Lassiter 2681 - Michael Schauer - E-Book

Lassiter 2681 E-Book

Michael Schauer

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Beschreibung

"Du machst einen nachdenklichen Eindruck heute Abend", sagte Ambrose Dyke und reichte Carson Delando die Whiskyflasche.
"Ich habe nur noch einmal über unseren Plan für morgen nachgedacht", erwiderte Delando und nahm einen kräftigen Schluck. Warm rann der Schnaps seine Kehle herunter.
Ambrose zwinkerte ihm zu. "Keine Sorge, Boss, es wird alles glattlaufen. Wie immer."
"Schätze, du hast recht."
Delandos Blick glitt über die fünf Outlaws, deren Anführer er war. Das Lagerfeuer warf zuckende Schatten auf ihre Gesichter. Ihre Stimmung war ausgelassen, denn sie erwarteten reiche Beute.
Er allein wusste, dass es morgen nicht wie immer laufen würde.


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Inhalt

Cover

Todesfahrt nach Old Man's Hill

Vorschau

Impressum

Todesfahrt nach Old Man's Hill

von Michael Schauer

»Du machst einen nachdenklichen Eindruck heute Abend«, sagte Ambrose Dyke und reichte Carson Delando die Whiskyflasche.

»Ich habe nur noch einmal über unseren Plan für morgen nachgedacht«, erwiderte Delando und nahm einen kräftigen Schluck. Warm rann der Schnaps seine Kehle herunter.

Ambrose zwinkerte ihm zu. »Keine Sorge, Boss, es wird alles glattlaufen. Wie immer.«

»Schätze, du hast recht.«

Delandos Blick glitt über die fünf Outlaws, deren Anführer er war. Das Lagerfeuer warf zuckende Schatten auf ihre Gesichter. Ihre Stimmung war ausgelassen, denn sie erwarteten reiche Beute.

Er allein wusste, dass es morgen nicht wie immer laufen würde.

»Wann kommt die Alte endlich wieder raus?«, zischte Matty Burns, nahm den Hut ab und fuhr sich durch sein nackenlanges Haar, wie er es wenigstens ein Dutzend Mal getan hatte, seit sie ihre Position in der schmalen Seitengasse bezogen hatten. In einer beruhigenden Geste legte Carson Delando dem jüngsten Mitglied seiner Bande eine Hand auf die Schulter.

»Immer entspannt bleiben, Matty«, raunte er ihm zu. »Mit einer Bank ist es manchmal wie mit einer schönen Frau. Du musst Geduld haben.«

Matty stieß einen abschätzigen Laut aus. »Der Vergleich hinkt, Boss. Bei den Ladys brauche ich nie Geduld. Die können es kaum erwarten, sich die Kleider vom Leib zu reißen.«

Das glaubte ihm Delando aufs Wort, denn der Neunzehnjährige war mit seinem markanten Gesicht und den wasserblauen Augen darin ein attraktiver Bursche, nach dem sich Damen jeden Alters auf der Straße umsahen. Jetzt jedoch wirkte er hochgradig nervös, was ihm Delando nicht verdenken konnte. So ging es fast jedem, wenn er sein erstes Ding drehte.

Er erinnerte sich gut daran, dass er sich damals beinahe in die Hosen gepisst hätte vor Aufregung, und dabei hatte es sich bloß um einen Überfall auf einen harmlosen Farmer gehandelt. Das war inzwischen über zwanzig Jahre her, doch in diesem Moment erschien es ihm, als sei es gestern gewesen. Das Opfer war eine dürre, ungepflegte Erscheinung und schaute verwundert aus seiner schmutzigen Wäsche, als sie ihn mit seinem Wagen anhielten. Minuten später lag er mit einer Kugel im Schädel im Straßengraben. Den tödlichen Schuss hatte Delando abgefeuert.

Matty war ein Jahr älter als er damals. Er war ein Waise, der zu der Erkenntnis gelangt war, dass ehrliche Arbeit nicht das geeignete Lebensmodell für ihn darstellte. Die anderen Jungs waren skeptisch gewesen, als er sich ihnen anschließen wollte, und hatten ihn erstmal tüchtig verprügelt. Nur um zu sehen, wie er reagierte, wenn es um seinen Hintern ging. Bis er unter ihren Schlägen das Bewusstsein verloren hatte, hatte sich Matty verbissen gewehrt. Die ganze Zeit war kein Laut über seine Lippen gekommen, obwohl er ordentlich hatte einstecken müssen. Was sie davon überzeugt hatte, dass es sich bei ihm um einen zähen Hund mit einer guten Portion Schneid handelte. Das reichte mehr als aus, um ihm eine Chance zu geben, und deswegen ritt er seit knapp zwei Monaten an ihrer Seite.

