Das Herz des Nebels - Jona Dreyer - E-Book

Das Herz des Nebels E-Book

Jona Dreyer

0,0
4,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

»Der Nebel ist der Mittler zwischen den Welten.« Der liebenswerte Arn, ein Angehöriger des Rehvolks, lebt mit seiner Familie im Nebeltal, das seinem Namen alle Ehre macht. Eines Abends klopft ein seltsamer Fremder an seine Tür und bittet um ein Obdach für die Nacht. Arn, den nichts neugieriger macht als die Welt außerhalb des Tals, sieht seine Chance gekommen. Er träumt davon, einmal im Leben die Sonne, den Sternenhimmel und das Meer zu sehen. Und welche Gelegenheit würde sich wohl besser dafür eignen, als sich an die Fersen des eigenbrötlerischen Wanderers zu heften? Thornan hat eine Mission. Er ist unterwegs an die Küste, um etwas, das das Schicksal ihm in die Hände gegeben hat, an den Ort seiner Bestimmung zurückzubringen. Doch die Welt befindet sich im stetigen Zerfall und durch den schwindenden Glauben an die Magie haben sich Pforten geöffnet, die sich bald nicht mehr schließen lassen. Etwas Dunkles, Gefährliches verfolgt ihn auf seinem Weg. Und dann gesellt sich auch noch dieses süße, unerträglich fröhliche Rehböckchen aus dem Nebeltal zu ihm und bringt alles durcheinander …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2021

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Herz des Nebels

Gay Romance

© Urheberrecht 2020 Jona Dreyer

 

Impressum:

Tschök & Tschök GbR

Alexander-Lincke-Straße 2c

08412 Werdau

 

Text: Jona Dreyer

Coverdesign: Jona Dreyer

Coverbild: depositphotos.com, Pixabay Captain Meo

Lektorat/Korrektorat: Kelly Krause, Kristina Arnold, Shannon O’Neall & Sandra Schmitt

 

Kurzbeschreibung:

»Der Nebel ist der Mittler zwischen den Welten.«

Der liebenswerte Arn, ein Angehöriger des Rehvolks, lebt mit seiner Familie im Nebeltal, das seinem Namen alle Ehre macht. Eines Abends klopft ein seltsamer Fremder an seine Tür und bittet um ein Obdach für die Nacht. Arn, den nichts neugieriger macht als die Welt außerhalb des Tals, sieht seine Chance gekommen. Er träumt davon, einmal im Leben die Sonne, den Sternenhimmel und das Meer zu sehen. Und welche Gelegenheit würde sich wohl besser dafür eignen, als sich an die Fersen des eigenbrötlerischen Wanderers zu heften?

Thornan hat eine Mission. Er ist unterwegs an die Küste, um etwas, das das Schicksal ihm in die Hände gegeben hat, an den Ort seiner Bestimmung zurückzubringen. Doch die Welt befindet sich im stetigen Zerfall und durch den schwindenden Glauben an die Magie haben sich Pforten geöffnet, die sich bald nicht mehr schließen lassen. Etwas Dunkles, Gefährliches verfolgt ihn auf seinem Weg. Und dann gesellt sich auch noch dieses süße, unerträglich fröhliche Rehböckchen aus dem Nebeltal zu ihm und bringt alles durcheinander …

Über die Autorin

»Fantasie ist wie ein Buffet. Man muss sich nicht entscheiden – man kann von allem nehmen, was einem schmeckt.«

Getreu diesem Motto ist Jona Dreyer in vielen Bereichen von Drama über Fantasy bis Humor zu Hause. Alle ihre Geschichten haben jedoch eine Gemeinsamkeit: Die Hauptfiguren sind schwul, bi, pan oder trans. Das macht sie zu einer der vielseitigsten Autorinnen des queeren Genres.

Vorwort

Ich weiß, dass ich das schon oft gesagt habe, aber: Dieses Buch ist ein wenig anders als meine anderen. Diesmal wirklich.

Als ich im vergangenen Herbst im dichtesten Nebel im Schritttempo zu einem Berghotel in Tschechien fuhr, kam mir die Idee zu dieser Geschichte. Zu einem Ort, an dem immer Nebel herrscht und in dem es Rehe und Hirsche gibt. Fast ein bisschen wie der Ort, an dem ich aufgewachsen bin ...

Es ist Fantasy, aber kein Inselreich mit seinen Kriegen und Intrigen. Es ist eine Romance, aber mit einer guten Portion Magie. Ich habe mich hier einmal meinem Lieblingsmotiv gewidmet, das in vielen Geschichten oder Spielen, die ich liebe, behandelt wird, zum Beispiel in »The Legend of Zelda«, »Der Herr der Ringe« oder auch Disney’s »Moana«. Wovon ich spreche, ist dieses uralte Motiv, dass jemand scheinbar Unbedeutendes auserwählt wird, um etwas Bedeutsames an den Ort seiner Bestimmung zurückzubringen. Auf dieser Reise findet er vielleicht wieder zu sich selbst. Und mit ihm womöglich sogar die ganze Welt.

»Das Herz des Nebels« ist, genau wie der Titel sagt, eine Fantasy-Geschichte fürs Herz. Und vielleicht auch für den Geist. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen.

 

P.S.: Ich habe das Wort »Horn« stellenweise als Synonym für ein Geweih(stück) benutzt, aber mir ist natürlich bekannt, dass ein Geweih eigentlich aus Knochen besteht.

Kapitel 1

Der Nebel war so dicht, dass man nicht weiter als bis zum nächsten Schritt sehen konnte. Also tat Arn genau das: Er ging einen Schritt nach dem anderen, folgte mit den Augen den Randmarkierungen des Pfades, geweißelten Holzpfosten, alle paar Schritte. Weil hier kein Tag verging, an dem es keinen Nebel gab, und dieser Ort mithin Nebeltal genannt wurde, wussten die Leute sich zu helfen. Neben den weißen Pfosten gab es an jeder Wegbiegung Laternen, die man ununterbrochen brennen ließ und die von der Straßenwacht regelmäßig kontrolliert wurden. Lichtpunkte in einem dicht gewobenen Netz aus Grau.

Arn erreichte die nächste Kurve, die letzte vor seinem Zuhause, und stellte fest, dass die Laterne erloschen war. Also tat er die Pflicht eines jeden Nebeltalbewohners: Er zündete sie mit seiner eigenen wieder an. So lautete das ungeschriebene Gesetz. Wer eine erloschene Laterne vorfand, brachte sie wieder zum Brennen, damit der, der nach ihm kam, nicht im Dunkeln herumirren musste. Und es war verdammt dunkel. Denn zum Nebel hatte sich die Nacht gesellt.

Fuß vor Fuß setzte Arn, bedächtig, aber nicht langsam, denn obwohl er sich an den Markierungen orientierte, beschritt er diesen Weg doch mit traumwandlerischer Sicherheit. So, wie das eben war, wenn man schon sein ganzes Leben an ein und demselben Ort wohnte und ein Teil davon wurde. Ein feiner Film aus Nässe lag auf Arns Wangen und das feuchte Laub schmatzte unter seinen Sohlen, blieb daran hängen, sodass er sie nachher auf dem Vorleger gut abputzen musste, damit ihm die Mutter nicht die Ohren langzog.

