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»Ich gebe dich nicht auf. Niemals. Wenn man jemanden wirklich liebt, wird einem die Last nicht zu schwer.« Halvor war einst der Größte und der Mächtigste von allen. Aber als er den Mann, den er liebt, endgültig an einen anderen verliert, gibt er alles auf: seine Macht, sein Königreich und sogar seinen Namen. Als einsamer Wanderer zieht er fortan durch die Nordinsel seines zerfallenden Königreichs, bis er auf eine Gruppe von Rebellen unter einem Anführer trifft, der allen nur als der schwarze Ronin bekannt ist. Fasziniert von diesem schließt er sich der Gruppe an, die für die Unabhängigkeit der Nordinsel kämpft. Doch es geht um weit mehr als das: Es entbrennt ein erbitterter Kampf um Liebe, Freiheit und Vergebung, denn der Wanderer trägt seine Vergangenheit und einen grausamen Fluch wie eine unsichtbare Last mit sich. Kann Ronin ihm helfen, diese zu schultern? Oder wiegt all das, was bereits geschehen ist, am Ende doch zu schwer? DAS BLUT DES SILBERNEN WANDERERS ist ein Spin-Off aus ANEIRYN und kann unabhängig davon gelesen werden. Vorkenntnisse aus ANEIRYN sind zwar durchaus hilfreich, aber nicht erforderlich zum Verständnis des Romans.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Gay Historical Fantasy
2. Auflage
© Urheberrecht 2018 Jona Dreyer
Impressum:
Tschök & Tschök GbR
Alexander-Lincke-Straße 2c
08412 Werdau
Text: Jona Dreyer
Coverdesign: Jona Dreyer
Coverbild: depositphotos.com
Lektorat/Korrektorat: Johanna Temme, Doris Lösel & Sandra Schmitt
Kurzbeschreibung:
»Ich gebe dich nicht auf. Niemals. Wenn man jemanden wirklich liebt, wird einem die Last nicht zu schwer.«
Halvor war einst der Größte und der Mächtigste von allen. Aber als er den Mann, den er liebt, endgültig an einen anderen verliert, gibt er alles auf: seine Macht, sein Königreich und sogar seinen Namen.
Als einsamer Wanderer zieht er fortan durch die Nordinsel seines zerfallenden Königreichs, bis er auf eine Gruppe von Rebellen unter einem Anführer trifft, der allen nur als der schwarze Ronin bekannt ist. Fasziniert von diesem schließt er sich der Gruppe an, die für die Unabhängigkeit der Nordinsel kämpft. Doch es geht um weit mehr als das: Es entbrennt ein erbitterter Kampf um Liebe, Freiheit und Vergebung, denn der Wanderer trägt seine Vergangenheit und einen grausamen Fluch wie eine unsichtbare Last mit sich.
Kann Ronin ihm helfen, diese zu schultern?
Oder wiegt all das, was bereits geschehen ist, am Ende doch zu schwer?
Über die Autorin
»Fantasie ist wie ein Buffet. Man muss sich nicht entscheiden – man kann von allem nehmen, was einem schmeckt.«
Getreu diesem Motto ist Jona Dreyer in vielen Bereichen von Drama über Fantasy bis Humor zu Hause. Alle ihre Geschichten haben jedoch eine Gemeinsamkeit: Die Hauptfiguren sind schwul, bi, pan oder trans. Das macht sie zu einer der vielseitigsten Autorinnen des queeren Genres.
Widmung: Für meine Mama, die mir ihre Liebe zu Büchern vererbt hat.
... let us sit upon the ground And tell sad stories of the death of kings; How some have been deposed; some slain in war, Some haunted by the ghosts they have deposed; Some poison’d by their wives: some sleeping kill’d; All murder’d: for within the hollow crown That rounds the mortal temples of a king [...] For you have but mistook me all this while: I live with bread like you, feel want, Taste grief, need friends: subjected thus, How can you say to me, I am a king? (William Shakespeare, Aus: Richard II., Akt 3, Szene 2)
Kein langes Gerede, nur eine Bitte: Lest bis ganz zum Schluss und pfeffert das Buch nicht kurz vorher in die Ecke.
Warum?
Das werdet ihr erfahren. Ganz am Ende ...
Eine Übersicht der wichtigsten handelnden Personen und Orte. Die Hauptfiguren sind mit einem * gekennzeichnet. Die ungefähre Aussprache wird in den eckigen Klammern erläutert.
Cailean »der Wanderer« Machberon*[käi’lin mak’behron]:Ein Wanderer und Einsiedler mit bewegter Vergangenheit, der sich den Rebellen anschließt
Ronin »der Schwarze« Machmoirean*[rou’nin mak’morran]: Lokaler Rebellenführer
Alasdhair Tasgall*[alas’dähr tas’gall]: Oberhaupt der Rebellen der Nordinsel, Thronanwärter Eilean Moryds
Iona: Ronins Schwester
Nonie*: Caileans Ziehtochter
Brochan: Ein hilfsbereiter Rebell
Munro: Ein junger Rebell
Heyla: Eine Rebellin, Amme der kleinen Nonie
Halvor Machbalian*[hall’wor mak’balian]: Verschollener Großkönig der fünf Inselreiche
Balian der Ältere: Sein Vater und Vorgänger
Balian der Jüngere: Halvors älterer Bruder
Lyall Machnairn[lai’äll mak’närn]: Der neue König Balians
Finella Calumsdaur[fi’nella kalums’dor]: Eine alte Bekannte Ronins
Alvaei (allgemein) [al’väi]:Ein zurückgezogen lebendes Volk, um das sich viele Mythen und Legenden ranken
Beron: Halvors väterlicher Freund
Zilia: Berons Schwester
Ferion: Ein Freund und Geliebter Halvors
Norian: Halvors Onkel, Ratsvorsitzender
SelvorundPaega[pä’ga]: Weise, heilkundige und ältere Alvaei
Riaghán Arachsúil[ria’gahn arach’su’il]: Der König (ehemals Fürst) von Tharog, Halvors früherer Gefährte
Aneiryn Réaltán Athanavi[anaj’rin ree’al’tahn a’tanna’vi]: Der König von Caorgan, Riagháns Gemahl
Rheon Rí Silion[ree’on ri si’lion]: Der Ziehsohn der beiden Könige
Rós[roos]: Der leibliche Sohn des tharoganischen Königs
Du hast wirklich Talent, Halvor.« Der Mann lächelte, als er das kleine Schnitzkunstwerk betrachtete, das der Junge so eben fertiggestellt hatte. Erstaunlich filigran hatte er einen Kamm aus einem Tierknochen geschält, reich verziert mit den traditionellen Mustern ihres Volkes, ein Zinken wie der andere.
»Danke! Es hat wirklich viel Spaß gemacht. Was kann ich als nächstes tun?« Halvor ließ die Beine von der Werkbank baumeln. Er hasste seine Beine. Sie waren lang und ungelenk wie Storchenstelzen und gehorchten seinem Willen nicht immer so präzise wie seine Finger, die es vermochten, kleine Kunstwerke zu erschaffen, Heilkräuter zu pflücken, ohne deren Blätter zu beschädigen und einem Vogelkind den gebrochenen Flügel zu schienen.
»Sachte, sachte!«, mahnte Norian lachend, sein Onkel, in dessen Werkstatt er genau so gern herumlungerte wie in dem Kräuterlager des heilkundigen Selvor oder dem Waffenlager Berons, der ihm zeigte, wie man Wild jagte, Spuren las und imaginäre Feinde bekämpfte, von denen sich nie einer in ihr Dorf verirrte. »Kaum hast du eine Sache fertig, denkst du schon an die nächste. Deine Wissbegier in allen Ehren, aber du vergisst darüber, deinen Erfolg zu genießen. Nimm deinen Kamm in die Hand.« Er reichte ihn ihm zurück. »Befühle ihn. Mustere ihn. Sieh dir an, was du geschaffen hast. Und bei allen Ahnen und Göttern, kämme dir dein zerzaustes Silberhaar damit, denn du siehst furchtbar unordentlich aus. Deine Mutter wird schimpfen, wenn sie dich so sieht.«
Etwas widerwillig und mit einem frechen Grinsen kämmte sich Halvor die Knoten aus der schulterlangen, silbernen Mähne. Bis vor Kurzem hatten seine Haare noch fast bis zu seinem Hintern gereicht, aber dann hatte seine Mutter die Nase voll davon gehabt, ihm ständig Kletten und Laub aus den Längen bürsten zu müssen, und kurzen Prozess gemacht. Obwohl Halvor es hasste, gekämmt zu werden, hatte er lautstark protestiert und sogar ein paar eitle Tränen vergossen, was die anderen Jungen im Dorf dazu angetrieben hatte, ihn auszulachen und mit Schmährufen zu belegen.
»Mach’ dir nichts daraus«, hatte Beron ihn getröstet, »eines Tages stellst du sie alle in den Schatten und dann bist du derjenige, der über sie lacht.«
Halvor glaubte nicht so recht daran, dass das jemals passieren würde, aber dennoch verbiss er sich umso mehr in alles, was er angriff, je mehr die anderen Jungen ihn foppten und herumschubsten. Er hatte sich vorgenommen, so viel wie möglich zu lernen. Das Handwerk, die Kräuterkunde, die Kriegskunst. Selbst für die Politik interessierte er sich, insofern das in dem Horizont seines winzigen Dorfes möglich war. Jeder hier in Alva konnte etwas, aber Halvor wollte derjenige sein, der alles konnte. Er stieß sich von der Werkbank ab und sprang auf den Boden. Noch war er jugendlich und ungelenk, jedoch hochgewachsen wie alle Männer in seiner Familie. Er würde seine Seele für ein breiteres Paar Schultern verkaufen, aber wenn er seinen Vater und seinen Bruder ansah, beide von stattlicher Statur, konnte er durchaus noch hoffen. »Ich muss gehen«, sagte er, »die Mutter wartet sicher schon. Ich komme morgen wieder. Überleg’ dir etwas Neues für mich.« Er wartete nicht, bis der Onkel sich verabschiedet hatte, bevor er die Werkstatt verließ.