Delando lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die andere Straßenseite. Das Gebäude wirkte unscheinbar und so gar nicht wie eine Bank, wenn man von den vergitterten Fenstern absah. Doch der Tresor da drin war vollgestopft mit den Lohngeldern für die Arbeiter, die nicht weit von hier im Schweiße ihres Angesichts Gleise für eine neue Eisenbahnstrecke verlegten. Von wo sie kam und wohin sie führen sollte, interessierte Delando nicht. Er war nur auf das Geld scharf.

Es war Jasper gewesen, der den Tipp bekommen hatte. Jasper schien in jedem noch so kleinen Kaff einen Informanten zu haben, der Teufel allein mochte wissen, wie er das anstellte. Sein Spitzel hatte ihm gesteckt, dass die Gelder für einen Tag in der Bank von Red Mountain aufbewahrt wurden. In der Nacht zuvor waren sie in aller Heimlichkeit in die Stadt gebracht worden, um keine unerwünschte Aufmerksamkeit zu erregen. Jaspers Mann zufolge hockten zwei mit Gewehren bewaffnete Wächter im Tresorraum. Bereit, jeden umzulegen, der dem Geldschrank zu nahe kam.

Das zu erfahren hatte Delando ein dickes Bündel Scheine gekostet, aber das war es ihm wert. Wenn der Informant nicht gelogen hatte – und damit war nicht zu rechnen –, wartete hinter der schlichten braunen Fassade ein Vermögen auf ihn. Seine Vermutung war, dass der Bursche deshalb so gut Bescheid wusste, weil er bei der Eisenbahngesellschaft arbeitete, schlecht bezahlt wurde und sich ein paar Dollar dazu verdienen wollte.

Die alte Lady hatte die Bank im Moment ihrer Ankunft betreten. Delando hielt nichts davon, dass Unschuldige zu Schaden kamen, deshalb hatte er beschlossen zu warten, bis sie ihre Geschäfte erledigt hatte. Das war so eine Art Ehrenkodex von ihm, und das Geld würde ihnen sowieso nicht davonlaufen. Inzwischen waren jedoch über zwanzig Minuten vergangen, und seine Geduld erreichte allmählich ihre Grenzen.

Er war kurz davor, seinem Kodex diesmal untreu zu werden, als die Alte endlich in der Tür erschien. Neben sich hörte er Matty aufatmen. Doch statt ihres Weges zu gehen, blieb die Lady auf der Treppe stehen und begann in ihrer Tasche zu kramen. Delando leckte sich über die trockenen Lippen. Hatte sie etwas vergessen? Als er schon fürchtete, sie könne sich umdrehen und wieder reingehen, setzte sie sich zu seiner Erleichterung in Bewegung. Mit schnellen Schritten trippelte sie die Straße hinunter und war kurz darauf verschwunden.

Der Weg war frei.

»Los, Matty«, raunte er und versetzte dem Jungen einen Klaps auf den Rücken.

Matty brauchte keine zweite Aufforderung. Während sie Schulter an Schulter die Straße überquerten, bemerkte Delando aus den Augenwinkeln Ambrose und Tyrone, die auf der anderen Seite gewartet hatten. Die beiden würden sie in die Bank begleiten. Jasper und Miles befanden sich mit den Pferden in der Nähe. Sobald sie Schüsse hörten, würden sie angeritten kommen.

Dass geschossen würde, war so sicher, wie morgens die Sonne aufging. Delando würde es nicht riskieren, die Wachen in Schach zu halten, während sie sich am Tresor zu schaffen machten. Es war nämlich nicht auszuschließen, dass einer von ihnen auf die dumme Idee kam, den Helden zu spielen, und in so einem Fall konnte die Lage ganz schnell außer Kontrolle geraten. So etwas hatte er schon erlebt und war nur um Haaresbreite mit heiler Haut davongekommen. Das würde ihm nicht noch einmal passieren.

