Thekla mehr als mysteriös erschienen, weil er sonst jede Gelegenheit wahrnahm, wenn es etwas zu essen und eine Pause gab.

„Doch“, bestätigte Siggi, „er hat es mir vorhin erzählt, als wir zusammen draußen waren. Sein Arzt sagt, das sei schon etwas gefährlich. Darum hat ihn seine Frau jetzt auf Diät gesetzt.“

„Ich hab ja immer gesagt, dass er viel zu fett ist“, mischte sich Agneta ein, die sich in ihrer Haltung, keine Tiere und nur wenig Fett zu sich zu nehmen, wieder einmal vollends bestätigt sah.

„Du hast gut reden“, meinte Thekla nun, „das Hungern ist dir ja offensichtlich in die Wiege gelegt worden.“

„Was soll das denn jetzt?“, empörte sich Agneta.

Zwischen ihr und Thekla lief es seit einiger Zeit nicht mehr so gut. Genauer gesagt, seit dem Tag, als Agneta mit karottengelben Haaren und grünen Fingernägeln aufgetaucht war. Wie soll ich denn jetzt noch mit dir auf die Straße gehen, hatte Thekla gejammert, was Agneta dazu veranlasst hatte, das erste Mal in Gerdas Haus mit Türen zu knallen.

„Liebe Leute“, mischte sich jetzt auch Gerda ein, die bisher nur stoisch von einem zum anderen gesehen hatte. „Natürlich ist es schlimm, dass Okko jetzt einen erhöhten Cholesterinspiegel hat. Aber ich kann doch auch so kochen, dass es Okko nicht schadet, aber trotzdem gut schmeckt.“

„Aber ob er auch auf seine Leberwurstbrote verzichten kann“, gab Thekla zu bedenken.

„Das wird er wohl müssen“, sagte Gerda. „Hört mal, ihr wisst ja, dass ich bald schon wieder Geburtstag habe ...“, sie stöhnte auf, „und eigentlich habe ich gar keine Lust zum Feiern. Doch die wenigen Freunde, die mir noch geblieben sind, die rufen schon an, weil sie sich nach der Zeit für den Tee erkundigen wollen.“

„Das ist doch nett“, sagte Thekla, „wir helfen dir natürlich wieder bei den Vorbereitungen und der Bewirtung, das ist doch klar. Du wirst einundachtzig, oder?“

„Oh, erinnere mich nicht daran“, klagte Gerda, „ich spüre jeden Morgen meine Knochen, wenn ich zu den Hühnern gehe.“

Siggi ging in die Küche und stellte nochmal Wasser an, um die Kannen mit dem Tee neu aufzugießen. In Gedanken war er bei Sibylle. Ihre Beziehung hatte sich zwar nicht so richtig weiterentwickelt, doch sie sahen sich hin und wieder zu einem Essen oder auf ein Glas Wein bei ihr. Und dabei waren sie so euphorisch gewesen, als sie sich näherkamen und wollten sogar zusammenziehen. Es liege an ihrem Sohn, hatte sie ihm einmal erklärt. So einfach sei es eben doch nicht, ihm einen neuen Vater zu präsentieren. Das war der Moment, wo Siggi in sich gegangen war. Er hatte die Reißleine gezogen, hatte Thekla später bemerkt, als er allen erklärte, dass es nun doch nichts mit einem baldigen Einzug bei Sibylle werden würde.

Nun fragte schon lange keiner mehr danach, wie es um die beiden stand. Sibylle verblasste irgendwie.

„Siggi? Alles in Ordnung?“ Agneta war zu ihm in die Küche gekommen.

„Ja, alles gut“, erwiderte er und stellte den Kocher nochmal an, weil das Wasser wegen seiner Gedankenschleifen schon wieder abkühlte. „Und bei dir? Steht am Wochenende wieder eine Tierrettung auf dem Plan?“ Er grinste. Aber sie wusste, dass er sie nicht veräppelte, so wie die anderen immer. Siggi fand es gut, dass sie sich so engagierte.

„Ich hoffe nicht“, seufzte Agneta, „das letzte Mal haben wir einen alten Schäferhund aus einer dunklen Box geholt. Der konnte kaum noch laufen, der arme Kerl. Nun ist er in einer Pflegestelle und wird wieder aufgepäppelt.“

„Und der Besitzer? Der bekommt doch hoffentlich eine saftige Strafe wegen Tierquälerei“, ereiferte Siggi sich, der solche Bilder am liebsten gar nicht im Kopf haben wollte. Tiere, die elendig vor sich hin krepierten. Schon alleine deshalb bewunderte er Agneta für ihr Engagement, weil sie eben nicht wegsah wie alle anderen. Er selber hätte nicht die Kraft für sowas.

„Ach, der Besitzer“, sagte sie und machte eine wegwischende Handbewegung, „in der Regel gibt es ein kleines Bußgeld und vielleicht noch ein Haltungsverbot. Aber wer soll das denn kontrollieren, ob der sich nicht wieder einen Hund holt?“

„Na, du und dein Verein, dachte ich ...“.

Der Wasserkocher klackte wieder und er goss auf.

„Sicher“, sagte Agneta, „wir tun unser Möglichstes. Aber wir sind ja auch nur eine kleine Gruppe. Weißt du, alle sind für den Tierschutz, aber engagieren will sich keiner.“

Siggi machte ein betretenes Gesicht. „Das kann vielleicht nicht jeder“, meinte er nachdenklich.

„He“, sagte Agneta und stupste ihn an der Schulter, „ich weiß schon, du hast ein viel zu weiches Herz für sowas.“

Sie gingen wieder rüber zu den anderen und stellten den neuen Tee auf die Stövchen.“

Das allgemeine Gesprächsthema hatte dann gar nichts mehr mit Okko zu tun, sondern drehte sich um die Ereignisse, die an diesem Tag in der Zeitung gestanden hatten. Darüber redete Gerda besonders gerne, weil sie die Geschäfte, Vereine oder Menschen, von denen da die Rede war, teilweise noch persönlich kannte.

Dann plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Okko stürmte herein. Erschrocken drehten sich alle zu ihm um.

„Es ist etwas Furchtbares passiert“, keuchte Okko und hielt sich am Türrahmen fest, weil er völlig aus der Puste war. In der Eile hatte er vergessen, den Wagen zu nehmen, und war einfach losgerannt. Irgendwann hatte es sich dann nicht mehr gelohnt, umzudrehen.

„Okko, um Gottes willen“, stieß Thekla aus, die sah, dass ihm der Schweiß von der Stirn lief.

„Jemand ist erschossen worden“, fuhr Okko fort, „beim Schützenfest.“

„Oh mein Gott, beim Schützenfest“, gab Gerda besorgt von sich, „aber da wollte ich doch an diesem Nachmittag auch noch vorbeisehen. Das wäre eine schöne Radtour geworden.“

„Das hat sich jetzt wohl erledigt“, sagte Thekla und erhob sich vom Stuhl, „kommt Leute, das Wochenende ist jetzt wohl rum.“

Sie quetschten sich kurz darauf alle in Herberts Wagen und fuhren los. Gerda lief kopfschüttelnd wieder ins Haus und murmelte: „Ausgerechnet beim Schützenfest ...“.

Friesen schießen

In diesem Jahr hatte der Schützenverein Norddeich den Hut bei der Organisation für das große Friesentreffen auf. Und so hatte der Vorsitzende Theo Schuster wirklich alle Hände voll zu tun gehabt. Er war sozusagen das Urgestein des Vereins mit seinen fünfundsiebzig Jahren, doch noch kein bisschen leise, wie man so schön sagte. Vor einigen Jahren hatte er zum fünfzigsten Bestehen des Schützenvereins „Die fiesen Friesen“ in Norddeich sogar ein Buch herausgebracht, in dem alle Vereine in ganz Ostfriesland vertreten waren. Fortan diente diese Zusammenstellung allen Vereinen als Handreichung, wenn es etwas zu organisieren gab.

Viele Abende hatte Theo Schuster damit zugebracht, die Einladungen mit der Hand zu schreiben. Denn darauf legte er wert. Er hielt nichts von diesem neumodernen Kram wie Computern und Handys, die seiner Meinung nach einen Keil zwischen die Menschen trieben, weil sie das persönlich gewechselte Wort zum Aussterben brachten. „Es ließ doch alles besser von Angesicht zu Angesicht regeln“, sagte er dann immer, wenn andere, vor allem jüngere, sich über ihn lustig machten. Doch respektiert wurde Theo Schuster von allen, auch den jungen Vereinsmitgliedern. Denn durch seine herzliche Art, jedem zuzuhören und sich um die Dinge, die anstanden, zu kümmern, hielt er den Laden zusammen. Es war ja nicht so, dass immer Friede-Freude-Eierkuchen im Verein herrschte. Es gab Boshaftigkeiten unter den Frauen und manchmal flogen die Fäuste bei den Männern, wenn sie einen über den Durst getrunken hatten. Doch Theo Schuster sorgte dafür, dass am Ende alle wieder rundliefen.