Das Haus, in dem Arn mit seiner Familie lebte, lag fast am Rande des Dorfs. Es war ein einfaches, solides Holzhaus mit einem reisiggedeckten Dach, das sein Großvater vor vielen Jahren errichtet hatte. Arn war in diesem Haus geboren worden, ebenso seine Geschwister, und dort lebte, aß, arbeitete, schlief und träumte er bis heute. Die letzten Schritte ging er, ohne auf die Markierungen zu achten, denn obwohl er nichts sah, wusste er doch, wo er war, konnte die Wärme des prasselnden Kaminfeuers fast schon spüren. Dann erblickte er endlich, noch ganz verschwommen, das warme Licht, das aus den Fenstern schimmerte und das Nebelgewebe mit goldenen Fäden durchzog. Er lächelte. Er konnte gar nicht anders, weil der Gedanke an einen gemütlichen Abend bei gutem Essen ihn glücklich machte. Was mehr sollte er wollen? Eines Tages würde er sein eigenes Haus haben, seine eigene Familie und dann würden sie dort alle zusammensitzen.

Sorgfältig putzte Arn seine Schuhe ab, bevor er eintrat. Wärme schlug ihm entgegen. Behaglichkeit. Der Geruch von gekräuterter Brühe, Pilzen und gesottenem Gemüse, Lampenöl und etwas Rauch. »Da bin ich wieder!«, rief er, verriegelte die Tür und hängte seinen Mantel an einen Haken daneben.

Sein Vater, der mit Arns Schwester Nia bei einem Kartenspiel saß, blickte auf. »Wir hatten dich etwas früher erwartet. Deine Mutter schimpft schon, dass das ganze Essen zu Pampe zerkocht.«

»Ich konnte nicht schneller gehen«, erklärte Arn und hob bedauernd die Schultern. »Der Nebel ist noch dichter geworden. Nur einen Schritt weit konnte ich sehen.«

»Verdammte Jahreszeit«, murmelte der Vater und legte eine Karte.

Und er hatte recht. Wiewohl hier immer Nebel herrschte, war er im Frühling und Sommer meist transparenter, man erkannte die nächsten vier, fünf Häuser, wenn man aus dem Fenster blickte oder sah auf dem Waldweg bis zur nächsten Kurve. Aber im Herbst und Winter hüllte er sie in seinen undurchdringlichen Kokon, verbarg jeden Schatten in sich und ließ ihn erst dann auftauchen, wenn man ihm fast nicht mehr ausweichen konnte.

»Nun setz dich schon hin«, forderte Mutter in ihrer typischen, liebevollen Strenge und Arn nahm seinen Platz neben seiner Schwester und seinem jüngeren Bruder Fin ein.

»Was gibt es denn Schönes?«

»Pilzeintopf mit Käse. Zum Nachtisch gezuckerte Beeren. Orm, jetzt leg schon das Kartenspiel weg und mach Platz auf dem Tisch!«

Gehorsam räumte sein Vater die Karten fort, während Arn sich freudig die Hände rieb. Pilzeintopf mit Käse war eines seiner Lieblingsgerichte, besonders, wenn Mutter schön viele Erdäpfel hineingeschnitten hatte.

»Wie war es denn beim Ritual?«, erkundigte sie sich, während sie den dampfenden Suppentopf auf den Tisch stellte.

»Erbaulich«, berichtete Arn und stopfte sich seine Stoffserviette in den Hemdkragen. »Ich finde, dass es zu dieser Jahreszeit immer besonders mystisch ist, auch wenn ich gegen Ende ein bisschen gefroren habe. Der neue Schamane ist so ganz anders als der alte, er zieht einen richtig mit, mit seinem Gesang und den Trommeln. Und plötzlich«, er seufzte und sah an die Decke mit den verrußten Balken, »plötzlich spürst du das eine, große Wesen, von dem wir alle abstammen. Es ist da. Ihr solltet wirklich mal wieder mitkommen.«

»Bleib mir fern mit diesem Mumpitz«, grummelte Vater und schielte hungrig in Richtung Suppentopf. »Ich glaube nicht an das eine, große Wesen.«

»Und wo sollen wir dann herkommen?«, fragte Arn. »Aus dem Nichts? Und wo gehen wir hin, auch ins Nichts?«

»Wir gehen einen Schritt nach dem anderen innerhalb der Wegmarkierungen«, versetzte Vater mit diesem Tonfall, der stets bedeutete, dass das Thema damit für ihn erledigt war. »Woanders müssen wir nicht hin.«

»Das sehe ich nicht so.«

»Und ich will nicht, dass ihr beim Essen Glaubensfragen diskutiert!«, erklärte Mutter barsch, und hätte sie keine Kelle in der Hand gehabt, hätte sie vermutlich mit der flachen Hand auf den Tisch gehauen. »Haltet den Schnabel und mir eure Suppenschalen hin, damit ich euch auftragen kann. Sonst sitzen wir hier morgen noch und der Eintopf ist kalt.«

Wie immer hörten alle auf ihr Machtwort und hielten brav ihre Schalen hin. Mutter war eine resolute Person, zwar so zart wie alle Raiha, aber ihr Gehörn war für eine Frau recht ausgeprägt, wenn auch nicht so groß wie das Geweih von Vater. Unwillkürlich fasste Arn an seinen eigenen Kopf, befühlte die Wurzeln und die samtige Basthaut des Gebildes mit seinen Verästelungen. Es wuchs nur noch sehr langsam, denn Arn war in diesem Jahr bereits zwanzig Winter alt geworden und die intensivste Wachstumsphase war damit vorbei. Auf den Köpfen seiner jüngeren Geschwister begannen die Hörner hingegen gerade erst zu sprießen; Nia hatte kaum mehr als kleine Beulen unter ihrem langen, rötlich-braunen Haar. Sie waren Raiha aus dem Nebeltal, das Rehvolk, das das eine, große Wesen vor langer Zeit ersonnen hatte. Eine Tatsache, die Arn stets mit Stolz erfüllte, besonders, wenn er gerade von einem Ritual nach Hause kam.

Der Eintopf war köstlich und wärmte ihn von innen. Nachher würde er sich mit vollem Bauch in sein Bett legen und noch ein wenig lesen; vor ein paar Tagen hatte er sich vom Dorfweisen ein Buch über die Himmelskunde ausgeliehen. Er würde das Gelesene wohl nie anwenden können, weil der Himmel nichts war, was man im Nebeltal je zu sehen bekam. Aber er mochte die Illustrationen in dem Buch und stellte sich vor, wie so ein Sternenhimmel aussehen musste. Ein wenig so wie Nachtnebel, aber durchbrochen von abertausenden, kleinen Fackellichtern in der Ferne. Sein Vater hielt davon ähnlich wenig wie von Ritualen.