Draußen war es noch hell. Es war Sommer und die Sonne brauchte beinahe bis Mitternacht, um hinter dem Horizont zu verschwinden. Wer das Finster der Nacht bevorzugte, hatte keine Freude an diesen wenigen Monaten. Alle anderen aber begaben sich ins Freie und nutzten jeden Lichtstrahl, als könnten ihre Körper Vorräte davon für den Winter anlegen.
»Halvor!«, rief eine Frauenstimme, noch bevor er über die Türschwelle trat. »Da bist du ja endlich. Wo sind Balian und dein Vater?«
»Fischen«, antwortete er kurz angebunden und trat ins Haus. Von der Bettstatt, etwas erhöht am Kopfende der hölzernen Kate, blickte ihm seine Mutter entgegen, halb liegend, halb sitzend, die Augen tief in dunklen Höhlen. Halvor erkannte, dass ihr feuchte Strähnen ihres Haars in der Stirn klebten und die Glieder zitterten. »Geht es dir wieder schlecht?«, fragte er besorgt und tauchte, ohne auf ihre Antwort zu warten, einen Lappen in den Wassereimer am Hauseingang und wrang ihn aus.
»Es geht schon«, beschwichtigte sie, nahm den kühlen Lappen aber dankbar entgegen und tupfte sich damit die Stirn. »Ich bin nur ein wenig müde.«
Halvor wusste, dass das gelogen war. Seine Mutter fieberte wieder. Man nannte sie die einzige kranke Alvaea und er hasste es, wenn die Leute das taten, denn oft klang es regelrecht abfällig. Gewiss, sein Volk, die Alvaei, war besonders. Sie waren anders. Was beim Rest der Welt in ein kümmerliches Leben von achtzig, höchstens einhundert Jahren zusammengerafft war, konnte sich bei ihnen bis auf das Zehnfache und mehr ausdehnen. Sie wurden alt. Sehr alt. Und das normalerweise bei bester Gesundheit. Natürlich konnten auch Alvaei krank werden oder sich verletzen, aber zumeist genasen sie schnell, auch weil sie über das Wissen und die Mittel verfügten, Krankheiten zu behandeln und zu heilen wie niemand sonst. Aber gegen das Leiden seiner Mutter schien kein Kraut gewachsen zu sein und kein heilendes Wasser aus der tiefen Quelle des Gesteins zu sprudeln. Selvor und Paega, die Heilkundigsten in Alva, hatten einmal die Vermutung angestellt, dass zwei Naturen in seiner Mutter gegeneinander ankämpften. Dass zweierlei Blut ihren Körper dazu brachte, sich selbst zu bekämpfen. Menschliches Blut und Alvaei-Blut. Es gab Gerüchte, dass die Mutter seiner Mutter keine von ihnen gewesen war. Halvor wusste jedoch nicht, ob das stimmte, denn wann immer er danach fragte, wurde er getadelt und fortgeschickt, um etwas Sinnvolleres zu tun.
»Soll ich Paega holen?«, fragte er schließlich und ließ es möglichst beiläufig klingen. Seine Mutter schämte sich heimlich für ihre Schwäche und lehnte Hilfe häufig ab, obwohl sie sie nötig hätte.
»Nicht nötig«, antwortete sie erwartungsgemäß, »aber würdest du das Feuer unter dem Kessel schüren und die Grütze anwärmen und dann deinen Bruder und deinen Vater suchen?«
»Natürlich«, gab er zurück und machte sich an die Arbeit. Sorgfältig legte er frische Holzscheite auf die Feuerstelle und fächelte ihnen ein wenig Luft zu. Seufzend blickte er in den Kessel. Er hasste Grütze, aber das behielt er für sich, um seine Mutter nicht zu kränken. An manchen Tagen war sie aufgrund ihrer Schwäche überhaupt nicht fähig, etwas zu kochen, und dann mussten sie mit Brotresten, getrocknetem Fleisch und Käse vorliebnehmen. An den hohen Feiertagen lud sein Onkel Norian Halvor und seine Familie zu sich ein; dann gab es Fleisch und gesottenes Gemüse und sogar einen Becher Honigwein für ihn. Als das Feuer hoch genug loderte, aber nicht zu hoch, damit das Abendessen nicht verbrannte, während er seinen Vater und seinen Bruder suchte, machte er sich auf den Weg.
Er nahm an, dass er die beiden an dem Flusslauf vorfinden würde, der an der Siedlung vorbeiführte, wo sie Bachforellen fingen. Er hoffte, dass sie dabei Erfolg gehabt hatten, denn die Fische wären eine nette Ergänzung zu dem Einheitsbrei im Kessel.
»Halvor!«, rief plötzlich jemand seinen Namen und er fuhr herum.
Es war Beron, der waffen- und jagdkundige Mann, der ihm vom Eingang seines Hauses her winkte.
Einen Moment zögerte Halvor noch, denn schließlich hatte er eine Pflicht zu erfüllen, aber wann immer Beron ihn zu sich rief, konnte er nicht widerstehen. Er mochte den Mann und er liebte die Geschichten, die der ihm zu erzählen hatte. Beron schien so viel zu wissen und auf beinahe jede Frage eine Antwort zu haben. Wie fast immer gab er also seinem Drang nach und schlenderte hinüber zu seinem Freund. »Was gibt es?«, fragte er ihn neugierig.
»Ich habe etwas aus der Stadt für dich mitgebracht«, verkündete Beron, aber dann hielt er inne: »Hast du denn gerade etwas zu tun? Ich will dich nicht von deinen Pflichten abhalten.«
»Nein«, log Halvor, weil er Angst hatte, dass Beron ihn seiner Wege schicken würde, ohne ihm vorher zu verraten, was er für ihn hatte.
»Dann komm mit.«
Seine Gewissensbisse bekämpfend folgte er dem anderen ins Haus.
»Heute waren Händler da aus der Stadt Farolaín, die auf der anderen Seite des Meeres liegt«, wusste Beron zu berichten. »Sie hatten tumbrische Schmiedekunst dabei. Feinste Schwerter, Pfeilspitzen und Dolche.«
Halvor horchte auf und sein Körper spannte sich vor Aufregung an. Was mochte Beron ihm mitgebracht haben? Vielleicht Spitzen für seine Pfeile oder ein Schnitzmesser?
»Du kannst dir sicher vorstellen, dass ich nicht widerstehen konnte«, erklärte der Freund lächelnd und seine sturmgrauen Augen blitzten. Halvor fand Beron schön mit seinem welligen, braunen Haar, aber nicht so wie man jemanden schön fand, den man begehrte, sondern wie einen, den man aus der Ferne bewunderte und zu seinem Vorbild erkor. Beron war etwa im Alter seines Vaters, aber wo der Vater kühl und streng war, war Beron warmherzig und verständnisvoll. Es gab Tage, an denen Halvor sich wünschte, dass Beron sein Vater wäre und nicht Balian der Ältere mit seinen stahlblauen Augen, der seinem erstgeborenen Sohn offen den Vorzug gab.
»Was hast du alles gekauft?«, wollte Halvor wissen.
»Nun.« Beron führte ihn zu dem langen, massiven Tisch in der Mitte des Hauses, auf dem seine Errungenschaften ausgebreitet lagen. »Da hätten wir einmal ein klassisches, tumbrisches Langschwert.« Mit einer stolzen Geste wies er auf die Waffe, was eigentlich gar nicht nötig wäre, denn sie war unübersehbar.
Bewundernd nahm Halvor das Schwert in Augenschein, ließ ehrfürchtig die Finger über die flache Seite der Klinge gleiten und studierte die kunstvoll geschmiedeten Muster des Griffs. Eine solche Schmiedekunst war wirklich sehr nahe an der Perfektion. Er widerstand jedoch dem Drang, es in die Hand zu nehmen und zu prüfen, wie es gewichtet war, denn er wusste, dass es zu groß und zu schwer für ihn war und Beron es sicher nicht gern sähe, wenn er so stümperhaft mit der Waffe umging. »Es ist wunderschön«, erklärte er schließlich und dachte: Wenn ich einmal breitere Schultern habe, dann lasse ich mir auch ein solches Langschwert fertigen, nur für mich, und wenn ich dafür ins ferne Tumbria reisen muss.
»Nicht wahr?« Beron lächelte verträumt. »Eigentlich ist es unsinnig, dass ich mir solche Waffen kaufe, denn selbstverständlich hoffe ich nicht, dass sie jemals zum Einsatz kommen müssen. Aber ich habe sie so gern in der Hand, weiß sie so gern in meiner Nähe ...« Er brach ab.
»Ich verstehe das«, bekannte Halvor. »Ich wünschte, ich könnte auch einmal eine solche Waffenkammer besitzen. Was hast du noch?«
»Verschiedenste Dolche«, erklärte Beron. »Nimm sie dir ruhig in die Hand und schau sie an.«
Halvor tat, wie ihm geheißen. Auch die Dolche waren der Vollendung nahe, die Griffe aus Hirschhorn geschnitzt und die Klingen glatt und scharfkantig. Man kann einen Mann damit töten, dachte er flüchtig und legte das Messer ehrfürchtig zurück auf den Tisch.
