Deals and Decisions - Nancy Salchow - E-Book
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Nancy Salchow

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Beschreibung

Sammelband mit drei Liebesromanen "Dirty Million", "A Million Ways" und "Eine Million? Niemals!". Klappentext von "Dirty Million": Er ist reich, attraktiv und extrem begehrt bei den Frauen – und doch hat der Starfotograf Marc im Moment nur eine Sorge: Seine depressive Mutter endlich wieder lächeln zu sehen. Ihr größter Wunsch ist es, dass Marc drei Jahre nach der Trennung wieder mit der einen Frau zusammenkommt, die sie für die einzig Richtige hält: Die Buchhändlerin Lory, die einst die Verlobung mit ihm löste. So sehr es Marc damals auch gekränkt hat, von Lory verlassen zu werden, seine Gefühle für sie sind nie ganz erloschen. Trotzdem betrachtet er das Angebot, das er ihr unterbreitet, als reines Geschäft: Wenn sie sich wenigstens zum Schein wieder auf ihn einlässt und so dabei hilft, seiner Mutter den größten Wunsch zu erfüllen, wird er ihren Buchladen vor dem finanziellen Ruin retten. Auch wenn sofort dieselbe erotische Anziehungskraft zwischen ihnen aufflammt wie früher, hält Lory die Idee für absurd. Das Geld käme zwar genau im richtigen Moment, aber ist es wirklich klug, sich auf die Vereinbarung einzulassen? Immerhin war sie nie eine von den Frauen, die einen Mann braucht, um im Leben klarzukommen. Außerdem waren gerade Marcs Geld und die Tatsache, wie sehr es ihn damals verändert hat, der Grund für ihre Trennung. Soll sie es wirklich riskieren, bei dem Deal erneut ihr Herz an den Mann zu verlieren, der sie damals so enttäuscht hat? Ein Roman über gefährliche Leidenschaft, große Geheimnisse und den verzweifelten Versuch, sich gegen eine unterdrückte Liebe zu wehren. Dieses Buch enthält sehr eindeutige und leidenschaftliche Szenen.

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Inhaltsverzeichnis

Buch 1: Dirty Million

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Buch 2: A Million Ways

Prolog

Kapitel 1 – Charlene

Kapitel 2 – Ron

Kapitel 3 – Charlene

Kapitel 4 – Charlene

Kapitel 5 – Charlene

Kapitel 6 – Ron

Kapitel 7 – Charlene

Kapitel 8 – Ron

Kapitel 9 – Charlene

Kapitel 10 – Ron

Kapitel 11 – Charlene

Kapitel 12 – Charlene

Kapitel 13 – Ron

Kapitel 14 – Charlene

Kapitel 15 – Ron

Kapitel 16 – Charlene

Kapitel 17 – Ron

Kapitel 18 – Charlene

Kapitel 19 – Charlene

Kapitel 20 – Ron

Kapitel 21 – Charlene

Kapitel 22 – Ron

Kapitel 23 – Charlene

Kapitel 24 – Ron

Kapitel 25 – Charlene

Kapitel 26 – Charlene

Kapitel 27 – Ron

Kapitel 28 – Charlene

Kapitel 29 – Ron

Kapitel 30 – Charlene

Kapitel 31 – Ron

Kapitel 32 – Charlene

Kapitel 33 – Ron

Kapitel 34 – Charlene

Kapitel 35 – Ron

Kapitel 36 – Charlene

Buch 3: Eine Million? Niemals!

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Epilog

Impressum

Nancy Salchow

___________________________

Deals & Decisions

Sammelband mit drei Liebesromanen

Roman

Buch 1: Dirty Million

Er ist reich, attraktiv und extrem begehrt bei den Frauen – und doch hat der Starfotograf Marc im Moment nur eine Sorge: Seine depressive Mutter endlich wieder lächeln zu sehen.

Ihr größter Wunsch ist es, dass Marc drei Jahre nach der Trennung wieder mit der einen Frau zusammenkommt, die sie für die einzig Richtige hält: Die Buchhändlerin Lory, die einst die Verlobung mit ihm löste. 

So sehr es Marc damals auch gekränkt hat, von Lory verlassen zu werden, seine Gefühle für sie sind nie ganz erloschen. Trotzdem betrachtet er das Angebot, das er ihr unterbreitet, als reines Geschäft: Wenn sie sich wenigstens zum Schein wieder auf ihn einlässt und so dabei hilft, seiner Mutter den größten Wunsch zu erfüllen, wird er ihren Buchladen vor dem finanziellen Ruin retten.

Auch wenn sofort dieselbe erotische Anziehungskraft zwischen ihnen aufflammt wie früher, hält Lory die Idee für absurd. Das Geld käme zwar genau im richtigen Moment, aber ist es wirklich klug, sich auf die Vereinbarung einzulassen? Immerhin war sie nie eine von den Frauen, die einen Mann braucht, um im Leben klarzukommen. Außerdem waren gerade Marcs Geld und die Tatsache, wie sehr es ihn damals verändert hat, der Grund für ihre Trennung. Soll sie es wirklich riskieren, bei dem Deal erneut ihr Herz an den Mann zu verlieren, der sie damals so enttäuscht hat?

Ein Roman über gefährliche Leidenschaft, große Geheimnisse und den verzweifelten Versuch, sich gegen eine unterdrückte Liebe zu wehren.

Dieses Buch enthält sehr eindeutige und leidenschaftliche Szenen.

Prolog

Er presst mich gegen den Baumstamm und beginnt, meinen Hals zu liebkosen.

Instinktiv winkele ich ein Bein an und werfe mein Haar in den Nacken, während ich mich in einem tiefen Seufzen verliere.

Alle scheint so unwirklich, und doch fühlt es sich so richtig an. So echt.

„Du bringst mich um den Verstand“, flüstert er in mein Haar, während meine Finger unter sein Shirt wandern.

„Das war nicht meine Absicht“, antworte ich leise.

Sein Körper ist so nah an meinem, dass ich seine Erregung spüren kann. Eine Feststellung, die den Moment noch prickelnder macht.

Als sich unsere Lippen berühren, suchen unsere Zungen atemlos nacheinander, als hätten sie seit Ewigkeiten auf diesen Moment gewartet.

Alles scheint möglich. Und was gestern noch falsch war, fühlt sich plötzlich so richtig an.

Ich spüre seinen definierten Unterleib unter meinen Fingern und erinnere mich an das Feuer, das allein eine einzige Berührung wie diese entfachen konnte. Das Feuer, das auch in diesem Moment wieder zu brennen scheint. So hell und heiß, dass sich keiner von uns beiden dagegen wehren kann.

Ungeduldig knabbert er an meinem Ohrläppchen, während seine Finger unter meinem Shirt zu meinen Brüsten wandern und eine Sehnsucht in mir wecken, die mir fast den Verstand raubt.

Für einen winzigen Moment schließe ich die Augen, um mich ihm mit Haut und Haaren hinzugeben. Doch als ich tief in mich hineinhöre, fühlt es sich plötzlich wie ein Traum an.

Bin ich wirklich hier? Ist er hier?

Die Gegenwart scheint vor meinem Innersten zu verschwimmen, sein Atem wird plötzlich geräuschlos, der Boden unter meinen Füßen schwindet.

Ja, es muss ein Traum sein. Eine andere Erklärung gibt es nicht.

Kapitel 1

Drei Jahre zuvor

Lory

Der Kloß in meinem Hals macht mir das Atmen schwer. Mit jeder Stufe, die ich bis zur Wohnungstür nehme, wächst meine Enttäuschung. Eine Enttäuschung, die so lähmend ist, dass ich mich nicht entscheiden kann, ob ich weinen oder schreien soll.

Als ich den Schlüssel ins Schloss stecke und die Tür öffne, bin ich überrascht, Musik zu hören. Aus dem Wohnzimmer dringt Licht.

Er ist zu Hause?

Mein Puls beginnt zu rasen.

Ich lege den Schlüssel in die kleine Schale auf der Schuhkommode und atme tief durch.

„Hey!“, ruft er fröhlich, als er mich bemerkt. „Da bist du ja.“ Mit leuchtenden Augen und einem Weinglas in der Hand steht er von der Sesselkante auf und kommt mit ausgebreiteten Armen auf mich zu. „Ist das nicht einfach ein genialer Song?“

Ich erwidere seine Umarmung nicht, stehe einfach nur regungslos da, während er die Arme um mich legt, aber selbst das scheint ihm in seiner Euphorie nicht aufzufallen.

„Das ist das Album von Edwards Band. Hatte heute ein Shooting mit denen. Die sind einfach der absolute Wahnsinn.“ Er schnappt sich die Fernbedienung der Musikanlage und spielt den nächsten Song ab. „Toll, oder? Die sind zur Zeit voll im Kommen. Das Album ist in fünf Ländern auf Platz eins. Dieser Auftrag wird meine Arbeit als Fotograf noch mal um einiges bekannter machen als ohnehin schon.“

„Schön für dich“, ist alles, was ich herausbekomme.

„Aber doch nicht nur für mich.“ Er greift nach meinen Händen und küsst sie. „Dass ich mir diesen Ruf erarbeitet habe, bedeutet für uns beide ganz neue Möglichkeiten. Wir können uns jetzt ein eigenes Haus leisten. Und wenn ich Haus sage, dann meine ich eine richtig schicke Villa. Wir müssen nur noch den richtigen Ort finden, um sie zu bauen. Oder wir kaufen uns eine bereits bestehende, aber wenn du mich fragst, ist es viel aufregender, sich etwas Eigenes aufzubauen. Was meinst du?“

Ich möchte etwas antworten, doch meine Ungläubigkeit macht mir das Reden schwer. Hat er es wirklich vergessen?