»Habt ihr eure Schulaufgaben gemacht?«, erkundigte sich Mutter und schöpfte jedem noch einmal Eintopf nach. »Ich will keine Beschwerden vom Schulmeister mehr hören!«

»Ja, ja«, maulte Fin und stützte unfein den Kopf in die Hand. Er kam jetzt in dieses Alter, in dem man gern schon ein Mann sein wollte, aber noch ein paar Jahre vor sich hatte.

»Werd nicht frech!«, schimpfte Mutter und wackelte drohend mit dem Zeigefinger.

Arn grinste in sich hinein. Mit ihm hatte sie genauso geredet, als er noch zur Dorfschule gegangen war, aber vor vier Jahren war er bei seinem Vater in die Lehre gegangen, um das Handwerk des Töpferns zu erlernen. Die Werkstatt befand sich gleich hinten am Haus und Arn verstand sich darauf, kunstvolle Ziergefäße, Vasen und Skulpturen, aber auch nützlichere Gegenstände wie Geschirr herzustellen. Wenn die Töpferscheibe sich drehte, konnte er wunderbar in seine Gedanken abdriften. Zum Beispiel zum Sternenhimmel.

»Also ich habe heute ein Lob bekommen«, berichtete Nia stolz, »beim Musizieren. Da haben wir–« Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihre Rede.

Mutter hob eine Braue. »Erwartest du jemanden?«, fragte sie an Vater gewandt.

»Nein. Du?«

Sie schüttelte den Kopf. »Arn?«

Auch er hob abwehrend die Hände. »Wen sollte ich um diese Zeit denn erwarten?«

Es klopfte noch einmal, diesmal nachdrücklicher.

»Geh an die Tür, Orm!«

Missmutig erhob sich Vater und schlurfte hinüber »Wer ist da?«, rief er, ohne zu öffnen.

Es folgte keine Antwort, nur ein erneutes Klopfen. Nach einem weiteren Moment des Zögerns schob Vater den Riegel zurück und machte auf. Arn verrenkte sich bald den Hals, um zu sehen, wer vor der Tür stand, aber er erkannte nur eine hochgewachsene, in einen Kapuzenmantel gehüllte Gestalt.

»Wer seid Ihr und was wollt Ihr hier?«, erkundigte sich Vater mit unüberhörbarem Misstrauen.

»Ich grüße Euch, werter Herr. Ich bin ein verirrter Wanderer, der nach einem Obdach für die Nacht sucht. Euer Nachbar hat mich zu Euch geschickt und mir gesagt, Ihr hättet stets eine offene Tür und eine Kammer für Gäste.«

Vater gab ein Geräusch von sich, das deutlich sagte, dass er Zef morgen das Fell über die Ohren ziehen würde, weil der Fremde zu ihnen schickte. Aber es war die Wahrheit: Die Raiha waren ein gastfreundliches Volk und Großvaters letzter Wunsch war es gewesen, dass seine Kammer stets für Gäste und Reisende freigehalten wurde, die sich ins Nebeltal verirrten. Diesen Wunsch hatten sie respektiert, auch wenn es bislang nur selten vorgekommen war, dass jemand dieses Angebot in Anspruch genommen hatte.

»Na schön, kommt rein. In einer stockfinsteren Nacht wie dieser lassen wir keinen Mann da draußen herumirren.« Vater trat einen Schritt zur Seite und ließ den Mann ein.

Der streifte sich mit einem dankbaren Lächeln die Kapuze vom Kopf. Ein kleines Geweih wuchs zwischen dunkelbraunem Haar auf seinem Haupt. Ein Raihu, genau wie sie. Das gab einen Vertrauensvorschuss. Alle schienen verstohlen aufzuatmen.

»Ihr glaubt nicht, wie dankbar ich Euch bin«, erklärte er. »Das Nebeltal macht seinem Namen wirklich alle Ehre und dass ich dieses Dorf hier gefunden habe, war nurmehr Zufall.«

»Ein glücklicher Zufall, wie mir scheint«, erwiderte Mutter. »Setzt Euch doch an den Tisch, mein Herr. Es ist noch etwas Eintopf übrig und die hungrigen Mäuler hier sind schon gestopft.« Sie machte eine scheuchende Handbewegung und der Fremde wagte nicht, zu widersprechen.

Arn starrte ihn unverhohlen an, als er sich auf dem Stuhl neben Vater niederließ, den Mutter ihm zuwies. Einen Mann wie diesen hatte er noch nie gesehen. Er schien größer und kräftiger als die Raiha des Nebeltals, die allesamt schlank und grazil waren, auch die Männer. Vielleicht kam er irgendwoher, wo es mehr Licht gab und womöglich wuchsen dort nicht nur die Pflanzen besser, sondern auch die Lebewesen.

»Ihr habt uns immer noch nicht Euren Namen verraten«, erinnerte Vater den unerwarteten Gast.

»Verzeiht, wie unhöflich von mir.« Der Mann lächelte. Er besaß ein hübsches Lächeln, das sein aristokratisches Gesicht wie ein edler Schmuck verzierte. »Mein Name ist Thornan.«

Ein ungewöhnlicher Name, durchfuhr es Arn, für einen ungewöhnlichen Mann. Tatsächlich kannte er auf Anhieb niemanden, dessen Name aus mehr als drei Buchstaben bestand.

»Willkommen in unserem bescheidenen Heim, Herr Thornan. Ich bin Orm, dies ist meine Frau Ewa und das sind unsere Kinder Arn, Nia und Fin.«

»Sehr erfreut.«

Bildete Arn sich das ein, oder verharrte der Blick des Fremden auf ihm einen Moment länger als auf den anderen? Auf den eher schmalen Lippen lag ein feines Lächeln.

»Ihr stammt nicht aus der Nähe, oder?«, erkundigte sich Vater, während Mutter dem Gast eine Schale Eintopf kredenzte.

»Nein. Man hat mir auch abgeraten, den Weg durch das Nebeltal zu nehmen, auch wenn er kürzer ist. Weil man sich hier leicht verirrt. Und ich muss zugeben: es stimmt. Dass ich auf dieses Dorf hier gestoßen bin, ist nichts als ein glücklicher Zufall. Ich bin fasziniert, wie Ihr Euch hier zurechtfindet.«

»Wir sind es nicht anders gewohnt«, erklärte Arn, bevor sein Vater eine Antwort geben konnte. Es war vorlaut und unhöflich, aber er wollte sich unbedingt in dieses Gespräch einmischen. Er hatte so selten Gelegenheit, mit Fremden zu sprechen und wiewohl er das Nebeltal liebte, war er doch neugierig auf alles, was es in der Welt außerhalb so gab.

Thornan streifte ihn nur mit einem kurzen Blick, als hätte er das Interesse an ihm bereits wieder verloren. »Dafür wurde mir Eure Gastfreundlichkeit angepriesen und ich sehe, das Lob kam nicht von ungefähr. Der Eintopf ist köstlich.«

»Und Ihr solltet das Bier probieren, Herr Thornan! Niemand braut so gutes Bier wie meine Ewa. Komm, Ewa, schenk unserem Gast einen Krug Bier ein.«

Mutter murmelte irgendetwas Ungehaltenes vor sich hin, reichte dem Fremden aber selbstverständlich ein Bier. Der beäugte es auf eine Art, die erkennen ließ, dass er eigentlich kein Bier mochte, aber er zwang sich dennoch höflich einen Schluck hinunter.

