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Dale Connors griff nach seinem Brandy und leerte das Glas in einem Zug. Das Kaminfeuer malte flackernde Schatten auf sein kantiges Gesicht, in dem das Alter mit tiefen Falten deutlich sichtbare Spuren hinterlassen hatte. Schon als junger Mann hatte es ihn rasend gemacht, wenn die Dinge nicht so liefen, wie er es sich vorstellte. Und genau das war jetzt der Fall. Verdammter alter Dickkopf Bennet Greene. Er wollte das Land, und er würde es bekommen. Koste es, was es wolle. Mein Wille geschehe, dachte er und goss sich nach.
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Seitenzahl: 146
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Die Tochter des Ranchers
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Impressum
Die Tochter des Ranchers
von Michael Schauer
Dale Connors griff nach seinem Brandy und leerte das Glas in einem Zug. Das Kaminfeuer malte flackernde Schatten auf sein kantiges Gesicht, in dem das Alter mit tiefen Falten deutlich sichtbare Spuren hinterlassen hatte.
Schon als junger Mann hatte es ihn rasend gemacht, wenn die Dinge nicht so liefen, wie er es sich vorstellte. Und genau das war jetzt der Fall.
Verdammter alter Dickkopf Bennet Greene.
Er wollte das Land, und er würde es bekommen. Koste es, was es wolle.
Mein Wille geschehe, dachte er und goss sich nach.
Myles Cheston schob den Hut in den Nacken und verengte die Augen zu Schlitzen. Sein Blick war nicht mehr so scharf wie früher, doch er hatte sich nicht getäuscht. Von Osten her näherten sich vier Reiter. Noch waren sie zu weit entfernt, um Einzelheiten erkennen zu können. Sonderlich eilig schienen sie es jedenfalls nicht zu haben, denn sie waren in gemächlichem Tempo unterwegs.
»Seht mal, Jungs, da drüben!«, rief er den drei Männern zu, die damit beschäftigt waren, im Schweiße ihres Angesichts ein fast vier Yards langes Stück des Weidezauns auszubessern. Bei dem Gewitter vor zwei Tagen mussten gleich mehrere Blitze an derselben Stelle eingeschlagen sein, anders konnte sich Cheston den Schaden nicht erklären. Es sah aus, als ob ein Riese mit einer brennenden Faust auf den Zaun eingedroschen hätte. Die stabilen Balken waren geknickt wie Streichhölzer und rußgeschwärzt. Einer der Cowboys hatte den Schaden zufällig entdeckt und ihn als Vorarbeiter der Greene-Ranch sofort verständigt.
Ray Biggs, Ben Kingsley und Rob Temple hielten mit ihrer Arbeit inne und drehten die Köpfe in die Richtung der Reiter, die bis auf gut hundert Schritte herangekommen waren. Jetzt erkannte Cheston den Anführer. Bei dem Mann im roten Hemd handelte es sich um Amos Connors, den Sohn von Dale Connors, ihrem Nachbarn. Der Bursche galt als Heißsporn, der nie darum verlegen war, Ärger zu machen. Jedenfalls, solange sich sein alter Herr nicht in der Nähe aufhielt. Vor dem hatte er nämlich einen Heidenrespekt.
Der Kerl hatte ihm heute gerade noch gefehlt.
Schweigend erwartete er mit seinen Leuten die Ankunft des kleinen Trupps. Kurz vor dem Zaun zügelten die Reiter ihre Pferde. Zwei von Connors' Begleitern kannte Cheston vom Sehen, der dritte war ihm unbekannt. Vermutlich ein Neuling.
Wie stets lag ein leicht spöttisches Grinsen auf dem rundlichen, bartlosen Gesicht des Connors-Sprosses. Seine lange Nase schob sich einem Schnabel gleich in Richtung Oberlippe, was ihm ein vogelartiges Aussehen verlieh. Eine Schönheit war der Knabe wahrlich nicht.
