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DER TEUFELSCODE (Ein spannungsgeladener Remi Laurent FBI Thriller - Buch 3) ist Buch Nr. 3 einer neuen Serie der Krimi- und Thriller-Autorin Ava Strong, die mit DER TODESCODE (Buch Nr. 1) beginnt. FBI Special Agent Daniel Walker, 40, bekannt für seinen Killerinstinkt bei der Verbrecherjagd, seine Gerissenheit und eine Vorgehensweise, die nicht immer so ganz regelkonform ist, wird von der Behavioral Analisys Unit des FBI zu der neuen Spezialeinheit für Antiquitätenraub versetzt. Die neue Einheit, die gegründet wurde, um unbezahlbare Relikte auf der ganzen Welt aufzuspüren, tappt ziemlich im Dunkeln, wenn es darum geht, wie man das Verhalten eines Mörders analysiert und in seinen Kopf eindringt. Remi Laurent, 34, brillante Geschichtsprofessorin an der Georgetown-Universität, ist die weltweit führende Expertin für obskure historische Artefakte. Als das FBI sie um Hilfe bei der Suche nach einem Mörder bittet, ist sie überrascht und findet sich kurz darauf in einer unfreiwilligen Partnerschaft mit dem ruppigen amerikanischen FBI-Agenten wieder. Special Agent Walker, mit seiner Fähigkeit, in die Köpfe von Mördern einzudringen und Remi Laurent, mit ihrer unvergleichlichen Expertise sind ein höchst ungleiches Duo und das Einzige, was sie verbindet, ist ihre Entschlossenheit, die Hinweise zu entschlüsseln und einen Mörder zu stoppen. In Italien wird ein Amerikaner ermordet aufgefunden, scheinbar das Opfer eines potenziellen Serienmörders, der von antiken Kirchenrelikten besessen ist. Die Antiquitäten-Einheit des FBI wird zu Hilfe gerufen. Special Agent Walker weiß, dass er Remis unerschöpflichen Reichtum an Wissen braucht, um das scheinbar unentzifferbare Rätsel zu entschlüsseln, das sie in einem wilden Rennen quer durch Italien führt, von den Geheimnissen des Vatikans zu vergessenen Kirchen in der Toskana. Gemeinsam müssen sie den Hinweisen folgen, die sie durch die Jahrhunderte der Kirchengeschichte führen, und das Rätsel lösen, bevor der Mörder erneut zuschlägt. Aber können sie das Rennen gegen die Zeit gewinnen oder werden sie zu spät kommen? Die REMI LAURENT-Reihe ist eine fesselnde Krimiserie, in dessen Zentrum die unwahrscheinliche Partnerschaft zwischen einem verbitterten FBI-Agenten und einer brillanten Historikerin steht. Die Geschichte ist voller Spannung und Enthüllungen, die Sie bis spät in die Nacht wachhalten werden. Weitere Bücher aus der Reihe werden bald erhältlich sein.
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Seitenzahl: 368
Veröffentlichungsjahr: 2022
der teufelscode
(ein remi laurent fbi-thriller—buch 3)
a v a s t r o n g
Ava Strong
Die Debütautorin Ava Strong ist Autorin der REMI LAURENT-Krimireihe, die aus sechs Büchern besteht (weitere folgen), der ILSE BECK-Krimireihe, die aus sieben Büchern besteht (weitere folgen) und der STELLA FALL-Psychothriller-Reihe, die aus sechs Büchern besteht (weitere folgen).
Als begeisterte Leserin und lebenslange Liebhaberin des Krimi- und Thriller-Genres freut sich Ava darauf, von Ihnen zu hören. Besuchen Sie www.avastrongauthor.com, um mehr zu erfahren und mit Ava Kontakt aufzunehmen.
Copyright © 2021 by Ava Strong. Alle Rechte vorbehalten. Vorbehaltlich der Bestimmungen des U.S. Copyright Act von 1976 darf kein Teil dieser Publikation ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder übertragen oder in einer Datenbank oder einem Abfragesystem gespeichert werden. Dieses eBook ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch lizenziert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch mit einer anderen Person teilen möchten, kaufen Sie bitte für jeden Empfänger ein zusätzliches Exemplar. Wenn Sie dieses Buch lesen und Sie es nicht gekauft haben, oder es nicht nur für Ihren Gebrauch gekauft wurde, dann senden Sie es bitte zurück und kaufen Sie Ihre eigene Kopie. Vielen Dank, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dies ist eine erfundene Geschichte. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder das Ergebnis der Phantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, ob lebendig oder tot, ist völlig zufällig.