»Unsere Gastfreundschaft ist ihren Ruf wirklich wert«, fuhr Vater fort, »aber das muss sie auch sein, denn wer sich versehentlich hierher verirrt, ist zu bedauern und braucht unsere Hilfe, um sicher wieder aus dem Tal herauszukommen. Außer, es sind Hiruzar oder Svînar.«

Thornan runzelte die Stirn und spielte am Henkel des Bierkrugs. »Was habt Ihr gegen Hiruzar und Svînar?«

»Nichts! Wenn ich etwas Wirksames gegen sie hätte, hätte ich es längst angewandt.« Vater lachte dröhnend, aber es verebbte zu einem peinlichen Glucksen, als er merkte, dass sein Gast nicht mitlachte. »Das war nur ein Spaß. Sagt bloß, dort, wo Ihr herkommt, mag man Hirsche und Schweine?«

»Svînar weniger«, entgegnete Thornan schmallippig. »Aber warum sollte man Hiruzar nicht mögen?«

»Weil sie ein arrogantes, machtgieriges Volk sind?«, brauste Vater auf. »Sie halten sich für uns überlegen, weil sie die größeren Hörner auf dem Kopf tragen. So gerne, wie wir im Nebeltal wohnen, aber wir wohnen hier nicht, weil wir es uns ausgesucht haben, sondern weil unsere Urgroßeltern von den Hiruzar aus ihrem angestammten Gebiet vertrieben wurden. Jetzt leben wir hier, wo außer Pilzen und Flechten nichts wächst und wir gezwungen sind, mit den Hiruzar Handel zu treiben. Was die wiederum ausnutzen und uns den letzten Groschen aus der Tasche ziehen. Wir sind ehrliche Leute, Herr Thornan. Ich betreibe mit meinem Sohn eine Töpferei und unsere Handwerkskunst ist über das Nebeltal hinaus bekannt, und trotzdem reicht das Geld eben gerade zum Überleben. Meine Kinder haben nicht einmal den klaren Himmel gesehen, weil eine Reise zu kostspielig ist. Nein, auf die Hiruzar sind wir wahrhaft nicht gut zu sprechen. Wo kommt Ihr her, dass man dort keine Probleme mit ihnen hat? Mir war bislang nicht einmal bekannt, dass es außerhalb des Nebeltals noch raihanische Siedlungen gibt.«

»Ich komme sozusagen aus dem Exil«, erklärte der Fremde gedehnt. »Es gibt da draußen noch Raiha, aber nicht viele. Keine ganzen Dörfer wie hier. Wie heißt dieses Dorf übrigens?«

»Tannbach. Und wo genau kommt Ihr her?«

»Aus dem Schwarzwassertal.«

»Das kenne ich gar nicht«, gab Vater zu.

»Ist auch nicht sehr bekannt.« Thornans Augenlid zuckte, aber er aß weiter und sie alle sahen ihm auf eine gewisse Weise andächtig zu.

»Und wohin seid Ihr des Weges?«, wollte Vater schließlich wissen.

Der Fremde blickte auf. In seinen nachtdunklen Augen lag etwas Eigenartiges. »Nehmt es mir nicht übel, aber das geht niemanden etwas an.«

»Natürlich nicht.« Vater schien sich nicht entscheiden zu können, ob er peinlich berührt oder misstrauisch schauen sollte. »Aber wenn wir Euch einen sicheren Weg aus dem Nebeltal weisen sollen, müsst Ihr uns zumindest sagen, in welche Richtung Ihr geht.«

»Ich will nach Osten«, erklärte Thornan kurz angebunden. Zu Arns Überraschung hob er den Bierkrug an den Mund und setzte erst wieder ab, als kein Tropfen mehr übrig war. »Wenn Ihr so freundlich wärt, mich zu meinem Nachtlager zu bringen? Ich bin sehr müde und möchte meinen Weg gleich morgen nach Sonnenaufgang fortsetzen.«

»Natürlich. Ewa–«

»Ich mache das!« Ein wenig zu hastig sprang Arn auf und spürte, wie ihm die Wangen heiß wurden. Aber er war noch nicht fertig. Er konnte nicht akzeptieren, dass der Fremde jetzt ins Bett ging und morgen in aller Frühe aufbrach, ohne ihm die Gelegenheit zu geben, sich mit ihm zu unterhalten. »Folgt mir. Ich bringe Euch in die Gästekammer.«

Kapitel 2

»Auf dieser Bank könnt Ihr Euren Rucksack abstellen«, erklärte Arn, als er seinen Gast in die Kammer einwies. »Das Bett seht Ihr ja – oh, ich merke gerade, es ist noch gar nicht bezogen, wartet kurz.« Er öffnete die hölzerne Truhe, die neben der Bank stand, und holte frisches Bettleinen heraus.

»Mach dir nicht so viel Mühe, ich bin nicht anspruchsvoll. Ich bin nur froh und dankbar, diese Nacht nicht im Freien verbringen zu müssen.«

»Brrr, das wünsche ich meinem ärgsten Feind nicht.« Er stopfte die Decke in den Überzug und strich alles glatt. »So. Braucht Ihr eine Wärmflasche?«

Thornan legte den Kopf schräg und blinzelte. »Machst du dich etwa gerade über mich lustig?«

»Nein«, versicherte Arn eilig, »wie käme ich dazu? Aber es ist doch kalt und Ihr seid sicher durchgefroren.«

»Ich bin von Bier und Eintopf ordentlich durchgewärmt.«

»Na gut.« Arn räusperte sich verlegen. »Seid Ihr schon sehr müde?«

»Warum die Frage?«

»Weil ich mich gerne noch einen Moment mit Euch unterhalten würde, wenn Ihr nichts dagegen habt.«

»Und worüber?«

»Über«, Arn räusperte sich nochmals, »über die Welt da draußen. Aber ich will Euch natürlich nicht bedrängen. Wenn ich Euch also in Ruhe lassen soll, dann ... dann sagt es einfach.«

Thornan seufzte vernehmlich und setzte sich auf die Bettkante. Seine schlanken Hände, auf deren Handrücken sich jede Vene abzeichnete, strichen über das Leinen. »Unter einer Bedingung.«

»Wie lautet die?«

»Bring mir noch ein Bier.«

»Euch hat das Bier geschmeckt?«, entfuhr es Arn überrascht und jetzt erkannte er auch die geröteten Wangen seines Gegenübers.

»Sollte es das nicht?« Er wirkte misstrauisch.

»Doch, das Bier ist köstlich, ich hatte nur anfangs den Eindruck, dass Ihr es nicht mögt.«

»Ich trinke normal keins. Aber das war gut. Also?«

»Gut, ich bringe Euch noch einen Krug. Wartet hier.«

»Ich lauf bestimmt nicht weg.«

Arn grinste und trat den Weg nach unten an, wo sich der große Wohnraum mitsamt der Küche befand. Vater räumte gerade das Kartenspiel zurück in die Holzschachtel; Mutter brachte vermutlich Nia und Fin ins Bett, denn die waren nirgendwo zu sehen.