 

Seine monatelangen Mühen hatten sich gelohnt. An diesem Sonntagmorgen fuhren auch die Vereine an, die es am Samstag noch nicht geschafft hatten, an dem Ball am Abend teilzunehmen. Zum Glück lag der Schützenplatz so weit ab vom Schuss, dass die umliegenden Wiesen kurzum von den Bauern als Parkplätze zur Verfügung gestellt worden waren. Auf einem anderen Feld standen Zelte aufgebaut für die jungen Leute, die dort übernachteten und beim Schützenhaus waren dieses Mal drei große Zelte anstatt nur einem aufgebaut, wenn der Verein sonst im kleinen Rahmen feierte.

Das Essen wurde von hiesigen Partydiensten geliefert und den Kuchen für den Nachmittag hatten die Schützenfrauen gebacken. Außerdem sollte am Sonntagabend zum Abschluss noch einmal gegrillt werden.

Theo Schuster, der früher einmal Pastor gewesen war, hatte den Gottesdienst am Morgen abgehalten. Danach gingen die Kornflaschen für den Elführtje rum. Dazu gab es Kaffee und für die Kinder Saft und Cola.

Es herrschte wirklich ein munteres Treiben auf dem großen Gelände, alle waren bester Stimmung. Und gegen fünfzehn Uhr sollte das große Schießen zwischen den Vereinen stattfinden. In diesem Jahr wollte Norddeich unbedingt den Titel zurückerobern, der ihnen im letzten Jahr vom Krummhörner Verein „Die schiefe Kimme“ abgenommen worden war. Das schrie ja förmlich nach Rache, hatte Theo Schuster schon während des Gottesdienstes mit einem Schmunzeln angedeutet, als er ein Lächeln gen Himmel warf. Doch oben im Himmel war das Interesse an Vereinsaktivitäten wie diesen wohl eher gering, denn es sollte alles ganz anders kommen.

 

Einige hatten sich mittags nochmal kurz hingelegt, weil es am Abend davor doch etwas später geworden war. Und so langsam versammelten sich wieder alle auf dem Schießplatz, als es auf die Nachmittagsstunden zuging. Die Frauen hatten sich schick gemacht und sich die Haare hochgesteckt. Sie waren eben mächtig stolz auf ihre Männer, die in ihren grünen Röcken mit Hut und Anstecknadel über den Platz stolzierten. Heute ging es um was, es lag da dieses gewisse Etwas in der Luft, so dass sich plötzlich alle auf ihren eigenen Ort und ihren Verein zurückbesannen.

Theo Schuster hatte wie immer alles im Blick. Er wusste um gewisse Rivalitäten zwischen den Vereinen aus Aurich und Emden. Wenn es schlecht lief, dann bahnte sich da am Abend ganz sicher eine Schlägerei an, war er sich sicher. Deshalb betete er noch einmal innerlich, dass sie selber mit Norddeich den Titel holten. Das nahm den beiden Kontrahenten dann ganz sicher den Wind aus den Segeln. Schon seit eigen Jahren bemühten sich Aurich und Emden darum, den Pokal mit nach Hause zu nehmen. Und wer es als Erster schaffte, hatte den stummen Kampf um die Ehre gewonnen. So oder so.

Über hundert Schützen standen auf seiner Liste, also würde es bis zum frühen Abend dauern, bis der Sieger ermittelt war. Und es machte ja im Grunde auch Spaß, mitzufiebern, wenn wieder ein ganz besonders guter Schütze anlegte.

Für die Kinder war ein kleiner Jahrmarkt mit Karussells auf die Beine gestellt worden, der etwas abseits auf dem Hof eines älteren Ehepaares stand. Theo Schuster liebte den Schützensport zwar sehr, doch irgendwie behagte es ihm seit jeher nicht, wenn Kinder sich zu viel mit Waffen beschäftigten. Deshalb hatte er sich auch damit durchgesetzt, dass die Jugendlichen erst mit vierzehn Jahren in Norddeich mit an Wettbewerben wie dem heutigen Ausschießen des Friesensiegers beteiligen durften.

Dann war es endlich soweit. Der erste Schuss galt wie jedes Mal dem Vorjahressieger, also trat Manni Küper mit vor Stolz geschwollener Brust an, um ins Schwarze zu treffen. Auch wenn vorher schon wieder die Biergläser die Runde gemacht hatten und die Frauen miteinander schwatzten, als Manni Küper seine zugekniffenen Augen auf die Kimme seines Gewehrs konzentrierte, da wurde es plötzlich still auf dem Platz. Bis sich sein Zeigefinger bewegte und der Schuss fiel. Natürlich direkt ins Schwarze. Alle um Manni Küper herum applaudierten. Die Krummhörner hatten den Pokal im letzten Jahr zum ersten Mal geholt, wenn sie noch einmal gewännen, dann sollte es ein großes Fest am Deich geben.

Nach gut zwanzig Minuten waren die Krummhörner Schützen durch und die Gastgeber aus Norddeich machten sich bereit. Theo Schuster hatte als Vereinsvorsitzender und Ältester den ersten Schuss. Routiniert trat er an die mit Kreide gemalte Linie und hob sein Gewehr an die Schulter. Ja, die Arthrose machte ihm langsam wirklich zu schaffen. Seine Finger mit den verdickten Knöcheln legten sich um den Abzug. Nur gucken konnte der alte Fuchs noch wie ein Adler, wie die anderen immer feixten. Es wurde stiller um ihn herum, als er noch einmal seinen Rücken straffte. Dann drückte er ab. Alles johlte vor Freude, Theo Schuster hatte in die Mitte getroffen. Dann übertönte allerdings ein gellender Schrei diese überbordende Freude. Alle drehten sich um. Weitere Frauen kreischten und zeigten mit dem Finger zu Boden. Da lag er, Manni Küper. Getroffen von einem Schuss mitten ins Herz.

Für einen Moment waren alle starr vor Schreck, weil keiner sich mit rationalen Mitteln erklären konnte, wieso der Schuss von Theo Schuster ins Schwarze und dann auch noch Manni Küper ins Herz hatte treffen können. Doch dann wurde den meisten wohl klar, dass jemand ganz anderes geschossen haben musste. Frauen suchten Schutz bei ihren Männern, einige rannten vom Platz und weinten.

Nur Theo Schuster, der behielt wie immer die Nerven und sah sich mit seinen Adleraugen in der umstehenden Menge um. Irgendjemand hatte Manni Küper erschossen, den besten Schützen aus der Krummhörn, den Siegern vom Vorjahr. Und es sollte da wohl mit dem Teufel zugehen, wenn es nicht jemandem gab, dem es nicht in den Kram passte, dass die Krummhörner den Pokal wieder mitschleppten. Theo Schuster schwante Böses, doch er war geistesgegenwärtig genug, sich davon nichts anmerken zu lassen. Hatte nicht sein eigener Vereinskollege etwas davon gesagt, dass die Krummhörner nur über seine Leiche den Pokal wieder mitnähmen? Und sollte es jetzt praktisch Manni Küpers Leiche sein, die das verhindern musste?

„Kann mal jemand die Polizei rufen“, sagte Theo Schuster, als sich die Gruppe auf dem Platz immer weiter lichtete, „jemand muss sich doch um Manni kümmern.“ Dass dieser bereits tot war, war für Theo Schuster sonnenklar.

Ein junger Mann griff zu seinem Handy, eine Frau mit rotgeweinten Augen warf eine Decke, die sie aus dem Schützenhaus geholt hatte, über Manni, damit die Kinder ihn so nicht sahen.

Im Einsatz

Mit quietschenden Reifen kam der alte BMW von Herbert auf dem grauen Beton vor dem Schützenhaus zum Stehen.

„Geht’s auch ein bisschen vorsichtiger“, mahnte Thekla, „da vorne spielen Kinder.“

Herbert murmelte etwas Unverständliches zurück, dann stiegen alle aus.

„Hier ist ja mächtig was los“, meinte Okko, als er sich hinten aus dem Wagen gequält hatte.

„Na, Okko“, meinte Agneta in abfälligem Tonfall, „das geht sicher auch bald besser.“

„Was meinst du?“, fragte er zurück, während er sich in gebeugter Stellung eine Hand in den Rücken hielt.

