Chefarzt Dr. Holl 1927 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1927 E-Book

Katrin Kastell

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ihre Hände sind schweißnass, ihr Herz rast. Kalt rieselt es Stella Steinbach den Rücken hinab. Und grausam flüstert eine Stimme in ihrem Kopf: Du bist schuld an Christophs Unglück. Du allein!
Stella hält es nicht mehr aus. Verdammt, diese Höllenqualen müssen endlich aufhören! Die Panikattacken begleiten sie schon ihr ganzes Leben lang. Aber seit dem Schlaganfall ihres Mannes hat sich ihre Angst zu einem Monstrum ausgewachsen, das nicht mehr zu bändigen ist.
Verzweifelt bittet die blonde Anwältin Dr. Richard Edlinger um Hilfe. Doch seine gängigen Therapien versagen. So muss auch der Psychiater erst zu unkonventionellen Methoden greifen, um die harte Nuss Stella endlich zu knacken - und fördert dabei eine Wahrheit zutage, die vielleicht besser verschüttet geblieben wäre ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 131

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Geheime Botschaft aus dem Unterbewusstsein

Vorschau

Impressum

Geheime Botschaft aus dem Unterbewusstsein

Was Dr. Holls Patientin wagte, um ihre Angst zu besiegen

Von Katrin Kastell

Ihre Hände sind schweißnass, ihr Herz rast. Kalt rieselt es Stella Steinbach den Rücken hinab. Und grausam flüstert eine Stimme in ihrem Kopf: Du bist schuld an Christophs Unglück. Du allein!

Stella hält es nicht mehr aus. Verdammt, diese Höllenqualen müssen endlich aufhören! Die Panikattacken begleiten sie schon ihr ganzes Leben lang. Aber seit dem Schlaganfall ihres Mannes hat sich ihre Angst zu einem Monstrum ausgewachsen, das nicht mehr zu bändigen ist.

Verzweifelt bittet die blonde Anwältin Dr. Richard Edlinger um Hilfe. Doch seine gängigen Therapien versagen. So muss auch der Psychiater erst zu unkonventionellen Methoden greifen, um die harte Nuss Stella endlich zu knacken – und fördert dabei eine Wahrheit zutage, die vielleicht besser verschüttet geblieben wäre ...

»Wie war dein Tag?«, erkundigte sich Christoph Steinbach bei seiner Frau.

Stella hielt ihm die Wange zum Kuss hin.

Innerlich stöhnte sie laut auf. Sie mochte diese Frage nicht. Wie sollte ihr Tag schon gewesen sein? Glaubte Christoph wirklich, bei ihr habe sich ausgerechnet heute etwas ganz Besonderes ereignet?

»Wie immer«, erwiderte sie gelangweilt. »Es war rein gar nichts los. Ach, doch! Die Nachbarin hat geklingelt und gefragt, ob ich ihren Hund gesehen hätte.«

»Und? Hast du?« Christoph, ein gut genährter Mann Ende vierzig, legte seinen Hut auf die Ablage, bevor er sich aus seinem Kamelhaarmantel schälte und ihn sorgfältig über einen Bügel hängte.

»Nein, ich habe nicht aus dem Fenster geschaut«, gab Stella zurück.

Was für eine Frage! Als ob der kläffende Köter der Nachbarin für sie von irgendeinem Interesse wäre ...

Anschließend ging der Hausherr ins Bad, um sich die Hände zu waschen und gewohnheitsmäßig einen prüfenden Blick in den Spiegel zu werfen. Sein Äußeres war noch tadellos, allerdings sprießten trotz einer gründlichen Rasur am frühen Morgen schon wieder die ersten Bartstoppeln. Aber für heute wollte er fünf einmal gerade sein lassen.

Stella wartete auf ihn im großen Wohnraum. Da er nach einem stressigen Arbeitstag in der Regel gerne erst einmal einen Tee trank, hatte sie schon welchen vorbereitet und die Kanne auf das Stövchen zum Warmhalten gestellt.

»Danke, Liebes.«

Mit einem Ächzen setzte er sich zu ihr auf die ausladenden, ledernen Polstermöbel, die sie erst letztes Jahr für sehr viel Geld erstanden hatten.

