Castor Pollux 5 - Michael Schauer - E-Book

Castor Pollux 5 E-Book

Michael Schauer

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Beschreibung

Freudenhäuser gibt es in Rom wie Sand am Meer. Selbst Kaiser Nero nimmt die Dienste regelmäßig in Anspruch. Er lässt sich die schönen jungen Frauen aber lieber in seinen Palast bringen. Das wissen auch die Finsteren und schmieden einen perfiden Plan. Ist der Kaiser in großer Gefahr? Kann CASTOR POLLUX rechtzeitig eingreifen?


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Inhalt

Cover

Titel

WIE WAR´S WIRKLICH?

Verführt und verdammt

… UND IM NÄCHSTEN ROMAN LESEN SIE:

Fußnoten

Impressum

Verführt und verdammt

von Michael Schauer

Antonica war die Schönste im Haushalt von Pablus Sera. Jedenfalls pflegte er das stets zu sagen, bevor er seine Hand unter ihr Gewand schob. Sie mochte es nicht, wenn er auf ihr lag. Die Haut ihres Herrn war alt und faltig, zudem verströmte er einen Geruch nach altem Essig. Aber sie war Sklavin, und es gehörte zu ihren Pflichten, ihm zu Willen zu sein.

Ein Mann stand plötzlich vor ihr. Sie erschrak. Der Korb entglitt ihrer Hand und fiel auf die Straße. Sie konnte die Schalen der Eier darin brechen hören, die sie eben erst auf dem Markt gekauft hatte.

»Dein Leben ändert sich heute«, sagte er leise. Sein Gesicht begann sich auf schreckliche Weise zu verwandeln. Antonica wollte schreien. Doch sie kam nicht mehr dazu.

WIE WAR´S WIRKLICH?

Dass sich ein wohlhabender Mann wie Aurelius Plauzus eine Prostituierte ins Haus schicken ließ, kam in Wahrheit wohl eher selten vor. Die Kundschaft in den zahlreichen Bordellen Roms rekrutierte sich überwiegend aus der Mittel- und Unterschicht. Reiche Leute hatten ihre Sklaven, die ganz selbstverständlich auch für sexuelle Gefälligkeiten zur Verfügung stehen mussten – Frauen ebenso wie Männer. Entsprechend waren Edelhuren eher selten verbreitet, die entsprechende Nachfrage stellten sie vor allem mit besonderen sexuellen Fertigkeiten her.

Damals wie heute gingen Frauen diesem Beruf nach, um Geld zu verdienen – oder weil sie in die Fänge eines skrupellosen Zuhälters geraten waren, die es damals ebenfalls gab. Oder weil sie als Sklavinnen in die Prostitution verkauft wurden. Sie bevölkerten den Straßenstrich, etwa in den Wandelgängen am Circus Maximus oder in der Säulenhalle des Pompeius-Theaters auf dem Palatin, gingen in den Thermen auf die Suche nach Freiern oder verdingten sich in den Freudenhäusern.

Bordelle und Prostitution waren – nicht nur bei den Römern – in der Antike etwas Alltägliches und gehörten zum Leben dazu wie der Gang auf den Markt oder der Plausch mit den Nachbarn. Übertragen auf unsere heutigen Verhältnisse hätte wohl niemand daran Anstoß genommen, neben einer Kindertagesstätte ein Bordell zu eröffnen.

Besonders einträglich war diese Tätigkeit nur für die Spitzenkräfte, die entsprechende Preise aufrufen konnten. Alle anderen mussten sich mit zwei Assen pro Geschlechtsakt zufriedengeben – was dem Gegenwert eines Laibs Brot entsprach. Ach ja, und Steuern mussten auch gezahlt werden. Besonders bequem hatten es die Sexarbeiterinnen in den Bordellen nicht, die »Betten« bestanden aus Stein, Komfort bot einzig eine dünne Matratze.