Bevor er die Tür öffnete, zog er sein Halstuch bis fast zur Nasenwurzel hoch. In der schmucklosen Schalterhalle stand ein älterer, hagerer Mann in einem blütenweißen Hemd hinter einem Tresen und hob bei seinem Eintreten den Blick. Er machte den Mund auf, schloss ihn aber sofort wieder, als er in die Mündung von Delandos Colt blickte. Ohne sich umzusehen, wusste Delando, dass sich die anderen mit gezückten Waffen hinter ihm aufgebaut hatten. Sofern der Angestellte auch nur daran gedacht hatte, etwas Dummes anzustellen, würde er das bei diesem Anblick ganz schnell wieder vergessen.

Neben dem Tresen entdeckte er einen schmalen Korridor, der zu einer geschlossenen Tür führte.

Delando trat ganz nahe an den Angestellten heran. Die Augenlider des Mannes flatterten. Sein Gesicht war kalkweiß geworden.

»Gehe ich richtig in der Annahme, dass sich hinter der Tür da hinten der Tresorraum befindet?«, fragte er leise und fügte schnell hinzu: »Halt bloß die Klappe. Nicke oder schüttle den Kopf.«

Heftiges Nicken war die Antwort.

»Ist sie abgeschlossen?«

Kopfschütteln.

»Soweit mir bekannt, wird der Tresor von zwei bewaffneten Männern bewacht. Trifft das zu? Lüg mich nicht an, sonst komme ich zurück und mache dir ein großes rundes Loch in die Brust.«

Erneutes Nicken.

»Wie lautet die Kombination? Diesmal wirst du den Mund aufmachen müssen, aber sei ganz leise, sonst wird mein Sechsschüsser gleich ganz laut.«

Mit heiserer Stimme verriet er sie ihm.

Delando nickte ihm zu. »Das war sehr gut, mein Freund. Du hast exzellente Chancen, das hier zu überleben. Leg dich mit dem Gesicht nach unten auf den Boden und rühr dich nicht. Es wird gleich eine Schießerei geben, und wenig später wirst du unsere Schritte hören, wenn wir aus der Bank stürmen. Danach zählst du langsam bis hundert, bevor du aufstehen darfst. Kapiert?«

Statt einer Antwort warf sich der Angestellte hin und verschränkte die Hände über dem Hinterkopf. Delando stieß ein zufriedenes Brummen aus. Der Kerl würde nicht mal aufschauen, wenn sich neben ihm die Hölle auftat.

Er wandte sich ab, ging zur Tür, legte die freie Hand auf den Knauf und warf einen Blick über die Schulter. Matty, Ambrose und Tyrone waren dicht hinter ihm. Mit einem Ruck riss er die Tür auf. In dem Raum dahinter befanden sich wie erwartet ein mannshoher Tresor und zwei Männer in gelben Staubmänteln, die es sich auf ihren Stühlen bequem gemacht hatten. Ihre Köpfe flogen herum. Einer von ihnen griff nach dem Gewehr, das neben ihm an der Wand lehnte. Delando erledigte ihn mit zwei Kugeln in den Schädel und in die Brust. Den anderen nahm Matty aufs Korn, der sich an ihm vorbeigedrängt hatte. Im nächsten Moment lagen beide Wächter in ihrem Blut.

Diese Hürde war genommen, doch jetzt musste es schnell gehen. Die Schüsse waren garantiert nicht nur von Jasper und Miles gehört worden. Wahrscheinlich griffen in diesem Moment der Sheriff und seine Deputies nach ihren Waffen. Mit fliegenden Fingern stellte Delando die Kombination des Tresors ein und öffnete die schwere Stahltür. In dem Geldschrank lagen vier mittelgroße Säcke, prall gefüllt mit Dollarnoten, wie er feststellte, als er einen schnellen Blick in einen hineinwarf. Er und Matty griffen sich jeweils zwei, und dann waren sie auch schon auf dem Weg nach draußen, während ihnen Tyrone und Ambrose den Rücken freihielten. Nur für den Fall, dass es sich der Bankangestellte anders überlegt hatte.

Die Pferde standen wie geplant bereit. Hastig befestigte Delando die beiden Säcke mit zu diesem Zweck vorbereiteten Stricken an seinem Sattelhorn, bevor er sich auf seinen Gaul schwang. Matty hatte dasselbe getan und war sogar schneller damit fertig als er.

»Da kommen sie!«, rief Jasper und deutete die Straße hinunter.

Mehrere Männer eilten von dort auf sie zu. Einer von ihnen gab einen Schuss auf sie ab, doch er war zu weit entfernt, um einen Treffer zu landen.

»Ihr solltet verschwinden«, zischte Ambrose Delando zu.

