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Wir alle wissen, was seinerzeit die Erfindung war, die einen wissenschaftlichen Durchbruch für die Raumfahrt bedeutet hat, der es uns ermöglichte, endlich unser eigenes Sonnensystem zu verlassen, fremde Welten kennenzulernen... und möglicherweise festzustellen, ob es dort draußen noch anderes intelligentes Leben gibt. Wer sich nicht mehr so gut daran erinnern kann, wer im Geschichtsunterricht geschlafen hat oder wer einfach noch einmal die kleinen und großen Momente miterleben möchte, die für die Menschheit einen so großen Schritt dargestellt haben, der könnte an diesem kleinen Büchlein Gefallen finden. Die Besiedelung des Mars, die ersten überlichtschnellen Flüge, aber auch die Misserfolge, die Unfälle, die Katastrophen... Dies ist der erste Band einer Geschichte, die sich erst in vielen Jahren ereignet haben wird. Da, wie es so schön heißt, unsere Zukunft noch nicht geschrieben ist, gilt das zu diesem Zeitpunkt auch für die folgenden Bände, die uns zum und dann durch den intergalaktischen Konflikt führen werden, der als DER MULTIVERSALE KRIEG in die Geschichtsbücher eingegangen ist... oder eingehen wird. Altmodische Science Fiction mit einem Schuss Zitrone, drei Teilen Rum und zwei großen Schirmchen!
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Seitenzahl: 224
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Martin Cordemann
DER MULTIVERSALE KRIEG
Band 1: Das Ungeheuer vom Mars
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Inhaltsverzeichnis
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Impressum neobooks
„Kapitän zur Brücke bitte!“
Nielsen sah von seinem Buch auf. Das war meist ein schlechtes Zeichen. Womöglich hatte man sie entdeckt. Dann wurde es Zeit, schleunigst von hier zu verschwinden. Er stellte die Musik ab und ging die Treppe runter auf das nächste Deck. Die Brücke eines Raumschiffs befand sich seit vielen Jahren tief im Innern der Erdenschiffe, damit sie nicht das erste Ziel bei einem Angriff wurde, oder zumindest nicht das erste erfolgreiche. Die Berlioz hatte schon ein paar Auseinandersetzungen gesehen, aber sie war ein Schiff, das so einiges aushalten konnte. Als er die Brücke betrat, sah ihm nicht, wie er erwartet hätte, sein Kommunikationsoffizier entgegen, sondern Emilia Elba, seine Wissenschaftsoffizierin.
„Hm“, meinte er nur und veränderte seinen Kurs ein wenig, so dass er zu ihrer Station gelangte. „Sie sehen mich mit Verwunderung.“
„Die wird noch größer werden“, murmelte die Dame mittleren Alters und deutete auf einen ihrer Bildschirme. „Wir haben etwas empfangen, das wir uns nicht erklären können.“
„Und Sie meinen, ich kann?“
„Ehrlich gesagt... nein.“
„Aber Sie denken dennoch, dass es mich-“ Er verstummte, als sein Blick auf den Bildschirm fiel. „Oh mein...“ Nielsen begann langsam zu nicken. „Ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen.“
„Inwiefern?“
„Ich glaube, ich kann es erklären!“
„Oh!“
„Das können Sie laut sagen.“ Der Kapitän kratzte sich am Kinn. „Gut, ich fürchte, wir dürfen keine Zeit verlieren.“ Er sah seinen Sensoroffizier an. „Wo ist das nächste Schiff der Tong'GU'ka-ra?“
„Das letzte, das unsere Bojen aufgezeichnet haben... ca. 8 Stunden entfernt.“
„Das könnte knapp werden. Behalten Sie es im Auge.“ Er wandte sich an den Steuermann. „Mr. Monroe, bringen Sie uns zu den folgenden Koordinaten, und zwar so schnell wie möglich.“
„Ja, Sir.“
„Darf ich fragen...?“ Die Leiterin der Wissenschaftsabteilung sah ihn fragend an.
„Es ist möglicherweise das, warum wir hier sind“, sagte der Captain leise.
„Aber... es sieht so aus, als hätte eine Explosion das gesamte Labor zerstört... ohne einen äußerlichen Schaden angerichtet zu haben.“
„Ja, so sieht es aus.“
„Und da wollen wir jetzt hin?“
„Da müssen wir jetzt hin!“
„Und wonach suchen wir? Nach einer Waffe?“
Captain Nielsen seufzte.