Als meine Antwort ausbleibt, lässt er seine Arme sinken. „Ist alles okay mit dir?“

Seufzend wende ich mich von ihm ab und gehe in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen. In fast schon mechanischen Bewegungen öffne ich den Kühlschrank und hole die Flasche heraus. Wortlos nehme ich ein Glas vom Wandregal.

„Du bist heute spät dran“, stellt er fest, während er mir in die Küche folgt.

„Stimmt, ich bin spät dran.“ Ich nehme einen großen Schluck aus dem Glas und stelle es geräuschvoll zurück auf den Tisch. „Das liegt sicher daran, dass heute die Eröffnungsfeier für meinen Laden war. Du weißt schon, mein eigener Buchladen. Der größte Traum, seit ich vierzehn war.“

„Das war heute?“ Er fährt sich erschrocken mit der Hand an die Stirn. „Aber ich dachte ...“ Er verstummt, während sein Blick zum Magnet-Kalender am Kühlschrank wandert. „Ich hätte schwören können ...“

„Vergiss es, okay?“ Ich hebe abwehrend die Hand. „Es spielt keine Rolle mehr.“

„Keine Rolle mehr? Was soll das heißen?“

Eine Weile betrachte ich ihn schweigend. Für einen kurzen Moment verliere ich mich in seinen algengrünen Augen. Dieses wunderschöne Grün, das in Kombination mit seinem kaffeebraunen Haar umso mehr leuchtet und mir noch heute weiche Knie beschert. Trotzdem weiß ich, dass es kein Zurück gibt. Die Entscheidung, gegen die ich mich seit Monaten wehre, ist unausweichlich geworden.

„Mir ist schon klar, dass die Eröffnung eines kleinen Buchladens am Stadtrand nicht mit deiner aufregenden Glitzerwelt der Starfotografie mithalten kann“, sage ich. „Aber das ist nun mal mein großer Traum, Marc.“ Ich lege die Hand an meine Brust. „Mein Traum, okay? Der Traum, über den ich seit Monaten spreche und an den ich dich erst gestern Abend noch einmal erinnert habe.“ Ich lache bitter auf. „Aber ich hätte wissen müssen, dass du wieder mal nicht zugehört hast. Wahrscheinlich warst du in Gedanken schon wieder beim nächsten Star-Auftrag.“

„Ich ... ich habe da was durcheinandergebracht.“ Er legt die Hände auf meine Schultern. „Glaub mir, Lory, dein Laden ist mir wichtig. Alles, was du tust, ist mir wichtig. Aber am wichtigsten bist du.“

„Ach ja?“ Ich reiße mich aus seiner Berührung. „Und wie kommt es dann, dass du in letzter Zeit ständig unsere Verabredungen vergisst oder mich allein in irgendwelchen Restaurants warten lässt, weil dir irgendein Shooting wieder mal wichtiger als alles andere war?“

„Das war ein einziges Mal. Und ich habe dir erklärt, was passiert ist. Die Managerin der Band hat sich nicht an die Abmachung gehalten und ...“

„Einmal?“, falle ich ihm ins Wort. „Allein letzten Monat hast du mich sechsmal versetzt, Marc. Und in den Monaten davor war es nicht anders. Ständig vergisst du mich. Weißt du eigentlich, wie demütigend sich das anfühlt? Du bist einfach nicht mehr derselbe, seitdem du dich auf diese dämliche Starfotografie spezialisiert hast. Mit jedem neuen Promi, der vor deine Linse tritt und dir noch mehr Reichtum beschert, verlierst du den Bezug zur Realität.“

Ohne eine Antwort abzuwarten, wende ich mich von ihm ab und eile ins Schlafzimmer.

Aufgebracht geht er mir nach. „Was soll das, Lory? Gerade noch redest du von deinem großen Traum, aber für meinen Traum hast du kein Verständnis?“

„Kein Verständnis?“ Ich ziehe meinen Koffer vom Schrank und werfe ihn aufs Bett. „Ich habe monatelang Verständnis gehabt, Marc. Bei jedem neuen Auftrag, jedem neuen Star. Ich habe mich mit dir gefreut, mit dir gefeiert, dich für deinen Ehrgeiz bewundert.“ Ich wische mir eine Träne aus dem Augenwinkel. „Aber heute ging es um mich, Marc.“ Ich streiche mir eine Strähne hinter das Ohr. „Nur ein einziges Mal ging es um mich.“

Meine Tränen lassen ihn verstummen. Ich sehe die Reue in seinem Blick, trotzdem ist er unfähig, etwas daran zu ändern.

Ich zögere einen Moment, dann reiße ich die Schranktür auf und beginne, meine Klamotten wahllos herauszureißen und in den Koffer zu werfen.

„Was hast du vor, Lory? Wo willst du denn hin, verdammt? Lass uns darüber reden.“

„Ich will dich nicht darum bitten müssen, für dich von Bedeutung zu sein. So etwas kann man nicht erzwingen, das habe ich endlich begriffen. Wenn du diese Dinge nicht von allein begreifst, hat es ohnehin keinen Sinn.“

„Was zum ...“

„Weißt du, was das Verrückte daran ist?“ Ich schlucke meine Tränen herunter. „Dass ich im Grunde noch nicht mal überrascht war, dass du mich heute wieder mal vergessen hast. Tief in mir drin habe ich es vermutlich schon seit Tagen gewusst, dass du mich bei diesem wichtigen Ereignis wieder mal im Stich lassen würdest.“

Im Augenwinkel fange ich mein eigenes Spiegelbild in der verspiegelten Schranktür auf. Das lange bernsteinfarbene Haar, das ich mir für die Eröffnung mit Mühe und viel Liebe zum Detail hochgesteckt habe, hängt jetzt in einzelnen Strähnen auf meine Schultern hinunter. Meinem Gesicht ist sämtliche Farbe entwichen.

„Es tut mir leid, Lory.“ Er greift nach meiner Hand. „Ich wollte dir nicht wehtun. Die letzten Monate waren ziemlich stressig, das gebe ich zu. Und ich stand oft neben mir, aber wenn man ganz nach oben will, riskiert man manchmal einfach, dass das Privatleben etwas zu kurz kommt. Aber ich tue das alles doch auch für dich.“

„Für mich?“ Ich entziehe ihm meine Hand. „Ich brauche keine Villa am Stadtrand, Marc. Ich brauche keinen Luxus, kein Geld in Überfluss. Alles, was ich brauche, ist die Gewissheit, für den Mann, den ich liebe, an erster Stelle zu stehen oder zumindest nicht an letzter.“ Ich atme tief ein.

„Aber du stehst an erster Stelle, das weißt du.“

„Es ist okay, Marc. Ich werfe dir das nicht vor.“ Ich versuche, mich zu beruhigen. „Man kann niemanden zwingen, etwas zu empfinden, was er nicht fühlt. Alles, was ich tun kann, ist, meine Konsequenzen daraus zu ziehen.“

Es bricht mir das Herz, ihm so nah zu sein und gleichzeitig die einzig richtige Entscheidung vor Augen zu haben. Die einzige Entscheidung, die mir dennoch das Atmen schwermacht.

„Du reagierst über“, sagt er. „Lass uns einfach ein paar Tage nach Usedom fahren. Nur wir zwei, hm?“ Er kratzt sich am Kopf. „Zwischendurch habe ich nur ein kleines Shooting am Strand, aber wenn du willst, kannst du zuschauen.“

„Ich fasse es nicht.“ Ich verschränke die Arme vor der Brust. „Du versuchst schon wieder, einen Foto-Auftrag als romantischen Ausflug auszugeben, den du angeblich nur für mich organisiert hast.“

„Was soll das, Lory? Du versuchst ja regelrecht, mich falsch zu verstehen.“

„Da gibt es nichts falsch zu verstehen, Marc. Der heutige Abend allein hätte mich vielleicht gar nicht so sehr aus der Fassung gebracht. Es war einfach nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.“ Ich ziehe mein Lieblings-Sweatshirt aus dem Schrank und werfe es zu den anderen Sachen in den Koffer. „Und jetzt lass mich bitte in Ruhe weiterpacken, okay?“

„Du siehst das völlig falsch. Ich liebe meinen Job, ja. Und ich werde mich nicht dafür entschuldigen.“

„Darum geht es doch gar nicht. Du weißt, dass ich immer hinter dir stand. Aber du bist einfach nicht mehr der Mann, in den ich mich vor zwei Jahren verliebt habe. Ich habe dich früher für deine Begeisterungsfähigkeit bewundert. Dafür, alles für das richtige Motiv zu tun und mit ganzer Leidenschaft das zu machen, wofür du brennst. Aber inzwischen geht es nur noch darum, wie viel Geld oder Ruhm dir ein Auftrag einbringt.“

„Aber doch nur, weil mir das Geld die Freiheit gibt, nur noch die Arbeiten zu machen, die ich auch machen will. Keine Pärchen-Fotos und keine dämlichen Hochzeits-Jobs mehr.“

„Oh, gut dass du es erwähnst.“ Ich ziehe meinen Verlobungsring vom Finger und lege ihn auf den Nachtschrank. „Da du unsere Suche nach einer geeigneten Hochzeits-Location mittlerweile schon dreimal verschoben hast, bin ich mal so nett, dir auch diesen Druck zu nehmen.“

„Du löst unsere Verlobung?“ Erschrocken starrt er auf den Ring. „Einfach so?“

„Nein, Marc“, ich gehe einen Schritt auf ihn zu und hebe das Kinn, „nicht einfach so. Ich habe mich lange gegen diese Entscheidung gewehrt, aber inzwischen habe ich begriffen, dass es die einzig richtige ist.“

Ich schließe den Koffer und packe ihn am Griff. „Den Rest hole ich in den nächsten Tagen ab.“

Er möchte etwas antworten, doch ich ertrage es nicht, ihm auch nur eine weitere Sekunde zuzuhören. Alles in mir schreit nach Flucht.