»Hast du den seltsamen Kauz untergebracht?«, erkundigte sich Vater und blickte auf.

»Er ist oben. Wieso findest du ihn seltsam?«

»Ich weiß nicht. Irgendwas an dem ist komisch. Er ist ein Raihu, kommt mir aber nicht wie einer vor.«

Arn zuckte mit den Schultern. »Er ist halt keiner aus dem Nebeltal. Und er möchte noch ein Bier!«

»Tatsächlich?«

»Ja, es hat ihm geschmeckt.« Arn goss noch einen Krug ein.

»Na, vielleicht ist er doch nicht so seltsam. Belästige ihn nicht so lange, ja? Ich will keine Beschwerden hören. Unser letzter Gast hat uns ja fast fluchtartig verlassen, nachdem du ihm mit deinen Fragen beide Ohren abgekaut hast.«

»Ich werde mich zusammenreißen«, gelobte Arn, obwohl er sich selbst genug kannte, um zu wissen, dass das sehr viel Selbstbeherrschung erfordern würde.

Er nahm den Bierkrug und ging wieder die Stiege hinauf in das Gästezimmer, das direkt neben seiner Kammer lag. Thornan saß noch immer auf dem Bett, hatte aber seinen Rucksack zwischen die Knie geklemmt und wühlte darin herum.

»Euer Bier.«

Thornan blickte auf. »Ah, vielen Dank. Stell es doch auf das Nachtschränkchen.«

Arn stellte den Krug ab und schloss die Tür hinter sich. »Störe ich? Soll ich nachher noch mal wiederkommen?«

»Nein, bleib ruhig und stell deine Fragen.« Endlich schien Thornan fündig zu werden und zog mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck eine Pfeife aus dem Rucksack.

Ich sollte ihm sagen, dass Mutter nicht wünscht, dass im Haus geraucht wird, dachte Arn, aber er schwieg, während Thornan die Pfeife stopfte.

»Also ...«, druckste Arn verlegen herum, »habt Ihr ... habt Ihr schon mal den Sternenhimmel gesehen?«

Überrascht blickte Thornan auf. »Natürlich. Du nicht?«

Arn schüttelte den Kopf und lehnte sich gegen das dunkel gebeizte Türblatt. »Nein. Mein Vater hat nicht gelogen, als er sagte, dass wir uns so eine Reise nicht leisten können. Ich kenne nur den Nebel. Mal mehr und mal weniger dicht, aber der Himmel bleibt immer bedeckt. Manchmal habe ich mich gefragt, ob die Sterne vielleicht gar nicht existieren, sondern nur irgendeiner Fantasie entsprungen sind. Aber nur, weil ich etwas nicht sehen kann, heißt das doch nicht, dass es nirgendwo existiert, oder nicht?«

»Sehr richtig, sehr richtig.« Thornan zündete seine Pfeife an und Arn fragte sich, wie alt der Mann wohl sein mochte. Vielleicht zehn, zwölf Jahre älter als er selbst? »Das eine, große Wesen sieht man ja auch nicht und trotzdem ist es da.«

»Ihr glaubt an das eine, große Wesen?«, platzte Arn aufgeregt heraus.

»Ja.« Thornans Blick wurde misstrauisch, während er an seiner Pfeife zog. Kleine, graue Schwaden waberten in die Luft, als er den Mund wieder öffnete. Wie winzige Nebelgeister. Der süßliche Geruch von Tabak stieg in Arns Nase. »Du nicht, nehme ich an?«

»Doch, doch! Aber leider bin ich der Einzige in meiner Familie. Es werden auch im Dorf immer weniger. Wir haben einen neuen Schamanen, deshalb kommen aus reiner Neugier gerade wieder mehr Leute zum heiligen Ritual, aber ich fürchte, das wird bald wieder nachlassen. Ich verstehe nicht, wieso. Man spürt es doch. Ich spüre es jedenfalls und ich begreife nicht, warum es die anderen anscheinend nicht mehr tun.«

»Tja.« Nachdenklich zog Thornan wieder an seiner Pfeife. »Der Sternenhimmel ist ein faszinierendes Gebilde. Eine Kuppel weit über unseren Köpfen, mit Abermillionen von Lichtern besetzt.«

»Millionen?«

Thornan nickte. »Millionen. Mehr als nur Tausende. Sie funkeln und flimmern, dass es eine Freude ist, und ihr König ist der Mond.«

»Er soll wie eine Sichel aussehen, habe ich gehört.« Arn trat einen Schritt zur Seite und setzte sich auf die Bank.

»Es ist unterschiedlich. Er verändert sich jeden Monat einmal vollkommen. Erst taucht eine ganz schmale Sichel auf, sie wird voller, zu einer Hälfte und schließlich zu einem ganzen Kreis. Danach geschieht das alles rückwärts, ehe es wieder von vorn beginnt.«

»Was gäbe ich darum, das einmal zu sehen.« Arn zupfte mit den Fingern am festen Wollstoff seiner Hose und stierte ins Leere. »Hinter dem Nebel versteckt sich so vieles. Manchmal denke ich, dass die Leute hier auch daran irgendwann zu glauben aufhören. Sie sehen ja nicht, dass da noch etwas anderes ist, also kann es nicht da sein.«

»Eine kluge Beobachtung, von der ich trotzdem nicht hoffe, dass sie wahr wird.« Thornan nahm den Bierkrug zur Hand und trank einen tiefen Schluck. »Hm. Gut. Auch wenn ich morgen wahrscheinlich Kopfweh haben werde.«

»Das ist gutes Bier, davon tut einem der Kopf nicht weh.«

»Willst du einen Schluck?«

»Wenn Ihr mir einen abgebt.«

Thornan hielt Arn den Krug hin und er nahm ihn entgegen. Er kam sich ziemlich albern vor, aber heimlich versuchte er, den Krug an genau der Stelle an die Lippen zu setzen, an der auch Thornan getrunken hatte. Das Bier tat gut, eine herbe Erfrischung, die ihm die Mutter leider viel zu selten gönnte, weil sie der Meinung war, dass junge Männer nicht so viel Bier trinken sollten. Thornan nahm den Krug entgegen und trank selbst noch ein paar große Schlucke.