Eine schier mit Händen zu greifende Spannung lag mit einem Mal in der Luft. Beinahe wie vor einem Gewitter. Cheston musste sich davon abhalten, die Hand auf den Kolben des Colts zu legen, den er an seinem Waffengurt trug. In jüngster Zeit kam es immer wieder zu Spannungen zwischen den Connors und den Greenes. Bennet Greene war der Mann, für den Cheston arbeitete. Die Grundstücke der Familien grenzten direkt aneinander. Auf der anderen Seite der Umzäunung lag demnach Connors-Land.
»Was ist denn hier passiert, Mr. Cheston?«, fragte Amos Connors und deutete auf den beschädigten Zaun. Seine Leute musterten Cheston und dessen Männer mit finsteren Blicken.
»Blitzschlag, so wie's aussieht«, erwiderte er kurz angebunden, in der Hoffnung, eine längere Unterhaltung vermeiden zu können.
Connors nickte bedächtig, als müsse er gründlich über die Antwort nachdenken.
»Ja, das Unwetter neulich war wirklich heftig. Bei uns ist allerdings nichts passiert. Seltsam, finden Sie nicht? Fast könnte man glauben, es handele sich um ein göttliches Zeichen.«
Cheston runzelte die Stirn. »Wie meinen Sie das?«
Das Grinsen wurde breiter. »Gott könnte Bennet Greene auf diese Weise einen Hinweis gegeben haben, dass er endlich sein Land an uns verkaufen soll.«
Rob Temple neben ihm lachte ungläubig auf. Cheston hielt den Blick auf Connors gerichtet. Glaubte er das im Ernst oder wollte er ihn auf den Arm nehmen? Vermutlich Letzteres. Ärger stieg in ihm auf. Hatte er nichts Besseres zu tun, als ihm die Zeit zu stehlen?
»Das ist der größte Schwachsinn, den ich je gehört habe«, blaffte er, barscher als gewollt. »Wie man hört, sollen Sie eine Menge Schwachsinn von sich geben, Mr. Connors«, fügte er hinzu.
Die letzte Bemerkung war ihm einfach so rausgerutscht, und er wünschte sofort, er hätte sie sich verkniffen. Zwischen den beiden Gruppen flirrte die Luft. Ihm wurde klar, dass ihn Connors bloß hatte provozieren wollen. Und er war drauf reingefallen.
Nur konnte er die Worte nicht mehr zurücknehmen. Die Miene seines Gegenübers hatte sich schlagartig verdüstert. Sein Dauergrinsen war verschwunden, als hätte es ihm jemand aus dem Gesicht gewischt. Zwei seiner Begleiter leckten sich über die Lippen, der dritte bleckte die Zähne.
Cheston zwang sich, ruhig zu bleiben.
»Sie haben eine große Klappe«, hielt ihm Connors vor. »Viel zu groß für einen einfachen Vorarbeiter, wenn Sie mich fragen.«
»Was wollen Sie eigentlich von uns?«, entgegnete er so gelassen wie möglich. »Wir möchten hier nur unsere Arbeit machen.« Nach kurzer Überlegung ergänzte er: »Auf unserem Land.«
»Gar nichts will ich von Ihnen. Meine Freunde und ich machen einen Ausritt und wollten höflich guten Tag sagen. Leider scheinen Sie es darauf angelegt zu haben, mich zu beleidigen.«
»In Ordnung, es tut mir leid«, sagte er schnell und war selbst erstaunt, wie leicht ihm die Lüge über die Lippen gekommen war. Im Grunde tat es ihm nämlich gar nicht leid. »Lassen wir es dabei bewenden. Ihnen noch einen schönen Tag.«
Einer von Connors' Männern mischte sich ein. Es handelte sich um denjenigen, den Cheston vorher nie gesehen hatte.