»Und das hier«, verkündete Beron und hob ein nicht minder schön verarbeitetes Kurzschwert vom Tisch, »das ist mein Mitbringsel für dich.«
»Was?«, fragte Halvor und ihm stockte der Atem. »Aber … aber ...«
Berons freundliche Gesichtszüge entglitten. »Was ist? Gefällt es dir etwa nicht?«
»Doch, natürlich! Es … es ist unglaublich ...« Mit zitternden Händen nahm er die Waffe entgegen, prüfte ihr Gewicht, spürte die kühle Oberfläche des Griffs in seiner Handfläche und hatte nur noch den Wunsch, zur Tür hinaus zu rennen und das Schwert, sein Schwert, in alle Himmelsrichtungen zu schwingen. Auf einmal hatte er das Gefühl, gar keine breiteren Schultern mehr zu brauchen, um sich wie ein Mann zu fühlen. Dass Beron ihm zutraute, eine solche Waffe zu tragen, reichte vollkommen aus. Aber dann überkamen ihn Zweifel. Verdiente er ein solches Schmuckstück überhaupt? Warum machte Beron ihm ein solches Geschenk? »Ich kann das nicht annehmen«, brachte er schließlich mühsam hervor, und obwohl alles in ihm danach schrie, das Schwert zu behalten, legte er es zurück auf den Tisch. »Ich kann es dir nicht bezahlen und Vater wird mir kein Geld dafür geben. Nicht einmal mein Bruder hat solch eine Waffe.«
»Ach, papperlapapp«, versetzte Beron und winkte ab. »Ich will kein Geld von dir und auch keinen Gefallen. Das Leuchten in deinen Augen, wenn du dieses Schwert in der Hand hältst, reicht mir vollkommen.«
»Aber warum tust du das?«, fragte Halvor stirnrunzelnd. »Warum machst du mir so ein wertvolles Geschenk?«
»Ich habe keinen Sohn«, antwortete der Freund kurz angebunden und wandte sich von ihm ab. »Ich–« Er unterbrach, als ein Schatten in die Eingangstür fiel.
»Beron?«, rief eine Frauenstimme, die unverkennbar zu Zilia, Berons Schwester, gehörte. »Ist Halvor noch bei dir?« Ihre Frage beantwortete sich von selbst, als sie ins Haus trat. »Da bist du ja!« Sie klang ein wenig aufgeregt und ihre Augen, so sturmgrau wie die ihres Bruders, schienen größer als sonst. »Dein Bruder sucht dich schon überall!«
»Mein Bruder?« Sofort war Halvor in Alarmbereitschaft. Sein Gewissen meldete sich wieder. Du hattest eine Aufgabe, verdammt! Anstatt Balian zu finden und ihn zum Abendessen zu rufen, suchte Balian nun ihn.
»Ja, er ist ganz aufgeregt. Komm schnell.«
Halvor nickte und warf Beron einen bedauernden Blick zu. »Andermal, ja?«
»Natürlich, Lieber«, entgegnete der andere beschwichtigend. »Nicht, dass du noch Ärger bekommst.«
Als Halvor Berons Haus verließ, wartete sein Bruder bereits auf ihn. Er schien wie auf glühenden Kohlen zu stehen, packte den Jüngeren grob beim Ärmel und zerrte ihn mit sich.
»Was ist denn los?«, fragte Halvor ängstlich und versuchte, sich zu beruhigen. Was konnte schon sein? Höchstens war die Grütze angebrannt und die beiden hatten keinen Erfolg beim Angeln gehabt.
Balian blieb abrupt stehen und wandte sich zu ihm um. »Es ist Mutter«, erklärte er und er klang hart und kalt, aber in seinen Augen stand die nackte Panik. »Sie stirbt.«
Cailean hob den toten Körper der Kurzschnabelgans auf, die er geschossen hatte, und zog den Pfeil aus dem Kadaver. »Tut mir leid, Freundin, aber ich bin wirklich hungrig«, murmelte er mit einem entschuldigenden Lächeln. »Ich hätte lieber ein Schneehuhn geschossen als dich, aber ich konnte keines finden. Am Ende sind wir ja doch alle den Gesetzen der Natur unterworfen, nicht wahr?« Er wusste, dass es ziemlich merkwürdig war, mit einer toten Gans zu sprechen, aber an manchen Tagen hatte er einfach das Bedürfnis, seine Stimme zu benutzen, und bis auf die wenigen Tiere gab es hier in der Einöde niemanden.
Er brachte seine Beute zurück zu seinem Lager, das er sich für die nächste Zeit als sein Zuhause auserkoren hatte – insofern er hier weiterhin genug zu essen fand. Der Mangel an Nahrung hatte ihn schließlich auch von seinem letzten Lagerort vertrieben. Bedauerlicherweise war Nahrung generell etwas, das sich in der Wildnis dieser Insel, deren Einsamkeit und Schroffheit er so sehr mochte, oft nur schwierig finden ließ.
Mühsam erklomm er den steilen Hang, in dessen Fels er eine höhlenartige Ausbuchtung gefunden hatte, die ihn vor Wind und Wetter schützte. Unter dem Eingang, über den ein Felsvorsprung wie ein Giebel ragte, entzündete er ein Feuer. Auch das war nicht allzu einfach. Das Feuer brauchte Luft, ohne Frage, aber der Wind blies manchmal ein wenig zu heftig und machte der kleinen Flamme, die noch ein loderndes Feuer werden wollte, den Garaus. Doch schließlich wurde sein Unterfangen von Erfolg gekrönt und er machte sich daran, dem Vogel die Federn auszurupfen, während er sich von den Flammen wärmen ließ. Aus zwei Astgabeln und einem längeren Zweig hatte er sich eine Art Drehspieß konstruiert, mit dessen Hilfe er die Gans garen würde. Das würde allerdings seine Zeit brauchen und sein Magen, der umso schmerzhafter zu knurren begann, als langsam der Duft von gerösteter Ganshaut aufstieg, war damit nicht so ganz einverstanden.
»Hab Geduld«, mahnte Cailean sich selbst an. Es hatte keinen Wert, das zähe Federvieh halb roh zu verzehren und es wäre auch respektlos gegenüber dem Tier, das schließlich für ihn das Leben gelassen hatte. Er hatte es mehrere Tage ohne Essen ausgehalten, also würde er es auch noch ein, zwei Stunden länger durchstehen und anschließend mit einem Genuss belohnt werden. Er vertrieb sich die Zeit, indem er ein Lied sang, ein sehr langes Lied, das ihn an frühere Zeiten erinnerte. Das Lied von Nuallán und Neassa. Nuallán, ein tapferer Krieger, hatte die große Schlange von Farangis getötet, weil er deren Kopf seiner Geliebten bringen wollte, um diese zu beeindrucken und von seiner Tapferkeit zu überzeugen. Jedoch hatte sich der Körper der Schlange nach ihrer Enthauptung in seine ursprüngliche Form zurückverwandelt: In Neassa, Nualláns Liebste, die offenbar mit einem Fluch belegt worden war. Cailean mochte das Ende des Liedes, bei dem der tapfere Krieger sich mit gebrochenem Herzen neben seine tote Geliebte legte und ihr nachstarb. Es berührte ihn tief in seinem Inneren. Er hatte sich das Lied etliche Male vorsingen lassen, vor vielen Jahren, als er noch unter Menschen gelebt und geliebt hatte. Aber das war unglaublich lang her.
Als die letzten Zeilen des Liedes seine Lippen verließen, war auch die Gans gar und er machte sich daran, das dampfende, köstlich duftende Fleisch von den Knochen zu rupfen und zu verzehren. Eigentlich hatte Cailean sich vorgenommen, mindestens die Hälfte für morgen aufzuheben, aber nach Tagen des Darbens war sein Hunger größer als seine Vernunft und so aß er den ganzen Vogel auf. Hier im Norden waren diese Tiere kleiner als in südlicheren Gefilden, sie besaßen mehr Fett, aber hatten weniger Fleisch auf den Knochen. Nach dem Essen fühlte er sich müde und obwohl erst hoher Nachmittag war, gab er seinem Gefühl nach und legte sich hin, um ein Nickerchen zu halten. Schnell glitt er in einen Dämmerschlaf hinüber. Wirre Bilder zuckten vor seinem inneren Auge auf, Gesichter von geliebten und verlorenen Menschen, die sich zu wirren Fratzen verzogen. Eine Zeit lang hatten diese Bilder ihn jede Nacht heimgesucht, aber es wurde weniger. Cailean hatte das Gefühl, dass in der Einsamkeit der zerklüfteten Nordinsel der Frieden in ihn zurückkehrte.
Plötzlich riss ihn das Gefühl, dass er beobachtet wurde, aus seinem Hinübergleiten. Noch während er blinzelte, vernahm er eine Stimme:
»Wer bist du und was hast du hier zu suchen?«
»Wer will das wissen?«, fragte er und war verwundert, wie ruhig er darüber blieb.
»Antworte, Fremder!«, knurrte die Stimme und Cailean hob beschwichtigend eine Hand.
»Ich bin Cailean Machberon, ein einsamer Wanderer, der nichts Böses im Sinn hat.«
»Ich glaube eher, du bist ein Spion«, meldete sich eine zweite Stimme, die eindeutig zu einer Frau gehörte.
»Für wen sollte ich denn spionieren?«
»Für Lyall Machnairn natürlich!«, fuhr sie auf.
