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Erich Weinert, einer der bekanntesten politischen Dichter des 20. Jahrhunderts, schuf mit seinen Nachdichtungen einen einzigartigen Brückenschlag zwischen deutscher und internationaler Literatur. Seine Übertragungen russischer, sowjetischer und osteuropäischer Gedichte und Lieder spiegeln nicht nur den künstlerischen Reichtum jener Zeit, sondern auch die dramatischen Kämpfe um Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden. In kraftvollen, bildstarken Versen bringt Weinert die Stimmen anderer Völker in die deutsche Sprache – von kämpfenden Partisanen über große Dichter wie Majakowski bis zu anonymen Soldatenliedern. Diese Ausgabe lädt dazu ein, ein Stück europäischer Literatur- und Zeitgeschichte neu zu entdecken – ein Dokument politischer Poesie, das ebenso bewegt wie zum Nachdenken anregt.
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Seitenzahl: 57
Veröffentlichungsjahr: 2025
Erich Weinert
Europa im Versmaß – Nachdichtungen 1930–1950
ISBN 978-3-68912-550-9 (E–Book)
Auszug aus dem Sammelband „Nachdichtungen“, erschienen 1959 im Verlag Volk und Welt, Berlin.
Das Titelbild wurde mit der KI erstellt.
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Übertragen 1943
Dem Gedenken Schillers
Wo seid ihr, die von Freiheit sangt und Frieden,
Von Lieb’ und Mut? … Die „Blut- und Eisen“-Zeit
Hat für die Macht des Bankherrn sich entschieden,
Wo man den Henker jetzt zum Helden weiht …
Die Menge schreit: „Heut braucht es keine Dichter!“
Es gibt auch keine mehr … Die Gottheit schweigt …
Wo ist der Menschen Mahner nun und Richter,
Der ihm den Leitstern der Berufung zeigt? …
Verzeih dem blinden Volk, beseelter Sänger,
Und kehr zurück! … Der Fackel Zauberglut,
Erloschen unterm Zugriff der Bedränger,
Zünd wieder an der dumpf und blinden Brut!
Bewaffne dich mit Himmels Donnerfeuern!
Nimm auf die Flügel unsren siechen Mut,
Mach, dass der Menschen Augen sich entschleiern
Und lernen wieder schaun, was schön und gut …
Räum auf mit Mördern, Wuchrern, Tempeldieben!
Reiß den Verrätern weg den Heiligenschein,
Die uns vom Weg der Bruderschaft getrieben,
Den mühsam wir gebahnt durch Dorn und Stein.
In die Entfremdung! … Denn aus unserm Jammer
Kann Glück und Einklang werden erst durch dich.
Denn nur in dir, verstoßner Lichtentflammer,
Gesellen Wahrheit, Schönheit, Liebe sich.
Übertragen 1940
Und wieder in uralten Qualen
Hinsanken die Gräser zur Erd,
Und wieder aus nebelndem Tale
Dein Rufen hab fern ich gehört.
Die Stuten der Steppe zerstoben,
Dahin, wo nichts Lebendes wohnt.
Der Leidenschaft Stürmen und Toben
Entfesselt der schwindende Mond.
So spreng ich auf schimmerndem Pferde,
Zerrissen von mächtigem Weh.
Die Wolken ziehn über die Erde
Und jagen in nächtiger Höh.
Ich höre der Schlachten Getümmel,
Tatarentrompeten im Land;
Ich seh über Russland den Himmel
Sich röten in schrecklichem Brand.
O Wunder, beginne zu tagen,
So wird meine Seele nicht blind!
Die Mähne, sie flattert im Jagen,
Es tönen die Schwerter im Wind.
Übertragen 1940
Ins Weite strömt der Fluss. Er fließt und dämmert träge
Und spült des Ufers Rand.
Die Steppe trauert über gelber Schräge
Der kahlen Uferwand.
O Russland mein! Mein Land, mein Weib! Voll Leide
Sehn wir den langen, langen Weg,
Wie ein Tatarenpfeil mit spitzer Schneide
Die Brust durchschlägt.
Der Weg ist weit, und öd wie unsre Straße,
O Russland, ist dein Gram.
Doch nie die Furcht vorm Dunkel ohne Maßen
Mich überkam.
Sei’s Nacht! Wir reiten überm weiten Plane
Im Feuerglanz.
Im Steppenrauch erglüht die heilige Fahne,
Das blanke Schwert des Khans.
Und ewiger Kampf! Wenn er doch einmal ruhte!
Durch Blut und Staub,
Durch Leid und Streit hinfliegt die Steppenstute
Und stampft das Laub.
Kein Ende noch! Hinsaust sie an den Hängen …
Wann wird geruht?
Die Abendwolken, die voll Angst sich drängen,
Sind rot wie Blut.
Und ewiger Kampf! Es schwimmt das Herz im Blute.
Herz, wein dich aus!
Hier ist nicht Ruh. Die wilde Steppenstute
Wie Sturmwind braust.