Damals hatte Stella auf eine Anzeige in einem Magazin gezeigt und gesagt, wie toll sie diese Wohnlandschaften fand. Ihr Mann hatte sofort einen Innenarchitekten kommen lassen, um den Raum neu zu gestalten.

Da es letztlich nur noch dem Wohnraum am letzten Schliff gefehlt hatte, das gesamte restliche Haus, eine Jugendstilvilla im Münchener Stadtteil Nymphenburg, hingegen bereits frisch renoviert und modern eingerichtet war, machte sich die Umgestaltung sehr gut, auch wenn sie nicht nötig gewesen wäre.

Doch Stella nahm sich seitdem mit Wünschen etwas zurück. Materielle Dinge besaßen sie im Überfluss, sie brauchten nicht noch mehr anzuhäufen.

Ohnehin war das, was sie wirklich wollte, etwas vollkommen anderes, etwas Drängendes, geradezu Geheimes, das sie allerdings nicht benennen konnte, weil es keinen passenden Namen dafür gab. Stella wusste nur, dass da immer mehr Unordnung in ihrer Seele entstand. Nachts erwachte sie schweißgebadet aus quälenden Albträumen.

Manchmal befiel sie ein merkwürdiger Schwindel, auch außerhalb des schützenden Hauses. Am heftigsten aber erschreckte sie das Gefühl, dass ihr Herz in unregelmäßigen Abständen viel zu schnell und auch nicht im richtigen Rhythmus schlug. Sie war doch erst achtundzwanzig. In dem Alter hatte man normalerweise noch keine Herzprobleme ...

Christoph nippte in kleinen Schlucken an seiner Tasse. Er war heute früher als sonst nach Hause gekommen und schien sich auf einen harmonischen Abend mit seiner geliebten Frau zu freuen, jedenfalls sagte das sein zufriedener Gesichtsausdruck.

Es war jetzt fünf Jahre her, seit ihm das Schicksal den direkten Weg zu Stella gewiesen hatte, die als blutjunge Juristin in seine Kanzlei gekommen war.

Seine Großkanzlei brachte ihm nicht nur Reichtum, sondern leider auch viel Arbeit ein. Den letzteren Zustand beklagte er oft. Er hätte gern viel mehr Zeit mit seiner schönen jungen Frau verbracht, aber seine Anwesenheit als Chef war für den Fortbestand der Kanzlei von größter Wichtigkeit.

Damals, als sie sich kennengelernt hatten, lebte sein Onkel Friedrich noch, aber Neffe Christoph war schon als designierter Nachfolger auserkoren. Nach dem Tod des Onkels war Christoph sofort an die Spitze der Firma gerückt, die inzwischen auf fünfzehn Anwälte angewachsen war, hinzukamen noch zwei Referendare und sechs Sekretärinnen.

»Bei euch in der Kanzlei war sicher viel mehr los als hier«, nahm Stella den Faden wieder auf.

Seit sie ihren Mann betrog, bemühte sie sich darum, nicht allzu viel von ihrem Tagesablauf preiszugeben. Gut zu lügen, wollte gelernt sein. Erlaubte man sich Widersprüche, erregte man schnell das Misstrauen seines Gegenübers.

»Ja, heute ist es besonders heftig zugegangen, aber ich habe mich trotzdem früher verabschiedet, weil ich bei dir sein wollte. Ich hatte Sehnsucht nach dir, meine Süße.«

Stella rang sich zu einem Lächeln durch und hoffte, dass es nicht zu gequält wirkte.

»Der Kollege Moser hat heute einen großen Prozess gewonnen. Es ging um eine Schadenersatzforderung, die vom Gericht in voller Höhe gebilligt wurde. Ich hatte offensichtlich ein gutes Gespür, als ich Ben Moser eingestellt habe. Er ist ein guter Mann.«

Das konnte Stella bestätigen, wenn auch in einem ganz anderen Sinn als es von Christoph gemeint war. Als Bens Name fiel, weiteten sich kaum merklich ihre Pupillen. Eine unendliche Reihe von Bildern von leidenschaftlichen Momenten inniger Zweisamkeit zog an ihrem inneren Auge vorbei. Fast hätte sie sehnsüchtig geseufzt, gerade noch rechtzeitig schloss sie die Lippen.