„Nach etwas, das weit mächtiger ist als eine Waffe, und weit gefährlicher! Und wir sollten es finden, bevor es unsere Feinde tun!“
Die Berlioz würde etwa eine Stunde brauchen, bis sie ihr Ziel erreicht hatten, dann wahrscheinlich noch eine halbe Stunde mit dem Shuttle. Viel Zeit für die Untersuchung würde ihnen wahrscheinlich nicht bleiben.
„Hmmmm“, murmelte der Kapitän, während sich sein Führungsstab im Konferenzraum versammelte. Es war an der Zeit, ihnen zu sagen, warum sie all die Zeit hier draußen im All verbracht hatten. Bisher war ihre Mission ziemlich geheim gewesen und nur er und ein paar der höhergestellten Admiräle wussten davon. Selbst seinen Geheimdienstoffizier hatte man im Dunkeln gelassen, doch all das würde sich jetzt ändern. Er sah ihn an. „Mr. Altman, Sie kennen sich doch mit den Tong aus?!“
„Ja, Sir.“
„Wenn wir jetzt ein Störfeld über diesen Sektor legen würden, das alle Kommunikation und Sensorabtastungen stören würde, würden das die Tong ignorieren oder würde es sie eher hierher locken?“
„Ich denke, das hängt davon ab, wie wichtig ihnen das da ist.“ Der Mann vom Geheimdienst deutete auf den Bildschirm, auf dem man einen kleinen Mond mit der Station sehen konnte, ihr aktuelles Ziel.
„Da haben Sie natürlich recht.“ Nielsen seufzte. „Nehmen wir an, dass sie ein unauffälliges Auge auf diese... Einrichtung da haben.“
„Dann würde sie alles, was ihnen den Blick trübt, sofort in Alarmbereitschaft versetzen.“
„Ja, das hatte ich befürchtet. Wir haben also keine Möglichkeit, ihre Ankunft zu verzögern... Also müssen wir schnell sein.“
„Mit was, wenn ich das fragen darf?“ fragte Elba höflich.
„Ich war leider gezwungen, Sie über unsere Mission im Unklaren zu lassen. Vor einigen Monaten mussten wir leider feststellen, dass einer unserer Wissenschaftler... verschwunden ist.“
„Übergelaufen?“
„Oder entführt?“
„Unklar.“
„Wer?“
„Dr. Elmar Szyszka.“
Elba zuckte die Schultern.
„Gilt der nicht als Spinner?“
Major Altman schüttelte den Kopf.
„Nicht in manchen Kreisen.“
„Der Geheimdienst stand ihm immer sehr offen gegenüber, oder?“ meinte der Captain.
Der Major nickte. Und legte seine Stirn in Falten.
„Ich wusste gar nicht, dass er verschwunden ist.“
„Man hielt es für besser, das nicht an die große Glocke zu hängen. Offiziell arbeitet er noch immer in einem abgelegenen Labor...“ Nielsens Blick fiel auf den Bildschirm, auf dem man die Forschungsstation sah. „...was ja nicht so ganz falsch war.“
„Ich fürchte, ich bin mit Dr. Szyszka Arbeitsfeld nicht ganz so vertraut“, gestand Elba in der Hoffnung auf Aufklärung. Sie sollte keine erhalten.
„Sagen wir einfach, er ist jemand... der sehr gefährlich für uns werden kann, weil er ein Spezialist in einem sehr bestimmten Bereich ist.“ Kapitän Kurt S. Nielsen begann, langsam durch den Raum zu gehen. „Seine Forschungsergebnisse waren vielversprechend und es sah so aus, als stünde er kurz vor dem Durchbruch. Doch dann ist er verschwunden.“ Er blieb stehen. „Wir waren schon vorher ein wenig misstrauisch, was seine Loyalität anging, und so haben wir ihn ohne sein Wissen einem bestimmten Isotop ausgesetzt, das eine sehr eigene Signatur ausstrahlt.“
„Die Werte, die ich die ganze Zeit beobachtet habe?“ wollte Elba wissen.
„Ganz genau“, nickte der Captain. „Nachdem er verschwunden war, waren wir in der Lage, seine Spur aufzunehmen, die uns, wie Sie wissen, hierher geführt hat.“
„Die Werte von denen Sie da sprechen sind verschwunden“, erklärte die Wissenschaftsoffizierin.
„Ich weiß.“
„Aber...“ Sie dachte nach. „Alles Leben in der Station wurde in wenigen Sekunden ausgelöscht. Es wirkte so... als würde es aus ihr herausgesaugt. Die Werte zeigen, dass eine Art Unterdruck entstanden ist, aber es hat kaum Beschädigungen an der Außenhaut gegeben.“
Nielsen nickte zustimmend. So in etwa hatte er es sich vorgestellt.
„Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was dort passiert ist“, gestand Elba. „Aber, ganz gleich ob es eine Implosion oder eine Explosion war, und es sieht ja ganz danach aus, dann...“
„Dann was?“
„Dann müssten die Werte, die Dr. Szyszka aussendet, doch noch vorhanden sein.“
„Nicht, wenn er erfolgreich war, wie ich es annehme.“
„Ich meine, selbst, wenn er sich in all seine Atome aufgelöst hat...“ Sie schüttelte den Kopf. „Es ergibt keinen Sinn!“
„Das wird es“, beruhigte sie der Kapitän. „Nehme ich jedenfalls an.“
„Möchten Sie dazu ins Detail gehen, Captain?“
„Später, wenn ich mir diese Sache angesehen habe.“
„Und was ist 'diese Sache'?“
„Ein Labor der Tong, nehme ich an“, stellte Altman in den Raum.
„Davon gehe ich aus“, bestätigte der Kapitän. „Wir waren nicht ganz sicher, ob die Tong ihn entführt haben oder ob er zu ihnen übergelaufen ist.“
„Und sind wir jetzt sicher?“
„Nein“, schüttelte Nielsen den Kopf. „Wir sind... Ich bin nur sicher, dass er weiter an seinem Projekt gearbeitet hat. Ob freiwillig oder unter Zwang? Keine Ahnung. Vielleicht hat man ihn auch nur wochenlang verhört und ihm unter Drogen Antworten entlockt, die Wissenschaftler der Tong dann umgesetzt haben. Wir wissen es nicht.“
„Also ist das da unten keine Sensorstation, die die Bewegungen der Erdflotte überwachen soll, sondern ein Geheimlabor?!“
„Ja. Für eine sehr geheime Arbeit.“
„Aber, wenn es so wichtig ist, sollte es dann nicht in einem militärischen Sperrgebiet sein, umgeben von einer Flotte von Kriegsschiffen, die verhindert, dass sich Leute wie wir nähern?“ wollte die Wissenschaftlerin wissen.
„Wenn man mit gewaltigen Kräften spielt, die sich als gigantische Waffen herausstellen können, macht man das gerne an abgelegenen Orten und ohne, dass allzuviele Leute davon etwas mitbekommen“, widersprach der Geheimdienstmann.
„Was uns die Möglichkeit gegeben hat, ihn hier aufzuspüren und das Labor zu beobachten, ohne selbst aufgespürt zu werden.“
Es war ein paar Monate her, dass sie mit der Berlioz die Suche aufgenommen hatten und sie hatten die Signatur des verschwundenen Wissenschaftlers relativ schnell finden und verfolgen können. Ihr Weg hatte sie in ein kleines Sonnensystem geführt, das aussah, als hätte man hier schon viele Versuche mit zerstörerischen Waffen durchgeführt. Überall gab es Trümmer und Asteroiden, die ihnen einen perfekten Schutz vor den Sensoren der Tong boten. Nachdem sie den Wissenschaftler oder vielmehr seine Signatur auf einem kargen Mond ausfindig gemacht hatten, der einen anderen Felsklumpen umkreiste, hatten sie das System für ein paar Tage verlassen und Sensorbojen verteilt, weit entfernt, so dass sie vor sich nähernden Schiffen gewarnt wurden, lange bevor die auch nur in die Nähe dieses Trümmersystems kamen. Dann hatten sie es sich auf einem der Trümmer gemütlich gemacht und die einzige Struktur auf der Oberfläche des Mondes, eine Art wissenschaftlichen Komplex, im Auge behalten.
Nielsen musste sich eingestehen, dass er nicht so recht gewusst hatte, wie er von dort aus weitermachen sollte. Sie konnten angreifen und die Station zerstören. Sie konnten die Station entern und den Wissenschaftler „befreien“. Sie konnten Verstärkung anfordern, die Station einnehmen und die Ergebnisse an sich bringen. Oder sie konnten warten, in der Hoffnung, dass irgendetwas passieren würde, das ihnen die Entscheidung abnahm. Das war nun geschehen.
„Ich nehme an, das Labor wird regelmäßig irgendein Signal senden“, begann Elba, aber Altman schüttelte den Kopf.