»Los, Junge«, forderte Delando Matty auf, und dann gaben sie beide ihren Pferden die Sporen und jagten in die entgegengesetzte Richtung davon. Schüsse krachten. Seine Jungs hatten die Aufgabe, den Sheriff und seine Leute etwa eine halbe Minute zu beschäftigen, bevor sie ihnen folgten. Hinter der Stadtgrenze würden sie sich aufteilen. Jasper und Miles ritten nach Norden, Ambrose und Tyrone nach Nordwesten, er selbst und Matty nach Nordosten. Morgen früh würden sie am verabredeten Treffpunkt wieder zusammenkommen, um die Beute zu teilen. So lautete der Plan.

Dazu würde es jedoch nicht kommen.

Delandos Zufriedenheit hätte nicht größer sein können. Bei einem Überfall konnte alles Mögliche schiefgehen, wie er aus leidvoller Erfahrung wusste, doch diesmal war es glatt gelaufen. Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte er sich, dass keine Verfolger in Sicht waren. Seine Leute hatten ihm und Matty ausreichend Vorsprung verschafft, um in den nahen Wäldern zu verschwinden. Wenn sich der Sheriff und seine Männer an die Fersen von jemandem geheftet hatten, dann an die von Jasper und Miles oder Ambrose und Tyrone.

Aber von denen hatte keiner die Beute bei sich.

Wenig später gab Delando Matty ein Zeichen, woraufhin sie ihre Pferde zügelten, deren Fell vor Anstrengung schweißnass glänzte. In einem lockeren Trab setzten sie ihren Weg fort.

Der Junge grinste bis über beide Ohren. »Scheiße, Carson, ich hätte nicht gedacht, dass es so einfach ist. Ehrlich gesagt, war mir vorher ganz schön mulmig zumute.«

»Die Wachen hätten ihre Gewehre in der Hand behalten sollen, dann hätten sie vielleicht eine Chance gehabt«, erklärte ihm Delando. »Gut für uns, dass sie es nicht getan haben. So reibungslos läuft es aber nicht immer, das kannst du mir glauben.«

»Verstehe. Übrigens danke für dein Vertrauen, Carson. Ich meine dafür, dass ich mit dir zusammen das Geld in Sicherheit bringen darf.«

»Sieh es als deine Feuertaufe, Matty. Du hast dich gut geschlagen. Konntest es wohl gar nicht abwarten, dem Wächter eine Kugel zu verpassen.«

Er lachte auf. »Ich wollte mich auf jeden Fall nützlich machen. Schätze, wir sind jetzt reich, was?«

»Jedenfalls haben wir ein hübsches Sümmchen abgesahnt.«

»Versteh mich nicht falsch, Carson...« Ein lauernder Unterton lag in seiner Stimme. »Hätten wir die Nummer nicht auch zu zweit durchziehen können? Dann müssten wir jetzt nicht durch sechs teilen.«

Hol mich der Teufel, schoss es ihm durch den Kopf. Der Junge hatte es faustdick hinter den Ohren. Kaum hatte er das erste Ding durchgezogen, da dachte er schon darüber nach, die anderen auszubooten.

Auf eine gewisse Weise machte es ihm das, was er gleich tun musste, leichter.

»Halt mal an«, befahl er und brachte seinen Mustang zum Stehen.

Matty gehorchte. Seine Stirn legte sich in Falten. »Was ist los? Ist noch ein gutes Stück bis zum Treffpunkt.«

»Das weiß ich doch.«

Delando zog seinen Colt und zielte auf ihn.

Die Augen des Jungen weiteten sich.

»Was zum Teufel...?«

Mattys Hand zuckte zu seiner Waffe, doch er hatte keine Chance. Delandos Kugel traf ihn dicht oberhalb des Herzens und warf ihn aus dem Sattel. Er landete auf dem Rücken und blieb stöhnend liegen. Die Verletzung war tödlich, wie Delando mit geübtem Blick feststellte. Sicherheitshalber verpasste er Matty einen zweiten Schuss in den Kopf, dann griff er nach den Zügeln von dessen Pferd.

Als er kurz darauf wieder unterwegs war, hatte er eine neue Richtung eingeschlagen.

Rosewood schien eine friedliche Stadt zu sein. Die Häuser wirkten gepflegt, niemand lungerte auf der Straße herum, und es waren keine Betrunkenen zu sehen. Sämtliche Läden waren geöffnet, was auch für den Saloon galt, den Lassiter in diesem Augenblick betrat. Obwohl es erst Nachmittag war, waren alle Tische besetzt, selbst am Tresen gab es kaum einen freien Platz. Neben einer kleinen Bühne mühte sich ein Pianist an seinem Instrument, doch gegen den Klangteppich aus Unterhaltungen und Gelächter vermochte er nicht anzukommen.