Cailean lächelte. Lyall Machnairn war einer der vielen, die um den Thron Balians kämpften, seit dieser verwaist und der alte König wie vom Erdboden verschluckt war. Balian, das Land, das aus zwei Hälften auf zwei verschiedenen Inseln bestand, verbunden durch eine gigantische Doppelbrücke, befand sich im Zerfall und Männer balgten sich um die abgerissenen Stücke wie Hundewelpen um die Fetzen eines Lumpens. »Was genau sollte Machnairn hier denn ausspionieren wollen?«, fragte er amüsiert. »Verräterische Robben, Bergziegen und Wildvögel?«
»Steh auf«, befahl die Männerstimme und Cailean gehorchte, obwohl er sich vorkam, als würde er mit zwei Kindern Krieger und Gefangener spielen.
Als er einen Blick über die Schulter warf, erkannte er, dass er gar nicht so falsch lag. Die beiden wirkten schrecklich jung, vielleicht Anfang zwanzig, wenn überhaupt, mit ihren dunklen Haaren und zierlichen Gesichtern. Und beide hielten Pfeile auf ihn gerichtet, die Bögen gespannt. »Dürfte ich nun auch erfahren, mit wessen liebreizender Gegenwart ich es hier zu tun habe, oder ist das eine einseitige Angelegenheit?«, fragte er.
»Du solltest lieber vorsichtig sein mit deinem Sarkasmus«, warnte das Mädchen und ignorierte seine Frage. »Ich traue ihm nicht«, sagte sie zu ihrem Begleiter. »Was machen wir jetzt mit ihm? Ich würde vorschlagen, wir jagen ihm einen Pfeil ins Herz und überlassen ihn den wilden Tieren.«
»Nein«, widersprach der junge Mann. »Wenn er ein Spion ist, dann hat er vielleicht wichtige Informationen, die wir aus ihm herausquetschen können. Wir bringen ihn zu Ronin.« Seine Mundwinkel kräuselten sich bei dem Namen auf geradezu diabolische Weise nach oben.
»Wer ist Ronin?«, fragte Cailean und zog eine Braue in die Höhe.
»Ha!« Der Junge ließ den Bogen sinken und zeigte anklagend mit dem Finger auf ihn. »Allein diese Frage verrät dich, Spion. Jeder hier im Nordosten Eilean Moryds kennt den schwarzen Ronin.«
Eilean Moryd. Das war der Name der Nordinsel gewesen, bevor diese nach der Eroberung Balians mit Teilen der Südinsel zum Königreich Balian vereint worden war. Dass diese beiden jungen Leute die Insel bei ihrem alten Namen nannten, konnte eigentlich nur eines bedeuten: Er war in die Hände von Rebellen geraten. Er konnte sich nicht helfen, aber der Gedanke amüsierte ihn ein wenig. Vor allem aber war er erstaunt, wie gut es tat, einmal wieder zwei anderen, lebenden Seelen zu begegnen, mit denen er sprechen konnte – selbst, wenn diese ihn nur bedrohten.
»Hände hinter den Rücken!«, befahl der junge Mann und Cailean leistete keine Gegenwehr, als ihm die Hände gebunden wurden. Gewiss, er könnte auch einfach seine Waffe ziehen und die beiden niedermachen, aber zwei solch junge Leben zu beenden wäre doch die reinste Verschwendung. Außerdem war seine Neugier geweckt. Ein Rebellennest könnte interessant werden und jemandem, den sie den schwarzen Ronin nannten, würde er nur zu gern begegnen. »Mitkommen«, befahl der Kerl, während das Mädchen das Bündel mit Caileans Habseligkeiten aufhob und an sich nahm.
Der Abstieg am Hang erwies sich durch seine gefesselten Hände als ein gar nicht so einfaches Unterfangen, aber schließlich erreichten sie flachen Boden und er entdeckte zwei zottige, kurzbeinige Pferde, die an einen Pflock angebunden waren und geduldig auf ihre Reiter warteten.
»Er wird auf deinem Pferd reiten, Munro«, bemerkte das Mädchen, während es aufsaß.
»Ich denke gerade eher darüber nach, ihn anzubinden und ihn hinter uns herlaufen zu lassen«, versetzte der Angesprochene grinsend. »Vielleicht mit einer Schlinge um den Hals?«
»Auch eine Idee.« Das Mädchen zeigte ein Lächeln, das ihr viel besser zu Gesicht stand als die verkniffene, bedrohliche Miene, die sie bisher zur Schau getragen hatte. »Allerdings fürchte ich, dass wir auf die Art zu langsam vorankommen.« Sie hob ihren Blick gen Himmel. »Es wird bald dunkel.«
Munro seufzte und brachte ein Nicken zustande. »Du hast recht. Los, sitz’ auf, Spion.«
»Mit gebundenen Händen?«, hakte Cailean nach und machte keinen Hehl daraus, wie sehr er sich über seine beiden Entführer amüsierte.
Der junge Mann stieß einen Fluch aus. »Iona, hilf mir mal.«
Sie rollte genervt mit den Augen, saß aber wieder ab. »Was ist so schwer daran, ihn auf das Pferd zu bugsieren?«
»Ähm … dass seine Hände gefesselt sind, zum Beispiel?«
Sie schnaubte. »Leg ihn einfach über den Pferderücken, er muss es nicht bequem haben.«
»Ich will ja nicht kleinlich werden«, mischte Cailean sich ein, »aber das Pferd ist recht winzig und–«
»Halt’ die Klappe!«, fuhren beide ihn gleichzeitig an und er biss sich auf die Unterlippe.
Munro versetzte ihm einen Stoß in den Flanken. »Los, du hast gehört, was Iona gesagt hat. Leg dich über den Pferderücken.«
Kopfschüttelnd tat Cailean, wie ihm geheißen und Munro packte ihn bei den Schenkeln und schob in noch ein wenig weiter in die Mitte. Mit dem Ergebnis, dass auf der einen Seite seine Kapuze im Dreck schleifte und auf der anderen seine Füße.
»Verdammt, er ist zu groß dafür«, stellte Munro fest.
Iona legte eine Hand an ihr zierliches Kinn und dachte nach. Kurzentschlossen packte sie Caileans linkes Bein und zerrte es über den Pferderücken. »Jetzt hilf mir schon, ihn aufzurichten!«, befahl sie Munro unter Ächzen und schließlich schafften sie es, ihren Gefangenen in eine aufrechte Position zu hieven.
»Und wo soll ich jetzt sitzen?«, fragte Munro und kratzte sich am Kopf.
»Quetsch’ dich vor ihn!«
»Und dann? Ich meine … sieh doch hin, er braucht nur aufzustehen und kann gemütlich davon spazieren.«
Wieder stieß Iona dieses genervte Schnauben aus und Cailean sah mit einem Lächeln zu, wie sie die Satteltasche ihres Pferdes öffnete und ein weiteres Stück Seil heraus beförderte. »Wir binden ihn an dich.«
Cailean sah den Widerwillen in Munros Augen, aber dennoch ließ der junge Mann es zu, dass Iona eine Schlinge erst um seinen Bauch und dann um Caileans führte. Umständlich saß Munro vor ihm auf und Cailean wurde gefährlich weit in Richtung Pferdehintern gedrängt, sodass er befürchtete, hintenüber zu fallen, sobald sie anritten. Tatsächlich schwankte er bedrohlich, als das Tier sich in Bewegung setzte, aber er konnte sich gerade noch oben halten. Eine Weile ritten sie so mühsam den steinigen Weg entlang, vorbei an Wasserfällen, die aus hohen Felsspalten plätscherten, immer in Blickrichtung der schneebedeckten Gipfel des Hochgebirges im Landesinneren.
Der Boden wurde unebener und sie kamen ins Schaukeln. Cailean hatte immer größere Schwierigkeiten, sich auf dem Pferderücken zu halten und merkte, wie er seitwärts rutschte. »Munro?«, rief er warnend und streckte einen Fuß in Richtung Boden, um seinen Absturz zu verhindern.
Der junge Mann schien nicht so recht zu begreifen und drehte sich um. »Was?«
Doch es war schon zu spät. Cailean glitt vom Pferd und kam gerade so zum Stehen. Das Tier ritt weiter, das Seil spannte sich und ehe Munro wusste, wie ihm geschah, wurde er heruntergerissen und landete mit einem Aufschrei auf Cailean, während sie beide zu Boden gingen.
»Was macht ihr Idioten da eigentlich?«, brauste Iona auf, die den Tumult hinter sich mitbekommen hatte.
»Zu zweit aneinandergebunden auf einem viel zu kleinen Pferd reiten!«, ächzte Cailean, während Munro sich von ihm herunterwälzte. »Ich würde vorschlagen, dass ich vielleicht doch lieber neben euch herlaufe.«
»Du hast hier gar nichts zu sagen!«, keifte das Mädchen ihn an, aber als sie die beiden Männer, die sich mühsam aufrappelten, noch eine Weile beobachtete, schien sich ihre Meinung zu ändern. »Also gut, wir binden dich ans Pferd und du läufst neben uns her. Es ist ja nicht mehr weit. Aber mach’ ja keine Spirenzchen!«
»Als ob ich jemals auf diese absurde Idee kommen würde!«
Sowohl Iona, als auch Munro warfen ihm vernichtende Blicke zu, während sie sich daran machten, ihn loszubinden und das Seil stattdessen an den Pferdezügel zu knoten. Schließlich setzten sie sich in Bewegung, langsam genug, dass Cailean ihnen folgen konnte, aber auch schnell genug, um rechtzeitig an ihrem Ziel anzukommen, bevor die Dunkelheit hereinbrach.