„Das wäre bei einer geheimen Einrichtung unklug.“
„Das bedeutet... was bedeutet das?“
Der Geheimdienstler dachte nach. „Wir haben das System lange beobachtet. In unregelmäßigen Abständen ist ein Versorgungsschiff gekommen, eins vom Geheimdienst der Tong, das war offensichtlich. Das bedeutet, dieser Ort fällt unter die höchste Geheimhaltungsstufe.“
„Die nächste Sensorboje der Tong?“
„Weiter entfernt als unsere.“
„Also kann es eine Weile dauern, bis sie merken, dass es die Station nicht mehr gibt?!“ meinte Elba hoffnungsvoll.
„Theoretisch ja“, bestätigte Altman. „Aber darauf verlassen würde ich mich nicht. Wenn eine Patrouille merkwürdige Werte misst, werden die jemanden schicken, egal, wen.“
„Wie Sie sehen haben wir also nicht viel Z-“
„Captain Nielsen, eine der Sensorbojen hat ein Schiff der Tong entdeckt“, klang es aus dem Lautsprecher. „Es nimmt Kurs auf unsere Position.“
„Sag ich ja!“
Es war nicht klar, ob das Schiff der Tong nur zufällig Kurs auf die Station genommen hatte, oder ob man bereits wusste, dass dort etwas vorgefallen war, klar war nur, dass es ihr Zeitfenster extrem eng einschnürte – und dass es sie vernichten würde, ohne Fragen zu stellen, wenn es sie hier antraf.
Während die Berlioz im Orbit um den kleinen Mond blieb, flog der Kapitän mit einer kleinen Gruppe von Wissenschaftlern im Shuttle hinunter auf die Oberfläche, dorthin, wo sich bis vor kurzem noch eine völlig intakte Forschungsstation befunden hatte.
Der kleine Himmelskörper hatte zwar nur eine dünne Atmosphäre, aber sie enthielt alle Bestandteile, damit ein Mensch in ihr atmen konnte. Das war aber auch das einzige, das für den Mond sprach, denn seine spärliche Landschaft war karg und kalt. Dicker Staub überzog dunkles Gestein. Keine Metalle oder Erze, nichts von Wert. Hier und da gab es ein wenig struppige Vegetation. Es war kein Ort, an dem man sich wohlfühlen konnte – also ideal für wissenschaftliche Experimente, von denen sonst niemand etwas mitbekommen sollte.
Sie landeten dicht neben dem kleinen Gebäudekomplex. Sprengfallen schien es keine zu geben, aber mit Sicherheit Sensoren, die ihre Ankunft aufzeichneten. Doch das ließ sich im Moment nicht umgehen, denn die Zeit, die ihnen zur Verfügung stand, war begrenzt.
Vorsichtig näherten sich Nielsen, Altman und Elba dem Eingang zur Station. Andere Wissenschaftler nahmen Messwerte rund um das Gebäude auf, doch die Aufgabe der drei war ein bisschen kniffliger.
„Moment!“ Elba hielt die Hand hoch. „Hinter dieser Tür befindet sich... ein Vakuum.“
„Die Tong brauchen Sauerstoff, genau wie wir.“
„Ja.“ Sie deutete auf die Tür. „Aber da drinnen gibt es keinen.“
„Ein weiteres Rätsel“, grinste der Major und sah zum Captain. „Sieht so aus, als würde Sie das nicht überraschen.“
„Es passt zum Rest.“
„Zum Rest... der keinen Sinn ergibt?“
„Ich fürchte, das wird er“, lächelte der Kommandant.
„Müssen wir noch mit anderen Überraschungen rechnen?“
„Wären wir sonst hier?“
„Auch wieder wahr.“
„Wollen wir?“
Nielsen deutete auf die Tür.
„Warum nicht?“ Altman machte sich daran zu schaffen. „Man scheint hier nicht mit Eindringlingen von außen gerechnet zu haben“, murmelte der Geheimdienstmann und öffnete problemlos die Tür. Luft strömte an ihnen vorbei – in die Station hinein.
„Wie gesagt, Vakuum.“
Sie betraten die Station. Sie war nicht groß und hatte nicht viele Wissenschaftler beherbergt. Es gab eine kleine Sektion mit Quartieren, aber der Hauptbestandteil war ein großes Labor. Und das war...
„Leer!“ zischte die Wissenschaftlerin.
Vor ihnen eröffnete sich ein merkwürdiger Anblick. Der Raum, den sie betreten hatten, war relativ groß – und er war relativ leer. Zwar gab es Regale, doch in ihnen befand sich nichts. Es wirkte fast so, als hätte jemand oder etwas alles, was sich darin befunden hatte, aus diesem Raum herausgesaugt. Lediglich ein paar Kameras, die an den Wänden befestigt waren, befanden sich noch dort. Nielsen deutete darauf.