»Das klang nach einer ziemlich lausigen Entschuldigung, wenn Sie mich fragen, Boss«, schnarrte er.
Connors nickte. »Hast recht, Cliff, besonders aufrichtig kam es mir auch nicht vor.« Aus kalten blauen Augen funkelte er Cheston an. »Etwas mehr Enthusiasmus hätte ich mir schon von Ihnen gewünscht. Sie könnten zum Beispiel den Hut vor mir ziehen, um mich zu überzeugen, dass Sie es ehrlich meinen.«
Cheston konnte spüren, dass die Blicke seiner Leute auf ihm ruhten. Wenn er tat, was Connors von ihm verlangte, würde er bei ihnen eine ordentliche Portion Respekt einbüßen. Das wollte und konnte er sich nicht leisten.
Langsam schüttelte er den Kopf.
»Ich würde vorschlagen, Sie reiten Ihrer Wege, und wir gehen wieder an die Arbeit.«
»Das ist nicht das, was Mr. Connors hören wollte«, herrschte ihn der Unbekannte an.
Cheston registrierte, dass die Spitzen der behandschuhten Finger des Mannes wie zufällig den Kolben seines Schießeisens berührten. In seinen dunklen Augen lag etwas Kaltes, Schlangenartiges.
Sein Mund war mit einem Mal staubtrocken.
»Keiner rührt sich, Jungs«, raunte er seinen Männern zu, ohne den Fremden aus den Augen zu lassen. Himmel, auf einmal hatte er die Hosen gestrichen voll. Was wahrscheinlich genau das war, was Connors und seine Leute beabsichtigt hatten.
»Was geht hier vor?«
Chestons Kopf flog herum. Wie aus dem Nichts war Willa Greene in ihren Rücken aufgetaucht. Wie meistens trug Bennet Greenes Tochter braune Hosen sowie eine weiße Bluse. Auf ihrem Kopf saß ein schwarzer Stetson. Glattes, strohblondes langes Haar umfloss ihre schmalen Schultern. In der rechten Hand hielt sie eine Winchester, den Lauf zu Boden gerichtet. Die andere hatte sie in die Hüfte gestemmt. Ihre braunen Augen funkelten.
Trotz der brenzligen Situation kam er nicht umhin zu bemerken, dass sie wie immer atemberaubend aussah. Aber wo zum Teufel war sie so plötzlich hergekommen? Das Schnauben eines Pferds gab ihm die Antwort. Einige Yards hinter ihnen befand sich eine langgezogene Baumgruppe. Dort musste sie das Tier angebunden und sich dann zwischen den Bäumen herangeschlichen haben.
»Hallo, Willa«, begrüßte Amos Connors sie und nahm seinen Hut ab. Sein Grinsen feierte Wiederkehr, und nun war es breiter als je zuvor, ohne dass es seine Augen erreicht hätte. »Ist eine Weile her, dass wir uns das letzte Mal begegnet sind.«
Auf die Bemerkung ging sie nicht ein. »Kann es sein, dass du versuchst, Ärger zu machen, Amos?«
In einer empörten Geste hob er die Arme.
»Auf keinen Fall. Ich habe bloß ein bisschen mit deinen Leuten geplaudert. Ist doch so, oder, Mr. Cheston?«
Er erhielt keine Antwort. Cheston presste die Lippen zusammen. Instinktiv wusste er, dass es jetzt am besten war, die Klappe zu halten.
Nach einer Weile, in der selbst der Wind vor Spannung den Atem anzuhalten schien, setzte Connors seinen Hut wieder auf, tippte mit zwei Fingern an die Krempe und gab seinen Männern ein Zeichen. Sie wendeten ihre Pferde und trabten davon, wobei sich Connors an ihre Spitze setzte.
Grenzenlose Erleichterung breitete sich in Cheston aus. Gleichzeitig fühlte er sich beschämt, weil er sich von einer Frau aus der Klemme hatte helfen lassen müssen. Dass es sich um Willa handelte, machte die Sache nur schlimmer.