Nur weg von hier. Weg von der Illusion einer Liebe, die ohnehin schon lange keine mehr ist. Selbst wenn es mir das Herz bricht.

Kapitel 2

Drei Jahre später

Gegenwart

Marc

Als ich den Wagen am Ende der Garageneinfahrt zum Stehen bringe und aussteige, halte ich einen kurzen Moment lang inne.

Die gewaltige Kastanie, deren Äste bis über das Hausdach ragen, hat einen bunten Blätterteppich auf den Pflastersteinen hinterlassen, der in der Mittagssonne in den schillerndsten Herbstfarben schimmert. Für einen flüchtigen Augenblick werden die altvertrauten Kindheitserinnerungen wach und erfüllen mich mit Wehmut.

Ich schaue zu dem roten Volvo meiner Mutter, der in der offenen Garage steht. Sie ist also zu Hause. Aber warum geht sie dann nicht ans Telefon?

Wahrscheinlich hat sie ihr Handy wieder mal einfach nur verlegt, wie so oft.

Das zweistöckige Backsteinhaus mit den schneeweißen Fensterläden und der kleinen grauen Gartenbank neben der breiten Eingangstür hat sich in den letzten Jahren kein bisschen verändert. Wie oft habe ich ihr angeboten, sie finanziell bei einer Renovierung zu unterstützen und immer wieder dieselbe Antwort erhalten?

Ich möchte, dass das Haus auch nach dem Tod deines Vaters sein Andenken bewahrt. Er hat es geliebt – so, und nicht anders.

Zwei Jahre ist es her, dass der Krebs ihn uns genommen hat. Zwei Jahre, in denen sie nicht die kleinste Veränderung am und ums Haus zugelassen hat.

Ich atme kurz durch, dann nehme ich den engen Kieselweg, der direkt am Haus entlang zur Eingangstür führt.

„Mama?“ Ich öffne die Tür und lasse meinen Blick durch den dunklen Flur wandern. Hier und da stiehlt sich ein Lichtstrahl durch eine der offenen Türen, doch die Stille ist dafür umso unheimlicher.

„Wo steckst du denn? Ich konnte dich nicht erreichen.“ Ich betrete die Küche und schaue mich suchend um. „Ich wollte in den Supermarkt und dich fragen, ob ich dir Getränke mitbringen soll“, ich gehe zurück in den Flur, „nicht, dass du die schweren Kisten wieder alleine schleppst.“

Als ihre Antwort noch immer ausbleibt, überkommt mich langsam eine böse Ahnung.

Wäre sie wie neulich bei der Gartenarbeit umgeknickt, hätte ich sie draußen sehen müssen. Und außerdem hätte mich dann längst ihre Nachbarin angerufen. Aber wo steckt sie dann? Hat sie einen Spaziergang ins Dorf gemacht?

„Hey!“ Ich betrete die ersten Stufen der Treppe. „Bist du oben?“

Noch immer keine Antwort.

Meine Sorge wächst. Für gewöhnlich macht jeder von uns beiden sein eigenes Ding. Niemand ist selbstständiger als meine Mutter. Aber dass sie einfach nicht erreichbar ist? Seit Stunden?

Wollte sie vielleicht einfach nur ein wenig Ruhe haben, weil sie Papas zweiten Todestag gestern nicht allzu gut verkraftet hat?

Als ich die offene Badezimmertür sehe, jagt mich plötzlich ein Anflug von Panik. Schon während ich mich nähere, sehe ich sie auf dem Boden liegen.

„Mama!“, brülle ich, während ich mich auf die Fliesen kniee und nach ihrer Hand greife.

Sie so hilflos hier liegen zu sehen, lässt sie noch schmaler als sonst erscheinen. Das kurze dunkle Haar ist zerzaust, fast so, als wäre sie gerade erst aufgestanden.

Ihr Körper ist noch warm, trotzdem rechne ich mit dem Schlimmsten.

Auf dem Waschbeckenrand entdecke ich eine leere Pillendose, die auf die Seite gefallen ist.

Was zum Teufel ...

„Mama!“ Ich packe sie an den Schultern und schüttele sie panisch.

Das kann nicht wahr sein. Sie ist die Letzte, die so etwas tun würde. So etwas passiert anderen, aber nicht uns.

„Komm schon, wach auf!“

Ich spüre, wie mir das Blut aus dem Gesicht weicht. Instinktiv und doch voller Angst wandert mein Finger an ihre Halsschlagader, um ihren Puls zu fühlen.

*

Marc

An der gegenüberliegenden Wand fange ich mein Gesicht in dem bunt-verspiegelten Deko-Streifen auf, der dem trüben Krankenhausweiß vermutlich etwas Leben einhauchen soll.

Ich hätte mich rasieren sollen. Aber wer konnte schon ahnen, dass ich heute noch in einem Krankenhaus sein werde?

Meine Wangen sind farblos, das dunkle Haar fällt mir in wirren Strähnen in die Stirn, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen. Der sonst so trainierte Oberkörper wirkt eingefallen wie der eines gebrochenen Mannes. Alles an diesem Spiegelbild ist mir fremd.

Wer ist dieser Mann? Und wie konnte ihm entgehen, dass es der eigenen Mutter derart schlecht geht?

„Herr Strauss?“

Wie wach geworden erhebe ich mich von der Besucherbank und starre den Arzt an. Ein blonder Hüne mit schmalen Schultern und unerschütterlichem Blick.

„Ja“, stammele ich nervös, „ich bin Marc Strauss. Ich bin ... ähm ... der Sohn von Caroline Strauss. Geht es ihr gut? Wird sie wieder gesund? Kann ich zu ihr?“

„Sie ist stabil.“ Er legt die Hand auf meine Schulter. „Zumindest das kann ich ihnen schon sagen.“

Er ist höchstens zwei, drei Jahre älter als ich. Schätzungsweise Anfang dreißig, trotzdem strahlt er eine Kompetenz und Ruhe aus, die sofort auf mich abfärbt.

Er deutet mit einer Handbewegung zu der Besucherbank und setzt sich neben mich.

„Haben Sie ihren Magen ausgepumpt?“, frage ich. „Wann kann ich zu ihr?“

„Ja, ihr Magen ist leer. Aber sie braucht jetzt Ruhe, Herr Strauss. Ganz viel Ruhe.“

Die Unterhaltung hat etwas Surreales an sich. Letzte Woche habe ich mich noch mit ihr auf einen Kaffee getroffen. Alles war wie immer.

„Aber ich muss zu ihr. Sie hat doch niemanden mehr. Seitdem mein Vater gestorben ist, ist sie ...“ Meine Gedanken geraten ins Stocken. Papas Todestag. War das etwa der Auslöser?

„Im Moment helfen Sie Ihrer Mutter am ehesten, wenn Sie mir sagen, was sie dazu verleitet haben könnte.“

„Ich habe keine Ahnung.“ Ich lehne mich verwirrt zurück. „Der Tod meines Vaters hat sie ziemlich mitgenommen. Sie waren seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr ein Paar.“

„Wie lange ist sein Tod her?“

„Zwei Jahre.“ Ich senke den Blick auf meine ineinander gefalteten Hände. „Aber gestern war sein Todestag.“

Er hebt die Augenbrauen. „Der Todestag mag der Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, aber die Depression, die dieser Entscheidung vorausgegangen sein muss, entwickelt sich nicht innerhalb eines Tages.“ Er legt den Kopf schräg. „Hat sie sich in der letzten Zeit verstärkt zurückgezogen? War sie weniger kommunikativ als sonst?“

Ich fahre mir mit den Händen durchs Gesicht, während das Chaos in meinem Kopf jeden klaren Gedanken schwermacht.

„Sie wirkte etwas müde“, sage ich in mechanischem Tonfall. „Aber sie meinte, dass sie noch mit den Nachwirkungen einer Grippe zu kämpfen hat.“

Er legt die Stirn in Falten. „Hatten Sie den Eindruck, dass sie sich weniger als sonst bei Ihnen meldet? Haben Sie sich seltener als früher gesehen?“

Ich versuche, mich zu erinnern, doch mit jedem neuen Gedanken wird mir unbegreiflicher, wie mir ihr Zustand entgehen konnte.

„Mir ist wirklich nichts aufgefallen“, sage ich. „Alles hat sich angefühlt wie immer.“

„Nun“, er wendet den Blick von mir ab, „das ist keine Seltenheit. Depressive Menschen machen ihren eigenen Schmerz oft mit sich selbst aus, während sie ihrem Umfeld vormachen, dass alles in Ordnung sei.“

Depressive Menschen? Wie kommt er nur darauf, ausgerechnet meine Mutter depressiv zu nennen? Das mit den Tabletten muss ein Missverständnis sein. Sie würde niemals ...