BÜCHER VON AVA STRONG
EIN STELLA-FALL-THRILLER
DIE ANDERE FRAU (Buch #1)
DIE ANDERE LÜGE (Buch #2)
EIN SPANNUNGSGELADENER REMI LAURENT FBI THRILLER
DER TODESCODE (Buch #1)
DER MORDCODE (Buch #2)
DER TEUFELSCODE (Buch #3)
EIN ILSE BECK-FBI-THRILLER
NICHT WIE WIR (Buch #1)
NICHT WIE ER SCHIEN (Buch #2)
INHALT
PROLOG
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
KAPITEL EINUNDZWANZIG
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
Basilica di Sant’Agostino, Rom
19:45 Uhr
Gareth Jaxx betrachtete sich selbst als Jäger.
Obwohl viele jüngere Männer mit einem Kichern zur Kenntnis nehmen würden, dass sich der korpulente, fünfzigjährige Mann mit Brille so nannte, zumal er noch nie auf die Pirsch gegangen war oder ein Gewehr in der Hand gehalten hatte, hielt Gareth den Vergleich für mehr als angebracht.
Denn er war nicht auf der Jagd nach Tieren, sondern nach Wissen. Und in dieser Branche war er einer der Besten. Einer, der es nur auf die ganz großen Fische abgesehen hatte.
Gareth war schon auf der ganzen Welt unterwegs gewesen, um sich in alte Bücher zu stürzen und verborgene Wissensschätze ausfindig zu machen. Von den mittelalterlichen koptischen Klöstern Ägyptens bis hin zu den großen Universitäten Europas, von der Library of Congress bis hin zu den Timbuktu-Handschriften hatte Gareth Jaxx einige der obskursten und komplexesten Werke der Welt studiert, um sich jedes noch so schwer zugängliche Wissen anzueignen.
Und doch musste er zugeben, dass er gerade ein wenig ratlos war.
In der Kirchenbibliothek fanden sich einige der seltensten Werke der Theologie des frühen Mittelalters überhaupt. Da die Geschichte der Kirche Sant’Agostino bis ins achte Jahrhundert zurückreichte – womit sie eine der ältesten Kirchen Roms war – und weil sie der Leitung der Benediktiner unterstand, war ihre alte Bibliothek nicht mit der des Vatikans zusammengelegt worden. Deshalb stieß man hier auf Bücher, die man überall sonst vergeblich suchte.
Das hatte bisher allerdings keinen Unterschied gemacht.
Gareth hatte bereits zwei Wochen im Lesesaal der Kirche verbracht, der sich in ihrem Gewölbekeller befand, und seine Augen dabei aufs Äußerste strapaziert, um die winzige, verblichene Handschrift schon längst verstorbener Gelehrter entziffern zu können, weil er hoffte, in ihren lateinischen Schriften das zu finden, wonach er suchte.
Hatte er aber nicht.
Seit vierzehn Tagen hatte er nun bereits allein in diesem kalten, steinernen Gewölbekeller gesessen, während über ihm zigtausende Touristen den Straßen Roms erkundeten, dabei Fotos machten und italienisches Eis aßen. Zunächst war er begeistert davon gewesen, die Predigten aus dem sechsten und siebten Jahrhundert zu lesen, die sich gegen die Irrlehren einer katholischen Kirche richteten, die noch dabei war, ihre Ideologie zu verfestigen.
Er war die Schriften geduldig und akribisch durchgegangen und war dabei sämtlichen darin versteckten Andeutungen und Hinweisen nachgegangen – in der Hoffnung, dabei auch eine Referenz zu finden, die sich auf das Objekt seiner Jagd bezog.
Doch er hatte nichts dergleichen finden können. Zumindest nichts Direktes. Das Buch wurde zwar von einigen Gelehrten erwähnt, doch da es damals bereits zur Irrlehre erklärt worden war, fanden sich in keinem der Dokumente Angaben zu seinem Inhalt oder Informationen zu Ausgaben, die erhalten geblieben waren.