Nach einiger Zeit wurde die Stille, in der nur der kühle Nordwind pfiff, von Tier- und Menschenstimmen ausgefüllt. Rauchschwaden schlängelten sich in den Abendhimmel und deuteten auf eine Ansiedlung oder ein Lager hin. Als sie auf der Kuppe eines Hügels angelangten und in die Talmulde hinabblicken konnten, erkannte Cailean, dass er recht gehabt hatte. Schäbige Hütten aus Moos und Astwerk, schnell aufgebaut und im Ernstfall noch schneller wieder niedergerissen, standen kreisförmig um einen zentralen Feuerplatz, an dem sich eine kleine Gruppe Menschen versammelt hatte und locker miteinander zu schwatzen schien.
Sie machten sich an den Abstieg. Wieder musste Cailean jeden seiner Schritte im Auge behalten, um nicht zu stolpern und zu fallen. Ihm tat jetzt noch der Rücken weh von seinem Sturz mit Munro und er hatte kein Bedürfnis danach, das zu wiederholen. Als sie ungefähr die Hälfte des Weges nach unten zurückgelegt hatten, wurden auch die Menschen in der Siedlung auf sie aufmerksam und einige kamen ihnen entgegen. Ein stiernackiger, dunkel gekleideter Mann band Caileans Fessel vom Pferd los und zog ihn hinter sich her wie einen Ochsen.
»Wen habt ihr denn da eingefangen?«, rief der Kerl über seine massige Schulter und entblößte seine gelben Hauer.
»Wir vermuten, er ist ein Spion Lyall Machnairns«, erklärte Iona. »Er hat sich in der Nähe der Wasserfälle in einer Höhle versteckt, aber sein kleines Lagerfeuerchen hat ihn verraten.«
»Oh, ein Spion?« Der Grobschlächtige grinste. »Klingt nach einem Fund, der Ronin brennend interessieren könnte.«
Caileans Mundwinkel zuckten. Für einen Moment hatte er schon befürchtet, dass dieser Tölpel hier der schwarze Ronin sein könnte, und war ein wenig enttäuscht gewesen. Auf dem Weg hierher hatte er sich allerlei Gedanken gemacht, was für eine Figur sich wohl hinter diesem mysteriösen Namen verbergen könnte und sich alles Mögliche von einem rußbeschmierten Gesicht bis hin zu einem aufgeblasenen Zwerg vorgestellt. Umso gespannter war er nun auf die Auflösung dieses Rätsels.
»Ronin!«, rief der Fette. »Sieh mal, was wir hier haben!«
Der Mann, der schließlich auf den Ruf hervortrat, war alles andere als ein Zwerg, und sein Gesicht war auch nicht mit Ruß beschmiert, sondern harsch geschoren, sodass die dunklen Bartstoppeln durch die ansonsten helle Haut schimmerten. Cailean begriff augenblicklich, warum man diesen Mann den schwarzen Ronin nannte: Mit seiner dunklen Kleidung, dem ölschwarzen Haar und der Raubvogelnase erinnerte er ihn ein wenig an eine Krähe. Er mochte um die dreißig sein, aber vielleicht wirkte er auch einfach nur älter, als er tatsächlich war.
»Wer ist das?«, fragte Ronin, nachdem sein Blick mit einem geradezu gelangweilten Ausdruck an Cailean auf und ab gewandert war.
»Ein Spion, sagen die beiden«, erklärte der mit dem Stiernacken und nickte zu Munro und Iona.
»Aha?« Ronin nahm seinen Blick nicht von Cailean, aber seine Augen, die wie zwei Smaragde in den Tiefen einer Miene aus seinem Gesicht leuchteten, verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Wie ist Euer Name?«
»Cailean Machberon.« Er hielt dem Blick stand, aber er hätte ohnehin nicht wegsehen können. Der Mann hatte eine seltsame Aura um sich. Nicht sympathisch, auch nicht direkt attraktiv, aber auf eine seltsame Art faszinierend. Es war diese bestimmte Ausstrahlung, die einen Menschen zu einem Anführer machte.
»Nie gehört«, schnaubte Ronin und verzog verächtlich den Mund. »Und was habt Ihr hier verloren in der Einsamkeit am Rande des Kentyre-Gebirges?«
»Ich wandere umher«, gab Cailean zur Auskunft. »Ich bin gewissermaßen ein Eremit.«
»Ein Eremit?« Skeptisch hob Ronin eine Augenbraue. »Ihr seht erstaunlich gepflegt aus für einen Einsiedler, mit Eurem glatten Gesicht. Seit wann scheren Eremiten sich den Bart? Für wen?« Mit jedem Wort kam der Schwarze einen Schritt näher, bis nur noch wenige Handbreit sie trennten.
»Leider gehöre ich nicht zu der Sorte Mann, der ein Bart wächst«, versetzte Cailean und lächelte amüsiert.
»So? Kann man jemanden überhaupt einen Mann nennen, dem kein Barthaar sprießt?«, rief der Grobschlächtige und die Umstehenden lachten. Alle, außer Ronin.
»Ich glaube Euch kein Wort«, zischte der Schwarze ihm zu und Cailean spürte dessen heißen Atem auf seinem Gesicht.
»Was für ein Jammer«, flüsterte Cailean zurück.
Ronin gab ein leises Knurren von sich und trat einen Schritt zurück. »Und außerdem redet Ihr wie einer von jenseits der Brücke. Euer Akzent verrät Euch. Ihr seid keiner aus Eilean Moryd.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
»Nun, das habe ich auch nie behauptet«, gab Cailean zu bedenken.
»Ah.« Ronin hob das Kinn. »Und woher kommt Ihr dann? Oh, lasst mich raten: Lundium. Direkt aus den Tiefen von Lyall Machnairns Hintern, nicht wahr?«
Wieder lachten alle Umstehenden und diesmal ließ sich auch der Schwarze zu einem Schmunzeln hinreißen.
»Ich bin diesem Lyall noch nie begegnet«, gab Cailean zurück, »und nein, ich komme nicht aus Lundium. Ich komme auch nicht von jenseits der Brücke. Ich komme von jenseits des Meeres.«
»Tharog?«, fragte Ronin und runzelte die Stirn.
Cailean nickte und seine Gedanken flogen für ein Moment zu dem benachbarten Inselreich, von dessen Küste er vor vielen Monaten zur Nordinsel Balians – oder, wie man hier sagte: Eilean Moryd – aufgebrochen war.
»Dann seid Ihr also ein Spion der Könige jenseits des Meeres? Aneiryn Athanavi und Riaghán Arachsúil?«
Die Namen droschen wie Peitschenhiebe auf Cailean hernieder und er schüttelte den Kopf. »Ich bin kein Spion, wie oft soll ich das denn noch sagen?«
Ronin nickte langsam und wandte sich zu den Umstehenden. »Bringt ihn in meine Hütte«, befahl er mit einem Handwink. »Ein paar Stunden mit mir allein – oder vielleicht sogar nur Augenblicke – werden die nötigen Informationen schon aus ihm herausziehen.«
»Die Spezialbehandlung, Ronin?«, fragte der Fette und Cailean blickte mit Abscheu in sein geiferndes Gesicht.
Der Schwarze nickte. »Er will es ja nicht anders. Und was dich angeht, Iona«, er wandte sich zu der jungen Frau, »solltest du es noch einmal wagen, dich entgegen meiner Anweisung auf eine solch gefährliche Mission zu begeben, werde ich dich in deiner Hütte anketten lassen. Es ist absolut unangemessen, in deinem Zustand solche Wagnisse einzugehen!« Es klang wie das Knurren eines wilden Hundes.
Caileans Blick flog zu dem Mädchen, und erst jetzt entdeckte er die kaum wahrnehmbare, aber doch eindeutig vorhandene Wölbung ihres Bauches. Sie ist schwanger, stellte er fest und fragte sich, ob der schwarze Ronin wohl der Vater des Kindes war. Gemessen daran, wie erbost er auf Ionas kleinen Ausflug reagierte, war das ziemlich wahrscheinlich.
»Manchmal hasse ich dich wirklich!«, keifte die junge Frau und stapfte wütend davon.
Jemand boxte Cailean unfein in den Rücken und er setzte sich in Bewegung, während der Stiernackige ihn wieder am Seil hinter sich her führte. Sie begaben sich zu einer der schäbigen Hütten und Cailean wurde grob hineingestoßen. Beim Hinausgehen versetzte der Fette ihm einen Hieb in die Rippen, der ihm den Atem nahm.
»Viel Spaß«, höhnte der Kerl und machte sich davon.
Ronin packte das lose Seilende, das von Caileans gefesselten Händen herabhing und befahl ihm, sich auf den einzigen Stuhl zu setzen, der in dieser Kate vorhanden war. So langsam bereute er, sich seiner Entführung so freiwillig hingegeben zu haben und tat, wie ihm geheißen. Der Schwarze benutzte das herabhängende Seil, um ihn an den Stuhl zu binden.
Cailean hatte erwartet, nun einem Verhör unterzogen zu werden, und war umso verwunderter, als Ronin stattdessen einen Kessel Wasser über dem Herdfeuer erhitzte, getrocknete Kräuter in einen Becher gab und diese schließlich mit dem kochenden Wasser aufgoss. »Es war ein langer Tag«, sprach er, ließ sich mit einem Seufzen auf einer Bank gegenüber dem Stuhl nieder und nahm einen Schluck aus dem Becher.