„Du hast ein Cholesterinproblem“, erwiderte sie, „da nimmt man wohl automatisch ab, wenn man seine Ernährung auf Normalmaß umstellt.“

„Hat Siggi euch das erzählt?“, fragte Okko und stellte sich aufrechter hin.

„Stimmt es etwa nicht?“

„Doch doch, das ist schon richtig. Meine Cholesterinwerte sind zu hoch.“ Er klang deprimiert, was Agneta wiederum milder stimmte.

„Es tut mir leid“, sagte sie schnell, „ich wollte mich darüber nicht lustig machen.“

„Ach schon gut“, lenkte er ein, obwohl er sonst selber gerne gegen seine etwas sonderbare Kollegin, wie er sie manchmal nannte, stichelte. „Irgendwann musste es ja so weit kommen. Meine Frau hat schon den ganzen Ernährungsplan umgestellt.“

„Dann ist es wohl vorbei mit Leberwurst“, sagte sie zögerlich, denn schon alleine das Wort bereitete ihr mittlerweile Unbehagen.

„Was macht ihr da eigentlich?“, fragte Thekla, die bereits mit Herbert und Siggi mit den ersten Leuten sprach, während Agneta und Okko in Allerseelenruhe beim Wagen plauderten. Deshalb war sie zurückgekommen, um mal nachzuhaken.

„Wir kommen ja schon“, sagte Okko, „wo ist eigentlich die Leiche?“

„Das versuchen wir ja gerade in Erfahrung zu bringen“, erwiderte Thekla, „angeblich liegt der Mann mitten auf dem Schießplatz, wir müssen da lang.“ Sie zeigte in die Richtung und alle anderen folgten ihr.

Die Menschentraube, die sich um den Leichnam von Manni Küper gebildet hatte, wich auseinander, als sich die Ermittler näherten. Theo Schuster hatte das Kommando übernommen und seine Schützenkameraden um Unterstützung bei der Aufklärung des schockierenden Todesfalles gebeten. Thekla und Herbert gingen an den Leichnam, der noch immer unter einer Decke lag, heran, während die anderen etwas zurückblieben und die Menge im Auge behielten.

„Wer hat die Decke auf den Toten gelegt?“, fragte Thekla, weil sie nicht davon ausging, dass das Opfer noch selber dazu in der Lage gewesen war.

„Das war ich“, kam eine zaghafte Frauenstimme von irgendwoher.

Es dauerte eine Weile, bis Thekla sie entdeckt hatte. „Das war keine gute Idee“, knurrte sie.

„Aber hier sind doch Kinder“, protestierte die Frau und einige andere unterstützten sie mit einem zustimmenden Nicken.

„Ja, okay“, gab Thekla klein bei. Sollte sich die Spurensicherung mit solchen Sachen herumschlagen. „Würden Sie dann bitte auch die Decke für einen Moment anheben?“, fragte sie, „dann ersparen wir uns noch weitere fremde Spuren an der Decke.“

„Ich?“, fragte die Frau ungläubig.

„Ja, Sie“, bestätigte Thekla, „bitte ...“.

Mit vorsichtigen Schritten, als ginge sie barfuß auf gebrochenem Glas, näherte sich die Frau der grünblau gestreiften Decke und beugte sich zögerlich herab, um dann die spitzen Finger Richtung Decke auszufahren. Kurz davor stoppte sie jedoch.

„Ich kann das nicht“, sagte sie und richtete sich wieder auf. „Er ist doch tot.“

„Eben“, sagte Thekla, der beißt nicht mehr, fügte sie in Gedanken hinzu.

Es war wohl das große Glück für beide, dass in dem Moment der Gerichtsmediziner um die Ecke kam. Theo Schuster wies auch ihm den Weg.

„Gut, dass du da bist“, meinte Thekla erleichtert, denn sie war kurz davor gewesen, die Decke selber hochzureißen. Nur Herbert hielt sich zu ihrer Verwunderung schmallippig zurück. Das war sonst gar nicht seine Art. „Der Tote liegt unter der Decke.“

„Hab ich mir schon gedacht“, meinte der Fachmann und beugte sich herab, um die Decke kurz anzuheben. Dann nickte er. „Es wäre gut“, sagte er, „wenn sich jetzt alle hier ein wenig zurückziehen würden. Wir arbeiten in der Regel lieber ohne Publikum.“

Es schien, als seien plötzlich alle taub geworden, denn keiner rührte sich vom Fleck. Erst, als Theo Schuster wieder die Initiative ergriff, löste sich die Menge langsam auf. „Sie müssen entschuldigen“, sagte er und klang reumütig, „doch so etwas passiert in unserem kleinen Verein ja auch nicht alle Tage.“

„Sie haben hier aber schon eine gewisse Autorität“, lobte Herbert, während der Gerichtsmediziner die Decke vom Toten zog und mit der Begutachtung begann.

„Naja“, sagte Theo Schuster, „ich lebe praktisch mit dem Verein und dafür, wenn man so will. Das große Schützentreffen findet dieses Mal bei uns statt. Naja, nun ist es wohl vorbei.“ Er klang ein wenig betrübt.

„Das denke ich schon“, meinte Herbert ernst, „wer ist der Tote?“

„Oh, hatte ich das noch gar nicht erwähnt“, ereiferte sich Theo Schuster und alle sahen wieder zum Leichnam, der jetzt vom Gerichtsmediziner leicht zur Seite gedreht wurde. „Das ist Manni Küper, der beste Schütze aus der Krummhörn. Die Krummhörner haben im letzten Jahr den Friesenpokal mit nach Hause genommen. Davor hatten wir ihn zwei Jahre.“ Er erklärte noch kurz, dass es sich um einen Wettkampf aller in Ostfriesland beheimateten Schützenvereine handelte, der im Wechsel mal hier und mal da ausgerichtet wurde.

„Wie gut kannten Sie Herrn Küper?“, fragte Thekla, während der Tote wieder auf den Rücken rollte. Er war von kleiner stattlicher Natur, blond und ziemlich blass. Ostfriesisch eben, dachte sie.

„Ach, ziemlich gut, würde ich sagen“, antwortete Theo Schuster, „aber das gilt wohl für die meisten Schützen hier. Ich meine, wir haben dasselbe Hobby und sehen uns ja ein paar Mal im Jahr. Da kennt man sich eben.“

„Sie scheinen ja schon ein richtiges Urgestein zu sein“, meinte Okko, der sich selber noch nie für den Schützensport interessiert hatte. Waffen waren nicht so sein Ding, was ihm kaum einer abnahm, da er ja zur Polizei gegangen war. „Wie lange sind Sie schon im Verein tätig?“

„Oh“, meinte Theo Schuster, „ich glaube, es sind schon über fünfzig Jahre, wenn ich mich recht entsinne. Aber eine große Sache habe ich daraus nicht gemacht, obwohl einige im Verein das gerne gesehen hätten. Aber die große Aufmerksamkeit ist nicht so mein Ding, ich finde es schöner, wenn wir alle gemeinsam etwas erreichen und nicht so sehr der Einzelne im Vordergrund steht.“

„Das macht das Vereinsleben ja wohl auch so angenehm“, meinte Okko, der selber nie auf den Gedanken gekommen wäre, einem Verein beizutreten. Ihm reichten schon die Kaffeekränzchen, die seine Frau regelmäßig in seinem Haus abhielt. Dieser Lärm um nichts, der Tratsch über andere. Das war nicht Okkos Ding. Doch er wusste, dass die meisten von den Frauen schon wussten, dass er einen erhöhten Cholesterinspiegel hatte. Bestimmt tauschten sie schon Rezepte aus, weil wohl jede von ihnen verheiratet war mit so einem wehleidigen Exemplar.

„Sind Sie auch in einem Verein aktiv?“, fragte Theo Schuster interessiert.

„Ne“, winkte Okko ab, „dafür bleibt einfach keine Zeit in unserem Job.“

„Naja“, mischte sich Agneta nun in die Unterhaltung ein, „ich bin Mitglied bei den Tierschützern.“

„Oh“, sagte Theo Schuster und musterte Agneta das erste Mal etwas interessierter. Es war nicht sicher, dass er sie vorher aufgrund ihrer Erscheinung überhaupt als Kollegin der Polizei identifiziert hatte. „Tierschutz ist eine gute Sache“, meinte er nach einer Weile, während sein Blick an ihren bunten Haaren hängenblieb.

„Eine Kugel mitten ins Herz“, sagte nun der Gerichtsmediziner und lenkte die Aufmerksamkeit aller wieder auf sich. „Er war sofort tot.“

„Also war es ein guter Schütze?“, fragte Thekla.