Doch je mehr ich mich dagegen wehre, desto klarer wird mir, dass ich meine Mutter gar nicht kenne. Nicht mehr.

Kapitel 3

Sechs Wochen später

Lory

Als ich den Buchladen betrete, ist außer Kyra, die hinter der Kasse steht, niemand zu sehen. Seufzend stelle ich die Tüte mit den Muffins auf dem Tresen ab.

Es ist die typische Mittagsleere. Eine Leere, die sich mittlerweile auf den ganzen Tag ausgebreitet hat.

„Wie viele Leute waren in der letzten Stunde hier?“, frage ich, während ich meine Jacke von den Schultern streife.

Kyra trägt das platinblonde Haar zu einem frechen Pferdeschwanz. Die roten Creolen passen perfekt zu ihrem rot-weiß-gestreiften Kleid, das kurz über ihren schlanken Waden endet. Alles an ihr strahlt pure Lebensfreude aus – bis auf den Blick, mit dem sie mich betrachtet.

„Na ja, da war so eine ältere Dame, die nach Romanen aus der Region gefragt hat.“

„Die war schon hier, bevor ich in die Stadt gefahren bin“, antworte ich. „War sonst keiner da?“

Kyra zuckt resigniert mit den Schultern. „Nein, nicht in der letzten Stunde.“

Wieder packt mich die altvertraute Lethargie, während ich mich auf dem Stuhl neben ihr fallen lasse.

„Und?“, hakt sie nach. „Wie ist das Gespräch gelaufen?“

„Wie erwartet.“ Ich atme tief ein. „Die Mietpreise in der Innenstadt sind einfach viel zu hoch.“

„Aber dafür hätten wir doch sicherlich auch viel mehr Kunden als hier am Stadtrand. Auf die Dauer gleicht sich das doch sicher aus, oder?“

Ich greife in die Tüte und beiße frustriert in einen der Muffins.

„Trotzdem müssten wir erst mal in Vorleistung gehen“, antworte ich. „Und es wäre ein Risiko, Kyra. Ein Risiko, von dem ich nicht weiß, ob es so klug ist, es einzugehen.“

„Na ja, aber ist es nicht ein viel größeres Risiko, einen Laden zu betreiben, der manchmal zwei Stunden lang nicht einen einzigen Kunden hat?“

Ich hasse es, wenn sie derart unsanft den Finger in die Wunde legt. Aber wie immer hat sie recht.

„Hör zu, Lory.“ Sie legt die Hand auf meinen Unterarm. „Das Angebot meines Schwagers steht nach wie vor. Ich kann halbtags in seinem Restaurant aushelfen, dann sparst du schon mal das Geld für mein Gehalt.“

Ich schaue zu Boden. „Ich würde nur ungern darauf zurückkommen, aber so, wie die Dinge momentan laufen, kann ich froh sein, wenn ich dich überhaupt noch beschäftigen kann.“

Für eine Weile sitzen wir schweigend nebeneinander und starren ins Leere.

Drei Jahre ist es her, dass ich mir diesen Traum verwirklicht habe. Soll es das schon gewesen sein? Nach all den Jahren, die ich dafür gekämpft habe, es endlich wahrzumachen?

„Ich hätte von Anfang an wissen müssen, dass uns diese Stadtlage kein Glück bringt.“ Ich seufze. „Vermutlich fehlt mir wirklich der Geschäftssinn.“

„Hey.“ Sie streichelt meine Wange. „So schnell geben wir nicht auf, Süße. Es gibt immer eine Lösung.“

Wie aufs Stichwort öffnet sich in genau diesem Moment die Ladentür. Mehrere junge Mädchen treten hinein und verströmen sich aufgeregt in verschiedene Richtungen.

Ein kleines Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen.

Ja, vielleicht gibt es sie wirklich, diese eine Lösung. Vermutlich brauche ich nur ein wenig Geduld.

Kapitel 4

Marc

Ich brauche eine Weile, um den Laden zu betreten. Eine gefühlte Ewigkeit stehe ich draußen vor der Eingangstür und betrachte sie aus der Ferne, wie sie einem Mädchen Fragen zu einem Buch beantwortet.

Sie trägt das Haar mittlerweile länger. In weichen Wellen fällt es ihr ins schmale Gesicht. Selbst von hier aus kann ich ihre wohlgeformten Lippen erkennen. Ihre schlanke Taille kommt in den engen Jeans und dem himmelblauen Top besonders schön zur Geltung.

Augenblicklich schleichen sich die Erinnerungen in mein Bewusstsein: Ihre samtige Haut unter meinen Fingern. Ihr süßer Atem, der meine Wangen streift, während wir eins miteinander werden.

Die alte Erregung packt mich selbst nach drei Jahren noch mit derselben Macht wie damals.

Reiß dich zusammen, du Idiot! Deine Gefühle haben hier nichts verloren. Du brauchst einen klaren Kopf.

Doch sie zu sehen, wühlt mich mehr auf, als ich erwartet hatte.

Als ich beobachte, wie sich das Mädchen wieder von ihr entfernt, atme ich tief durch und betrete schließlich den Laden.

Gedankenverloren steht sie vor einem Regal und stellt ein Buch zurück an seinen Platz, während ich mich ihr langsam von hinten nähere.

„Hallo Lory“, sage ich schließlich mit einem Räuspern. „Es ist lange her.“

*

Lory

Ich erkenne seine Stimme, bevor ich mich zu ihm umdrehe. Ich spüre, wie mir heiß und kalt zugleich wird. Fast so, als wäre seit damals kein einziger Tag vergangen.

Mein Puls rast, meine Hände werden feucht.

Nur zögernd drehe ich mich zu ihm um.

„Marc.“ Ich ringe mir ein kleines Lächeln ab. „Was tust du denn hier?“

Das kaffeebraune Haar trägt er nicht mehr ganz so kurz wie damals, in seinem Gesicht prangt der Ansatz eines Dreitagebartes. Die algengrünen Augen jedoch scheinen noch immer genauso geheimnisvoll wie bei unserer ersten Begegnung. Seine Schultern sind trainierter als damals, das cremefarbene Hemd unter seinem Sakko ist eng genug, um erahnen zu können, wie definiert und trainiert sein Oberkörper ist. Doch so unbestreitbar sein gutes Aussehen noch immer ist, es ist vor allem sein Blick, der mich aus dem Konzept bringt.

„Ich wollte dich nicht stören“, sagt er beinahe schüchtern. „Aber ich hatte gehofft, dass du Zeit für einen Kaffee hast.“

„Ein Kaffee?“ Ich schaue ihn ungläubig an.

„Ich weiß, dass ich dich gerade überfalle, aber ...“ Er legt den Kopf schräg und lächelt leicht. „Es ist inzwischen so viel Zeit seit damals vergangen. Inzwischen müsste es doch möglich sein, sich einfach wie zwei alte Freunde zusammenzusetzen.“ Er hält kurz inne. „Was meinst du?“

Eine Weile verfalle ich in irritiertes Schweigen. Er kann doch nicht nach drei Jahren einfach hier auftauchen und mich auf einen Kaffee einladen? Ahnt er denn nicht, wie sehr mich seine Anwesenheit noch immer aus der Fassung bringt?

„Was soll das, Marc?“ Ich verschränke die Hände ineinander. „Du tauchst hier nach all den Jahren einfach so auf und lädst mich ohne Vorwarnung auf einen Kaffee ein? Was hat das zu bedeuten?“

„Na ja“, er schiebt die Hände in die Hosentaschen, „ich hätte dich ja vorgewarnt, aber erstens weiß ich gar nicht, wie diese Vorwarnung hätte aussehen sollen und zweitens würde ich gern vermeiden, dass du Zeit hast, dir eine Ausrede zu überlegen.“ Er grinst frech.

Es ist dasselbe Lächeln, mit dem er mir damals jede noch so absurde Entschuldigung verkauft hat. Dasselbe Lächeln, das ich noch heute manchmal vor dem Einschlafen vor Augen habe und das es mir immer wieder schwermacht, einem anderen Mann auch nur eine halbwegs faire Chance zu geben.

„Ich arbeite gerade“, ich nicke in den fast leeren Laden hinein, „das ist dir klar, oder?“

Er schaut sich um und macht den Moment damit umso peinlicher.

„Aber deine Kollegin ist doch da.“ Er nickt zum Tresen, von dem aus Kyra uns neugierig betrachtet. „Könnte sie dich nicht vielleicht für ein Weilchen vertreten? Ich verspreche dir auch, dich unversehrt wieder zurückzubringen.“

Alles in mir wehrt sich dagegen, seine Einladung anzunehmen. Trotzdem fällt es mir schwer, in seiner Anwesenheit einen klaren Gedanken zu fassen.

Drei Jahre und ich mutiere in seiner Gegenwart immer noch zum peinlichen Teenie.

„Ich verstehe nicht, warum dir das so wichtig ist“, sage ich schließlich. „Es ist lange her und wir sollten uns nicht mehr mit der Vergangenheit beschäftigen.“

„Oh, es ist auch gar nicht die Vergangenheit, um die es mir geht.“ In seinen Blick schleicht sich ein Hauch von Wehmut. Fast glaube ich, Traurigkeit zu erkennen. „Um ehrlich zu sein ist das Leben gerade nicht besonders leicht – und ich würde mich freuen, mit jemandem darüber reden zu können, der das alles vermutlich besser versteht als jeder andere.“

Seine Worte irritieren mich.