Um ihre Kunden zu locken, boten sie sich nicht selten barbusig an, findige Frauen blondierten ihre Haare oder trugen blonde Perücken, die meist aus Echthaar aus Germanien gefertigt wurden. Besonders gefragt war eine haarlose Scham, wobei die Bewerkstelligung weitaus unangenehmer war als heute: Das Schamhaar wurde mit Säure oder Kalklauge entfernt.

Die wohl berühmteste Hure Roms dürfte Messalina gewesen sein. Der beinahe dreißig Jahre jüngeren Frau von Kaiser Claudius, Neros Amtsvorgänger, wurde ein Hang zur Nymphomanie nachgesagt. Angeblich bot sie sich, um ihre Lust zu befriedigen, in Bordellen an und soll sogar eine andere Hure zu einem Wettstreit aufgefordert haben. Siegerin sollte demnach sein, wer die meisten Männer hintereinander befriedigen konnte. Ihre Gegnerin warf nach fünfundzwanzig Freiern am Stück das Handtuch …

Noch ein Wort zu Ofonius Tigellinus: Der Prätorianerpräfekt in diesem Roman ist keine Erfindung. Er galt als übler Zeitgenosse und Einflüsterer von Nero. Nach dessen Tod geriet er unter Kaiser Otho in Misskredit und nahm sich 69 n. Chr. das Leben.

Michael Schauer

Verführt und verdammt

Rom,65n. Chr.

Maltix hatte nicht zu viel versprochen. Die junge Hure, die Aurelius Plauzus in seinem Schlafzimmer gegenüberstand, war von erlesener Qualität. Ihre Gestalt war schlank, beinahe elfenhaft, mit Rundungen an den richtigen Stellen. Schwarzes, gelocktes Haar fiel über ihre schmalen Schultern und endete an den Ansätzen der üppigen Brüste, die von dem fast durchsichtigen roten Stoff ihres Kleids kaum verhüllt wurden. Ihre Züge waren ebenmäßig, die Augen blau, die Lippen voll. Soweit er das bei ihren Begrüßungsworten hatte erkennen können, besaß sie weiße und vor allem vollständige Zähne, was ihm behagte. Er mochte keine Ruinen im Mund einer Frau.

Aurelius lehnte sich auf seinem breiten Bett zurück und schob die dünne Decke zur Seite, mit der er sich bis dahin bedeckt hatte. Darunter war er nackt, sodass die Hure nun freien Blick auf seinen Körper hatte. Trotz seiner beinahe sechzig Jahre war er gut in Form. Zwar war sein Bauchansatz nicht zu übersehen, aber alles in allem hatte er sich ordentlich gehalten.

Im Gegensatz zu vielen anderen wohlhabenden Kaufleuten in seinem Alter zügelte er sich bei den Mahlzeiten und sprach dem Wein nur in Maßen zu. Zudem widmete er sich unter Maltix’ Anleitung regelmäßig der körperlichen Ertüchtigung. Das zahlte sich aus. Vielleicht bestand sogar ein Zusammenhang zwischen seiner Lebensweise und dem erfreulichen Umstand, dass er sich nach wie vor seines vollen, wenn auch ergrauten Haupthaars erfreute.

Die Hure verstand die stumme Aufforderung, ließ das Kleid über ihre Schultern gleiten und präsentierte sich ihm in ihrer ganzen Pracht.

Das Licht der Öllampen warf flackernde Schatten auf ihren Körper, den Aurelius nur als perfekt bezeichnen konnte. Besonders ihre blanke Scham hatte es ihm angetan, und bei dem Anblick wurde sein Mund trocken. Er machte sich eine geistige Notiz, dass Maltix eine kleine Prämie erhalten sollte. Sein Lieblingssklave hatte schon so manch großartigen Fang gemacht, doch dieses Weib übertraf alle.

Seine Männlichkeit regte sich, was ihr ein laszives Lächeln entlockte.