„Ich nehme an, es gibt Aufzeichnungen von dem, was hier passiert ist.“
„Dann sollten wir die finden.“
„Ja. Nehmen Sie alles an technischem Equipment mit, das Sie finden können.“
„Werden uns die Tong das nicht übelnehmen?“
„Die sollen nicht wissen, dass wir hier unten waren.“
Elba betrachtete den Raum. Ihre Lippe hob sich. „Ich glaube...“ Sie sah es sich genauer an. Ja, sie hatte ein paar Spuren entdeckt. Sehr subtil, leicht zu übersehen, aber durchaus vorhanden. Sie folgte ihnen langsam und blieb vor einer Wand stehen.
Der Captain erschien neben ihr.
„Ja?“
„Kann es sein, dass es hier eine Art... Sog gegeben hat.“ Sie deutete auf das, was sie für Schleifspuren hielt. „Wenn ich das richtig verstehe, wurde alles, was sich hier im Raum befand, an diesen Ort hier gezogen... und ist dann verschwunden.“
Nielsen folgte ihrem Blick und nickte.
Elba warf ihrem Vorgesetzten einen Blick zu. „Sie wissen, was hier passiert ist, oder?“
Wissen war nicht das Wort, das er präferieren würde.
„Sagen wir, ich habe eine Idee.“
„Eine Idee? Was soetwas machen kann?“
Nielsen nickte stumm.
„Es... ist... völlig... unmöglich!“ murmelte die Wissenschaftlerin, während sie die Wand nach irgendetwas absuchte, das ihr eine Erklärung für das liefern konnte, was hier passiert war. Sie fand nichts.
„Und doch ist es.“
„Ja“, stimmte sie zu, „aber es ergibt keinen Sinn!“ Sie betrachtete das leere Labor. „Hier sollten Computer sein. Messgeräte. Reagenzgläser. Aber es sieht aus, als wäre alles... verschwunden.“ Sie sah Nielsen an. „Und wo sind die Wissenschaftler? Es ist nichts mehr von ihnen übrig geblieben!“ Sie deutete auf ihre Messgeräte. „Nichts!“
„Es sieht nicht aus wie eine Explosion“, murmelte Altman, der gerade seinen Rundgang durch den Rest der Station beendet hatte. „Oder eine Implosion.“
„Denn dann würde es Trümmer geben.“
„Genau.“ Der Major betrachtete den Boden. „Gibt es da eine Richtung?“ fragte er. „Sieht fast so aus, als wäre alles an einen Punkt gezogen worden...“ Sein Blick verharrte an einer festen Wand. „...und die Spur endet im Nichts.“
Captain Nielsen nickte. „Ja, so in etwa habe ich mir das vorgestellt.“
„So in etwa haben Sie sich was vorgestellt?“
„Das, was hier passiert ist.“
„Und was war das?“
„Ein wissenschaftlicher Durchbruch. Vielleicht der wichtigste, den es jemals gab. Wir müssen sofort von hier verschwinden!“
Als sie die Brücke der Berlioz betraten, gab der Kapitän direkt eine klare Anweisung.
„Waffen scharf machen!“
Alle sahen ihn erschrocken an.
„Aber... die Tong werden wissen, dass wir es gewesen sind.“
„Es wäre schlimmer, wenn sie wüssten, was dort unten passiert ist!“ zischte der Captain. „In dem Labor dort wurde eine wissenschaftliche Entdeckung gemacht, die uns alle vernichten könnte – und die den Tong niemals in die Hände fallen darf. Wenn ihr Schiff hier eintrifft, dürfen sie nur einen Krater vorfinden, aber nichts von dem, was wir hier gesehen haben.“
„Ich bin nichtmal sicher, was wir hier gesehen haben.“
„Glauben Sie mir, die Tong wären es. Denn sie verfolgen das gleiche Ziel wie wir.“ Er sah Altman an. „Wir haben alle Computer, Speicher und Aufzeichnungsgeräte aus der Station entfernt?“
„Ja.“
„Gut. Mit etwas Glück finden sie nie heraus, warum wir hier waren. Lassen wir es so aussehen, als wollten wir einen unserer Wissenschaftler befreien und als wäre das verdammt schief gegangen, so dass wir in unserer Verzweiflung die gesamte Station zerstört haben.“
„Okay.“
Der Major setzte sich an die Steuerung der Waffen. Er machte ein paar Warnschüsse in das Gestein, gab ein paar Schüsse auf unwichtige Teile der Station ab und nickte. „Ich denke...“
„Und jetzt zerstören Sie soviel von dem Mond wie möglich. Setzen Sie alles ein, was wir haben. Die Atome der Station müssen so weit verstreut sein, dass niemand merken wird...“
„...dass was fehlt?“
„Genau. Denn wenn sie das sehen könnten, was wir gesehen haben, würden sie sicher zu den gleichen Schlussfolgerungen kommen wie wir.“
„Und die wären?“
„Katastrophal!“ Nielsen sah auf den Hauptbildschirm. „Feuer!“
Die Berlioz feuerte mit allem, was sie hatte und die Zerstörung auf dem kleinen Mond wurde so groß, dass niemand mehr hätte feststellen können, was sich auf ihm befunden hatte.