„Was ist mit all deinen Freunden aus der Glitzerwelt? Warum trinkst du nicht mit denen einen Kaffee?“, frage ich gereizt. „Früher waren die dir doch auch immer wichtiger.“

„Niemand war mir jemals wichtiger als du, Lory. Ich war vielleicht etwas zu ehrgeizig, um zu merken, dass du auf der Strecke geblieben bist, aber ...“ Er atmet tief durch. „Bitte“, er hebt die Hand, „lass uns nicht streiten, ja? Ich bin als alter Freund hier. Einfach nur als Freund.“

Augenblicklich schäme ich mich für meine Verbitterung. Es ist drei Jahre her und ich benehme mich immer noch so, als wäre ich gerade erst mit gepackten Koffern aus seiner Wohnung geflohen.

„Du hast recht.“ Ich senke den Blick. „Es ist zu lange her, um jetzt noch darüber zu diskutieren. Du hast dein Leben, ich habe meines. Alles andere sollte jetzt keine Rolle mehr spielen.“

„Und gerade, weil es so lange her ist, hatte ich gehofft, dass wir wie zwei alte Freunde einen Kaffee trinken könnten.“ Er schaut mich unschuldig an. „Nur du und ich.“

Plötzlich schäme ich mich für meine Sturheit. Was auch immer er für einen Grund hat, sich mit mir zu treffen, warum sollte ich nicht darauf eingehen? Ich bin 27, er 29 – alt genug also, um wie zwei reife Erwachsene miteinander zu reden, oder?

„Ich bin überrascht“, sage ich schließlich. „Ich meine, ich hätte sicher nicht damit gerechnet, dich überhaupt noch mal wiederzusehen. Ehrlich gesagt wusste ich gar nicht, dass du noch in Rostock lebst. Oder bist du nur zu Besuch hier? Ich dachte, es hätte dich bei all deinen Aufträgen längst in eine Großstadt wie Berlin oder so gezogen.“

„Ich wollte meine Mutter nicht allein hier zurücklassen“, erklärt er mit ruhiger Stimme.

Ich schaue ihn fragend an.

„Mein Vater ist vor zwei Jahren gestorben. Das hat uns ziemlich mitgenommen. Vor allem aber sie. Sie waren praktisch fast ihr ganzes Leben lang ein Paar.“

„Oh nein“, instinktiv halte ich die Hand vor den Mund, „das ist ja schrecklich.“ Nun schäme ich mich noch mehr für meine schroffe Art. „Tut mir wirklich leid, Marc. Wenn ich das gewusst hätte, dann ... War er krank?“

„Krebs“, antwortet er knapp und senkt den Blick.

„Wie furchtbar.“ Ich lehne mich gegen das Bücherregal und schaue ins Leere. „Ich hatte ja keine Ahnung.“

„Schon okay.“ Er macht eine wegwerfende Handbewegung. „Das ist nicht der Grund, aus dem ich gekommen bin.“ Er denkt kurz nach. „Zumindest nicht direkt.“

Wie von selbst wandern meine Gedanken zu Caroline, seiner Mutter. Ich erinnere mich noch genau daran, wie sie mich damals mit tränenerstickter Stimme anrief, um sich selbst von meinem Auszug zu überzeugen.

Und bist du dir sicher, dass deine Entscheidung endgültig ist? Du weißt genauso gut wie ich, dass Marc niemals eine Frau finden wird, die dir das Wasser reichen kann, Schatz. Du hast ihn immer so herrlich geerdet. Was soll er nur ohne dich anfangen?

Ich weiß noch genau, wie sehr mich ihr Anruf damals aufgewühlt hat. Einerseits war ich wütend, weil sie mir auf diese Weise ein schlechtes Gewissen einredete, andererseits tat es mir schon damals wahnsinnig leid, sie und ihren Mann Lennard genau wie Marc aus meinem Leben streichen zu müssen. So leid es mir auch für sie tat, alles andere wäre einfach unpassend gewesen. Nur ein kompletter Schlussstrich machte es mir damals möglich, die Trennung wenigstens halbwegs zu verarbeiten.

„Lory?“ Er schaut mich eindringlich an. „Alles okay?“

„Oh“, ich kratze mich am Kopf, „tut mir leid. Ich war wohl gerade in Gedanken.“

Er nickt verständnisvoll.

„Also?“, fragt er. „Was hältst du von meiner Idee?“

„Welcher Idee?“

„Na, der Kaffee.“

Erst jetzt wird mir bewusst, wie sehr ich neben mir stehe.

„Von mir aus“, platzt es schließlich aus mir heraus, als mir kein Gegenargument mehr einfällt. „Warum eigentlich nicht?“

Kapitel 5

Marc

Sie wirkt fast ein wenig nervös, als sie auf der schmalen Lederbank vor dem Fenster Platz nimmt. Das Café ist an diesem frühen Nachmittag gut besucht, und doch ist unser Tisch etwas abseits von den anderen.

„Lass mich raten.“ Ich betrachte sie über den Rand der Kaffee-Karte. „Du nimmst einen großen Milchkaffee.“

„Du hast es nicht vergessen.“

Das Lächeln, mit dem sie mich betrachtet, wirkt nun gar nicht mehr nervös. Und überhaupt, was für ein verrückter Gedanke anzunehmen, dass ich sie nach all den Jahren noch aus der Ruhe bringen könnte.

Sie braucht mich nicht. Vermutlich hat sie mich niemals gebraucht.

„Ich nehme außerdem noch ein Stück Apfelkuchen“, sage ich. „Willst du auch eins?“

„Warum nicht?“ Sie klappt die Karte zu.

Ich winke die Bedienung herbei und gebe unsere Bestellung auf, während ihre Anwesenheit erneut eine Unruhe in mir weckt, die sich nicht beschreiben lässt.

Wo ist all die Wut, die ich damals empfunden habe, weil sie mir keine Chance geben wollte, mich ein letztes Mal zu erklären? Ist all der Zorn und Schmerz inzwischen der unliebsamen Gewissheit gewichen, dass sie recht hatte? Dass sie gar keine andere Wahl hatte, als mich zu verlassen?

„Du siehst gut aus“, höre ich mich plötzlich sagen.

„Marc ...“ Sie seufzt.

„Tut mir leid, aber es ist einfach nur eine völlig unschuldige Erkenntnis. Ohne Hintergedanken.“

Sie hebt die Augenbrauen. „Du tust niemals etwas ohne Hintergedanken.“

Fast kommt es mir so vor, als wüsste sie ganz genau, warum wir uns treffen. Als hätte sie meinen Plan bereits jetzt von Anfang bis Ende durchschaut.

Für einen Moment verliere ich mich in ihren kastanienbraunen Augen. Von all den Tagen, die ich an ihrer Seite verbringen durfte, gab es keinen einzigen, an dem ich diesen tiefen, durchdringenden Blick jemals komplett durchschaut habe. Irgendetwas in ihr war immer ein Geheimnis geblieben. Ein Geheimnis, das nach all den Jahren plötzlich noch verlockender erscheint.

Cool bleiben, du Idiot! Vergiss nicht, warum du hier bist.

„Schön zu sehen, dass dein Laden noch immer so gut läuft“, sage ich schließlich.

„Es ist nicht immer leicht.“ Sie verschiebt die Mundwinkel. „Die Lage des Geschäfts macht es uns schwerer, als wir anfangs gedacht hätten.“

In ihren Augen liegt ein Anflug von Sorge.

„Das tut mir leid“, antworte ich.

Sie zuckt mit den Schultern. „Irgendetwas wird sich ändern müssen. Was genau, habe ich noch nicht entschieden. Vielleicht ziehen wir um, vielleicht verkleinern wir die Ladenfläche. So genau steht das noch nicht fest.“

Für einen Moment ertappe ich mich bei dem Gedanken, genau zur rechten Zeit am selben Ort zu sein. Das kann doch kein Zufall sein? Wäre es nicht schön, wenn sie endlich zulassen würde, dass ich ihr finanziell unter die Arme greife, so wie ich es damals immer gewollt habe? Oder ob sie immer noch genauso stolz wie früher ist? Zu stolz, um Hilfe anzunehmen?

Doch schon im nächsten Moment verwerfe ich den seltsamen Gedanken wieder. Wenn sie sich damals schon nicht hat helfen lassen, dann jetzt erst recht nicht ...

Es sei denn, es wäre keine direkte Hilfe, sondern ...

Ich fahre mir mit den Händen durchs Gesicht, als müsste ich mich selbst aus einem Tagtraum befreien.

„Ist alles okay?“ Sie schaut mich irritiert an.

„Ja.“ Ich ringe mir ein möglichst unbeschwertes Lächeln ab. „Ja, alles in Ordnung.“

„Du siehst müde aus“, stellt sie mit prüfendem Blick fest. „Du kommst ziemlich viel rum, was? Der Job scheint sehr an dir zu zehren.“

„Es ist einfach alles grad ein wenig viel.“ Meine Gedanken wandern zu meiner Mutter.