Hinter dem Tresen war ein kräftiger Mann mit kurzgeschnittenem schwarzen Haar damit beschäftigt, ein halbes Dutzend Biergläser zu befüllen. Er bemerkte Lassiter und hob kurz den Kopf, bevor er mit seiner Arbeit fortfuhr.

»Einen Moment Geduld, Mister«, sagte er und schenkte das nächste Glas ein. »Wie Sie sehen, arbeite ich gerade eine Großbestellung ab.«

»Kein Problem, ich wollte sowieso nichts trinken.«

Der Barkeeper schaute nicht auf, als er antwortete. »Ach nein? Dann möchten Sie vielleicht was essen. Unsere Steaks können sich sehen lassen, mein Wort darauf.«

»Auch das nicht.«

»Haben Sie sich verlaufen, Mister? Für gewöhnlich kommen die Leute her, um sich einen hinter die Binde zu kippen oder sich den Bauch vollzuschlagen.«

»Ich bin auf der Suche nach einer Lady. Ihr Name ist Lilly Delando.«

Der Barkeeper hatte das vierte Glas gefüllt. Zwei blieben noch übrig.

»Verstehe, darum geht's. Sagen Sie das doch gleich. Sehen Sie die Treppe hinten an der Wand?«

Lassiter drehte den Kopf in die angegebene Richtung. Die Treppe war schmal und führte auf eine Galerie, von der drei Türen abgingen, die alle geschlossen waren.

»Lillys Zimmer ist das ganz rechts«, erklärte ihm der Barkeeper. »Möglich, dass sie einen Kunden hat, hab sie eine Weile nicht hier unten gesehen. Kann aber auch sein, dass ich mich täusche. Ist viel los heute. Zu viel, um den Überblick zu behalten. Klopfen Sie einfach an, dann werden Sie's rausfinden.«

»Danke. Vielleicht nehme ich später einen Whisky.«

»Lassen Sie sich ruhig Zeit. Ich laufe Ihnen nicht weg, und wir haben reichlich Vorräte.«

Lassiter wandte sich ab und ging zur Treppe. In Wahrheit hatte er es nicht auf ein Schäferstündchen abgesehen. Sein Auftrag lautete, Lilly Delandos Bruder Carson dingfest zu machen. Delando war der Anführer einer Bande, die sich mit Bank- und Postkutschenüberfällen einen unrühmlichen Namen gemacht hatte.

Vor sechs Wochen war in Old Man's Hill die Tochter eines Regierungsmitarbeiters bei einer Schießerei ums Leben gekommen, in die Delando und seine Leute verwickelt gewesen waren. Die junge Frau war vor einem Jahr mit ihrem Ehemann in die Stadt gezogen und hatte das Pech gehabt, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Eine Kugel hatte ihre Halsschlagader zerfetzt, als sie über die Straße rannte, um sich in Sicherheit zu bringen.

Ihr Vater wollte Blut sehen und hatte keine Ruhe gegeben, bis sich die Brigade Sieben der Sache annahm und Lassiter mit der Mission betraute, Delando und seine Bande ein für alle Mal unschädlich zu machen. Also war Lassiter nach Old Man's Hill geritten und hatte dort die Spur aufgenommen, die ihn in drei weitere Städte führte, bis er in der Nähe von Devon City auf einen Mann namens Hank Williams gestoßen war. Williams war vor Jahren eine Weile mit Delando unterwegs gewesen, hatte sich jedoch von ihm getrennt, nachdem er seine Frau kennengelernt hatte.

Heute lebte er friedlich mit seiner Gattin auf einer kleinen Farm und redete nur ungern über die Zeit, in der seinen Worten nach vorübergehend auf Abwege geraten war. Erst als ihm Lassiter versichert hatte, dass er ihn nicht verhaften wolle, hatte er sich auf ein Gespräch eingelassen. Bei einem Glas selbstgemachter Zitronenlimonade – Williams hatte dem Alkohol abgeschworen, wie er stolz erklärte – hatte Lassiter erfahren, dass Delando eine Schwester namens Lilly besaß. Williams hatte ihn einmal begleitet, als er ihr in Rosewood einen Besuch abgestattet hatte.