Ganz im Gegenteil. Einige der Gelehrten erwähnten in ihren Schriften sogar, dass gefundene Ausgaben des Buches als Zündholz benutzt worden waren, als man ihre Besitzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt hatte.
In einem Manuskript aus dem Jahre 681 verkündete der Autor zudem: „Gott sei Dank ist jede einzelne Ausgabe dieses verfluchten Buches bereits verbrannt worden. Schon seit Generationen ist man auf keinen Ketzer mehr gestoßen, der ein Exemplar dieses Teufelswerks zu seinem Besitz zählte.“
Gareth konnte das allerdings nicht glauben. Er konnte nicht glauben, dass ein solche wichtiges, weltbewegendes Werk für alle Zeiten verloren sein konnte. In der Vergangenheit war er bereits auf so viele vermeintlich „verlorene“ Texte gestoßen, dass er für ihn nicht mehr infrage kam, aufzugeben, sobald er sich erst einmal auf die Jagd gemacht hatte.
Er hätte sogar sein ganzes Vermögen darauf verwettet, dass in der geheimen Bibliothek des Vatikans ein Exemplar des Buches stand. Dort, wo die Kirche ihre besonders kontroversen Dokumente verwahrte. Doch dann hätte man dieses Exemplar genauso gut dafür verwenden können, um jemandem auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Denn für jemanden wie ihn war die Sammlung des Vatikans genauso weit außer Reichweite wie der Mond. Selbst den meisten Kardinälen und Erzbischöfen gewährte man dort keinen Zugang.
Angesichts seines Werdegangs und seiner Kontakte hätte Gareth Jaxx nicht einmal Zugang zu den öffentlichen, für Touristen zugänglichen Bereichen des Vatikans erhalten, jedenfalls nicht ohne einen gefälschten Ausweis. Einen Menschen mit seinem Hintergrundwissen hätte die Kirche schon an den Toren der Stadt abgewiesen. Immerhin waren die Benediktiner so zuvorkommend gewesen, ihm Zugang zu ihrer Bibliothek zu gewähren. Das Opus Dei und einige der anderen konservativen Gruppierungen innerhalb der katholischen Kirche beantworteten nicht einmal seine E-Mails.
Geistesabwesend schob Gareth seinen linken Ärmel hoch und kratzte sich an der Innenseite seines Handgelenks, wo ihm der Buchstabe P in gotischer Schrift auf die Haut tätowiert worden war. Das war eine seiner Angewohnheiten, wenn er tief in Gedanken versunken war. Allerdings kratzte er sich dort nur, wenn er allein war.
Dann tönte der leise Hall sanfter Schritte durch den kühlen Keller, woraufhin er sich den Ärmel rasch wieder herunterzog und sich umdrehte. Am anderen Ende des Raumes war Bruder Lucco damit beschäftigt, die Kerzen vor den Ikonen der Jungfrau Maria, des Heiligen Benedikt und des Heiligen Augustin anzuzünden. Das Dunkelblau seiner Kutte passte gut zu den tristen Farbtönen, die der Maler für seine Ikonen verwendet hatte.
„Es ist schon spät, Signore Jaxx“, sagte der Mönch auf Italienisch, als ihm auffiel, dass Gareth ihn ansah.
Der rieb sich daraufhin seine müden Augen.
„Stimmt“, erwiderte er mit einem Seufzer. Außerdem fiel ihm plötzlich auf, welchen Hunger er hatte. Und dass ihm der Rücken wehtat. Und der Nacken. Die zwölf Stunden, die er über Manuskripte des Mittelalters gebeugt verbracht hatte, waren an seinem Körper nicht spurlos vorübergegangen. Insbesondere an seinen Augen.
Nach einem leckeren Teller Nudeln mit einer Karaffe Wein dazu würde es ihm sicher schon besser gehen. Danach würde er sich in seinem Hotelzimmer entspannen und dabei über sein Handy Musik von Beethoven abspielen, bevor er schließlich früh ins Bett gehen würde. Morgen früh konnte er sich dann wieder bei alter Frische auf die Jagd machen.