Stella und Ben hatten sich vor einem Monat bei einer Firmenfeier kennengelernt. Bei beiden war der Funke sofort übergesprungen. Vom ersten Moment an waren sie voneinander fasziniert gewesen. Erst hatten sie es für eine Affäre gehalten, die schnell wieder ihr Ende finden würde. Doch sie hatten sich alle beide geirrt.

Ben entfachte etwas in ihr, was schon lange erloschen schien und jetzt ungezügelt wieder aufflammte: Leidenschaft. Liebe. Lust.

Allein die Vorstellung, sich zwangsläufig bald wieder von ihm trennen zu müssen, bereitete ihr fast körperliche Schmerzen. Liebend gern wäre sie mit fliegenden Fahnen zu Ben übergelaufen. Allein der Umstand, dass sie Christoph dafür unendlich wehtun müsste, hielt sie davon ab.

»Schön, dass wir endlich mal wieder Zeit haben, so vertraut beisammenzusitzen«, meinte Stellas Mann. »Ich möchte mit dir über unseren Kinderwunsch sprechen. Das haben wir ja schon einige Male getan, aber allmählich wird es Zeit, eine ganz bestimmte Frage zu klären.«

In Stella stieg Panik auf.

»Wir sind seit vier Jahren verheiratet.« Christoph betonte seine Worte, obwohl sie ja nichts Neues waren. »Eigentlich hätte sich schon längst Nachwuchs einstellen sollen.«

»Manchmal dauert es eben«, erwiderte seine junge Frau ausweichend.

»Ich würde gern die Meinung eines Arztes dazu hören«, äußerte Christoph vorsichtig seine Bitte. »Vielleicht liegt es an mir, vielleicht an dir. Wir sollten ein paar Tests durchführen lassen. Was hältst du davon?«

»Ich weiß nicht ...«

»Mein ehemaliger Studienfreund Axel Lassow hat einen Schwager, Doktor Stefan Holl. Er ist der Leiter der renommierten Berling-Klinik. Dieser Mann soll schon vielen Paaren den Kinderwunsch erfüllt haben.«

»Ich weiß nicht«, wiederholte Stella.

Das ganze Gespräch war ihr zutiefst unangenehm, auch weil sie fürchtete, dass ihr Lügengebäude den Untersuchungen nicht standhalten würde.

Warum ich nicht schwanger werde, Christoph? Aus dem einfachen Grund, weil ich die Pille nehme. Aber davon ahnst du ja nichts, stellte sich Stella ihr Geständnis bereits lebhaft vor und schüttelte sich unmerklich.

In diesem Moment wurde ihr klar, dass ihr Betrug nicht erst mit Ben begonnen hatte, sondern schon viel früher. Warum verschwieg sie ihrem Mann diese wichtige Tatsache? Es ging ja auch ihn etwas an, dass sie verhütete.

Trotz dieser Heimlichkeiten empfand Stella große Dankbarkeit für das Leben, das ihr Mann ihr ermöglichte. Christoph hatte ihr seinerzeit aus einer tiefen Krise geholfen und ihr als Anfängerin sofort einen Job angeboten, als sie nach dem Jurastudium nichts gefunden hatte. Er hatte sie unter seine Fittiche genommen, ihr Geborgenheit geschenkt und sich dann schon bald in sie verliebt und um ihre Hand angehalten.

Auch Stella hatte geglaubt, ihn zu lieben, doch im letzten Jahr war ihr deutlich bewusst geworden, dass ihre Gefühle für ihn nicht so intensiv waren, wie er es verdiente. Sie empfand ihn als Beschützer und ließ sich gern von ihm verwöhnen. Sie sah in ihm eher eine Vaterfigur. War das unmoralisch?

Bevor sie sich in Ben verliebt hatte, war sie gut mit dieser Situation zurechtgekommen. Sie, die junge attraktive Frau an der Seite eines zwanzig Jahre älteren Mannes, der ihr die Welt zu Füßen legte.