»Tee?«, fragte Cailean und zog eine Braue in die Höhe. »Nicht Ale oder Wein zum Abend?«
Ronin lehnte sich zurück und sein rechter Mundwinkel hob sich zu einem freudlosen Lächeln. »Ich trinke niemals Ale oder Wein. Es vernebelt die Sinne und ich bin lieber zu jeder Zeit bei klarem Verstand.«
»Wie lobenswert. Und was habt Ihr Euch da aufgebrüht?«
Der Schwarze blickte in den Becher und schwenkte die Flüssigkeit hin und her, um sie abzukühlen. »Getrocknete Sommerblüten und etwas morydisches Schneekraut.«
»Schneekraut?« Cailean horchte auf. Schneekraut war, richtig angewandt, ein starkes Beruhigungsmittel. Warum mischte der Kerl sich das in den Tee? »Habt Ihr Schlafprobleme?«
»Gelegentlich«, beschied der Schwarze kurz angebunden, stellte den Becher beiseite und erhob sich. »Aber wir wollen nicht über mich reden, sondern über Euch, Cailean Machberon.«
»Nun, es gibt nicht wirklich viel über mich zu erzählen«, beschied er ihn.
»Das werden wir sehen.« Ronin öffnete einen Lederbeutel, der von einem Haken an der Wand hing, und zog einen kleinen Gegenstand heraus. Das Ding bestand aus zwei Platten, innen mit spitzen Zähnen besetzt, und einem Gewinde.
Daumenschrauben, dachte Cailean und atmete tief durch. Nein, das, was er sich als lustiges Abenteuer vorgestellt hatte, nahm langsam ziemlich ungesunde Züge an. »Ich bin gespannt, wie Ihr das Ding an meine Daumen bekommen wollt, wo doch meine Hände hinter meinem Rücken gefesselt sind«, bemerkte er mit einem hochmütigen Lächeln.
Der Schwarze gab einen amüsierten Laut von sich und taxierte ihn aus seinen grünen Augen. »Wer hat gesagt, dass ich Eure Daumen dazwischenklemmen will?«
Cailean schluckte, fand aber sogleich seinen Sarkasmus wieder. »Ich fürchte, für andere Teile braucht Ihr weitaus größere Daumenschrauben.«
»Ach ja?« Der Mundwinkel wanderte wieder nach oben. »Was nicht passt, das schneide ich mir zurecht.« Seelenruhig macht er sich daran, Caileans Fesseln zu lösen.
»Habt Ihr keine Angst, dass ich Euch niederschlage, sobald meine Hände frei sind?«
»Ich vertraue darauf, dass meine Reflexe schneller sind als Euer unsinniges Vorhaben.« Er zerrte ihm die Hände hinter dem Rücken hervor und führte sie vorn wieder zusammen.
Es wäre ein guter Moment für Cailean gewesen, dem Mann einen Kinnhaken zu verpassen, sich vom Stuhl loszubinden und aus der schäbigen Hütte zu flüchten, jedoch lagen seine Hände schwer wie Blei in seinem Schoß und wollten ihm einfach nicht gehorchen. So hatte Ronin ein leichtes Spiel, ihm die Hände wieder zusammenzubinden.
»Dass Ihr überhaupt keine Gegenwehr leistet, lässt zweierlei Schlüsse zu«, begann der Schwarze im Plauderton, »der eine wäre, dass Ihr immer noch glaubt, ich wolle Euch nur ein wenig Angst einjagen und würde die Daumenschrauben nicht wirklich benutzen. Der andere wäre, dass Ihr Schmerzen liebt.«
»Vielleicht bin ich aber auch einfach nur beeindruckt von Eurer Autorität und füge mich daher meinem unausweichlichen Schicksal«, bemerkte Cailean spitz.
»Ihr tätet besser daran, Euch nicht über mich lustig zu machen, denn ich habe kein Problem damit, an den Schrauben zu drehen, bis Euch die Knochen knacken.« Mit einer beinahe gelangweilten Miene führte Ronin Caileans Daumen zwischen die Platten. »Also, beginnen wir noch einmal von vorn. Wie lautet Euer Name?«
»Cailean Machberon, wie ich schon sagte.«
»Lügner!« Ronin drehte ein wenig an dem Gewinde. »Ihr sagtet, Ihr kommt aus Tharog. Warum solltet ihr dann einen morydischen Vatersnamen tragen? Niemand in Tharog heißt Mach-soundso.«
»Nun, da mögt Ihr recht haben. Ich habe diesen Namen gewissermaßen adoptiert, um in Balian besser zurechtzukommen.«
»Dieses Land hier heißt Eilean Moryd und was Ihr redet, ist grober Unfug. Ihr nehmt einen morydischen Nachnamen an, um hier besser zurechtzukommen, aber gleichzeitig behauptet Ihr, ein Eremit zu sein? Wozu braucht ein Einsiedler bitteschön einen Namen? Glaubt ja nicht, Ihr könnt mich für dumm verkaufen. Ihr werdet mir jetzt sagen, wie Euer Name in Tharog gelautet hat.« Er stellte die Schrauben noch enger und Cailean sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein.
»In Tharog … in Tharog war ich einfach Cailean, Sohn des Beron«, stieß er hervor.
»Und woher kommt Ihr? Aus der Hauptstadt?«
»Nein. Aus einem winzigen Dorf.«
»Warum sprecht Ihr die caorganische Sprache?«
»Weil ich gebildet bin und jeder gebildete Mann die Schrift- und Handelssprache der fünf Inselreiche sprechen sollte.«
»So so. Ein gebildeter Mann aus einem winzigen Dorf in Tharog, der Fremdsprachen spricht. Äußerst glaubwürdig.« Er drehte wieder an dem Gewinde. »An Eurer Stelle würde ich mich so langsam dazu entschließen, doch lieber die Wahrheit zu sagen. Für wen spioniert Ihr? Wer hat Euch geschickt?«
»Niemand.«
Ronin drehte fester. »Wer?«
»Niemand.«
Noch fester. »Wer?«
»Niemand!«
Und fester. »Wer schickt Euch?«, schrie Ronin ihn an.
»Niemand!«, schrie Cailean zurück und atmete hastig zwischen zusammengepressten Zähnen. Der Schmerz war widerlich und zog ihm bis ins Hirn. Aber ich habe schon ganz andere Foltermethoden ausgehalten, dachte er und blieb hart. Außerdem sagte er die Wahrheit. Er war kein Spion und niemand hatte ihn nach Eilean Moryd geschickt. Es war seine eigene Entscheidung gewesen.
Noch ein winziges Stück drehte Ronin weiter. Cailean wollte schreien, doch er biss sich auf die Lippen.
»Wer schickt dich?«, zischte der Schwarze ein weiteres Mal, sein Gesicht nur eine Spanne breit vor Caileans, und ließ jede Förmlichkeit beiseite.
»Kein … verdammtes … Schwein … auf dieser Welt«, brachte er abgehackt hervor.
Ronin nahm einen tiefen Atemzug und zu Caileans Überraschung befreite er ihn von den Daumenschrauben. »Du sagst die Wahrheit«, erklärte er ein wenig missmutig. »Ich sehe es in deinen Augen. Und trotzdem traue ich dir nicht.« Er strich sich mit einer Hand über das stoppelige Gesicht und löste schließlich mit einem Seufzen die Fesseln. »Verschwinde schon.«
Cailean erhob sich mit einem erleichterten Stöhnen. Seine Daumen pochten noch immer schmerzhaft, vor allem jetzt, wo das Blut in sie zurückkehrte, aber der Schwarze hatte ihm wenigstens die Knochen nicht gebrochen. »Ich hatte schon befürchtet, du würdest mich die ganze Nacht hindurch foltern, bis ich mir irgendeine verrückte Geschichte ausdenke, nur um dir das zu sagen, was du gerne hören willst.«
»Das ist nicht nötig. Ich erkenne es, wenn jemand lügt und wenn er die Wahrheit sagt. Darin habe ich genug Erfahrung. Ich foltere nicht aus Freude daran, sondern einzig und allein zur Wahrheitsfindung.«
»Ah«, machte Cailean. »Folter ist eine wirklich dumme Methode zur Wahrheitsfindung, wenn du mir diese Anmerkung erlaubst. Irgendwann gesteht jeder alles.«
»Deshalb sagte ich ja, ich foltere nicht aus Freude und auch keine ganze Nacht durch. Richtig angewandt kann sie jedoch durchaus zweckdienlich sein.« Ronin war einen halben Kopf kleiner als Cailean, aber dennoch schien es so, als könnte er ihm geradewegs in die Augen sehen.
»Wirst du mir verraten, warum du überhaupt glaubst, dass jemand Interesse daran haben könnte, euch hier auszuspionieren?«
»Du weißt also wirklich nicht, wer wir hier sind?«, fragte er erstaunt.
»Nein«, gestand Cailean. »Sollte ich?«
»Nun«, erklärte der Schwarze, »vielleicht ist das für einen Tharoganer auch ein wenig viel verlangt. Ich bin Ronin Machmoirean, man nennt mich auch den schwarzen Ronin, wie du sicher mitbekommen hast, und warum man das tut«, er sah an sich hinab, »nun ja, ich denke, das ist ersichtlich. Ich bin ein Freiheitskämpfer. Wir alle hier sind Freiheitskämpfer.«
»Und um welche Art von Freiheit geht es euch?«, erkundigte sich Cailean vorsichtig. »Ihr kommt mir nicht wie Gefangene vor.«
Ronin schnaubte verächtlich. »Und doch sind wir es. Gefangen in einem illegitimen Königreich. Es gibt kein Balian. Es gibt nur Sarcas, südlich der Brücke, und Eilean Moryd, das sind wir. Zwei Länder. Balian hingegen ist ein künstliches Gebilde, erschaffen von einem Größenwahnsinnigen und dessen verachtungswürdigem Nachfolger. Als der Tyrann Halvor nach der Schlacht der zwei Brücken vom Angesicht der Erde verschwand und den Thron verwaist hinterließ, da dachten wir, nun sei dieses dunkle Zeitalter vorbei und Eilean Moryd könne in seine Unabhängigkeit zurückkehren. Weit gefehlt, denn Lyall Machnairn ist nicht weniger größenwahnsinnig als der irre Balian und sein widerlicher Sohn.«
»Was ist mit Halvor geschehen?«, fragte Cailean und senkte das Haupt.