„Die Tong nähern sich“, meldete Monroe.
„Dann wird es Zeit hier zu verschwinden! Bringen Sie uns aus dem System und dann mit voller Geschwindigkeit weg von hier!“
Nachdem sie das Trümmersystem hinter sich gelassen hatten, berief der Kapitän eine Besprechung mit seiner Führungsspitze ein. Die Neugier stand in die Gesichter seiner Offiziere geschrieben.
„Ich weiß, dass Sie Fragen haben.“
„Das ist noch untertrieben“, murmelte Elba.
„Die Frage ist: Haben Sie Antworten“, meinte Monroe.
„Nein“, widersprach Altman. „Die Frage ist, ob er sie uns gibt. Denn ich bin ziemlich sicher, dass er welche hat.“
Sie sahen den Kapitän aufmerksam an.
„Major Altman hat völlig recht“, bestätigte er.
„Ich weiß nicht, ob mich das beruhigt“, seufzte Elba.
„Das sollte es nicht. Nichts hiervon sollte Sie beruhigen“, erklärte der Captain. „Die Ausmaße von dem, was heute hier passiert ist, sind im Moment noch gar nicht abzusehen. Und wir wissen noch nichtmal, ob uns die Aufzeichnungen, die wir mitgenommen haben, überhaupt weiterhelfen werden.“
„Wobei?“ wollte die Wissenschaftlerin wissen.
Nielsen seufzte.
„Sie wissen, was der größte Durchbruch in der Geschichte der Raumfahrt war?“
„Die Antigravitation?“
„Ja.“ Er nickte. „Sie hat es uns ermöglicht, nahezu unendliche Geschwindigkeiten zu erreichen. Aber auch das hatte natürliche Grenzen. Seit den ersten Tests hat man einen Weg gesucht, diese Grenzen zu... umgehen. Und man hat sich einer alten Theorie bedient. Oder einer Phantasie, wenn Sie einige Wissenschaftler fragen, einer Wunschvorstellung. Aber wenn diese Theorie eine Grundlage in der Realität hätte, so glaubte man, würde man damit viele Probleme auf einen Streich lösen.“
„Und neue schaffen?“
„Tut das nicht jede revolutionäre Theorie, die sich als richtig erweist?“
„Was hat das mit dem verschwundenen Wissenschaftler zu tun?“
„Er hat an einer solchen Theorie gearbeitet. An einer sehr... bestimmten Theorie. Und dann sind ein paar merkwürdige Dinge passiert.“ Nielsen ließ sich auf einem der Stühle nieder. „Es schien so, als stünde er kurz vor dem Durchbruch. Doch dann schien er auf einen Widerstand gestoßen zu sein, den er nicht überwinden konnte... jedenfalls nicht mit den technischen Dingen, die uns zur Verfügung stehen.“
„Aber den Tong schon?“
„Vielleicht war das seine Hoffnung. Vielleicht tun wir ihm aber auch Unrecht und er ist nicht übergelaufen und die Tong haben ihn tatsächlich entführt. Wir wissen mit Sicherheit, dass er daran gearbeitet hat. Und wir wissen, dass die Tong daran arbeiten. Vielleicht haben sie ihn deshalb beobachtet? Vielleicht haben sie bemerkt, wie nah er der Lösung war und haben ihn entführt? Möglicherweise aber hat er auch nur gemerkt, dass er die Lösung mit dem Wissen, das die Menschheit erlangt hat oder mit unseren technischen Möglichkeiten, nicht erreichen wird und ist deshalb zum Feind übergelaufen.“ Der Kapitän seufzte. „Leider scheint alles für diesen Weg zu sprechen. Szyszka war sehr... besessen von seiner Arbeit. Der Krieg hat ihn nicht interessiert. Alles, was er wollte, war, sein Ziel zu erreichen, koste es, was es wolle. Er wird alles daran gesetzt haben, seine Theorie zu beweisen und den Durchbruch zu schaffen, der niemandem vor ihm gelungen ist... und dafür brauchte er die Technik des Feindes.“
„Auch auf die Gefahr hin, dass der Feind diesen Durchbruch gegen uns verwendet?“
Nielsen nickte.