Gareth stand auf, streckte sich und verstaute seine Notizen in seiner ledernen Brieftasche. Er machte sich nie auf einem Computer Notizen, denn Computer konnte man hacken. Am anderen Ende es Raume sprach Bruder Lucco mittlerweile vor den Ikonen ein Gebet.
Als der Forscher an ihm vorbeikam, stellte der Mönch ihm eine Frage: „Haben Sie gefunden, wonach Sie suchen, Signore Jaxx?“
„Ich bin auf sehr viele interessante Details gestoßen, Bruder Lucco“, sagte Gareth in einem höflichen Tonfall, bevor er sich zum Gehen abwandte. Die Benediktiner waren gute Menschen und Bruder Lucco war bisher recht freundlich zu ihm gewesen, aber es schadete dennoch nicht, vorsichtig zu bleiben.
Denn die Kirche hatte überall Augen und Ohren.
Gareth ging durch eine kleine Tür, die ihn zu einer engen Treppe unterhalb einer niedrigen, gewölbten Decke führte.
Nachdem er ihre abgenutzten Stufen hinaufgegangen war, kam er in die Kirche. Hier brannten nur einige wenige Kerzen, deren Schein die gewölbte Decke kaum erreichte – und das, obwohl die Kirche Sant’Agostino so viel kleiner war als die meisten der später errichteten Gotteshäuser dieser Stadt. An den Ikonen und Seitenaltären, die sich hier oben fanden, ging Gareth vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Dabei wären sie für Wissenschaftler, die sich mit dem frühen Mittelalter auseinandersetzten, sicher von großem Interesse gewesen. Doch das, wonach er suchte, würde sich hier nicht finden. So kühn war keine Kirche.
Er hörte, wie Bruder Lucco ihm folgte, um hinter ihm abschließen zu können. Außer ihm war niemand sonst hier. Gareth drehte sich nicht zu dem Mönch um. Er wollte sich nicht in ein Gespräch verwickeln lassen.
„Gute Nacht, Bruder Lucco“, sagte er, nachdem er am Haupttor der Kirche angekommen war. Es machte ihm einige Mühen, das schwere, mit Metall gebänderte Tor zu öffnen.
„Gute Nacht, Signore Jaxx.“
Gareth trat in die warme Frühlingsnacht hinaus. Auf der Westseite des Himmels über ihm waren noch die letzten, dunkelblauen Züge der Abenddämmerung zu erkennen. Aber auch einige Sterne standen bereits am Himmel, deren Schein der schlechten Straßenbeleuchtung dieser vernachlässigten Hintergasse Konkurrenz zu machen suchte.
Der Forscher hielt vor der Kirche kurz inne, um sich seinen Pullover auszuziehen. Hier draußen war es mindestens fünfzehn Grad wärmer, als es dort unten im Keller gewesen war. Er klemmte sich den Pulli unter den Arm, atmete tief durch, setzte ein Lächeln auf und ging dann die Straße entlang. Er kannte ein nettes kleines Restaurant, das nicht weit von hier entfernt war, in dem er essen konnte. Wenn er an der nächsten Ecke links abbog, würde er zu einer Hauptstraße kommen, die ihn in etwa fünf Minuten zu diesem Restaurant führen würde.
Doch er entschied sich für einen anderen Weg, der ihn durch die schmalen, verwinkelten Gassen führte, die die meisten Menschen mieden. Zu dieser späten Stunden würden sich sowohl Touristen als auch Anwohner, die sich amüsieren wollten, an die besser beleuchteten Hauptstraßen und die daran gelegenen Bars und Restaurants halten. Zu viel Lärm. Zu viele Menschen. Gareth zog Stille und Einsamkeit vor. Die kleinen Nebenstraßen, die zwar mit Gebäuden aus dem neunzehnten oder achtzehnten Jahrhundert gesäumt waren, aber noch immer den Verlauf der Straßen aus der Zeit der Gründung der Kirche Sant'Agostino widerspiegelten, würden ihn in Ruhe und Frieden zu dem Restaurant führen – und ihn dabei nur einige wenige zusätzliche Minuten kosten.
Also spazierte er weiter die Gassen entlang und nun, da er wieder an der frischen Luft und in Bewegung war, verflog allmählich der Frust, der sich über den Tag hinweg in ihm aufgestaut hatte. Für eine Weile war er ganz allein, doch dann hörte er hinter sich Schritte, weshalb er sich kurz umdrehte.