»Du bist zur rechten Zeit aufgekreuzt«, sagte er, was ihn durchaus Überwindung kostete. »Die waren auf Krawall aus.«
»Mir ist der Arsch ganz schön auf Grundeis gegangen«, stieß Rob Temple hervor und brachte dabei das Kunststück fertig, ebenso empört wie erleichtert zu klingen. »Der Hundesohn mit den Handschuhen war kurz davor, seine Kanone zu ziehen.«
»Kann ich mir nicht vorstellen«, sagte sie, ohne den Blick von den sich rasch entfernenden Reitern abzuwenden. »So verrückt, grundlos eine Schießerei anzuzetteln, ist nicht mal Amos. Die wollten euch bloß Angst einjagen.«
»Was mich angeht, haben sie das geschafft«, gab Rob freimütig zu, was Cheston irgendwie ärgerte. »Ich könnte jetzt einen Drink vertragen. Oder auch zwei.«
»Wie sieht's mit dem Zaun aus?«, wechselte Willa das Thema und richtete ihren Blick auf Cheston. »Allzu viel hat sich bisher nicht getan, wie ich sehe. Bald wird es dunkel. Werdet ihr heute damit fertig?«
»Wir legen uns ins Zeug. Bevor die Sonne untergeht, ist die Stelle repariert. Du kannst dich auf mich verlassen.«
Sie nickte ihm zu, wandte sich ab und ging davon.
✰
Wie so häufig in letzter Zeit fand Bennet Greene auch in dieser Nacht keinen Schlaf. Seit Stunden wälzte er sich von einer Seite auf die andere und wusste dabei genau, dass es der ständige Positionswechsel nur schlimmer machte. In seinem Kopf wirbelten die Gedanken, und er schaffte es einfach nicht, sie zu vertreiben.
Derzeit gab es so einiges, worüber er nachzudenken hatte. Tagsüber konnte er diese Dinge verdrängen, weil er voll und ganz mit der Arbeit auf seiner Ranch beschäftigt war. Nachts hingegen wollte ihm das nicht gelingen.
Da war zum einen sein Alter, das ihm zusehends zu schaffen machte. Er ging stark auf die siebzig zu, und es fiel ihm mit jedem Tag ein bisschen schwerer, morgens aus dem Bett zu steigen. Die Schmerzen in seinen Knochen und Gelenken waren zu lästigen Begleitern geworden, die nicht mehr weichen wollten. Noch beunruhigender war dieses seltsame, beengende Gefühl in seiner Brust, das sich seit drei Wochen immer mal wieder einstellte, um nach wenigen Minuten zu verschwinden wie ein Kojote in der Nacht. Wobei sich Dauer und Intensität allmählich steigerten.
Es half nichts, er musste in den nächsten Tagen nach Little River reiten und Doc Morton aufsuchen. Dabei hasste er Arztbesuche.
Zum anderen ging ihm Dale Connors nicht aus dem Kopf. Vor einem halben Jahr hatte ihm sein Nachbar zum ersten Mal ein Kaufangebot unterbreitet, was Greene abgelehnt hatte. Daraufhin hatte ihm Dale zu verstehen gegeben, dass er ein Nein nicht akzeptieren würde. Was typisch für ihn war.
In gewisser Weise konnte Greene das sogar nachvollziehen. Dale war ein ebenso umtriebiger wie erfolgreicher Geschäftsmann. Er wollte weiter expandieren, und dafür brauchte er das Land. Nur dachte Greene gar nicht daran, seinen Besitz zu veräußern, um Dale seine Träume zu erfüllen. Schließlich befand sich die Ranch seit Jahrzehnten in Familienbesitz. Sein Großvater hatte sie einst im Schweiße seines Angesichts aufgebaut, und er würde nicht derjenige sein, der sie verscherbelte.