»Seid Ihr schon viel herumgekommen in der Welt?«

»Ich bin gerade dabei, herumzukommen.«

»Verstehe. Wo hat es Euch bisher am besten gefallen?«

»Ich weiß nicht.« Thornan hob die Schultern. »Vielleicht im Nebeltal?«

Arn lachte auf. »Ganz bestimmt nicht. Hier gefällt es niemandem außer denen, die hier wohnen.«

»Wer weiß, vielleicht ziehe ich ja hierher, wenn ich von meiner Reise zurückkehre.«

»Ihr macht wohl Witze?«

Thornan lächelte wölfisch. »Ja.«

»Seid froh, dass ich jung bin. Die Alten, die man nach der Vertreibung zum Leben hier gezwungen hat, könnten wohl nicht darüber lachen.«

Thornans Miene wurde plötzlich wieder ernst. »Es tut mir leid. Ich hatte nicht mehr daran gedacht.«

»Für einen Raihu wisst Ihr sehr wenig über die Geschichte unseres Volkes.«

»Das liegt wohl am Exil.« Thornan zog nochmals an seiner Pfeife und nachdem die gräulichen Schwaden seinem Mund entstiegen waren, trank er den nächsten Schluck Bier. »Meine Güte, dieses Gebräu ...«

»Trinkt nur nicht zu schnell, sonst seid Ihr bald ganz schön beschwipst.«

»Das bin ich schon«, murmelte Thornan und löschte seine Pfeife.

»Habt Ihr das Meer schon mal gesehen?«

»Noch nicht, aber ich hoffe, das wird sich bald ändern.«

»Ich beneide Euch ein bisschen«, gestand Arn und kratzte sich verlegen an der Wurzel seines Geweihs.

»Tu das nicht. Sei mit dem zufrieden, was du hast, und, ganz wichtig, verlier deinen Glauben nicht. Wenn wir nicht mehr an das eine, große Wesen glauben, dann glaubt das Wesen auch nicht mehr an uns.«

»Was meint Ihr damit?«

»Genau das, was ich sage.« Thornan trank das restliche Bier aus und erhob sich schwankend. Er war so groß, so stark, ohne bullig zu sein. Unter seiner groben, dunklen Kleidung, die aus einem dicken Wollhemd, Hose und Stiefeln bestand, zeichnete sich eine ansprechende Silhouette ab. Sein Gesicht wirkte allerdings immer etwas mürrisch, wenn er nicht lächelte. »Bekomm ich noch ein Bier?«

»Ähm ... seid mir nicht böse, aber ich denke, Ihr hattet genug Bier. Ihr schwankt ja schon im Stehen.«

»Gar nicht wahr.« Thornan eierte ein paar Schritte auf ihn zu und grinste wie ein Depp. »Dein Geweih ist niedlich, kleines Rehlein.« Er streckte die Hände aus und fasste es an. Arn zuckte zusammen, als die warmen, rauen Finger über die empfindliche Basthaut strichen. »Niedlich und samtig. Genau wie du. Gibst du mir einen Kuss?«

»W-was?«, fragte Arn verdutzt. Das Herz schlug ihm bis zur Kehle. Thornan war eindeutig angetrunken. Wäre es nicht verwerflich, sich in diesem Zustand von ihm küssen zu lassen? Bisher hatte Arn nur die hübsche Min geküsst, das war fünf Jahre her. Alle Jungen waren in Min verliebt gewesen, aber sie hatte Arn auserwählt. Er hatte ein paar Gewissensbisse gehabt, weil er wohl als Einziger nicht in sie verliebt gewesen war, sondern von anderen Jungen träumte. Das hatte sich nie gegeben, außer, dass aus den Jungen in seinen Träumen Männer geworden waren. Es war nicht verboten, das gleiche Geschlecht zu lieben, aber auch nicht gern gesehen, weil keine Kinder daraus hervorgingen. Keine Nachkommen, die die Familienlinie weiterführten.

Aber ich habe ja noch Geschwister.

Thornans Gesicht kam näher, Arn betrachtete den dunklen Schatten, den die nachwachsenden Bartstoppeln auf seine Wangen warfen. Die Hände fummelten noch immer an Arns Geweih. »Hmm, du süßes Reh ... nur einen Kuss, ja?«

Der Mann war eindeutig betrunken. Aber Arn drückte ihm trotzdem einen kleinen Schmatzer auf die festen Lippen. So eine Chance bekam er ganz sicher kein zweites Mal.

»Das nennst du einen Kuss?«, brummte Thornan und attackierte ihn mit dem, was er wohl unter einem Kuss verstand. Mit Einsatz der Zunge.

Arn öffnete seinen Mund und gab sich bereitwillig hin, schmeckte Bier und Pfeifentabak, aber auch etwas anderes, das er sich immer erhofft hatte bei der Vorstellung, einen Mann zu küssen. Er fand kein Wort dafür. Es war einfach da. Und es war genau das, was bei dem Kuss mit Min gefehlt hatte.

Thornan zog ihn zu sich hin und drückte ihn an sich. Das Bier schien seiner Standfestigkeit in gewissen Bereichen nichts anzuhaben, Arn spürte die harte Wölbung, die sich gegen seinen Bauch drückte.

»Ihr küsst sehr gut«, murmelte Arn, als Thornan für einen kurzen Moment absetzte, um Luft zu holen.

»Das ist nicht schwer, wenn jemand so gut schmeckt. Bringt man im Nebeltal einen Gast auch ins Bett, Böckchen?«

»Ich heiße Arn. Und ja, wenn der Gast das will ...« Arn schob den schwankenden Thornan rückwärts zum Bett und fragte sich, woher er diesen Übermut nahm. Er hatte keine Ahnung, was er machen sollte. Wie es sozusagen richtig ging.

Thornan ließ sich rücklings mit ihm aufs Bett fallen, kraulte ihn im Nacken und bedeckte sein Kinn mit kleinen Küssen. »Zieh deine Hose aus«, raunte er.

Arn lehnte sich zurück und machte sich mit klopfendem Herzen an der Schnürung seiner Hose zu schaffen. So etwas Verrücktes hatte er noch nie getan, aber im Nebeltal passierten viel zu selten außergewöhnliche Dinge. Er stellte sich schon vor, wie er sich nackt mit Thornan durch die Laken wälzte, als ein seltsames Geräusch in seine Gedanken sägte. Fassungslos blickte er auf Thornan hinab, der die Augen geschlossen hatte und mit weit aufgesperrtem Mund schnarchte.

»Ist das denn zu fassen?«

Er stupste Thornan an, aber der ratzte unbeeindruckt weiter. Seufzend stieg Arn von ihm herunter. So eine aufregende Nacht mit einem geheimnisvollen Fremden wäre ja auch zu schön gewesen. Am Ende musste er wohl doch Min heiraten und bis an sein Lebensende töpfern. Er zog dem schlafenden Thornan die Stiefel aus, deckte ihn zu und löschte die Lampe, bevor er die Kammer verließ. Trotz dieser kleinen Pleite nahm er sich vor, morgen früh noch einmal das Gespräch mit Thornan zu suchen, bevor der seine Wanderung durch das Nebeltal fortsetzte. Man konnte nie wissen, vielleicht erfuhr Arn noch etwas Interessantes. Oder bekam noch einen Kuss.

Kapitel 3

Arn schreckte aus seinem Schlaf hoch. Er schwitzte, sein Herz klopfte wild, er hatte seltsame Sachen geträumt, an die er sich schon jetzt nur noch in zerfetzten Bildern erinnerte. Ein Blick hinüber zum dick verglasten Fenster zeigte ihm, dass der Tag noch nicht alt war, denn der Nebel hellte auf, ließ aber noch kaum Licht durch seine Schwaden, was von dem milchigen Film auf Arns Augen nur verstärkt wurde.