Übertragen 1936
Ich denk noch
an den früheren
Ersten Mai.
Schlich heimlich
an den letzten Häusern vorbei.
Schaute mich um:
Kein Gendarm?
Kein Kosak?
Arbeiter
in Mützen,
die Feder zur Hand.
Kamen – gingen,
gaben Parolen bekannt.
Hinter Sokolniki.
wie eine
Diebesbande,
Auf verschwiegener
Waldlichtung
heimlich sich fanden.
Rasch stellten sie
die Erprobten
als Wachen am Weg.
Schnell wurde
eine halblaute
Rede heruntergefegt.
Aus den Kitteln
rissen sie
rote Fahnen,
So gingen sie,
eine Handvoll
heimlicher Partisanen.
Da raschelt’s
im Busch:
hervorbrechen Pferde.
Ins Gefängnis!
Die Säbel sausen!
Die Knuten pfeifen!
Doch uns warf
niemals zu Boden
Gram und Beschwerde:
Wir wussten doch –
hinter uns steht
die Arbeiterwelt.
Wir wussten doch –
es pfeift ja
in dieser Minute
Über den Arbeitern
aller Länder
die gleiche Knute.
Und das wusste
der Fahnenträger.
als der Kosak ihn zertrat,
Dass sein Blut
eine unvergängliche Saat.
Bald bricht es heran –
Unzählbar
strömt es zusammen –
Zu Millionen
die roten
Fahnen entflammen!
Es erhebt sich
zum Angriff
der Zukunft Herr,
Der Gigant der Epoche,
die USSR.
Lied
Der Steppenwind heulte, der Eisregen rann.
Es schleicht sich der Feind in der Dunkelheit an.
Tschapajew ist wachsam, es schläft seine Schar.
Da lauscht er ins Dunkel und hört die Gefahr.
Ural, Ural, du mächtger Fluss!
Kein Laut und kein Lichtergruß!
Tschapajew sprang auf und ergriff sein Gewehr.
Alarm, Kameraden, und schlaft nicht mehr!
Es klappert im Holze; da streift der Kosak.
Nun raus die Patronen und mäht mir das Pack!“
Ural, Ural, du mächtge Flut.
So rot von des Abends Glut!
Sie schossen die letzten Patronen hinaus.
Was lebte, das sprang in der Fluten Gebraus.
Es klatschten die Kugeln. Sie schwammen zum Land.
Da brannte Tschapajew ein Schuss in die Hand.
Ural, Ural, du mächtger Fluss!
Zerschlagen die Hand vom Schuss.
Es kochten von Kugeln die Fluten umher.
Genosse Tschapajew! Ich seh ihn nicht mehr!
Genosse Tschapajew, o treues Gesicht!
Er tauchte nicht mehr aus den Wellen ans Licht.
Ural, Ural, du mächtge Flut!
So rot von des Abends Glut.
Nun fließ zu den Brüdern, du blutender Fluss!
Erzähl, wie Tschapajew hat sterben gemusst!
Doch musst er auch sterben, er geht vor uns her.
Es spricht seine Stimme aus jedem Gewehr.
Ural, Ural, du mächtge Flut!
So rot von des Abends Glut.
Und hat auch der Feind ihn ums Leben gebracht,
Tschapajews Kommando klingt hell durch die Nacht.
Du führtest zum Sieg uns für unsere Welt,
Genosse Tschapajew, du Bruder und Held!
Ural, Ural, du mächtger Fluss!
Kein Laut und kein Lichtergruß!
Übertragen 1953
Wie ein Fanal über Bergen und Städten
Flammte dein Wort, das zur Fahne uns rief.
Wir sind zum letzten Gefecht angetreten.
Hoffnung und Hass, sie erfüllten uns tief.
Führtest uns aus der Gefängnisse Dämmer,
Führtest das Heer der Enterbten zum Licht.
Und wir erhoben die Sicheln und Hämmer,
Roter Oktober, du hieltest Gericht!
Lenin, du bautest der Freiheit Gebäude.
Stürmisch entbrannte in Glut unser Herz.
Aber inmitten des Kampfs und der Freude
Schlug uns dein Tod mit unsäglichem Schmerz.
Hinter dem Sarg mit den Fahnen der Trauer
Gingen wir schweigend, im Herzen den Eid,
Treu deinen Worten, und treu dem Erbauer,
Der unser Land aus den Ketten befreit.
Musik von M. Planter
Es rauschen bei Cherson
Die Gräser der Steppe,
Ein Hügel erhebt sich im Plan.
Und hoch auf dem Hügel,
In Kräutern verborgen,
Liegt tot Shelesnjak, Partisan.
Er ging nach Odessa,
Nach Cherson marschierte er.
Er ist in die Falle gerannt.
Kanonen zur Linken,
Und Machno zur Rechten.
Granaten sind zehn noch zur Hand.
„Ihr Jungs, nicht verzagen!“
So rief in die Reihen
Der eiserne Rotpartisan.
„Hier vor uns ist Cherson.
Pflanzt auf die Gewehre!