„Neulich habe ich im Wartezimmer bei meinem Zahnarzt ein Magazin durchgeblättert“, erzählt sie, „und bin dabei auf einen Artikel von Terry Paulson gestoßen. Irgendwie wusste ich sofort, dass die dazugehörigen Fotos von dir sind. Und als ich dann auf den Fotonachweis geschaut habe, sah ich, dass ich recht habe.“ Sie lächelt. „Schon verrückt, oder?“

Ihr aufmerksamer Blick rührt mich.

„Tatsächlich?“ Ich lehne mich in meinem Kunstledersessel zurück und betrachte sie aufmerksam. „Hätte nicht gedacht, dass du meine Bilder selbst heute noch erkennst. Immerhin habe ich meinen Stil im Laufe der Jahre doch ein wenig verändert.“

„Kann schon sein.“ Sie streicht sich eine Strähne aus der Stirn. „Nennen wir es einfach Instinkt. Oft weiß ich das schon vorher.“

Oft? Heißt das, dass sie schon öfter Fotos von mir betrachtet hat? Würde sie überhaupt einen Gedanken daran verschwenden, wenn ich ihr nach all der Zeit völlig egal wäre?

„Das ist schön zu hören“, sage ich schließlich, als mir nichts Besseres einfällt.

„Ja.“ Ihr Blick verliert sich einen Augenblick lang in meinem. Für den Bruchteil von Sekunden liegt eine unerklärbare Stimmung zwischen uns, die sich nicht greifen, geschweige denn erklären lässt. Dieselbe unerklärliche Stimmung, die früher so oft einem intimen Moment vorausgegangen war.

Doch schon in der nächsten Sekunde schaut sie abrupt zu Boden, als wäre jeder Anflug von Intimität ein zu großes Risiko.

„Und sonst so?“, hake ich nach. „Wie ist es dir ergangen?“

Sie durchschaut meine Frage sofort. Skeptisch legt sie die Stirn in Falten.

„Du meinst, ob ich mit jemandem zusammen bin?“ Sie grinst frech.

„Das habe ich nicht gefragt“, verteidige ich mich, trotzdem kann ich mir ein Lächeln nicht verkneifen.

„Nein, das hast du nicht gefragt“, sie legt den Kopf schräg und betrachtet mich mit prüfendem Blick, „aber gedacht hast du es.“

Ich gebe mir nicht die Mühe, es abzustreiten. Dafür kennt sie mich einfach zu gut. Fast kommt es mir so vor, als würde sie wie in einem offenen Buch in mir lesen.

„Allerdings ist es auch kein Geheimnis“, sagt sie schließlich. „Bisher gingen meine Date- und Beziehungsversuche niemals über ein paar Monate hinaus.“ Sie presst die Lippen aufeinander. „Scheint, als hätte unsere Trennung eine Art Männer-Pechsträhne bei mir ausgelöst.“ Sie zwinkert mir verschwörerisch zu.

„Eine Pechsträhne, die mit mir angefangen hat, stimmt’s?“ Ich kann mir den Seitenhieb nicht verkneifen.

Doch anstatt scherzhaft darauf zu antworten, wird ihr Blick schlagartig ernst.

„Ich habe dich niemals als einen Fehlgriff betrachtet“, sagt sie. „Wir hatten einfach nur“, sie schluckt, „unterschiedliche Prioritäten.“

Ich spüre den wohlvertrauten Stich in der Magengegend, wann immer sich die Illusion einer gemeinsamen Zukunft in mein Bewusstsein schleicht.

Was wäre passiert, wenn sie nicht gegangen wäre? Wie sähe unser Leben heute aus?

Als meine Antwort ausbleibt, strafft sie den Rücken und bemüht sich um einen unbefangenen Tonfall.

„Und du?“ Sie sieht mich aufmerksam an. „Die Versuchungen sind in deinem Job doch sicher ziemlich groß, oder?“

„Kann schon sein.“ Ich stütze das Kinn auf meine verschränkten Hände und betrachte sie mit wissendem Blick. „Aber du kennst mich: oberflächliche Bekanntschaften haben mich nie interessiert. Ich will meinen Job machen, das ist alles, was zählt.“

„Du willst mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass du in den letzten Jahren mit keiner Frau zusammen warst?“

„Natürlich gab es die ein oder andere Frau“, antworte ich. „Aber das waren niemals irgendwelche Models, die ich über Aufträge kennengelernt habe. Ich hatte mal kurz was mit einer anderen Fotografin, aber als sich herausgestellt hat, dass sie mehr an meinem Namen interessiert war als an mir, habe ich ihr ziemlich schnell den Laufpass gegeben.“ Ich zucke mit den Schultern. „Na ja, und all die anderen Dates haben nie wirklich zu etwas Ernstem geführt.“

„Vielleicht habe ich ja auch bei dir eine Pechsträhne eingeleitet“, antwortet sie scherzhaft, doch als ich sie etwas zu eindringlich, vielleicht auch etwas zu traurig anschaue, weicht ihr Lächeln schnell.

Sie räuspert sich. „Na ja, dafür bist du im Job umso erfolgreicher.“

In genau diesem Moment bringt die Kellnerin unsere Bestellung an den Tisch. Der Kaffee ist etwas zu stark, das rieche ich schon, als sie die Tasse abstellt. Aber vielleicht ist ein ordentlicher Koffeinschub genau das, was ich jetzt brauche.

„Der Kuchen sieht ja köstlich aus.“ Sie greift nach ihrer Gabel. „Ich sollte wieder viel öfter sündigen. Das ist gut für die Seele.“

Sie schiebt sich genüsslich ein Stück in den Mund und weckt augenblicklich bittersüße Erinnerungen in mir.

Halbnackte Haut auf weißen Laken. Schlagsahne, die ich herzförmig um ihren Bauchnabel verteile und sanft mit der Zunge aufnehme.

Reiß dich endlich zusammen, du Schwächling!

„Was ist?“ Sie legt die Stirn in Falten.

„Nichts.“ Ich nippe an meinem Kaffee. „Was soll sein?“

„Du hast ich gerade angeschaut, als hättest du eine Offenbarung.“

„Ich freue mich einfach nur, dass wir uns wiedersehen“, sage ich so unbeschwert wie möglich. „Wie zwei alte Freunde eben.“

„Du hast recht. Ich weiß gar nicht, warum ich solche Zweifel hatte. Inzwischen ist so viel Zeit vergangen, dass wenigstens ein halbwegs vernünftiges Gespräch möglich ist.“

Der eigentliche Grund unseres Treffens schiebt sich wie aufs Stichwort in mein Bewusstsein. Aber ist es wirklich klug, schon jetzt davon anzufangen?

„Nein ehrlich, Marc“, sie umschließt ihren Kaffeebecher mit beiden Händen, „inzwischen bin ich sogar fast froh, dass wir uns wiedergesehen haben. Vielleicht gibt uns das die Möglichkeit, Frieden mit der Vergangenheit zu schließen und nicht mit Wut im Bauch zurückzuschauen.“

*

Lory

Frieden mit der Vergangenheit zu schließen? Was zum Teufel rede ich da nur für einen Stuss?

Ich betrachte ihn über den Rand meiner Kaffeetasse, während ich langsam daran nippe.

Ob er meine Nervosität bemerkt?

Schon verrückt, mit welcher Leichtigkeit er mich selbst nach drei Jahren noch aus dem Konzept bringt. Nur ein Blick aus diesen durchdringenden Augen und ich spüre augenblicklich wieder seine Hände auf meiner Haut und seine weichen Lippen auf meinen.

„Ich freue mich auch sehr, dass du dir die Zeit genommen hast“, antwortet er schließlich.

Seine ganze Haltung strahlt eine Reife aus, die nicht mehr mit dem Marc von damals vergleichbar ist. Eine Reife, die ihn noch anziehender macht.

Ich versuche, diese Feststellung zu ignorieren. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, sind störende Gefühle, die meinen Verstand vernebeln.

„So gut es im Job auch läuft“, er stellt seine Tasse ab, „so deprimierend ist zur Zeit ein anderer Bereich meines Lebens.“

Zwischen seine Augen schiebt sich eine tiefe Falte. Etwas scheint ihn ernsthaft zu bedrücken.

„Was ist los?“, frage ich vorsichtig.

„Um ehrlich zu sein, ist das der Grund, warum ich dich sehen wollte“, antwortet er. „Du hast dich immer ziemlich gut mit meiner Mutter verstanden und da dachte ich mir ...“ Er verstummt. Sein Atem wird schneller, sein Blick wie erstarrt.

„Was ist mit Caroline?“, frage ich besorgt.

„Na ja, sie wurde vor ein paar Wochen in die Klinik eingeliefert, nachdem ...“ Wieder gerät er ins Stocken, während seinem Gesicht sämtliche Farbe entweicht.

„Was ist los, Marc?“ Ich beuge mich ein Stück über den Tisch, unterdrücke aber den Drang, nach seinen Händen zu greifen.

„Sie hat versucht“, er hält inne, „sie hat versucht, sich mit Tabletten das Leben zu nehmen.“

Seine Worte sind wie ein Schlag in die Magengegend.

Caroline? Selbstmord? Dieselbe lebensfrohe Frau, die mit ihrem Lachen grundsätzlich alle Anwesenden angesteckt hat?

„Das ist ja furchtbar“, antworte ich mit dünner Stimme. „Das tut mir so leid.“

Es fällt ihm schwer, mich anzusehen. Stattdessen legt er die Hände um seine Tasse und schaut durch das Fenster hinaus auf die belebte Fußgängerpassage.