Nachdem er Dales durchaus großzügiges Angebot einen Monat später zum zweiten Mal abgelehnt hatte, war der Ton schärfer geworden. Der bullige Mann war es nicht gewohnt, dass man ihm etwas abschlug. Seitdem kam es ständig zu kleineren Reibereien zwischen ihren Leuten. Greene vermutete, dass Dale auf diese Weise Druck auf ihn ausüben wollte, aber da hatte er sich geschnitten. Das Ganze empfand er als ebenso lästig wie hässlich.
Seufzend schlug er die Augen auf und starrte in die Dunkelheit. Früher waren er und sein Nachbar so etwas wie Freunde gewesen. Sie hatten sich regelmäßig auf ein Glas Brandy – oder zwei – getroffen und sich über Geschäfte und Privates ausgetauscht. Nachdem die Sache mit Willa und Amos so furchtbar schiefgelaufen war, hatte sich ihr Verhältnis deutlich verschlechtert. Fortan gab es keine gemeinsamen Drinks mehr. Dales Stolz war nachhaltig angekratzt, und das konnte er nicht er nicht so einfach verwinden.
Obwohl er sich damals über sie geärgert hatte, gab Greene seiner Tochter keinerlei Schuld an dem Zerwürfnis. Der Plan, den er mit Dale ausgeheckt hatte, war von vorneherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Ihm hätte klar sein müssen, dass sie dabei nicht mitspielen würde, eigensinnig und stur, wie sie nun einmal war.
Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr. Langsam drehte er den Kopf Richtung Fenster. In jüngster Zeit vergaß er nachts häufiger, die Vorhänge zuzuziehen.
Da draußen flackerte etwas!
Er schlug die Decke zurück und sprang aus dem Bett, seine protestierenden Gelenke ignorierend. Auf bloßen Füßen hastete er zum Fenster und spähte hinaus. Was er sah, ließ ihm eine Gänsehaut über den Rücken laufen.
Der kleine Schuppen schräg unter ihm brannte lichterloh. Da er kaum einen halben Schritt vom Haupthaus der Ranch entfernt stand, konnte das Feuer jeden Moment übergreifen. Eine Katastrophe bahnte sich an. Schon leckten die ersten Flammen gierig nach der Hauswand.
»Feuer!«, schrie Greene, so laut er konnte. »Feuer! Feuer!«
Keine fünf Minuten später hatte sich zwischen dem nahen Brunnen und dem brennenden Schuppen eine Menschenkette gebildet. Bis zum Rand gefüllte Eimer wurden durchgereicht. Auch Willa und sein Sohn Jasper hatten sich eingereiht und packten mit an. Wenn das Wasser auf die Flammen gekippt wurde, zischte es laut und vernehmlich. Weiße Schwaden stiegen auf.
Bennet Greene beobachtete die Löschversuche in einigem Abstand. Er hatte sich seinen Morgenmantel übergeworfen und trug Pantoffeln. Vor Aufregung ging sein Atem schneller. Sein Brustkorb hob und senkte sich in rascher Folge, und eine eisige Faust schien sein Herz zu umklammern.
Der Druck ließ erst nach, als die Flammen endlich erstarben. Erleichterung breitete sich in ihm aus. Sie hatten es geschafft. Das Gebäude hatte zwar was abbekommen, aber sie hatten verhindert, dass sich das Feuer ausbreitete, und nur das zählte.
Grauweißer Rauch erhob sich in den nächtlichen Himmel. Hier und da knackte es in den Überresten des Schuppens, der bis auf Brusthöhe niedergebrannt war. Da war nichts mehr zu retten. Seine Männer würden einen neuen bauen müssen.
Myles Cheston näherte sich ihm. In der Hand hielt er einen leeren Eimer. Der Vorarbeiter hatte ein Nachthemd an und trug seinen Hut auf dem Kopf, womit er einen unfreiwillig komischen Anblick bot. Er musste aus purer Gewohnheit im Dunkeln nach der Kopfbedeckung gegriffen haben, als ihn Greenes Schreie aus dem Schlaf gerissen hatten.