Wie Maltix ihm verraten hatte, hatte er sie in einem neuen Bordell am Rande der Subura und unweit des Viminal, des kleinsten der sieben römischen Hügel, aufgetrieben. Nach all den Jahren in Aurelius’ Besitz wusste der hagere Gallier um die Vorlieben seines Herrn, wie er heute Abend erneut unter Beweis gestellt hatte.

Obwohl Aurelius regelmäßig die Dienste der käuflichen Damen in Anspruch nahm, suchte er nie persönlich eines der zahlreichen Bordelle der Stadt auf. Der Geruch nach Schweiß und anderen Körperflüssigkeiten stieß ihn ab, und die aus Stein gehauenen, nur mit dünnen Matten gepolsterten Betten waren ihm zu unbequem. Zwar gab es bessere Häuser, in denen es nach Zitronen und Lavendel duftete und wo das Zusammensein auf weichen Matratzen stattfand, doch die bloße Vorstellung, dass sich darauf Dutzende Männer vor ihm verlustiert hatten, bereitete ihm Unbehagen.

Zwar verfügte er über ausreichend Sklavinnen und wäre auf die Liebesdienerinnen eigentlich nicht angewiesen, doch er liebte nun mal die Abwechslung. Es gehörte deshalb zu Maltix’ ständigen Aufgaben, das Angebot zu sondieren, geeignete Frauen auszusuchen und Aurelius in seiner Villa auf dem Quirinal zuzuführen.

Das kostete eine Menge Geld, denn nicht wenige Verwalter ließen sich die exklusiven Hausbesuche ihrer Schäfchen buchstäblich vergolden, und jene Huren, die auf eigene Rechnung arbeiteten, langten erst recht zu.

Was ihn wenig kümmerte. Sein in Jahrzehnten harter und erfolgreicher Arbeit angehäuftes Vermögen war groß genug, dass es bis an sein Lebensende reichte, egal, wie viele Aurei und Denare er in seine fleischlichen Gelüste investierte.

»Wie ist dein Name?«, fragte er, als ihm gewahr wurde, dass er bis jetzt kein einziges Wort an sie gerichtet hatte. Beinahe wäre er über seine raue Stimme erschrocken. Bei den Göttern, lange schon hatte ihn der Anblick einer nackten Frau nicht mehr so erregt.

»Ich bin Fabricia«, antwortete sie sanft.

»Kommst du aus Rom?«, hakte er nach. Normalerweise pflegte er wenig bis keine Konversation zu betreiben. Heute Abend hatte er jedoch die Absicht, seine Vorfreude auszukosten.

Sie stieg aus dem Kleid zu ihren Füßen und trat auf ihn zu. Sein Blick glitt über ihre helle Haut. Da war kein Makel, keine Narbe, keine Unreinheit. Seine Erektion war so stark, dass es beinahe schmerzte. Aurelius beschloss, dass er Fabricia die ganze Nacht haben wollte. Egal, was es kostete.

»Nein, ich bin erst vor wenigen Tagen eingetroffen«, lautete ihre Antwort. »Zusammen mit meinem Herrn.«

Also dem Besitzer des Bordells, folgerte er.

»Wie lautet der Name deines Herrn?«, fragte er, obwohl es ihn nicht wirklich interessierte.

»Sein Name ist Telemach.«

Klang nach einem Griechen. Das waren gute Leute, wie Aurelius wusste, denn er beschäftigte selbst einige Sklaven aus diesem Teil des Reichs. In aller Regel waren sie gebildet und besaßen hervorragende Umgangsformen. Ganz im Gegensatz zu den Germanen oder Galliern, wobei Maltix bei Letzteren eine Ausnahme darstellte. Als Betreiber von Freudenhäusern waren sie Aurelius bislang allerdings nicht auffällig geworden. Dieser Telemach jedenfalls schien sein Geschäft zu verstehen. Ganz offensichtlich setzte er auf erstklassige Ware.