Allmählich beruhigte sich sein Atem und auch sein Herzschlag drosselte sich langsam auf ein normales Tempo. Er strampelte sich die Decke von den Beinen und stand auf. In seiner Kammer war es kalt und er beeilte sich, sich anzuziehen und sein Haar mit den Fingern zu richten. Er wollte nach Thornan sehen, ihm Frühstück bringen und wenigstens noch ein paar von den tausend Fragen stellen, die ihm im Schlaf eingefallen waren. Die Tür zur Gästekammer stand einen Spalt offen und Arn linste vorsichtig hinein. Niemand war dort, die Bettdecke war ordentlich zurückgeschlagen und der Rucksack fehlte. Der Geruch von kaltem Pfeifenrauch hing schwer in der Luft. Thornan saß wohl schon unten beim Frühstück. Hoffentlich war er nicht bereits fort. Eilig rannte Arn die Treppe hinunter, die Dielen knarrten unter seinen tapsigen Füßen und er kam ins Stolpern, konnte sich aber gerade noch am Geländer festhalten. Als er endlich unten ankam, entdeckte er in der Küche nur seinen Vater, der in aller Ruhe seine morgendliche Tasse Tee trank.

»Wo ist Thornan?«, fragte Arn gehetzt.

»Herr Thornan ist fort«, erklärte Vater. »Was bist du denn so aufgeregt?«

Verdammt, das kann doch nicht wahr sein! Hab ich schon wieder jemanden in die Flucht geschlagen?

»In welche Richtung ist er gelaufen?«

»Ostwärts. Ich habe ihn zum Kiefernsteig geschickt, damit er heute Abend in Birkenhain ankommt. Hat er etwas vergessen?«

»J-ja«, stammelte Arn, dankbar für die Ausrede. »Sein ... seine Pfeife. Wie lange ist er schon fort?«

»Zehn, fünfzehn Minuten. Noch nicht lange.«

»Gut.« Arn zog seine Stiefel an und riss seinen Mantel vom Haken. »Ich bringe ihm noch ... seine Pfeife.«

»Aber beeil dich, wir haben heute viel zu tun. Rons Hochzeitsgeschirr muss fertig werden.«

»Ist gut, ich beeil mich.« Arn rannte hinaus. Feuchte Kälte schlug ihm entgegen und ließ ihn frösteln, aber das straffe Laufen sorgte dafür, dass ihm bald schon wärmer wurde.

Er kam sich dumm vor, aber er konnte schlicht nicht mit der Tatsache abschließen, dass sich Thornan einfach so davonmachte. Arn hatte doch noch so viele Fragen! Und so wenige Gelegenheiten, sie zu stellen ...

Langsam kam er aus der Puste und hoffte dabei, dass Thornan wirklich den Weg eingeschlagen hatte, zu dem Vater ihm geraten hatte. Der Kiefernsteig konnte nicht mehr weit sein, Arn erkannte es an den Wegmarkierungen und an bestimmten Bäumen und Felsen, an denen er sich orientierte. Er müsste Thornan bald eingeholt haben, denn der war im dichten Nebel sicher nicht so schnell unterwegs wie er. Und dann hörte er sie. Schritte, nicht weit vor sich, und eine murmelnde Stimme. Thornans Stimme.

»... sieht man doch seine eigene Nasenspitze nicht mehr. So ein finsteres Loch hier. Das schaff ich doch nie bis zum Abend ins nächste Kaff.« Ein leises Fluchen, dann ein Geräusch, als stolperte er über einen Stein. »Was liegst du hier rum, du blöder Stein? Nebel und ein steiniger Gebirgsweg, wieso brechen sich hier nicht jeden Tag zig Leute den Hals? Und mein Schädel brummt. Dieses elende Rehbier. Hätte die Plörre wegschütten sollen, anstatt das kleine Böckchen zu bitten, mir noch eins zu bringen.« Das Schimpfen verkam zu einem Murmeln, aus dem Arn keine einzelnen Worte mehr auszumachen vermochte.

Mit wem zum Waldschrat redete Thornan? Hatte er einen Begleiter? Wenn, dann war dieser Begleiter offensichtlich stumm, denn er antwortete nicht. Arn beschleunigte seinen Schritt noch weiter, bis er endlich Thornans schemenhafte Silhouette im Nebel ausmachen konnte. Plötzlich blieb Thornan stehen und aus einem Impuls heraus kauerte sich Arn hinter das nächste Gebüsch.

»Ist da jemand?«

Arn kniff die Lippen zusammen und wusste nicht, wieso. Eigentlich wollte er Thornan doch einholen und mit ihm sprechen, aber in diesem Augenblick hatte er das Gefühl, dass es besser war, wenn er sich nicht zu erkennen gab. Vor allem nicht, solange er nicht sicher sein konnte, dass Thornan wirklich keinen Begleiter hatte.

Thornan blieb noch einen Moment stehen und lauschte in die Stille, dann setzte er seinen Weg fort. Arn huschte aus seinem Versteck und folgte dem Schatten im Grau weiter, versuchte, den Rhythmus seiner Schritte denen Thornans anzupassen, sodass er sie nicht hörte.

Der Weg wurde steiler und so mancher weiße Pfosten verschwand hinter buschigen Bergkiefern. Die Laternen waren fast alle erloschen, weil hier selten jemand entlang kam, um sie zu entzünden, und Arn hatte dummerweise keine eigene Laterne dabei, um dieser Aufgabe nachzugehen. Auf dem höchsten Punkt des Weges blieb Thornan erneut stehen und atmete tief durch.

»Nasse Luft«, murrte er, aber dann begann er, zu Arns Überraschung, zu singen. Schief. Schräg. Absolut schrecklich. Arn musste an sich halten, um nicht loszuprusten. »Ein Männlein steht im Walde, ganz still und stumm. Es hat vor lauter Purpur ein Mäntlein um. Ich weiß nicht, wie das Lied noch geht, la la la la la la la ...« Er pfiff die Melodie weiter und schien sich auf einen Stein zu setzen.

Arn ging auf alle Viere und krabbelte in der Deckung eines Felsens näher an Thornan heran, bis er endlich mehr als nur Umrisse sah. Tatsächlich saß der Mann auf einem Stein, wühlte in seinem Rucksack und holte ein Proviantbündel heraus.

»Brot mit Nussmus«, verkündete er der Krummholzkiefer neben sich, denn ansonsten war niemand anwesend. Außer Arn, aber das wusste Thornan ja nicht. Offenbar sprach er gerne mit sich selbst. Er biss von dem Brot ab. »Gutef Nuffmuf«, erklärte er kauend. »Diese Rehe wissen, wie man kocht. Und backt. Allerdings nicht, wie man küsst.«

Arn japste empört nach Luft und zog hastig den Kopf ein, als Thornan mit Blicken die Umgebung absuchte.