»Man weiß es nicht genau. Aber da er nach der Schlacht wie vom Erdboden verschluckt war, nehme ich an, er ist tot. Es gab Gerüchte, dass die Soldaten des Königs von Caorgan seinen Leichnam in Stücke gehackt und in das Meer geworfen haben, so sehr wurde er gehasst. Wundern würde es mich kein bisschen.«
Cailean nickte. Was für ein unwürdiges Ende für König Halvor, dachte er. »Und ihr handvoll Menschen denkt, ihr könnt Machnairn von seinem Vorhaben abhalten?«
Ronin lachte auf und es klang wie kaltes Metall. »Natürlich nicht. Bist du wirklich so dumm oder stellst du dich nur so?« Er verschränkte die Arme. »Vielleicht ist das ja auch nur ein Trick, um Informationen aus mir herauszubekommen. Ich traue dir nach wie vor nicht. Andererseits erzähle ich dir gerade nichts, was Machnairns Lauscher nicht ohnehin schon längst wissen. Sagt dir der Name Alasdhair Tasgall etwas?«
Cailean nickte abermals. Der Name sagte ihm allerdings etwas. Aber was hatten diese Menschen hier mit ihm zu tun? »Der ist doch im Exil in Eharland?«, versetzte er verwundert.
»Dort war er lang, ja. Der Tyrann Halvor hat Tasgall dorthin geschickt, nachdem er – leider erfolglos – einen Aufstand gegen ihn angeführt hat.«
»Und jetzt ist er wieder da?«
»O ja«, Ronin zeigte eines seiner merkwürdigen Lächeln, bei denen er nur einen Mundwinkel nach oben zog. »Ja, das ist er.«
»Wo ist er?«
Der Schwarze verengte die Augen. »Du wirst mir langsam zu neugierig, Cailean Machberon. Ich denke, du solltest jetzt lieber gehen, bevor ich es mir anders überlege und dich doch noch einem weiteren Verhör unterziehe.« Er reichte ihm sein Bündel. »Verschwinde.«
Cailean neigte den Kopf zum Gruß. »Leb’ wohl, schwarzer Ronin. Ich wünsche dir und deinem Rudel viel Erfolg bei eurer Mission.«
»Vielen Dank.« Ronins rechter Mundwinkel zuckte abermals. »Ach, Cailean?«
Ehe er reagieren konnte, packte der Schwarze ihn bei der Kapuze und riss sie ihm vom Kopf. Als er erblickte, was sich darunter verbarg, sog er scharf die Luft ein und wich einen Schritt zurück. »Warum ist dein Haupt geschoren, Einsiedler? Bist du ein Betbruder? Einer dieser Missionare, die diese seltsame Religion verbreiten, in der es nur einen Gott gibt, der unsere alten Götter verdrängen will?«
»Ronin, Ronin«, entgegnete Cailean tadelnd, »deine Unterstellungen werden wirklich immer schlimmer. Ich habe mir das Haupt geschoren, weil ich niemanden habe, der mir sonst die Läuse herauspflückt, das ist alles.« Das war gelogen. Er schor sich aus ganz anderen Gründen das Kopfhaar, aber die hatten den Rebellen nicht zu interessieren.
»Hm.« Der Schwarze blinzelte. »Vielleicht sollte ich hier im Lager auch den einen oder anderen kahl scheren. Ich hasse Läuse, Flöhe und Ungeziefer im Allgemeinen.«
»Oh, glaube mir, das größte Ungeziefer tummelt sich nicht auf den Köpfen der Leute, sondern darin.«
Diesmal erreichte das Lächeln des Schwarzen sogar beinahe seine Augen. »Wahre Worte, Wanderer.«
»Wie dem auch sei. Leb’ wohl. Und versuche es in deinem Tee anstelle von Schneekraut lieber mit Baldrianwurzel, wenn du sie irgendwo bekommst. Sie wirkt sanfter und man bekommt davon keine Albträume oder dieses entnervende Händezittern am nächsten Tag.«
Ertappt verbarg Ronin seine Hände hinter dem Rücken und Cailean zog sich die Kapuze wieder über den Kopf, nahm sein Bündel und wandte sich ab.
Er ignorierte die scheelen Blicke, die die anderen Menschen in dem Rebellenlager ihm zuwarfen, und machte sich daran, den Hang wieder hinaufzusteigen, den er vor ein paar Stunden an ein Pferd gefesselt hinabgeführt worden war. Er hörte, wie die Leute tuschelten, aber niemand hielt ihn auf. Nach einer Weile verstummten die Geräusche der menschlichen Ansiedlung und die Einsamkeit hatte ihn wieder. Doch nun, da er seit Monaten einmal wieder mit jemandem geredet hatte, erschien sie ihm erdrückend. Seine Gedanken flogen zu Ronin und er stieß unwillkürlich ein kleines, amüsiertes Schnauben aus. Was für ein merkwürdiger Kerl. Er stellte sich vor, wie der Schwarze mit seiner hübschen kleinen Frau in der schäbigen Kate hockte, bald mit einem Säugling im Arm, wenn alles gutging. Wie mochte Ronin wohl als Vater sein? Cailean hatte das Bild eines Mannes vor Augen, der sein Kind voll stolzer Strenge erzog. Zu einem Menschen, der sich für Freiheit und Gerechtigkeit einsetzte, auch wenn er damit aneckte. Der Gedanke schmerzte Cailean ein wenig, weil er ihn an frühere Zeiten erinnerte. An die Hoffnungen, die er an sein Leben gehabt hatte und wie dann doch alles anders gekommen war.
Auf der nächsten Anhöhe blieb er einen Moment stehen und versuchte, sich zu orientieren. Es wurde jetzt rasch dunkel und es wurde langsam schwierig, den Weg zurück zu seiner Höhle zu finden. Der Wind war unangenehm kalt und er hatte keine Lust, bei diesem Wetter nur in die Wolldecke gehüllt, die ihm ansonsten als Bündel fungierte, zu schlafen. Plötzlich war es ihm, als trüge der Wind Stimmen zu ihm heran. Sie konnten nicht aus der Rebellensiedlung kommen, denn die lag hinter ihm und der Wind blies ihm ins Gesicht, außerdem war er auch schon viel zu weit davon entfernt. Vorsichtig schlich er zum nächsten Felsen und ging dahinter in Deckung. Es dauerte nicht lange, bis sich zwei Silhouetten aus der Dämmerung schälten und die Stimmen deutlicher wurden.
»... in dieser verdammten Einöde hier!«
»Ja, Hawel, denkst du, mir gefällt es hier? Aber sie können nicht mehr weit sein. Ich habe das im Urin.«
»Du verlangst von mir, auf deine Pisse zu vertrauen?«
»Das ist ein Sprichwort, Dummkopf.«
Sie waren jetzt ganz nah. Würde der Wind nicht so gnadenlos heulen, würde Cailean es kaum wagen, zu atmen.
»Lass uns hinter der Anhöhe ein Lager aufschlagen«, hörte er den Zweiten wieder sagen. »Die andere Seite des Hanges ist besser vor dem Wind geschützt. Morgen finden wir die Bastarde, ich schwöre es dir.«
»Und wehe nicht. Wenn es nur ein jämmerlicher Haufen ist, werde ich allen persönlich die Kehle aufschlitzen, egal ob Mann, Frau oder Kind, und nicht erst auf die hochmütige Soldatenbrut des Königs warten«, erklärte der erste.
»Das wirst du nicht tun, du Idiot!«, fuhr der andere auf. »Du kennst den Befehl des Königs. Wir sind nur hier zur Auskundschaftung, den Rest erledigen die Soldaten. Außerdem will er Tasgall und den schwarzen Machmoirean lebendig!«
Caileans Herz pochte, dass es ihm im Schädel dröhnte. Was für eine Ironie, dachte er. Mich nimmt man gefangen, weil man mich für einen Spion hält, und nun treffe ich auf echte Spione, die es tatsächlich auf Ronin und seine Meute abgesehen haben. Er musste sie dringend warnen. Er musste schnellstmöglich zu der Rebellensiedlung zurücklaufen und Ronin dazu drängen, das Lager abzubrechen und zu flüchten, bevor die Kundschafter – oder noch schlimmer, die Soldaten Lyall Machnairns – sie ertappten. Er wusste selbst nicht genau, warum er ein so großes Bedürfnis hatte, den Rebellen zu helfen, aber er war sich sicher, dass er es bereuen würde, wenn er einfach dabei zusah, wie man sie niedermachte.