Lange Zeit hatte ihr das große Freude bereitet, doch mittlerweile ließen sie seine Geschenke und Aufmerksamkeiten kalt. Noch eine teure Uhr, noch ein Brillantring, eine Reise der Luxusklasse auf die Malediven, die Mitgliedschaft im angesagtesten Golfklub, ein Elektroauto der gehobenen Klasse für ihre ganz persönlichen Bedürfnisse – eine Aufzählung, die endlos weitergeführt werden konnte. Dabei trug sie selbst zum gemeinsamen Verdienst nichts mehr bei.

Seit ihre Angstzustände auch auftraten, wenn sie im Gerichtssaal stand, arbeitete sie nicht mehr in der Kanzlei. Zu Hause fiel ihr dafür immer öfter die Decke auf den Kopf.

»Wenn du es möchtest, lassen wir uns demnächst untersuchen«, gab sich Stella geschlagen.

Ein Anruf ihrer Freundin Luisa rettete sie aus diesem unangenehmen Gespräch. Sie meldete sich und ging mit dem Handy in den Nebenraum, um Christoph nicht zu stören.

***

Stella bemühte sich um einen Termin bei Chefarzt Dr. Holl und bekam ihn schon ziemlich bald. Normalerweise wäre sie zu ihrer Frauenärztin gegangen, aber da die ihr regelmäßig die Pille verschrieb, würde sie ihrer Patientin nur schlicht und ergreifend raten, die Pille abzusetzen, wenn sie schwanger werden wollte.

Wenige Tage später wurde sie vom Leiter der Berling-Klinik empfangen.

Stefan Holl begrüßte die junge Frau freundlich und erkundigte sich dann: »Was kann ich für Sie tun, Frau Steinbach?«

»Mein Mann hätte gern ein Kind, aber es klappt nicht.«

Dr. Holl lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

»Das kann viele Ursachen haben«, meinte er.

»Vielleicht bin ich unfruchtbar.«

Stella flocht nervös die Finger ineinander. Sie fühlte sich unsagbar schlecht, weil sie dabei war, diesem sympathischen Arzt gleich beim Kennenlernen eine dämliche Lüge aufzutischen.

Um sich ein wenig davon abzulenken, sprach sie als Erstes von ihren Ängsten, die ja mehr als real waren: »Vielleicht hat das mit der Angst zu tun, die mich oft aus heiterem Himmel befällt. Ich weiß, es ist grundlose Angst, denn ich habe keine Probleme. Aber sie kommt immer wieder ohne Ankündigung. In der letzten Zeit sogar häufig. Wenn ich unterwegs bin, wird mir schwindelig. Dann suche ich panisch nach einem Halt. Meistens lehne ich mich an eine Hauswand, wenn es eine gibt. Ich weiß nicht, was ich dagegen tun kann. Ich habe dann das Gefühl, dass sich die Straße vor mir auftut und ich ins Bodenlose stürze.«

»Erzählen Sie mir mehr«, bat Dr. Holl und griff nach einem Stift, um sich zunächst Stichworte zu notieren.

Eine genauere Anamnese würde er später in den Rechner eingeben.

»Immer wieder habe ich starkes Herzklopfen, es ist wie ein Rasen. Auch kommt es zu Aussetzern. Der Brustkorb fühlt sich eng an, als wenn eine große Eisenhand ihn zusammendrückt.«

»Wie sieht es in ihrem persönlichen Umfeld aus?«

Stella blickte den Arzt immer wieder unsicher an. Seine Miene strahlte so viel Ruhe aus, dass sie ihre anfängliche Scheu verlor und über die Probleme zu sprechen wagte, die sie wirklich bewegten.

Stefan Holl hörte geduldig zu. Je länger die attraktive Frau sprach, umso deutlicher wurde ihm, dass sie Hilfe brauchte.

Sie sprach von ihrem Mann, der alles für sie tat, der ihr ein wundervolles Leben ermöglichte, und betonte immer wieder, dass es ihr doch an nichts fehle.