„Ich habe es glaube ich noch immer nicht so ganz realisiert“, antwortet er. „Bevor ich zu dir gekommen bin, war ich den ganzen Vormittag bei ihr. Im Moment schläft sie.“

„Wie geht es ihr? Und warum hat sie ...“ Ich gerate ins Stocken. Sollte ich eine Frage wie diese wirklich stellen?

„Sie ist schwer depressiv“, antwortet er ruhig. „Aber sie hat es gekonnt vor mir verborgen.“ Die Schuldgefühle sind ihm deutlich anzusehen.

„Du darfst dir um Himmelswillen keine Vorwürfe machen.“ Nun greife ich doch nach seiner Hand. „Depressionen sind eine Krankheit, die professionelle Hilfe braucht. Niemand ist schuld daran, vor allem nicht du.“

Er atmet schwer ein, vermeidet es jedoch, mich anzusehen.

„Die Ärzte sagen, dass sie die Trauer um meinen Vater nie richtig verarbeitet hat. Sie hat damals alles daran gesetzt, sich so gut es geht abzulenken. Töpferkurse, Yoga, Gymnastik – sie war wirklich bei allem dabei, das irgendwie danach geschrien hat, ihr Abwechslung zu bieten. Und ich fand es gut, wie sie damit umgeht. Ich war sogar fast ein bisschen stolz auf sie.“ Er schaut auf. „Inzwischen frage ich mich allerdings, ob mir nicht schon damals hätte klar sein müssen, dass niemand den Tod des eigenen Partners einfach so verkraftet. Schon gar nicht, wenn man bedenkt, dass sie seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr zusammen waren.“

Die Erinnerung an unsere Verlobungsfeier schiebt sich in meine Gedanken. Sein Vater Lennard und ich, Walzer tanzend unter dem gewaltigen Kronleuchter im Haus von Marcs Eltern. Caroline und Marc, die uns gemeinsam mit den anderen Gästen, klatschend und lachend zuschauen.

Was für ein hartnäckiger Krebs muss das gewesen sein, dass er ihn innerhalb so kurzer Zeit das Leben gekostet hat? Und wie gewaltig muss der Schmerz sein, mit dem er Caroline und Marc zurückgelassen hat?

„Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir tut“, sage ich.

„Das Schlimme daran ist, dass man sich so hilflos fühlt“, antwortet er. „Ich möchte ihr so gern helfen, habe aber nicht den blassesten Schimmer, wie.“

„Ist sie denn jetzt auf der psychiatrischen Station?“

Er nickt wortlos.

„Dann wird sie sicher die bestmögliche Therapie erhalten.“

„Auch andere Menschen wurden schon therapiert und haben sich am Ende dann doch das Leben genommen“, antwortet er mit mechanischer Stimme, als würde ihm das dabei helfen, die Wahrheit möglichst weit von sich fernzuhalten.

„Das wird ganz sicher nicht passieren.“ Erst jetzt merke ich, dass meine Hand noch immer auf seiner liegt. „Die Ärzte helfen ihr. Du bist für sie da. Und sobald sie das alles erst mal verarbeitet hat, wird auch sie ihren Fehler erkennen.“

„Ich hoffe es von Herzen.“ Er schluckt schwer. „Wenn man einen geliebten Menschen verliert, ist das eine Sache, aber wenn man ihn auf diese Weise verliert ...“ Er legt die Stirn auf die Handflächen. „Ich mag gar nicht daran denken.“

„Und ich habe von alldem nichts geahnt.“

„Na ja, wir führen nun einmal getrennte Leben.“

„Ich weiß.“ Ich schaue auf. „Ich bin froh, dass du es mir trotzdem erzählt hast.“

Er nickt schweigend.

Etwas in mir sehnt sich danach, ihm irgendwie zu helfen. Ihm – und vor allem Caroline. Warum zum Teufel habe ich sie nie angerufen? Hätte ich nicht meinen eigenen Schmerz vergessen und für sie da sein können? Einfach so, wie früher. Wir haben uns doch immer so gut verstanden.

„Vielleicht sollte ich sie besuchen“, sage ich gedankenverloren. „Es sei denn, es ist noch zu früh dafür.“

Er schaut mich plötzlich auf eine Weise an, die ich nicht einzuordnen weiß. Sein Blick ist ernst und doch voller Geheimnisse.

„Um ehrlich zu sein ist meine Mutter der Grund, warum ich mit dir reden wollte“, sagt er.

„Dann findest du auch, dass es eine gute Idee ist, wenn ich sie besuche?“

Doch er antwortet nicht. Stattdessen schiebt er seinen Kuchenteller zur Seite und verschränkt die Hände ineinander. Die Suche nach den richtigen Worten fällt ihm sichtlich schwer.

„Marc?“

Er atmet tief durch, dann schaut er endlich auf.

„Ich habe in den letzten Wochen viel mit ihr geredet“, beginnt er schließlich. „Es waren sehr emotionale Gespräche, aber es hat mich dabei vor allem eines erschreckt: Ihre Freudlosigkeit. Es gibt nichts mehr, was ihr wirklich Freude bereitet oder Zuversicht schenkt. Das war mir bisher nicht bewusst, weil sie es geschickt vor mir verborgen hat. Aber jetzt, wo ihre Maske gefallen ist, wird mir immer bewusster, wie unglücklich sie eigentlich wirklich ist.“

Der Kloß in meinem Hals macht mir das Schlucken schwer. „Es tut mir wirklich sehr leid“, sage ich mit dünner Stimme.

„Sie hat die Tage viel geweint, die meiste Zeit aber einfach nur wortlos ins Leere gestarrt“, fährt er fort. „Es gibt nur ein einziges Thema, das ihre Augen für einen kurzen Moment zum Leuchten gebracht hat.“

„Ach ja?“ Ich schaue ihn neugierig an.

„Und weißt du, was das war?“ Er presst die Lippen aufeinander. „Ihre Vorstellung davon, dass wir beide eines Tages doch noch heiraten werden.“

„Meinst du das gerade ernst?“

Er räuspert sich. „Ich war selbst überrascht, dass sie nach all der Zeit noch daran denkt. Aber es sind die einzigen Momente, in denen sie lächelt. Wie aus dem Nichts fängt sie plötzlich davon an, wie glücklich sie damals war, als wir ihr von unserer Verlobung erzählt haben und wie sehr es sie mitgenommen hat, als dann plötzlich Schluss war.“

Für einen Moment versagt meine Stimme. Was genau soll ich auf so eine Feststellung antworten? Und bin ich ihm dankbar oder wütend auf ihn, dass er mir davon erzählt hat?

„Was soll das, Marc?“ Ich kneife meine Augen zusammen. „Versuchst du gerade, mir ein schlechtes Gewissen einzureden, weil ich die Verlobung gelöst habe? Sagst du mir, dass es meine Schuld ist, dass sie sich das Leben nehmen wollte?“

„Natürlich nicht“, antwortet er schnell. „Wie du schon sagst, niemand ist schuld daran. In die Depression gefallen ist sie durch den Tod meines Vaters. Ich ... ich fand es nur so schön, für einen winzigen Augenblick wieder Freude in ihren Augen zu sehen.“

„Natürlich ist es schön. Aber es ändert auch nichts an der Tatsache, dass sie Hilfe braucht. Hilfe, die ihr niemand von uns geben kann.“

„Und wenn doch?“ Sein Blick hat etwas Hoffnungsvolles. „Was, wenn wir doch in der Lage sind, ihr zu helfen?“

„Wir?“

Die Schwere weicht aus seinem Gesicht, während sich ein Anflug von Zuversicht in seinen Augen ausbreitet.

„Ich liege schon seit ihrer Einlieferung fast jede Nacht wach und mache mir immer wieder aufs Neue Vorwürfe. Aber heute früh wurde es mir dann plötzlich klar.“ Er lächelt vorsichtig. „Alles, was sie braucht, ist Zuversicht. Etwas, worauf sie sich freuen kann. Etwas, das sie von den trüben Gedanken ablenkt.“

„Worauf willst du hinaus?“

Er schaut sich im Café um, als könnte ihm allein das dabei helfen, die richtigen Worte zu finden.

„Ich habe mich einfach gefragt, wie absurd die Idee ist“, er holt tief Luft, „dass du und ich ... na ja ... dass wir zumindest vor meiner Mutter verkünden, dass wir beide es noch mal miteinander versuchen. Richtig offiziell mit Verlobungsringen.“

Sein Vorschlag braucht eine Weile, um bei mir anzukommen. Doch als ich realisiert habe, was er gerade von sich gegeben hat, bin ich umso fassungsloser.

„Sag mal, ist das etwa dein Ernst?“ Ich starre ihn mit offenem Mund an.

Er greift nach seiner Tasse, setzt sie aber im selben Moment wieder ab.