»Das war knapp, Boss«, stellte er das Offensichtliche fest.
»Allerdings«, erwiderte Greene. »Denkbar knapp.«
»Knapper sogar, als Sie glauben. Seit gestern liegen in dem Schuppen nämlich ein paar Fässer mit Lampenöl.«
Greene hob die Brauen. »Lampenöl?«
Normalerweise diente der Bau als erweiterter Vorratsraum für Lebensmittel. Deshalb war er auch in der Nähe des Hintereingangs errichtet worden, damit das Küchenpersonal keine weiten Wege zurücklegen musste, wenn es die Vorratskammer im Haus auffüllen wollte.
»Ganz genau. Wenn das Feuer das Öl erreicht hätte ...« Er schüttelte den Kopf. »Darüber will ich gar nicht nachdenken. Wir haben ein Riesenglück gehabt.«
Greene atmete tief durch. Vor seinem geistigen Auge sah er eine Explosion. Brennende Holzteile flogen in alle Richtungen davon. Flammen griffen wie mit gierigen Fingern nach den Löschhelfern, unter denen sich auch seine Kinder befanden. Er blinzelte, um das Bild zu vertreiben.
Willa kam zu ihnen rüber, gefolgt von Jasper, der neben ihrer imposanten Erscheinung eher unscheinbar wirkte. Das Mondlicht tauchte ihr ebenmäßiges Gesicht und ihre nackten Arme in ein kaltes Blau. Wie Cheston trug sie bloß ein Nachthemd, ihre Füße jedoch steckten in Stiefeln. Unter dem weißen Stoff zeichneten sich die Konturen ihres schlanken Körpers ab.
Greene entging nicht, dass der Vorarbeiter seine Tochter anstarrte, verkniff sich jedoch eine Bemerkung.
Es war ein offenes Geheimnis, dass Cheston ein Auge auf Willa geworfen hatte, obwohl er mit seinen einundvierzig ein Dutzend Jahre älter war als sie. Die Chance, dass sie ihn jemals erhörte, war Greenes Ansicht nach gleich Null, wählerisch wie sie eben war. Cheston war kein schlechter Kerl, und seine Arbeit erledigte er gewissenhaft. Das reichte aber nicht aus, um Willas Interesse zu erwecken.
»Das war Brandstiftung«, verkündete sie mit fester Stimme. »Aus welchem Grund sollte in einem Schuppen mitten in der Nacht ein Feuer ausbrechen?«
Greene massierte sein spitzes Kinn. Willa hatte recht. Und das ausgerechnet dann, wenn ausnahmsweise Ölfässer statt Lebensmitteln darin gelagert werden, fügte er in Gedanken hinzu. Von seinen eigenen Leuten kam niemand als Täter in Frage, da war er sicher.
Und falls doch? Vielleicht hatte Dale Connors einen Spion auf der Ranch, der ihm von dem Öl erzählt hatte. Deshalb hatte Dale einen von seinen Männern geschickt, um das Feuer zu legen.
Konnte das wirklich sein? Dale war ein Geschäftsmann, der sich nicht scheute, mit harten Bandagen zu kämpfen, falls es sein musste. Würde er aber so weit gehen, Menschenleben in Gefahr zu bringen?
»Heute Nachmittag gab es draußen am Zaun einen Zwischenfall«, sprach Willa weiter und berichtete ihm, was sich zwischen Cheston und seinen Arbeitern sowie Amos Connors und dessen Begleitern abgespielt hatte. »Die waren auf Ärger aus. Nicht das erste Mal in letzter Zeit.«
»Wir sollten etwas unternehmen«, schaltete sich Jasper ein. »So kann es einfach nicht weitergehen.«