»Hallo, ist da jemand?«

Arn biss sich auf die Zunge. Jetzt würde er sich erst recht nicht zeigen. Quatsch nur weiter, dachte er. Darüber, was für ein schlechter Küsser ich bin. Ich will alles wissen. Und warum redest du über die Raiha, als wärst du keiner von uns?

Thornan sah sich noch einen Moment um, dann biss er wieder von dem Brot ab. »Hoffentlif finde if die heiffe Quelle, von der der alte Rehbock gefprochen hat«, nuschelte er kauend. »Kann ein Bad gebrauchen.«

Für den Rest des Brotes hielt er glücklicherweise die Klappe und Arn brauchte diese Zeit auch, um seinen Puls zu beruhigen. Wie sprach dieser Kerl eigentlich über sie alle? Sie waren so gastfreundlich zu ihm gewesen und er nannte Arns Vater einen alten Rehbock und ihn einen schlechten Küsser? Er hatte noch nie erlebt, dass ein Raihu so über die anderen sprach. Eigentlich sollte er auf der Stelle umkehren, nach Hause gehen und diesen Griesgram vergessen. Dummerweise interessierte ihn jetzt umso mehr, wohin Thornan des Weges war und warum.

Als der schließlich aufstand und pfeifend seine Wanderung fortsetzte, folgte Arn ihm weiterhin unauffällig. Der Abstieg des Kiefernsteigs war tückischer als der Aufstieg, denn er war steil und oft lösten sich Steine aus dem Weg, die einen ins Schlittern brachten. Wer hier nicht langsam und bedächtig ging, riskierte selbst ohne Nebel einen Genickbruch.

»Ich sollte gelegentlich doch auf Ratschläge hören, die man mir gibt«, schimpfte Thornan vor sich hin. »Dieses Nebeltal hätte ich umgehen sollen. Aber nein, ich musste ja unbedingt die Abkürzung nehmen. Wenn die Abkürzung der bessere Weg wäre, würden ihn ja alle nehmen. Ist er aber nicht. Lektion gelernt.«

Arn war ein redseliger Mensch, aber er hatte noch nie jemanden getroffen, der so viel mit sich selbst sprach. Thornan erstaunte und verwirrte ihn immer mehr.

»Aber für das Böckchen würde ich noch mal herkommen. Das war niedlich. Auch wenn’s nicht küssen konnte. Ich hätt’s sowieso nicht küssen sollen. Das Rehbier war schuld. War doch besser, dass wir uns nicht noch mal gesehen haben. Wäre peinlich geworden ...«

Arns Wangen brannten wie Feuer, da nützte auch der kühle Film des Nebels nichts. In einer Sache hatte Thornan recht: Der Bierkuss war doch keine so gute Idee gewesen. Aber Gelegenheit machte nun mal Diebe! Was hätte er denn tun sollen? Ihn wegschubsen und sich dann für immer fragen, wie’s wohl gewesen wäre, wenn?

»O du eines, großes Wesen!«, rief Thornan plötzlich. »Mach, dass das kleine Rehböckchen aus Tannbach, dessen Name ich leider vergessen habe, seinen Glauben an dich behält. Wenn es sonst schon keiner tut. Sonst kann ich mir all das hier doch ersparen, weil es keinen Sinn ergibt.«

Was sollte das heißen? Was um alles in der Welt hatte Thornan vor und was hatte das alles mit dem großen Wesen zu tun? Arn starb fast vor Neugier und wäre am liebsten aus seiner Deckung gesprungen, um den Mann zur Rede zu stellen. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt. Noch nicht. Nach der heißen Quelle vielleicht ...

Thornan stolperte und kam ins Straucheln, fing sich aber und fluchte wie ein Kesselflicker. Arn verbiss sich ein Lachen und gab Acht, nicht selbst den Hang hinunterzurutschen und damit unweigerlich auf sich aufmerksam zu machen. Die nächste halbe Stunde verging in ungewöhnlich viel Schweigen und sie kamen nur langsam voran, aber wenn Arns Erinnerung ihn nicht trog, konnte die heiße Quelle nicht mehr weit sein. Außer in den Wintermonaten, in denen der Kiefernsteig zu gefährlich zu begehen wurde, wanderte er mit seiner Familie vier-, fünfmal im Jahr dorthin, um zu baden und zu entspannen. Oft waren sie nicht die Einzigen, aber jetzt, wo der Herbst so langsam dem Winter die Klinke in die Hand gab, war die Quelle vermutlich verwaist.

»Wehe, die Quelle ist nicht heiß«, brummte Thornan. »Das Schlimmste, was mir jetzt passieren könnte, wäre, mir den Hintern abzufrieren. Und hoffentlich sind da keine Kleiderdiebe! Wenn ich doch nur schon aus diesem Tal heraus wäre und wieder sehen könnte, wohin ich laufe! Und was mit mir läuft ...«

Arn erstarrte. Hatte Thornan ihn vielleicht doch schon längst bemerkt? Redete er deshalb so viel, weil er sich einfach über ihn lustig machte oder auf eine Antwort wartete? Aber Thornan ging einfach weiter und bei der nächsten Biegung stieß sich Arn das Geweih an einem Ast an. Vor lauter Schmerz zog er die Lippen ein und kniff die Augen zusammen, um nicht aufzujaulen. Thornan blieb wieder stehen. Arn verbarg sich hinter dem Baumstamm.

»In diesem Nebel wird man wahnsinnig«, knurrte Thornan. »Überall Schatten und knackende Äste und man weiß nicht, wer oder was einem folgt. Es war wirklich eine dumme Idee, diesen Weg zu nehmen.«

Sollte Arn sich vielleicht doch zu erkennen geben, um Thornan seine unterschwellige Angst zu nehmen? Während er noch überlege und ihm hinterherschlich, erledigte sich die Frage von selbst, denn die Quelle kam in Sicht. Selbst im Nebel sah man ihre Dampfschwaden aufsteigen und das leise Plätschern weckte das Bedürfnis in Arn, sich die Kleider vom Leib zu reißen und in das herrlich warme Wasser hineinzuspringen.

»Das große Wesen sei gepriesen!«, jubilierte Thornan und nahm seinen Rucksack ab. »Es ist Badetag!«

Arn grinste in sich hinein. Der Kerl konnte sich offenbar nicht entscheiden, ob er mürrisch oder albern sein wollte, also war er einfach beides. In der Nähe stand eine alte, blattlose Eiche und Arn kletterte daran hinauf, um eine bessere Sicht zu haben. Hier war der Nebel nicht ganz so dicht wie auf der anderen Seite des Kiefernsteigs, aber Thornan würde ihn vermutlich nicht entdecken, während er ihn schamlos ausspionierte. Das hatte er sich nach diesen Kommentaren über seine mangelhaften Kusskünste ja wohl verdient!

Gemächlich legte Thornan seine Kleidung ab, schaute sich immer wieder um, dass auch wirklich niemand ihn beobachtete. Wenn der wüsste ... Er streckte und reckte sich in seiner ganzen Nacktheit und Arn wünschte, er könnte seinen Hals wie ein Fernrohr ausfahren.

---ENDE DER LESEPROBE---