Der Worte waren genug gewechselt, entschied er, denn inzwischen stand zu befürchten, dass sein bestes Stück platzen könnte, wenn er nicht Druck abließ. Wenngleich er nie gehört hatte, dass so etwas tatsächlich passieren konnte.

»Tritt näher«, forderte er die Hure auf und streckte eine Hand nach ihr aus, begierig danach, sie zu berühren.

Fabricia ließ sich kein zweites Mal bitten. Mit einem letzten Schritt überwand sie die restliche Distanz zwischen ihnen und blieb vor ihm stehen. Aurelius setzte sich auf. Ihre depilierte Scham war direkt vor seiner Nase. Sie roch nach Rosenblüten, wie er anerkennend feststellte. Mit beiden Händen umfasste er ihre Pobacken und begann sie zu kneten. Ihre Haut fühlte sich weich wie Seide unter seinen Fingern an.

Jedoch war sie eigenartig kühl, beinahe kalt. Wie seltsam.

Er hob den Kopf. Sein Mund öffnete sich, doch er brachte kein Wort, nur ein heiseres Krächzen hervor.

Was da auf ihn herabblickte, war nicht mehr Fabricia.

Ihre feinen Züge waren ebenso verschwunden wie ihr üppiges Haar. Ihre Haut hatte die graue Farbe von Asche angenommen. Der Schädel war kahl, das Gesicht bestand aus einem schlundartigen, lippenlosen Maul und Augen, die wie Kohlestücke in einem düsteren Rot in ihren Höhlen glühten. Eine Nase war nicht vorhanden.

Aurelius wollte zurückweichen, da gruben sich ihre Finger wie scharfe Klauen in seine breiten Schultern und hielten ihn fest. Das Wesen senkte seinen monströsen Schädel zu ihm herab. Hilflos musste er zusehen, wie sich der Schlund näherte. Als wollte ihn das Monster küssen.

Ihr Götter, schoss es ihm durch den Kopf.

Verzweifelt versuchte er, das Gesicht abzuwenden. Vergebens. Ein unsichtbarer Sog hatte ihn ergriffen und fixierte ihn. Wie von selbst öffneten sich seine Lippen. Etwas Eiskaltes presste sich auf seinen Mund, während er direkt in die glühenden Augen starrte.

Eiserne Widerhaken schienen sich in seine Gedärme zu bohren und an ihnen zu zerren. Unerträgliche Schmerzen breiteten sich in seinem Körper aus. Ein ersticktes Stöhnen entrang sich seiner Kehle. Er bekam keine Luft mehr. In Panik rang er nach Atem, doch Mund und Nase waren blockiert. Ihm wurde übel, dann versank seine Welt in einem roten Nebel, über den sich gleich darauf ein schwarzer Schleier herabsenkte.

Der Mann drängte rüde an Cassia vorbei und rempelte sie so heftig mit der Schulter an, dass sie ins Straucheln geriet. Unter normalen Umständen hätte sie ihn zur Rede gestellt, was nicht gut für ihn ausgegangen wäre. Zu seinem Glück fühlte sie sich dafür zu erschöpft. Erst vor einigen Stunden war sie in Rom eingetroffen. Hinter ihr lagen Wochen der Flucht, und sie hoffte, in ihrer früheren Heimat etwas Ruhe zu finden und neue Kräfte sammeln zu können.

Nach der Vernichtung ihres Herrn und Förderers Ballurat* durch den Dämon Moronor war es gekommen, wie sie es vorausgesehen hatte. Bonifazius, der Oberste der Richter und ein mächtiger Finsterer, hatte es abgelehnt, ihr eine Audienz zu gewähren, was sie kaum verwunderte. Schließlich sprach einiges dafür, dass er selbst Ballurats Ende eingeläutet hatte, indem er Cassias Rivalen Marton in dessen Reich geschickt hatte, um den dort eingekerkerten Moronor zu befreien. Ballurats zahlreiche Feinde, die Cassias raschen Aufstieg zur Halbdämonin mit Argwohn verfolgt hatten, ließen verlauten, dass nichts dagegen einzuwenden wäre, das Kapitel ein für alle Mal zu schließen.