Die Spione hatten die Anhöhe erreicht und Cailean presste sich so nah wie möglich an den Felsen, um nicht entdeckt zu werden. Er musste einen Weg zurück zur Siedlung finden, ohne von den Kundschaftern entdeckt zu werden, was sich in einer kargen Landschaft, die hauptsächlich aus Moos und Steinen bestand, als nicht allzu einfach erweisen würde. Auf Zehenspitzen schlich er sich rückwärts aus seinem Versteck, immer den Feind im Blick. Doch dann stolperte er über ein Hindernis. Steine rollten hörbar den Hang hinab und erregten die Aufmerksamkeit der beiden Männer. Er hatte keine Chance mehr, sich zu verstecken.
»He da!«, rief einer von ihnen, sprang auf und zückte seine Waffe. »Bleib stehen!«
Du bist vollkommen verrückt, Balian!«, schimpfte Norian und gestikulierte ausladend herum. »Von Sinnen! Außer Rand und Band! Hast du denn wirklich all unsere Grundsätze vergessen?«
»Beruhige dich«, bat Selvor und legte dem aufgebrachten Onkel beschwichtigend eine Hand auf den Arm, während Halvor sich so unauffällig wie möglich in einer Ecke der Ratshalle herumdrückte und lauschte.
»Ich bin nicht verrückt«, versetzte sein Vater, »im Gegensatz zu dir sitze ich lediglich nicht in altertümlichen Regeln und Ansichten fest, als läge ein schwerer Stein auf meinem Schoß!«
»Nimm es mir nicht übel, Bruder, aber seit Oriana tot ist, habe ich das Gefühl, dass etwas in deinem Kopf nicht mehr richtig ist.«
Halvor seufzte und ließ den Kopf hängen. Es gefiel ihm nicht, wie alle auf seinen Vater einstritten, obwohl er den Unmut der Männer durchaus verstehen konnte. Denn Balian der Ältere hatte einen Frevel begangen, hatte etwas Ungeheuerliches vorgeschlagen und damit Grenzen überschritten, die sein Volk sich aus guten Gründen selbst gesetzt hatte: Er wollte hinaus in die Welt. Und er wollte, dass möglichst viele von ihnen mitkamen. Und warum auch nicht, dachte er. Er war sich sicher, dass es da draußen, außerhalb der Wälder von Cerengíl, viel zu entdecken gab und bezweifelte obendrein, dass der schmale Horizont von Alva seinem Wissensdurst auf ewig genügen würde. Er wollte mehr wissen, mehr erfahren.
Manchmal nahm Beron, sein väterlicher Freund, Halvor mit in die Stadt Cerengíl. Besonders, seit vor einigen Jahren seine Mutter gestorben war und eine Art innere Rastlosigkeit ihn antrieb. Er fühlte sich noch immer schuldig. Nicht, weil er glaubte, für ihren Tod verantwortlich zu sein, sondern weil er sie im Moment ihres Sterbens allein gelassen hatte und arglos seinen Interessen nachgegangen war, anstatt die simple Aufgabe zu erfüllen, die sie ihm gegeben hatte.
Sie war schon tot gewesen, als er mit seinem Bruder zu Hause angekommen war, die Augen starr an die Decke gerichtet, der Vater über ihr, vor und zurück schaukelnd wie einer, der den Verstand verloren hatte. Was mochte seine Mutter wohl über ihren zweitgeborenen Sohn gedacht haben, als sie starb? Dass er ein treuloser Lump war, zu nichts gut, außer den lieben langen Tag von Dingen zu träumen, die er nie erreichen konnte? Und was seinen Vater anging: Vielleicht hatte der Onkel ja recht und mit dem Tod der Mutter war auch ein Stück seines Verstandes gestorben. Balian hatte noch nie großes Interesse an Halvor gezeigt, aber seit die Mutter tot war, war sein Zweitgeborener für ihn praktisch unsichtbar oder allenfalls lästig. Die meiste Zeit überließ er Halvor sich selbst und der streunte im Dorf herum, um Selvor, Norian und vor allem Beron aufzusuchen und sich möglichst auch noch etwas zu essen abzugreifen. Hunger leiden musste er jedenfalls nicht. Die Frauen im Dorf hatten Mitleid mit dem mutterlosen Halvor und fütterten ihn gut. Er war immer noch lang und schmal, aber er bildete sich dennoch ein, dass seine Schultern ein wenig an Breite gewonnen hatten.
»Ich denke, dass Balian gar nicht so unrecht hat«, mischte sich Ferion ein. Der Kerl war ein paar Jahre jünger als Halvors Vater und teilte dessen Neugier auf die Welt außerhalb Alvas und Cerengíls. »Wir haben Gaben und Möglichkeiten, die die Menschen da draußen nicht haben. Warum sollen wir sie nicht nutzen?«
»Es wäre Machtmissbrauch«, wurde er streng von Vilior, einem seiner Kumpane, beschieden. »Die Ahnen haben uns diese Gaben unter der Voraussetzung gegeben, dass wir bescheiden und vernünftig damit umgehen. Was ist so verkehrt an unserem Leben hier? Wir haben alles was wir brauchen. Und wenn es dich in den Füßen juckt, kannst du doch auf Reisen gehen.« Er wandte sich zu Balian. »Das gleiche gilt für dich. Gehe ein paar Monate auf Reisen, erkunde die Welt, und komme mit einem klaren Kopf wieder zurück, aber vergiss deine wahnwitzigen Pläne über eine Herrschaft der Alvaei über menschliche Angelegenheiten.«
»Es geht mir nicht um das Reisen und die Welt erkunden, das habe ich oft genug getan!«, fuhr Balian auf. »Ich spreche von nichts Geringerem als die Welt zu verändern. Und zwar zum Besseren! Gibt euch nicht schon allein der Klatsch und Tratsch zu denken, der euch erreicht, wenn ihr in Cerengíl auf den Markt geht? Die Menschen sind absolut unfähig. Was sie in die Hand nehmen, zerfällt. Sie können nichts Dauerhaftes erschaffen. Und wie auch, mit ihrer winzigen Lebensspanne? Ich glaube nicht, dass die Ahnen uns unser Geschenk des langen Lebens, unser Wissen und unsere heilige Quelle gegeben haben, damit wir sie nicht nutzen. Es ist nicht unsere Bestimmung, bedeutungslos hier im Wald zu verrotten.«
»Es spricht auch niemand vom Verrotten, Balian«, meldete sich Selvor in seiner gewohnt ruhigen Art zu Wort. »Nur von Vernunft. Wir haben hier die Möglichkeit, ein friedvolles Leben zu führen, ohne Sorgen, ohne Hunger, Krieg und Krankheit.« Er schluckte und wich dem Blick des anderen aus. »Nun ja, zumindest in den meisten Fällen ohne Krankheit. Aber das ist ein Leben, das sich so viele auf dieser Welt wünschen. Für das sie so viel zu geben bereit sind, wenn schon nicht für sich, dann wenigstens für ihre Kinder. Und du willst das wegwerfen für deine naive Idee von Herrschaft?«
»Du hast doch keine Ahnung, alter Mann«, knurrte Balian. »Hunderte von Jahren willst du alt sein und bist doch nie aus deinem Wald herausgekommen. Du bist nicht halb so weise wie du dich gibst. Du bist einfach nur feige.« Er spuckte das letzte Wort regelrecht aus. Ein Tumult brach um den Vater aus, Stimmengewirr von Leuten, die auf ihn einstritten.
Halvor hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, aber stattdessen sammelte er seinen ganzen Mut und trat aus der dunklen Ecke nach vorn. »Vielleicht hat Vater recht«, sprach er, und als niemand ihn zu hören schien, rief er es noch einmal etwas lauter: »Vielleicht hat Vater recht!«
Die Menge verstummte und alle richteten ihren Blick auf ihn. Seine Stimme, die sich manchmal überschlug, weil sie sich immer mehr zu der eines Mannes veränderte, kam ins Stocken. »Ich meine … es sagt ja keiner, dass wir mit Feuer und Schwert irgendwelche Königreiche erobern sollen«, fuhr er schließlich fort. »Aber vielleicht sollten wir hinausgehen und den Menschen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Sie an unseren Gaben und unserem Wissen teilhaben lassen. Wie können wir hier stehen und hochnäsig über ihr Versagen richten, wenn wir ihnen alles vorenthalten?«
Die Stille, die folgte, war geradezu erdrückend. Halvor spürte, wie seine Handflächen feucht wurden, und verbarg sie hastig hinter seinem Rücken. Sein Vater, der gerade zu begreifen schien, dass er neben seinem Erstgeborenen noch einen weiteren Sohn hatte, warf ihm einen überraschten Blick zu, der wohl auch dieser simplen Erkenntnis geschuldet war.
»Junge, du verstehst nicht–«, begann Vilior, doch Halvor unterbrach ihn.
»Doch, ich denke schon, dass ich verstehe. Ich bin ja nicht dumm.« Er verschränkte die Arme und stellte sich aufrecht hin. Der Vater hatte sich nie sonderlich für ihn interessiert, aber vielleicht schaffte er es jetzt, seine Aufmerksamkeit zu erringen, indem er ihn beeindruckte.
»Manchmal, wenn ich in der Stadt bin und meine Kräutermischungen verkaufe, dann träume ich auch von der weiten Welt«, gestand unerwartet Zilia, die Schwester Berons. »Ich kann Balian verstehen, besonders aber Halvor. Ich wünsche mir manchmal etwas mehr vom Leben als das hier.«
»Ha!« Balians Stimme klang triumphal. »Seht ihr? Sogar mein Junge besitzt mehr Verstand und Weitblick als viele von euch, die sich für alt und weise halten.« Er klopfte ihm auf die Schulter.
Halvor bekam eine Gänsehaut. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass sein Vater ihn je als seinen Jungen bezeichnet, geschweige denn ihm stolz die Schulter geklopft hatte.
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