„Es sieht leider ganz so aus. Wir haben Hinweise gefunden, dass er mit den Tong Verbindung aufgenommen hat. Natürlich könnten die gefälscht sein.“
„Hätten die Tong das nicht als Propaganda genutzt? Dass einer unserer Wissenschaftler zu ihnen übergelaufen ist?“
„Einer, der an einem höchst geheimen Projekt arbeitet, von dem die Tong nicht wollen, dass jemand davon erfährt?“ Der Captain schüttelte den Kopf. „Wohl eher nicht.“ Ihm kam eine Idee. „Sollten die Tong mit dem, was sie dort vorfinden, nicht zufrieden sein und weitere Untersuchungen anstellen, werden wir eine Nachricht durchsickern lassen.“ Er wandte sich an seinen Geheimdienstoffizier. „Wir werden in einem Code, von dem wir sicher sind, dass ihn die Tong wenig später knacken werden, eine Meldung ans Hauptquartier schicken, dass der Plan mit dem Doktor aufgegangen ist und dass der Doktor unserer Meinung nach alle Fehlinformationen, die wir ihm gegeben haben, an den Feind weitergegeben hat, so dass dessen Arbeit um Jahre zurückgeworfen wird. Um zu verhindern, dass der Feind dahinter kommt, haben wir, wie geplant, die Forschungsstation zerstört und alle Spuren, die darauf hindeuten könnten, dass der Doktor mit Falschinformationen versorgt worden war, ausgelöscht.“
Major Altman nickte.
„Könnte funktionieren.“
„Und was passiert jetzt?“ wollte die Wissenschaftlerin wissen.
Der Kapitän sah in die Runde.
„Ich hoffe wirklich, wir können aus den Aufzeichnungen in Erfahrung bringen, wie der Doktor das letzte Problem gelöst hat – und vielleicht können unsere Wissenschaftler das dann ebenfalls schaffen.“
„Aber... hat er das denn?“
Nielsen lächelte.
„Oh ja, das hat er.“
„Woher wollen Sie das wissen?“
„Durch die Art, wie das Labor zerstört wurde.“
„Und die wäre?“
„Ich glaube, Dr. Szyszka hatte ein Gerät geschaffen“, begann der Captain. „Ein Gerät, das funktioniert hat. Aber offenbar hat er die Sache nicht so gut durchdacht, wie er hätte sollen.“
„Klingt mysteriös.“
„Klingt ausweichend.“
„Es ist beides“, lächelte Nielsen. „Sie sagten, Sie hätten das Gefühl, als wären alle Gegenstände im Labor zu einem bestimmten Punkt gesogen worden.“
„Ja“, nickte Elba. „Zu einem Punkt... an dem sich nichts befunden hat. Und wo sie sich in Nichts aufgelöst haben, wie es scheint.“ Sie seufzte. „Nicht einmal die Isotope, die Szyszka ausstrahlt, waren noch messbar. Selbst wenn er explodiert wäre oder man ihn mit einem Strahler ausgelöscht hätte, wäre das nicht möglich, denn seine Atome wären ja noch vorhanden, nur eben in einem anderen Zustand. Aber da war nichts davon!“
Nielsen nickte.
„Also wie kann er sich in seine Bestandteile aufgelöst haben und der Rest des Labors mit ihm, ohne auch nur die geringste Spur zu hinterlassen?“
„Das weiß ich nicht... und er hat es nicht!“
„Aber Sie wissen, was mit ihm passiert ist?“
„Ich habe eine Theorie.“
„Würden Sie die bitte mit uns teilen?“
„Nehmen wir an, nur mal als Gedankenexperiment, die Station wäre ein Raumschiff. Und sie befände sich im Weltraum. Und an der Stelle an der Wand, zu der sich scheinbar alles hinbewegt hat, würde plötzlich ein Loch entstehen.“
„Sie meinen, ein Loch in der Außenhaut des Schiffes?“
„Ja.“
„Dann würde der Raum dekomprimieren und alles in den Weltraum hinausgeblasen, was nicht befestigt ist...“
„...bis alle vorhandene Luft entfleucht ist...“
„...und es würde ein Vakuum entstehen!“
Der Captain lächelte.