„Das sind sicher alle hier“, meinte der Gerichtsmediziner und wies auf die Scheibe, wo die meisten Treffer rund um die Zehn steckengeblieben waren.

„Sicher“, meinte Thekla. „Denkst du, dass es sich auch um den Schuss aus einem Gewehr gehandelt hat?“

„Das könnte sein“, gab er zurück und kam aus der Hocke hoch, „allerdings wäre es mir lieber, erst konkretere Aussagen dazu zu treffen, wenn ich ihn in der Gerichtsmedizin auf dem Tisch habe.“

„Natürlich. Sonst noch irgendetwas, was für uns wichtig sein könnte?“

„Außer dem Loch im Herzen? Ne, ich denke nicht. Ein eindeutiger Fall, denke ich. Er wurde direkt in den Rücken getroffen. Ein gezielter Schuss, der wohl keine Fragen offenlässt.“

„Manni Küper sollte sterben“, schlussfolgerte Thekla. Dann wandte sie sich wieder an Theo Schuster, der die ganze Zeit betreten dabeigestanden hatte. „Herr Schuster, wer hat zu dem Zeitpunkt auf die Scheibe geschossen, während die weitere Kugel ins Herz von Mann Küper ging?“

„Oh, das war wohl ich“, erklärte Theo Schuster, „deshalb kann ich auch nicht viel dazu sagen, was währenddessen um mich herum geschehen ist.“

„Ihnen ist also keine weitere Person aufgefallen, die zum Schuss angelegt haben könnte?“

„Nein, ehrlich gesagt nicht. Man konzentriert sich ja sehr, wenn man selber schießt. Erst recht in meinem Alter.“

„Verstehe. Dann benötigen wir wirklich die Hilfe jedes Einzelnen hier auf dem Platz. Irgendjemand muss doch etwas gesehen haben, das gibt es doch gar nicht, dass ein Mensch erschossen wird und keiner bekommt etwas mit.“

„Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu“, meinte Theo Schuster, „ich habe ja die Liste mit allen, die heute hier sind. Jedenfalls von den Schützen, die antreten. Natürlich gibt es hier auch viele Kinder und Frauen, die nicht erfasst sind.“

Thekla rollte innerlich mit den Augen. Das konnte ja ein Spaß werden, da alle Zeugen zu befragen. Auf der Liste, so hatte sie erfahren, standen an die hundert Namen. Man konnte also davon ausgehen, dass mindestens noch einmal die doppelte Anzahl an Menschen auf dem Platz unterwegs gewesen war, als man Manni Küper erschossen hatte. Das würde die berühmte Stecknadel im Heuhaufen werden, nach der sie suchen mussten.

 

„Ich finde das sehr unangenehm hier“, raunte derweil Agneta ihrem Kollegen Siggi zu. Die beiden hatten sich etwas weiter abseits in den Schatten gestellt. „Ich mochte Schützen ja noch nie.“

„Man muss ja nicht alles mögen, womit man beruflich zu tun hat“, erwiderte Siggi diplomatisch. „Aber schön ist es ja nicht, wenn einer von ihnen auf dem Fest hier erschossen worden ist.“

„Nein, schön ist das nicht“, wiederholte Agneta, „was denkst du? War es eine Tat im Affekt?“

„Ne, das denke ich nicht. Die Schützen schießen nicht im Affekt, sondern schon gezielt auf ihre Scheiben.“

„Aber einer von denen hat auf Manni Küper gezielt ...“, gab sie zu bedenken.

„Und zwar nicht schlecht“, stimmte Siggi zu. „Du hast es ja eben gehört, ein glatter Schuss, sofort tödlich.“

„Irgendwie ist das widerlich“, sagte Agneta und wurde blasser. „Ich glaube, ich möchte jetzt nach Hause fahren.“

„Wir sind mit Herbert hier, also müssen wir warten“, sagte Siggi, dem die Sache hier auch nicht ganz geheuer war. Da hatte Agneta schon recht, Schützen war eine besondere Sorte Mensch. Wer hatte schon Spaß daran, den ganzen Tag zu schießen? Da stimmte doch irgendwas nicht. Er selber lehnte Gewalt in jeglicher Form ja schon lange ab.

„Wir könnten ja auch zurücklaufen“, schlug Agneta vor, „es sind doch nur ein paar Kilometer.“

„Hm, ich weiß nicht. Was sollen denn die anderen denken?“

„Ach, die nehmen uns doch sowieso nicht ernst“, sagte sie und machte sich bereit, um loszulaufen, indem sie ihre Beine dehnte und die Arme ein paar Mal hob und senkte. „Also was ist? Kommst du mit?“

Siggi sah sich hilflos um. Alleine wollte er hier aber auch nicht herumstehen. Also nickte er und die beiden gingen praktisch unbemerkt von den anderen vom Schützenplatz.

 

„Also, wenn nichts dagegenspricht“, sagte gerade der Gerichtsmediziner, „dann würde ich mich mit dem Opfer jetzt mal auf den Weg nach Oldenburg machen. Desto eher habt ihr ja auch Gewissheit, um welche Waffe es sich bei dem Mord gehandelt hat.“

„Sicher“, meinte Herbert, „und wir kümmern uns mal um die möglichen Zeugen hier. Irgendjemand muss doch was gesehen haben, sonst müsste es schon mit dem Teufel zugehen.“

Und genau dieser Herr schien hier seine Finger im Spiel zu haben. Denn auch Stunden später, nachdem Thekla, Okko und Herbert zunächst auf Agneta und Siggi geschimpft hatten, als diese spurlos verschwunden schienen, und dann eine Menge Zeugen befragt worden waren, blieb der Tod von Mann Küper mysteriös. Denn niemandem war etwas Ungewöhnliches aufgefallen. Und keiner konnte sich daran erinnern, ob er Manni Küper gesehen hatte. Geschweige denn, ob er in seiner unmittelbaren Nähe stand, als der tödliche Schuss auf ihn abgefeuert wurde.

„Da stimmt was nicht“, raunte Thekla Okko und Herbert zu, als sie schließlich beschlossen, es für diesen Tag gut sein zu lassen.

„Die stecken alle unter einer Decke, wenn ihr mich fragt“, sagte Okko und sein Magen knurrte hörbar. „Sorry“, sagte er entschuldigend, „aber ich habe noch kein Abendbrot gehabt.“

„Wir ja wohl auch nicht“, mäkelte Herbert, „kommt, wir machen uns jetzt auf den Weg. Morgen ist auch noch ein Tag.“

Sie gingen zur trauernden Menge, die sich im großen Zelt versammelt hatte, um Manni Küper zu gedenken. Theo Schuster versprach, am nächsten Tag noch einmal in der Dienststelle vorbeizusehen. So oder so.

Oma Gerda

Gerda war gleich nach draußen zu den Hühnern gegangen, als die Soko in Herberts Wagen abgefahren war.

„Miene“, hatte sie mit einem Seufzer zu einer der Hennen gesagt, „du glaubst ja nicht, was heute passiert ist.“ Zur Antwort bekam sie ein klägliches Gackern, da Miene ebenfalls schon in die Jahre gekommen war.

Gerda setzte sich auf einen alten Schemel und rieb sich die Hände, obwohl es heute gar nicht kalt war. Doch es fröstelte sie ein wenig. Ja, sie wäre gerne zum Schützenfest gefahren, dachte sie, während sie nach Halt an der Wand hinter sich suchte. Gerne hätte sie Theo Schuster noch einmal gesehen. Das letzte Mal hatte sie ihn an ihrem vergangenen Geburtstag, zu dem auch er mit seiner Frau gekommen war, gesprochen. Nun hatte sie ihm erneut eine Einladung aussprechen wollen für das nächste Fest. Doch nach feiern war ihm ganz bestimmt nicht mehr zumute. Sie kannte Theo. Wenn es um seinen Verein ging, dann musste alles andere warten. Bestimmt hatte es ihn tief getroffen, dass ausgerechnet in Norddeich ein Mord geschah, wenn der große Pokal in seinem Verein ausgeschossen wurde. Das hatte er wirklich nicht verdient, diese Schande.

Sie fragte sich, wen man da wohl erschossen hatte und vor allem warum. Auf Schützenfesten ging es ja im allgemeinen hoch her. Das kannte sie noch aus früheren Zeiten, wo es manche Eifersuchtsszene gegeben hatte, wenn der beste Kumpel mit der Frau eines anderen engumschlungen über den Tanzboden schob. Gerda musste schmunzeln. Sie hatte immer nur mit ihrem eigenen Mann getanzt. Und das sehr gerne. Später waren sie dann auch zusammen mit den Kindern zur Kirmes gegangen. Es war immer sehr schön gewesen.