»Und trotzdem habe ich diese Angstzustände, für die es eigentlich keine Erklärung gibt. Darum bin ich auch unsicher, ob ich einer solchen Verantwortung überhaupt gewachsen bin. Ich bin nicht mehr berufstätig, hätte also genug Zeit für die Kindererziehung. Dennoch habe ich Angst, alles falsch zu machen, traue mich aber nicht, ihm das zu sagen.« Sie atmete tief durch. »Doktor Holl, ich habe gerade nicht die Wahrheit gesagt, als ich Ihnen gegenüber eine Unfruchtbarkeit in Erwägung gezogen habe. Das tut mir leid. Ich sorge selbst dafür, nicht schwanger zu werden – ich nehme die Pille.« Stella seufzte erleichtert auf. Ohne es zu wollen, war ihr die Wahrheit angesichts dieses sympathischen Arztes ganz einfach über die Lippen gekommen. Und es war sogar ein gutes Gefühl, das sie jetzt empfand. »Ich bin eigentlich nur auf Wunsch meines Mannes hier. Er will, dass wir uns beide untersuchen lassen. Nun wird er erfahren, dass ich ohne sein Wissen verhüte. Aber doch nur, weil ich Angst habe, als Mutter zu versagen. Was soll ich denn nur tun?«

»Weiß Ihr Mann von Ihrer Angst?«

»Nein. Er würde es auch nicht verstehen. Es geht uns doch gut. Mein Mann liebt mich. Ich habe ihm so viel zu verdanken. Er hat mir in schwierigen Lebensphasen geholfen. Trotzdem geht es mir oft schlecht. Irgendetwas ist tief in mir vergraben, aber ich weiß nicht, was das sein könnte.«

»Sie sollten ihm sagen, dass Sie nicht bereit für ein Kind sind. Wenn er so ist, wie Sie ihn beschreiben, wird er Sie verstehen und Sie auf gar keinen Fall zu etwas drängen, was Sie glauben nicht bewältigen zu können.«

Dr. Holl legte eine kurze Pause ein und bedachte die junge Frau mit einem nachdenklichen Blick.

Voller Bedacht wählte er die folgenden Worte: »Was Ihre Ängste und die somatischen Beschwerden betrifft, so könnte sich dahinter eine Depression verbergen. Darum rate ich Ihnen, sich unbedingt in psychiatrische Behandlung zu begeben. Die kann ich aber nicht leisten, da es nicht mein Fachgebiet ist. Ich empfehle Ihnen den Kollegen Doktor Richard Edlinger. Er ist Psychiater und medizinischer Therapeut mit eigener Praxis. Er kann Ihnen helfen.« Dr. Holl nahm eine Visitenkarte aus der Schublade und schob sie über den Tisch. »Melden Sie sich bei ihm, und vereinbaren Sie einen Termin mit ihm.«

»Glauben Sie, ich ... ich bin verrückt?«, entfuhr es Stella.

»Aber nein, keineswegs. Angst, Panik und posttraumatische Belastungsstörungen treten im Alltag öfter auf, als wir glauben. Dass Sie sich mir anvertraut haben, ist schon ein erster großer Schritt. Und er bedeutet auch, dass Sie mutig sind. Ich kann Ihnen nur raten, diesen Weg weiterzuverfolgen.«

Nach ihrem ersten Schrecken über den Rat des Chefarztes, fühlte Stella bei Dr. Holls Worten eine nie gekannte Zuversicht in sich wachsen. Ja, sie empfand nahezu Hoffnung.

»Darf ich Sie noch um einen Gefallen bitten?«, fragte sie daher.

»Das dürfen Sie.«

»Würden sie für mich einen Termin vereinbaren, jetzt gleich? Ich weiß nicht, ob ich mich noch den Mut habe, wenn ich wieder zu Hause bin.«

Dr. Holl tat seiner Patientin gern den Gefallen. Minuten später schrieb er Datum und Uhrzeit auf einen Notizzettel und schob ihn Stella über den Tisch zu. Die junge Frau war dem Chefarzt unendlich dankbar. Innerlich wusste sie, dass mit diesem Termin der erste Schritt in die richtige Richtung getan war.

***

Seit drei Monaten konnte sich Benedikt Moser nun offiziell Doktor der Rechtswissenschaften nennen. Zwei Jahre lang hatte er an seiner Dissertation über strafrechtliche Fragen bei der Organtransplantation gearbeitet, neben seinem Job in der Kanzlei. Jetzt durfte er diesen Titel endlich tragen.