Was das bedeutete, konnte sie sich ausmalen.

Erst vor wenigen Tagen war sie in den Wäldern Germaniens auf zwei von Taschs Jägerinnen gestoßen, die ihr am Rande einer Lichtung aufgelauert hatten. Zwar war es ihr gelungen, beide mit dem Hexentöter zu vernichten, doch der Vorfall war ihr eine deutliche Warnung gewesen.

Daraufhin hatte sie beschlossen, in Rom unterzutauchen und neue Pläne zu schmieden. Nur mit Erfolgen im Kampf gegen die verhasste Menschheit könnte sie Bonifazius und ihre Feinde davon überzeugen, dass die Welt der Finsteren mit ihr darin eine bessere war als ohne sie. Dass Cassia mit der Rückkehr des Feuerdämons Colso und dem daraus resultierenden großen Brand von Rom einen der größten Siege überhaupt errungen hatte**, war vergessen. Sie musste von vorn anfangen.

In den vergangenen Tagen hatte sie es manchmal bereut, sich nach dem Tod ihres Geliebten, dem aus dem Jenseits zurückgekehrten Rennfahrer Manius, den Finsteren angeschlossen zu haben. Wenn sie es recht überlegte, hatte sich seitdem kaum etwas zum Besseren verändert. Doch nun gab es kein Zurück mehr.

Cassia ließ das Gedränge auf dem Forum Romanum hinter sich und tauchte bald darauf in die engen Gassen der Subura ein. Auch hier, wo vor allem die Armen und die Kriminellen zu Hause waren, hatten Colsos Flammen gewütet. Im Gegensatz zu anderen Vierteln der Stadt waren die Wiederaufbaumaßnahmen in der Subura noch nicht sehr weit fortgeschritten. Die Fassaden vieler Insula, der bis zu sechs Stockwerke hohen Wohnhäuser, waren mit Ruß geschwärzt, sofern sie nicht völlig niedergebrannt waren. Je tiefer sie in die verwinkelten Straßen vordrang, desto unversehrter jedoch wirkten die dicht an dicht stehenden Gebäude. Entweder hatten die Brände hier ihre Kraft verloren oder sie waren rechtzeitig eingedämmt worden.

Als sie sich das letzte Mal in Rom aufgehalten hatte, war sie in einem schäbigen Mietshaus auf dem Aventin untergekommen. Dieses Haus hatte man abgerissen, wie sie festgestellt hatte, also musste sie sich etwas Neues suchen.

Um unterzutauchen, war das Elendsviertel ideal geeignet. Hier achtete niemand auf den anderen, und die Gefahr war gering, dass sie Castor Pollux oder Kimon über den Weg lief. Ihre Fähigkeit, die Gestalt zu wechseln, hatte sie mit Ballurats Tod fatalerweise verloren, also konnte sie sich nicht hinter einer Maske verstecken. Generell schienen ihre Kräfte nachzulassen, was ihre Lage nicht verbesserte.

Wenigstens besaß sie den Hexentöter. Das Schwert, mit dem sie Merle getötet hatte***, war auch zur Verteidigung gegen die Finsteren eine hervorragende Waffe, wie die beiden Jägerinnen am eigenen Leib erfahren hatten.

An der nächsten Kreuzung bog sie, ohne einen bestimmten Grund dafür zu haben, nach links ab. An einem fünfstöckigen Gebäude ein Stück die Straße hinauf entdeckte sie ein schäbiges Schild, das darauf hinwies, dass Wohnungen zu vermieten waren. Das Haus war schmal und wirkte zwischen den danebenstehenden wie eingequetscht.