„So verrückt es klingt, aber ja, es ist mein Ernst.“ Er lächelt. „Natürlich erwarte ich nicht von dir, dass du es wirklich noch mal mit mir versuchst. Alles, was zählt, ist, dass meine Mutter es glaubt. Sie braucht jetzt dringend einen Rettungsanker, der sie aus dem schwarzen Loch holt.“

Ich fasse mir mit ungläubigem Lachen an die Stirn. „Nicht zu fassen, du meinst es wirklich ernst.“

„Ich weiß natürlich, wie absurd sich das anhört.“ Er beugt sich ein Stück über den Tisch und verfällt in einen verschwörerischen Tonfall. „Aber je länger ich darüber nachdenke, desto überzeugter bin ich davon, dass es wirklich funktionieren kann. Meine Mutter hängt selbst heute noch sehr an dir. Nichts würde sie glücklicher machen, als dich wiederzusehen.“

„Na dann besuche ich sie eben. Das hatte ich doch ohnehin vor.“

„Das ist nicht dasselbe, Lory. Sie braucht Hoffnung, verstehst du? Du warst immer die Frau, von der sie meinte, dass sie mich als Einzige auf dem Boden der Tatsachen halten kann. Sie hat dich geliebt wie eine Tochter. Und dann von einem Tag auf den anderen warst du plötzlich kein Teil ihres Lebens mehr.“

Ich bemühe mich um einen ruhigen Atem.

„Hör zu, Marc“, ich hebe die Hand, „ich weiß, dass es damals nicht in Ordnung von mir war, auch den Kontakt zu deinen Eltern so abrupt abzubrechen. Aber ob du es glaubst oder nicht, die Trennung hat mir sehr zu schaffen gemacht. Ich wollte einfach alle Brücken abschlagen, um das irgendwie überwinden zu können.“

„Du hättest nicht gehen müssen, Lory. Du weißt, wie sehr ich dich geliebt habe.“

„Fängst du schon wieder damit an?“ Langsam werde ich wütend. „Du weißt genau, dass ich nicht gegangen bin, weil ich dich nicht mehr geliebt habe. Sondern weil ...“ Ich komme ins Stammeln. „Wieso reden wir überhaupt darüber? So leid mir das mit Caroline auch tut, allein der Gedanke, dass wir zwei ... das ist verrückt, Marc. Einfach nur verrückt.“

„Du musst es natürlich nicht umsonst machen“, fällt er mir schnell ins Wort, „ich bin mittlerweile ein sehr reicher Mann, Lory. Ende des Jahres werde ich zehnfacher Millionär sein.“

Die Art, wie er mit seinem Reichtum protzt, macht mich nur noch wütender.

„Das ist schön für dich“, antworte ich schmallippig.

„Du verstehst mich falsch. Was ich versuche, dir zu sagen, ist, dass ich bereit bin, dir sehr viel Geld dafür zu zahlen, wenn du bei diesem Spiel mitmachst. Wir zwei verloben uns wieder und verbringen mehr Zeit mit meiner Mutter. Dafür kannst du dein Geschäft aus den roten Zahlen holen.“

„Mein Geschäft ist nicht in den roten Zahlen“, fauche ich.

„Dann gönn dir etwas anderes Tolles. Ich würde dir jeden Preis zahlen, Lory. 500.000? Mehr? Kein Preis wäre mir zu viel, solange du mir nur dabei hilfst, meine Mutter wieder glücklich zu machen.“

„Das ist das Absurdeste, das ich jemals gehört habe.“ Das Blut kocht in meinen Venen. „Weißt du eigentlich, wie demütigend das ist?“

„Ich will dich nicht demütigen, Lory, ich will einfach nur das Richtige tun.“

„Indem du mich bezahlst, deine Verlobte zu spielen?“ Ich springe auf. „Glaub mir, Marc, das mit Caroline tut mir wirklich unheimlich leid, aber das hier ... das ... das geht einfach zu weit.“

„Ich weiß doch selbst, wie verrückt das klingt.“ Nun steht auch er auf. „Und ich habe das auch noch nicht richtig durchdacht. Vielleicht wollte ich einfach erst mal nur deine Meinung dazu hören. Immerhin kennst du meine Mutter auch gut genug, um zu wissen, wie sie über dich denkt und wie wichtig du ihr trotz allem noch immer bist.“

„Und glaubst du allen Ernstes, dass sie einverstanden damit wäre, wenn du mich für eine Verlobung bezahlst?“

„Natürlich nicht. Aber das wird sie ja auch nie erfahren. Das ist eine Sache zwischen uns beiden.“ Er schaut sich um. „Vielleicht sollten wir etwas leiser reden, damit es auch so bleibt.“

„Weißt du was?“ Ich nehme meine Handtasche von der Sitzbank. „Wir müssen nicht leiser reden, weil dieses Gespräch jetzt beendet ist. Ich hätte von Anfang an auf mein Gefühl hören und deine Einladung nicht annehmen sollen.“

In seinen Augen liegt eine Mischung aus tiefer Enttäuschung und Reue. Aber was bereut er? Dass er unsere Beziehung damals so vernachlässigt hat, dass mir keine andere Wahl blieb, als zu gehen? Oder dass ich nicht schwach genug bin, jetzt auf seinen seltsamen Vorschlag einzugehen?

„Ich bin mir sicher, wenn wir noch mal in Ruhe über alles reden ...“, beginnt er.

„Bitte, Marc“, ich hebe abwehrend die Hand, „hör auf damit, okay? Ich bin nicht bereit, mir von dir ein schlechtes Gewissen einreden zu lassen. So traurig ich auch über den Zustand deiner Mutter bin, es ist nicht meine Schuld. Und die Verantwortung dafür lasse ich mir auch nicht von dir aufbürden.“

„Natürlich ist es nicht deine Schuld. Das habe ich doch auch nie gesagt. Alles, wonach ich suche, ist eine Lösung. Ein Lichtstrahl, der ihr wieder Hoffnung gibt.“

Ich atme tief durch, während ich versuche, mich langsam zu beruhigen, doch das Entsetzen ist stärker.

„Ich wünsche euch alles Gute“, ist alles, was ich herausbekomme. Dann wende ich mich ohne ein weiteres Wort von ihm ab und verlasse das Café.

Kapitel 6

Lory

„Er hat was gemacht?“ Kyra lässt die Hand mit dem Preisetikettierer darin sinken und schaut mich ungläubig an. „Du verarschst mich doch gerade, oder?“

„Ich wünschte, es wäre so.“ Ich lege seufzend den Bücherstapel in die Grabbel-Box. „Aber er hat jedes Wort absolut ernstgemeint.“

„Das ist doch verrückt.“

„Du sagst es. Trotzdem muss ich immerzu an Caroline denken. Was wohl in ihr vorgegangen sein muss, diesen Schritt zu gehen.“

„Depressionen sind eine Krankheit. Und wenn sie das bisher komplett mit sich allein ausgemacht hat, ist es kein Wunder, dass es so weit gekommen ist.“

„Ich weiß.“ Ich senke den Blick. „Das ändert trotzdem nichts daran, dass ich mich ziemlich über diese Neuigkeit erschrocken habe. Ich meine, ausgerechnet Caroline. Sie war immer so lebensfroh, so liebenswert. Ich ... ich kann es noch immer nicht glauben.“

Kyra etikettiert eines der Bücher. „Und ich kann nicht glauben, dass du dir von Marc ein schlechtes Gewissen einreden lässt.“

„Keine Sorge, das wird ihm nicht gelingen“, antworte ich selbstsicher, doch tief in meinem Inneren packt mich immer wieder dasselbe ungute Gefühl.

Was, wenn sie ihren Plan erneut in die Tat umsetzt? Und was, wenn sie dabei dieses Mal erfolgreich sein wird?

„Hör zu, Süße.“ Kyra legt die Hand auf meine Schulter. „Ich kann ja verstehen, dass dich das mit dieser Frau ziemlich durcheinanderbringt, aber wenn du auch nur eine Sekunde so etwas wie Verantwortung für sie empfindest, dann ...“

„Nein“, unterbreche ich sie, „wirklich nicht. Niemand ist schuld daran. Und Marc weiß das auch. Sein Vorschlag war lediglich ein Versuch, ihr neue Hoffnung zu schenken.“

„Ein sehr kranker Versuch, wenn du mich fragst.“

„Ich weiß. Sie braucht eine Therapie und Zeit. So etwas regelt sich nicht von heute auf morgen.“

„Mal ehrlich, Lory.“ Kyra setzt sich auf einen der quadratischen Lesehocker. „Ist dieser Typ wirklich so reich, dass er dir mal eben so ein Angebot machen kann?“

„Er war schon reich, als wir noch zusammen waren. In den letzten drei Jahren hat sich das noch mal erheblich nach oben verändert.“

„Trotzdem.“ Sie scheint sehr entschlossen. „Das gibt ihm noch lange nicht das Recht, dich wie eine Angestellte zu behandeln, die man mal eben für ihre Dienste bezahlt.“

Ich senke den Blick auf das Buch in meinen Händen. Was für eine Schande, welche wertvollen Literaturschätze wieder mal dem Preishammer der Verlage zum Opfer fallen.

„Weißt du, was das Verrückte daran ist?“, entgegne ich.

„Ach, der Vorschlag allein ist noch nicht verrückt genug?“ Kyra lacht irritiert.

„Na ja, dass er auch vom Buchladen gesprochen hat“, antworte ich. „Er meinte, dass er mir dabei helfen könnte, mein Geschäft aus den roten Zahlen zu holen.“

„Woher weiß er denn davon?“

„Ich habe vielleicht so etwas angedeutet. Aber wenn ich gewusst hätte, dass er das gleich gegen mich verwendet, hätte ich es natürlich niemals erwähnt.“

Kyra denkt kurz nach. „Für den Laden wäre es natürlich keine schlechte Idee ...“