In den letzten Jahren hatte sie sich allerdings auf dem Platz rar gemacht. Es hatte ihr keinen Spaß mehr gebracht, alleine dorthin zu gehen. Erst, seitdem Thekla und Agneta bei ihr wohnten, schöpfte sie wieder neuen Mut für solche Unternehmungen.

 

Siggi und Agneta hatten bereits den halben Weg hinter sich gebracht, als sie plötzlich einen Wagen hupen hörten. Sie sahen sich um, es waren die Kollegen.

„Na“, stöhnte Agneta auf, „das gibt bestimmt gleich Ärger.“

Der Wagen hielt neben den beiden. Die Seitenscheibe auf der Beifahrerseite fuhr herunter.

„Hattet ihr keine Lust mehr, oder was?“, fragte Thekla mit bösem Unterton.

Betreten sahen die beiden Ertappten auf ihre Füße.

„Na kommt“, sagte Thekla, „wir sind ja keine Unmenschen. Steigt ein.“

Okko und rückte ganz auf die andere Seite, als seine Kollegen einstiegen. Er war froh, dass Siggi neben ihm saß. Agneta hatte so spitze Knochen, das hatte ihn schon auf der Hinfahrt gestört.

„Habt ihr denn was rausgefunden?“, fragte Siggi nun an Okko gewandt.

„Naja, nicht viel“, gab dieser zu. „Aber wir sind ja auch noch am Anfang. Eines steht allerdings fest. Manni Küper starb an einem einzigen Schuss, und zwar mitten ins Herz.“

„Oh“, sagte Agneta, „ob es sich um eine Tat aus Eifersucht handeln könnte?“

„Mit dem Tierschutz hat es jedenfalls wohl nichts zu tun“, gab Okko zurück.

„Das weißt du nicht“, stieg sie auf diese Provokation ein, „gerade Tierschützer könnten ja etwas gegen Schützen haben.“

„Aber warum denn? Sie schießen doch nur auf Scheiben.“

„Das ist egal. Aber sie tragen Waffen. Und außerdem weiß ich von meinen eigenen Vereinskollegen, dass diese Gewehre von einigen Schützen auch dafür genutzt werden, um unliebsame Tauben oder ähnliches aus dem eigenen Garten zu vertreiben.“

„Ach ja? Das ist aber gar nicht erlaubt. Bestimmt sind das nur dumme Gerüchte“, meinte Okko.

„Wer fragt schon danach, ob so etwas erlaubt ist.“ Agneta sah jetzt wieder aus dem Fenster. Sie wollte nicht mehr diskutieren.

Thekla saß vorne und grübelte. Irgendwie lief ihre sonst so eingeschworene Gemeinschaft nicht mehr rund. Agneta driftete immer mehr ab und Okko war jetzt krank. Was kam als Nächstes. Sie sah zur Seite. Herbert fuhr wie immer schweigend. Harte Züge um seine Mundwinkel. Niemand wusste, was er dann dachte. Und irgendwie wollte das auch gar keiner wissen. Herbert war unergründlich. Doch Thekla ahnte, dass er ein böses Geheimnis mit sich trug. Warum sonst war ein Mensch derart verschlossen wie er. Und Siggi. Ach, irgendwie tat er ihr von Herzen leid. Nun hatte es wieder nicht geklappt mit einer neuen Beziehung. Sie hatte es ihm so sehr gegönnt. Doch Sibylle war wohl noch unentschlossen, ob es für ihren Sohn Erik wirklich das Richtige war, wenn sie sich ganz auf Siggi einließ. Vielleicht hatte sie einfach erkannt, dass Siggi manchmal etwas hilflos war und im Grunde selber einen Anker brauchte. Wahrscheinlich war das alles zu viel für eine junge alleinerziehende Mutter, die sich dazu auch noch um ihren Lebensunterhalt sorgte.

Sie erinnerte sich nun an die Zeit zurück, als sie vor ein paar Jahren die alte Bauernkate renoviert und zur Dienststelle umgewidmet hatten. Da hatten sie so schöne Feste gefeiert. Nun allerdings saßen sie meistens bei Gerda zuhause. Nicht, dass Thekla etwas gegen Gerda gehabt hätte, sie mochte sie wirklich sehr. Doch manchmal, da wünschte Thekla sich das wilde Leben zurück. Sie in ihrer kleinen eigenen Wohnung. Wo sie, das gab sie ja zu, oft auch alleine gesessen hatte und traurig gewesen war. Nun bei Gerda im Haus war sie praktisch nie mehr alleine. Manchmal fehlte ihr das auch. Einfach traurig auf dem Sofa sitzen. Wenn sie das jetzt tun würde, wäre sofort Gerda zur Stelle, um zu fragen, was ihr fehlte. Und wenn sie auf ihrem Zimmer blieb, dann dauerte es meist auch nicht lange, bis jemand klopfte. So war das eben in ihrer Frauen-WG.

Der Wagen hielt. Sie standen plötzlich vor Gerdas Haus. Alle stiegen aus. Dann sahen sie Gerda aus dem Hühnerstall kommen. Sie winkte ihnen mit zwei Händen voller Eier.

„Da seid ihr ja wieder“, rief Gerda und eilte auf sie zu, „ihr müsst mir alles erzählen, was da auf dem Schützenplatz los war. Thekla, machst du uns Tee?“

„Sicher“, murmelte Thekla und beeilte sich, ins Haus zu kommen. Dabei streifte ihr Blick das Sofa im Wohnzimmer. Sie stieß einen Seufzer aus.

Die anderen deckten gemeinsam den Tisch fürs Abendbrot.

Wo ist mein Leben geblieben, fragte sich Thekla, als sie mit einem Tablett, auf dem zwei Stövchen und Teekannen standen, hereinkam. Sie stellte alles auf den Tisch und hörte die Stimmen der anderen wie aus weiter Ferne. Nur einmal wieder Stille, dachte sie, was würde ich dafür geben.

Dann saßen alle um den Tisch versammelt und Okko schmierte sich missmutig den mageren Quark, den Gerda für ihn zubereitet hatte, auf sein Schwarzbrot, das nicht einmal mit Butter bestrichen war. Der Hunger treibt’s rein, dachte er und biss ein erstes Stück ab. Es schmeckte ihm nicht, aber daran würde er sich nun wohl noch gewöhnen müssen.

Herbert schilderte Gerda den Ablauf der letzten Stunden, weil Thekla bisher nichts gesagt hatte. Das fand er sonderbar, wo sie doch sonst so gerne das Wort an sich riss.

„Ein Schütze aus der Krummhörn also“, sagte Gerda, „wie hieß er nochmal?“

„Manni Küper“, wiederholte Herbert, „sechsunddreißig Jahre, verheiratet und Vater eines kleinen Sohnes. Seine Frau war auch auf dem Fest und wurde mit einem Rettungswagen zur nächsten Klinik gefahren, nachdem sie umgekippt war.“

„Das ist ja auch wirklich schlimm“, meinte Gerda, „wer tut so etwas nur?“

„Das fragen wir uns auch“, sagte Thekla plötzlich. Es schien, als sei sie aus einem Koma erwacht, denn sie sagte es ziemlich laut, so dass nun alle in ihre Richtung sahen. „Sorry“, schob sie nach, „ich wollte nicht so schreien.“

„Schon gut“, sagte Herbert, der sich in seiner Annahme, dass etwas mit Thekla nicht stimmte, immer mehr bestätigt sah. Er nahm sich vor, später noch einmal unter vier Augen mit ihr zu sprechen.

„Was vermutet ihr denn?“, fragte Gerda, der es im Grunde immer lieber war, wenn jemand die Stimme erhob, wenn er sprach. So gut waren ihre Ohren dann auch nicht mehr. Und immer schwerer fiel es ihr in der letzten Zeit, Agneta zu verstehen, die es sich angewöhnt hatte, das meiste, was sie sagte, mehr zu flüstern, denn zu sprechen.