Der Besitzer hatte sich keine Mühe gemacht, eine Tür einzubauen. Cassia trat durch die nackte Öffnung, die als Eingang diente. Ein atemberaubender Gestank nach altem Schweiß und Erbrochenem schlug ihr entgegen. In einem winzigen Vorraum saß eine magere Gestalt in einer schmutzigen Tunika an einem windschiefen Tischchen. Hinter ihr führte eine wenig Vertrauen erweckende Holztreppe in die oberen Stockwerke.

Bei Cassias Eintreten hob die Gestalt den Kopf. Es handelte sich um einen Mann mittleren Alters, auf dessen Schädel kein Haar mehr wuchs. Das Gesicht war von einer Narbe entstellt, die sich von seinem linken Auge bis zum Kinn zog. Der linke Mundwinkel hing tiefer als der rechte, ein dünner Speichelfaden lief daraus hervor. Mit einem erstaunten Blick aus wässrigen blauen Augen musterte der Mann sie.

Wahrscheinlich fragte er sich, was eine Frau wie sie in einer solchen Gegend zu suchen hatte, überlegte Cassia. Sie war noch immer eine attraktive Erscheinung, und die Narben, die sie bei der Begegnung mit dem weißen Pfeil davongetragen hatte, waren beinahe verblasst.

»Waf willfu hier?«, fragte er. Seine Worte klangen seltsam verwaschen, als habe er ein hartgekochtes Ei im Mund. Als sein Blick auf das Schwert fiel, das in einer Holzscheide an ihrem Gürtel hing, versteifte sich sein dürrer Körper. Seine Hand glitt zu dem Dolch, der vor ihm auf dem Tisch lag.

Cassia tat, als hätte sie es nicht bemerkt. »Ich brauche eine Unterkunft«, antwortete sie mit ruhiger Stimme.

Seine hohe Stirn legte sich in Falten. »Hier? In diffe Gegend? Wiffu gefucht?«

»Das geht dich nichts an«, wies sie ihn scharf zurecht.

»Iff ja gut, iff ja gut. Haffu Geld?«

Sie zog den Lederbeutel unter ihrem Umhang hervor, öffnete ihn, holte ein paar Münzen heraus und legte sie auf den Tisch. Unwillkürlich verzog sie das Gesicht, als ihre Finger das klebrige Holz berührten.

Die Augen des Mannes begannen zu leuchten. Cassia hatte ihm mehr als genug bezahlt.

»Reift für paar Monate, reift daf«, teilte er mit.

»Wo ist etwas frei?«

»Vierter Fock. Kannfu gleich fehen, Tür iff offen.«

Ohne ein weiteres Wort ging sie an ihm vorbei und stieg die Treppe hinauf. Die Stufen waren unterschiedlich hoch und so schief, dass sie aufpassen musste, nicht zu stolpern. Vier Etagen höher traf sie auf einen kurzen Flur, von dem an beiden Seiten jeweils drei Türen abgingen. Die mittlere auf der linken Seite stand offen. Das musste es sein.

Ihre neue Unterkunft bestand aus einem fensterlosen Zimmer, dessen Mobiliar sich in einem schmalen Bett mit einer fleckigen Matratze, einem winzigen Schrank und einem kleinen Schemel mit einer halb abgebrannten Kerze darauf erschöpfte.

In einer Ecke stand ein Eimer, in den die Notdurft verrichtet werden konnte. Üblicherweise kippten die Leute den Inhalt danach auf die Straße, was ihr wegen des fehlenden Fensters nicht so einfach möglich war. Zum Glück verspürte sie seit ihrer Verwandlung nur noch selten derlei menschliche Bedürfnisse.

Unter dem Schemel fand sie einen Feuerstein und ein Stück Eisen. Sie zündete die Kerze an und versetzte der Tür einen Stoß, sodass sie mit einem durchdringenden Knarren ins Schloss fiel. Dann setzte sich Cassia aufs Bett, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und machte die Augen zu.

Sie musste etwas überprüfen.