„Ja“, stimmte Elba zu, „wir haben die Station in einem solchen Zustand gefunden und man könnte den Zustand des Labors damit erklären, dass alles, was sich darin befand, in das Vakuum des Weltraums hinausgesogen oder -geblasen wurde, aber... die Station befindet sich auf einem Mond. Mit einer Atmosphäre. Und es gab noch nichtmal Loch in der Wand!“
„Da haben Sie natürlich recht.“
„Ich höre ein Aber in Ihrer Zustimmung.“
„Was, wenn es ein Gerät gab, das ein solches Loch geschaffen hat?“
„Ein Loch... in den Weltraum.“
Nielsen nickte.
„Das war so zwar nicht ganz der Plan dabei, nehme ich an, aber theoretisch hätte man damit rechnen können, dass genau das passiert.“
„Dass man mit einem Gerät ein Loch in das kalte, tödliche Vakuum des Alls erschafft?“
Wieder nickte der Kapitän.
„Und das Gerät...“
„Ist mit allem anderen durch dieses Loch gesogen worden. Vielleicht wäre der Schaden noch größer gewesen, wenn das nicht passiert wäre, vielleicht wäre dann die ganze Station hineingesogen worden, aber so entwich die ganze Atmosphäre des Labors und alle Wissenschaftler durch diesen... Spalt, der die Maschine, die ihn geöffnet hat, gleich mit hineingezogen hat, wodurch er kollabiert ist und sich wieder geschlossen hat.“
Elba, Altman und Monroe starrten ihren Kapitän mit offenen Mündern an.
„Wollen Sie uns verarschen?“ brach der Steuermann nach einiger Zeit das Schweigen.
Nielsen lächelte.
„Ich wünschte, ich würde. Aber ich fürchte, es hat sich genau so abgespielt. Deshalb mussten wir auch alle Hinweise darauf zerstören. Jetzt glauben die Tong, wir hätten eins von ihren geheimen Labors zerstört, aber wenn sie herauskriegen, was wirklich passiert ist, dann werden sie uns alle töten, um an dieses Geheimnis zu kommen.“
„Und dieses Geheimnis ist?“
„Ein Durchbruch, der die Raumfahrt noch einmal revolutionieren – und uns zum Sieger in diesem Krieg machen kann!“
Der Doktor sah auf. „Es ist ein...“
„...Desaster!“ Der Arzt wischte sich Schweiß und Blut von der Stirn.
Ein müdes Lächeln erschien auf dem Gesicht der Mutter.
Eine dünne Schicht Staub bedeckte die Opfer.
„Zum Glück...“
„...waren es nicht viele...“
„...war es nicht so schlimm wie beim ersten Mal...“
„Jetzt müssen wir...“
„...sehen, was die Zukunft bringt!“
Es war ein Schicksalstag. Nicht der schlimmste, den der Mars gesehen hatte, seit die Menschen ihn besiedelt hatten, aber einer, der im Gedächtnis bleiben sollte. Die Sonne streichelte sanft den roten Sand und bot einen dieser spektakulären Sonnenaufgänge, wie man sie nur auf dem Mars erleben konnte. Doch die Schönheit des Augenblicks wurde von einem Donnern erschüttert. Kurz hintereinander wiederholte sich dieses Beben, das durch Luft und Boden gleichermaßen darauf aufmerksam machte, dass gerade etwas geschehen war, etwas unglaubliches...
...wie eine Geburt. Auf der anderen Seite des roten Planeten kam während dieses erschütternden Ereignisses ein Kind zur Welt, ein Junge. Als wüsste er um die Ereignisse des Tages, begann er umgehend zu schreien.
Seine Mutter überraschte das nicht. Schon vor seiner Geburt hatte er auf sie den Eindruck gemacht, als wäre er ein rabiates und ungeduldiges Kind, kein Wunder, dass er eine Woche früher kam als vom Arzt prognostiziert.
„Er ist gesund“, sagte der Doktor.
„Und er hat gute Lungen“, lächelte die Mutter.
Der Arzt sah das kleine Mädchen an, das ihnen voller Neugier zusah.
„Du hast jetzt ein Brüderchen“, sagte er zu ihr.
„Und wie soll er heißen?“ fragte sie.
„Eine gute Frage“, lächelte der Mediziner und blickte zur Mutter. „Mrs. Nielsen, haben Sie sich schon Gedanken gemacht?“
„Kurt“, antwortete sie – und als hätte er sie verstanden und wollte sein extremes Missfallen über die Entscheidung zum Ausdruck bringen, wurde das Geschrei noch lauter!