„Wir haben überhaupt noch keine Vermutung“, fuhr Thekla fort, „wir sind ja noch ganz am Anfang. Wir müssen mit der Witwe sprechen, wenn die Ärzte es gestatten. Und dann soll es da auch noch so kleine Reibereien unter den Vereinen gegeben haben, weil natürlich keiner wollte, dass die Krummhörner den Pokal erneut mit nach Hause nehmen.“

„Aber ihr glaubt doch wohl nicht, dass Theo Schusters Verein etwas mit dem Mord zu tun hat?“, fragte Gerda völlig ungläubig, „also, für Theo lege ich wirklich meine Hand ins Feuer.“

„Du kennst ihn sicher besser als wir“, gab Thekla klein bei. Es half ja auch nicht weiter, wenn sie sich hier mit Gerda um die Glaubwürdigkeit des Vereinsvorsitzenden stritt. Was sie nun brauchten, waren Fakten. Ein Team der Spurensicherung kümmerte sich gerade darum, alle Gewehre und andere Kleinkaliberwaffen auf dem Schützenplatz unter die Lupe zu nehmen. Das würde sicher die ganze Nacht andauern. Von Stindt hatten sie bisher noch nichts gehört. Das war eigentlich komisch. Bestimmt meldete er sich am nächsten Morgen in der Dienststelle.

„Ich wollte mich natürlich nicht in eure Ermittlungen einmischen“, meinte Gerda kleinlaut.

„Oh, so war das auch gar nicht gemeint“, ereiferte sich Thekla, denn sie wusste, dass sie eben hart geklungen hatte. Warum eigentlich. Was war nur mit ihr los. „Du weißt, dass wir deinen Rat bei unserer Arbeit immer sehr zu schätzen wissen.“

„Allerdings“, mischte sich Agneta ein, „manchmal wären wir ohne deine Unterstützung längst nicht so schnell zu einem guten Ergebnis gekommen.“ Ihr tat Gerda leid. So, wie ihr eigentlich alles leidtat, außer Thekla. Was bildete sich die Kollegin eigentlich ein, so schroff zu Gerda zu sein zu müssen. Gerade zu der Frau, die ihnen ein wirklich wunderschönes Dach über dem Kopf geschenkt hatte, die täglich für ein leckeres Essen für alle sorgte. Gerade so einer Frau sollte man besonders freundlich begegnen.

Okko, der mittlerweile sein drittes Quarkbrot verdrückte, sah ratlos von einem zum anderen. Was war nur wieder mit den Frauen los. Da musste wohl etwas in der Luft liegen. Aber so, wie sie sich jetzt beharkten, bekamen sie zum Glück nicht mit, wie er sich heimlich eine dicke Schicht Butter unter seine weiteren Brote geschmiert hatte. So ließ sich selbst der Quark ertragen.

„Ich denke, wir sollten jetzt alle mal wieder zur Sache kommen“, meinte Herbert.

„Aber nicht mehr heute“, wehrte Thekla ab, die merkte, dass sie wirklich etwas Schlaf brauchte. „Es ist gleich schon halb zehn. Wir sollten abräumen und morgen früh sehen wir uns in aller Frische wieder in der Dienststelle. Es gibt eine Menge zu tun.“

Ihr Vorschlag stieß auf Zustimmung, es hatte wohl jeder etwas Schlaf nötig. Sie räumten gemeinsam ab und dann verließen Herbert, Siggi und Okko das Haus. Dieses Mal hatte es keinen Schlendertrunk gegeben.

Agneta war schon auf ihrem Zimmer verschwunden, als Thekla noch einmal zu Gerda in die gute Stube ging. Gerda hatte es sich bereits in ihrem Ohrensessel bequem gemacht und eine Decke über ihre Knie gelegt.

„Alles in Ordnung?“, fragte Thekla. Auch sie beschlich nun ein schlechtes Gewissen. Sie bürdeten der alten Dame wirklich eine Menge auf.

„Sicher“, erwiderte Gerda, „möchtest du dich noch auf ein Schnäpschen zu mir setzen?“

Auch wenn Thekla eigentlich nach oben auf ihr Zimmer gewollt hatte, nun tat sie Gerda doch den Gefallen und leistete ihr noch etwas Gesellschaft. Sie schenkte für beide einen roten Genever ein und setzte sich dann aufs Sofa.

„Prost“, sagte Gerda und erhob munteren Blickes ihr Glas.

„Zum Wohl“, meinte Thekla und kippte den Schnaps in einem Zug herunter. Dann schüttelte sie sich kurz wie ein nasser Hund und stellte ihr Glas auf dem Tisch ab. „Ich wollte vorhin nicht so grob zu dir sein“, sagte sie kleinlaut.

„Hm ... ich weiß nicht, was du meinst“, erwiderte Gerda.

Damit war die Sache irgendwie vom Tisch. Mit Gerda konnte man gar nicht richtig streiten. Sie war ein Gemütsmensch, der kleine Schwächen von anderen tolerierte.

„Ich geh dann auch mal auf mein Zimmer, es war wirklich ein anstrengender Tag“, meinte Thekla. Sie nahm die leeren Schnapsgläser mit und brachte sie noch in die Küche, bevor sie nach oben ging.

Jaja, dachte Gerda, als sie schließlich ganz alleine im Wohnzimmer saß. So sind sie, die jungen Leute. Sie schaukelte noch ein wenig mit ihren in der Luft hängenden Füßen hin und her, bevor sie in einen leichten Schlaf hinüberglitt.

Theo Schuster

Theo Schuster war um kurz nach Mitternacht nach Hause gekommen, doch an Schlaf war für ihn jetzt wirklich nicht zu denken. Seine Frau Agnes, die zuhause geblieben war, saß in einem Sessel und schlief. Das Buch, in dem sie wohl gelesen hatte, lag bäuchlings auf ihrem Schoß.

Er nahm eine Decke vom Sofa und breitete sie über seiner Frau aus, nachdem er vorsichtig das Buch an sich genommen und auf den Tisch gelegt hatte. Dabei war sie dann aufgewacht. Erschrocken sah sie ihn mit großen Augen an.

„Theo?“, sagte sie, „ist es schon so spät?“

„Kurz nach zwölf“, erwiderte er, „du solltest jetzt ins Bett gehen.“

„Und du?“

„Ich komme auch bald ...“. Er hatte beschlossen, ihr die furchtbare Nachricht vom Tod eines Schützenkameraden erst am nächsten Morgen zu erzählen, damit sie wenigstens noch die Nacht in Ruhe schlafen konnte. Seit einigen Monaten baute sie immer mehr ab. Die Gicht in den Knochen, dazu der Anflug einer beginnenden Demenz machten ihr das Leben auch so schon schwer genug. Über sechzig Jahre kannten sie sich nun und davon waren sie fast fünfzig miteinander verheiratet. Wo war nur die Zeit geblieben. Ein Leben ohne Agnes, das konnte Theo Schuster sich gar nicht vorstellen. „Komm, ich bringe dich ins Schlafzimmer“, sagte er nun und half ihr hoch. Eigentlich hatte es früher immer so ausgesehen, dass sie ihn eines Tages würde pflegen müssen. Das Schicksal hatte es wohl anders mit ihnen beiden gemeint.

Als er wieder ins Wohnzimmer zurückkam, schenkte Theo sich erst einmal einen guten Cognac ein. Den konnte er nun brauchen. Die Liste aller Schützen lag vor ihm auf dem Wohnzimmertisch. Auch der Name von Manni Küper war darunter. Und einer von den anderen auf dieser Liste, der musste Manni wohl erschossen haben, dachte Theo. Wie sollte es denn sonst gewesen sein. Aber wer hatte es getan, fragte er sich. Und warum nur. Er selber kannte Manni eher nur flüchtig. Er gehörte schon zur jungen Generation mit seinen sechsunddreißig Jahren. Er war ein guter Schütze, das wusste Theo wohl. Aber sonst? Eine Frau und einen Sohn, die hinterließ er nun. Sie mussten von nun an alleine zurechtkommen. Auf jeden Fall, so dachte Theo nun, während der Cognac brennend durch seine Kehle lief, werden wir in unserem Verein für die beiden sammeln, das war Ehrensache.

Er lehnte sich zurück und ging die Namen auf seiner Liste noch einmal durch. Doch bei keinem hatte er auch nur den geringsten Verdacht, dass er etwas mit dem Tod von Manni zu tun haben könnte. Und eines war für ihn so sicher wie das Amen in der Kirche, aus seinem Verein in Norddeich, da hatte es keiner getan. Dafür legte er seine Hand ins Feuer.

Irgendwann überkam auch ihn die Müdigkeit und er ging zu seiner Frau Agnes ins Bett, die bereits tief und fest eingeschlafen war.

In der Dienststelle

Am nächsten Morgen wirkten alle irgendwie verkatert, obwohl am Abend zuvor eigentlich gar nichts getrunken worden war.

Herbert war der erste in der Dienststelle gewesen und so konnte er den Anruf von Stindt schon gegen acht Uhr entgegennehmen.

„Er kommt vorbei“, sagte er nun, eine Stunde später zu seinen Kollegen, „kann nicht mehr lange dauern.“

„War ja klar“, meinte Thekla und rieb sich über die Augen. Sie hatte doch eigentlich durchgeschlafen, wunderte sie sich über ihre eigene Trägheit an diesem Tag.

Agneta und Siggi saßen zusammen in einer Ecke und tuschelten hin und wieder miteinander, was aber niemanden weiter interessierte.

Okkos Magen knurrte hin und wieder in die Stille hinein. Irgendwie schien insgesamt die Luft raus zu sein in ihrer sonst recht munteren Truppe.

„Ist der Bericht aus der Gerichtsmedizin schon da?“, fragte Thekla und klang wenig erpicht darauf, überhaupt irgendetwas in Angriff zu nehmen.

„Nein, noch nicht“, antwortete Herbert. „Kannst du nicht mal einen Kaffee machen? Ich habe den Eindruck, dass wir sonst heute nicht in die Puschen kommen.“

„Du hast recht“, stimmte Thekla zu, „Tee wäre jetzt wirklich kontraproduktiv.“ Sie quälte sich vom Stuhl hoch und setzte einen Kaffee an.

„Kannst du nicht mal langsam was essen“, wandte sich Herbert dann an Okko, weil ihm die Magengeräusche so langsam aber sicher auf die Nerven gingen.

„Nichts lieber als das“, sagte Okko und griff sofort nach seiner Tasche. Er wollte sich ja eigentlich vor den Kollegen wenigstens bis zum Frühstück zusammenreißen. Doch nun gab es kein Halten mehr. In Nullkommanichts war dann das Graubrot mit Käse vertilgt. Danach noch eine Stulle mit Marmelade. Da war noch nicht einmal der Kaffee ganz durchgelaufen. Es sagte von den anderen aber niemand etwas dazu. Selbst zum Stänkern fehlte heute wohl allen die Kraft.

Während Herbert etwas an seinem PC machte, stellte Thekla Kaffeebecher auf den Schreibtisch. Dazu die Milch und den Zucker. Hin und wieder glitt ihr Blick rüber zu Agneta, die ihrerseits darauf bedacht blieb, Thekla nicht direkt anzusehen. Da lag was in der Luft.

Dann endlich war der Kaffee durchgelaufen, Thekla schenkte jedem ein und alle bedienten sich im weiteren selber.

„Wir sollten heute vielleicht nochmal mit dem Vereinsvorsitzenden sprechen“, schlug Herbert vor.

„Du meinst Theo Schuster?“, fragte Okko nach.

„Genau“, bestätigte Herbert, „er scheint ja doch den besten Überblick über alles zu haben.“

„Und was ist mit dem Vorsitzenden vom Krummhörner Verein?“, fragte Thekla, „schließlich kommt das Opfer ja von dort.“

„Das stimmt, aber Theo Schuster hat gesagt, dass der dieses Mal nicht dabei war“, antwortete Okko. Und es schien, als sei er der Einzige, der an diesem Morgen wirklich Lust hatte zu arbeiten, nachdem er endlich etwas im Bauch hatte. „Angeblich gab es eine Terminüberschneidung mit einer anderen Familienfeier.“

„Ach ja? Nun, das kann ja vorkommen“, meinte Herbert. „Dann halten wir uns also wie vereinbart an Theo Schuster.“

„Wir könnten ihn doch bitten, hier vorbeizukommen“, schlug Siggi plötzlich aus dem Off vor.

„Klar“, stimmte Herbert zu, „gute Idee.“ Er sah auf seinen Stapel Papier vor sich auf dem Schreibtisch, wo die Liste von Theo Schuster ganz oben lag. Darauf standen auch seine Kontaktdaten. Er griff zum Telefon, unterhielt sich kurz und legte wieder auf. „Er kommt gegen elf hierher.“

„Das ist gut“, sagte Thekla und dachte, dann gehe ich aber solange in ein Einzelbüro, ich brauche meine Ruhe.

Doch im nächsten Moment hörten sie die Eingangstür, Stindt war im Anmarsch.

„Moin“, sagte der Chef, als er ins Büro kam.

Die anderen erwiderten seine Begrüßung, Herbert bot ihm einen Platz an.

„Schlimme Sache“, fuhr Stindt fort, „ausgerechnet beim Schützenfest. Wie weit seid ihr mit den Ermittlungen?“ Sein Blick galt Herbert, dieser übernahm wohl heute die Gesprächsführung mit dem Vorgesetzten.

„Nun ja“, begann Herbert, „es ist ja gestern Nachmittag erst passiert. Wir warten im Moment noch auf den Bericht aus der Gerichtsmedizin und dann kommt um elf Uhr der Vereinsvorsitzende zu uns in die Dienststelle.“

„Theo Schuster?“

Herbert nickte.

„Ein feiner Kerl.“

„Er hat gerade geschossen als es passierte“, fuhr Herbert fort, „also auf die Scheibe, während es zeitgleich dann auch Manni Küper erwischte.“

„Was für ein Glück“, stieß Stindt aus, „dann fällt Theo wenigstens schon mal als Verdächtiger aus.“

Niemand im Raum außer ihm verstand im Moment, warum das nun so ein großes Glück sein sollte. Doch Stindt hatte seine Finger ja überall im Spiel. Sicher hatte er schon oft im Vereinsheim gesessen und gefeiert. Hoffentlich bleibt er nicht so lange, bis Theo Schuster hier ist, dachte Thekla bei sich.

Stindt ließ sich dann von Herbert noch einmal den konkreten Ablauf des Vortages schildern. Herbert berichtete ihm, dass die ballistische Untersuchung noch nicht in Gänze abgeschlossen war. Was konkret bedeutete, dass man die Tatwaffe noch nicht gefunden hatte.

Dann klingelte das Telefon vor ihm auf dem Tisch und alle starrten darauf, als Herbert abnahm. Es war der Gerichtsmediziner. Seine Vermutung, dass Manni Küper direkt nach dem Treffer ins Herz verstorben war, wurde wie erwartet bestätigt. Die Kugel, die er aus dem Opfer geholt hatte, stammte definitiv aus einer Kleinkaliberwaffe und nicht aus einem Schützengewehr. Sie mussten nun nach einer Glock 44 suchen, die auch im Schießsport als gängiges Model im Einsatz war. Herbert bedankte sich und legte wieder auf.

„Ihr habt es ja gehört“, sagte er und machte ein ernstes Gesicht, „Manni Küper ist mit einer Glock 44 erschossen worden.“

„Davon gibt es sicher auch eine ganze Menge in den Schützenvereinen“, stellte Thekla fest.

„Davon könnt ihr ausgehen“, sagte Stindt. „Ihr solltet alle Waffen sicherstellen. Hier in Norddeich. Und am besten auch die in den Vereinen, die an diesem Wettbewerb beteiligt gewesen sind an diesem Wochenende.“

„Natürlich“, bestätigte Herbert, denn seinem Chef widersprach man nicht. Allerdings verdrehte er bei dem Gedanken, durch ganz Ostfriesland fahren zu müssen, innerlich die Augen. Das waren nicht weniger als zwanzig Vereine, um die sich dann zu kümmern hatten.

„Was hat Theo Schuster denn bisher gesagt?“, fragte Stindt und sah Thekla an. Irgendwie gefiel sie ihm heute Morgen nicht. Sie war so ungewöhnlich still, wo sie doch sonst immer die Erste war, die mit Vorschlägen glänzte.

„Naja“, sagte sie zögerlich, weil sie spürte, dass sein Blick auf ihr ruhte, „er kann ja nicht viel dazu sagen, weil er ja selber geschossen hat in dem Moment. Aber auch die anderen Schützen und Frauen konnten keine konkrete Aussage dazu machen, wer genau in Manni Küpers Nähe gewesen ist, als es passierte. Wir können jetzt, da wir die Waffe kennen, wohl davon ausgehen, dass der Täter in unmittelbarer Nähe stand, oder Herbert?“ Sie wollte den Fokus schnell wieder von sich lenken.

„Das ist richtig“, stimmte Herbert zu, „der Gerichtsmediziner sagt, dass die Kugel Manni Küper aus unmittelbarer Nähe getroffen hat, höchstens drei vier Meter von ihm entfernt muss der Täter abgedrückt haben.“

„Tja“, sagte Stindt, „dann muss der wohl Nerven wie Drahtseile gehabt haben. Und er hat mit Sicherheit einen Schalldämpfer benutzt. Aber es kann doch eigentlich gar nicht sein, dass da dann niemand etwas mitbekommen haben will. Leute“, er stand jetzt auf, „ich denke, da kommt eine Menge Arbeit auf euch zu. Und bitte haltet mich immer auf dem Laufenden, wenn ihr was Neues rausfindet.“

Alle nickten. Dann verließ der Chef das Büro.

„Noch jemand Kaffee?“, fragte Thekla und goss sich selber schon mal nach. Die anderen lehnten dankend ab. „Ich geh dann mal ins andere Büro. Sagt mir Bescheid, wenn Theo Schuster kommt“, sagte sie und verschwand.

„Was ist denn mit Thekla los?“, fragte Okko, als sie unter sich waren. „So kennt man sie ja gar nicht. Wieso will sie denn alleine sein?“

„Ach“, winkte Herbert ab, „lass sie doch ...“. Er selber wandte sich wieder seinem PC zu und googelte nach dem Schützenverein in der Krummhörn, dem auch Manni Küper angehört hatte.

Okko, der nicht wusste, was er jetzt noch hätte essen können, setzte sich schließlich zu Herbert und sah mit auf den Monitor.

Agneta und Siggi gingen nach draußen. „Wir gucken mal, ob Theo Schuster schon kommt“, sagte sie, bevor sie die Bürotür hinter sich schloss. Sie setzte sich mit Siggi auf eine Bank vor dem Haus.

„Agneta?“

„Ja?“

„Glaubst du, dass das hier noch lange gutgeht?“ Siggi wirkte unsicher.

„Was meinst du damit?“

„Naja, ich weiß nicht. Irgendwie sind alle komisch im Moment.“ Er sah auf ihre Haare.

„Deshalb?“ Sie griff sich an Kopf.

„Ach so, nein“, wehrte er schnell ab, „aber es sieht schon etwas fremd aus, das muss ich sagen.“

„Meinst du, grün stand mir besser?“

„Hm. Ich fand das Blonde immer ganz schön ...“.

Sie zog die Mundwinkel nach unten. „Ich weiß schon, dass das niemand verstehen kann, warum ich das mache.“

„Und warum machst du das?“

Sie zog die Schultern hoch. „Vielleicht ist normal sein einfach zu langweilig für mich.“

„Aber du bist nicht normal“, wandte er ein, „das warst du doch noch nie.“

„Denkst du nicht?“

Er schüttelte mit dem Kopf.

Dann kam ein Wagen und bog auf den Weg zur Dienststelle ein.

„Das muss Theo Schuster sein“, sagte Agneta und stellte sich hin. „Ja, er ist es.“ Sie winkte dem älteren Herrn. Irgendwie mochte sie ihn, auch wenn er sie etwas abschätzig gemustert hatte, als sie ihm gesagt hatte, dass sie einem Tierschutzverein angehörte. Das war ihr nicht entgangen.

Theo Schuster parkte seinen Wagen und stieg aus. „He“, sagte er, „guten Morgen zusammen.“

„Guten Morgen, Herr Schuster.“ Agneta war ihm entgegengegangen und gab ihm die Hand. „Unser oberster Chef aus Norddeich, der Stindt, war auch schon hier.“

„Ach ja?“ Theo Schuster wusste mit dieser Information wenig anzufangen. Er erinnerte sich auch nicht, den Namen jemals zuvor gehört zu haben.

„Sie kennen sich gut“, hat er gesagt.

„Tatsächlich?“ Theo Schuster blieb stehen und kratzte sich an der Stirn.

„Er sagt, er war schon des Öfteren bei Ihnen im Schützenhaus zu Feierlichkeiten dabei.“

„Na, wenn er das sagt ...“.

Sie gingen weiter. Siggi, der Theo Schuster mit einem freundlichen Nicken begrüßte, hielt die Tür auf. Agneta ging voraus und öffnete die Tür zu dem Büro, in dem Herbert und Okko saßen.

„Oh“, sagte Okko.

„Moin zusammen“, sagte Theo Schuster.

„Bitte, nehmen Sie doch Platz.“ Agneta schob einen Stuhl vor Herberts Schreibtisch. Der Vereinsvorsitzende setzte sich. „Ich hol Thekla“, sagte Agneta und ging wieder auf den Flur.

Siggi setzte sich wieder an seinen Fensterplatz und die Männer warteten auf die beiden Frauen.

„Thekla?“ Agneta hatte die Bürotür nur einen Spaltbreit geöffnet, nachdem sie einmal geklopft hatte, „Theo Schuster ist jetzt da.“ Sie horchte. Keine Antwort. Auch sah sie niemanden am PC sitzen. Also schob sie die Tür weiter auf. Thekla saß am Fenster und starrte nach draußen. „Alles in Ordnung?“, fragte Agneta, weil ihr diese Szene im Zusammenhang mit Thekla irgendwie fremd erschien. Wäre es Siggi gewesen, der da nach draußen stierte, kein Problem. Aber Thekla? Sowas machte sie einfach nicht. Dafür war sie gar nicht der Typ.

Thekla drehte sich langsam zu ihrer Kollegin um. „Ist er da?“

„Ja, Theo Schuster ist jetzt da.“

„Na gut, ich komme.“ Thekla stand mit einem Seufzer auf und folgte einer verdutzten Agneta in Herberts Büro zu den anderen. Sie suchten sich einen freien Platz.

Herbert übernahm wieder die Wortführung.

„Wir wissen jetzt, dass Manni Küper mit einer Glock 44 ermordet worden ist“, begann Herbert, „vermutlich hat der Täter einen Schalldämpfer benutzt, sonst wäre so ein Schuss aus nächster Nähe wohl kaum unbemerkt geblieben.“

Theo Schuster brauchte einen Moment, um das Gesagte zu verdauen. Die Vorstellung, dass einer seiner Schützenfreunde einen anderen so kaltblütig erschossen hatte, traf ganz tief und kalt in seine Vereinsseele.

„Ihre Leute haben alle Waffen mitgenommen“, sagte er nun, als er die Stimme wiedergefunden hatte. Auch die Kleinkaliberwaffen.“

„Dann wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis wir zumindest die Waffe identifiziert haben“, meinte Herbert, „und somit auch deren Besitzer. Ob es sich dabei auch um den Täter handelt, wird man sehen.“

„Und wenn der Täter die Waffe entsorgt hat?“, meinte Thekla und wurde plötzlich wieder zum Leben erweckt. „Ich meine, so dumm ist doch keiner, dass er die Tatwaffe der Polizei übergibt. Es ist ja nur eine Frage der Zeit, bis wir dann wissen, wem die Waffe gehört.“ Die anderen hatten sie fast erstaunt angesehen, als sie das sagte. Besonders Agneta konnte sich immer noch nicht von dem Bild lösen, was Thekla eben alleine in ihrem Büro abgegeben hatte. Etwas stimmte nicht mit ihr. Sie würde mit ihr sprechen, nahm sich Agneta vor, noch an diesem Abend.

„Und wenn der Täter Handschuhe getragen hat, werden wir auch keine Schmauchspuren an seinen Fingern finden“, gab Herbert zu bedenken. Es war wirklich eine Mammutaufgabe für die Kollegen aus der Kriminaltechnik, von allen Besuchern des Schützenfestes Fingerabdrücke zu nehmen, sowie die Hände auf Schmauchspuren zu untersuchen.

„Wir brauchen das Motiv“, sagte Thekla, „und ich denke, da können Sie uns vielleicht weiterhelfen, Herr Schuster.“

„Ich?“ Theo Schuster sah sich unter den Ermittlern um. Und wieder blieb sein Blick an Agnetas karottenroten Haaren hängen.

„Hatte Manni Küper vielleicht mit irgendjemandem Streit gehabt, als sie alle am Samstagabend gefeiert haben“, fuhr Thekla fort.

Nun sah Theo Schuster wieder zu ihr. „Nein, nicht das ich wüsste. Im Gegenteil, dieses Mal war das Fest am Samstagabend sogar ziemlich harmonisch. Ich gebe ja zu, dass es im Laufe eines Abends, wenn der Alkohol seine Spuren hinterlässt, es schon hin und wieder zu Auseinandersetzungen bei vergangenen Festen gekommen ist. Aber dieses Mal war das nicht der Fall, ganz sicher nicht.“

„Es kann ja auch hinter den Kulissen rumort haben“, schlug Herbert vor, „zum Beispiel, als die Krummhörner anreisten. Oder auch am Sonntagmorgen auf dem Schützenplatz.“

„Beim Gottesdienst?“, fragte Theo Schuster ungläubig.

„Von mir aus auch das“, antwortete Herbert. Er fand die etwas drömelige Art des Vereinsvorsitzenden so langsam nervig. So kamen sie nicht weiter.