Doch in der schlecht beleuchteten Gasse konnte er niemanden erkennen.
Gareth zuckte mit den Achseln. Wahrscheinlich war da gerade ein Anwohner auf dem Heimweg – oder auf dem Weg zum Abendessen, genau wie er selbst.
Einen Augenblick später kam er an einem älteren Herren vorbei, der mit seinem Hund Gassi ging. Die Schrittgeräusche verstummten. Gareth bog um eine Straßenecke. Plötzlich begann der Hund zu bellen. Sein Besitzer ermahnte ihn in verärgerten Italienisch zur Ruhe.
Gareth ging weiter. Ihm kam jetzt schnellen Schrittes eine junge Frau entgegen, ihre Handtasche hatte sie fest umklammert und ihre High Heels klapperten auf dem Kopfsteinpflaster.
Gareth wich ihrem Blick aus. In der Gegenwart von Frauen hatte er sich schon immer unwohl gefühlt, in Situationen wie dieser war das erst recht der Fall. Sie war ganz offensichtlich angespannt, weil sie nachts draußen allein unterwegs war. Sollte er vielleicht die Straßenseite wechseln, damit sie sich wohler fühlte? Nein, das würde ihr womöglich seltsam vorkommen, weshalb sie dann nur noch nervöser werden könnte. Aber wenn er auf dieser Straßenseite blieb, bedeutete das, dass sie direkt an ihm vorbeigehen musste.
Angespannt versuchte er, ihrem Blick noch auffälliger auszuweichen, während er weiter direkt auf sie zuging. Vielleicht sollte er seine Notizen hervorholen und darin herumblättern? Das würde Verbrecher garantiert nicht tun. Aber wenn er seine Tasche öffnete, dann würde sie möglicherweise befürchten, dass er darin nach einer Waffe suchen wollte.
Ach, das war alles so kompliziert! Texte in altem Latein machten ihm wesentlich weniger zu schaffen.
Noch bevor Gareth zu einer Entscheidung gekommen war, zog die Frau – und der Duft ihres Parfums – an ihm vorbei. Gareth atmete den zarten Duft ein und dachte darüber nach, wie schön es wäre, seine Arbeit mit jemandem teilen zu können. Am besten mit einer Person, die sich auf Altgriechisch spezialisiert hatte, als Ausgleich für seinen Fokus auf das Lateinische. Und hübsch sollte sie natürlich sein. Gesellig. Eine Frau, die wusste, wie man sich auf Partys verhalten musste. Die ihm dabei helfen würde, etwas mehr aus sich herauszugehen.
Gareth hatte nun ein trauriges Lächeln auf den Lippen. Dazu würde es niemals kommen.
Die Schritte der Frau wurden schneller. Hatte er ihr Angst gemacht?
Als die Schritte nicht mehr zu hören waren, kehrte wieder Stille ein. Vor sich konnte er die Straßenecke sehen, an der er ein letztes Mal abbiegen musste. Die Beleuchtung der Hauptstraße, die sich etwa neunzig Meter hinter dieser Kreuzung verbarg, sorgte dafür, dass es dort ein wenig heller war als an anderen Stellen dieser Gasse. Ein leckeres Nudelgericht und eine Karaffe Wein würden seine Stimmung sicher ebenfalls aufhellen.
Doch dann hörte Gareth, wie sich ihm von hinten mit schnellen Schritten jemand näherte.
Er drehte sich hastig um, denn er hatte plötzlich Angst, doch der Mann kam so schnell auf ihn zugestürzt, dass er seine Gesichtszüge nicht mehr erkennen konnte.
Ein unglaublich starker Arm schleuderte ihn mit Wucht gegen die Haustür eines Gebäudes, als sein Kopf gegen das Holz der schweren Tür knallte, versetzte ihn das kurzzeitig in Schockstarre.
Ehe er sich versah, war ihm eine Schnur um den Hals gelegt worden, die sich zusammenzog und ihm den Atem abschnitt. Ein Knie drückte sich in seinen Rücken, wodurch seine Wirbelsäule schmerzhaft überdehnt wurde, der Druck auf seine Kehle vergrößerte sich dadurch noch weiter. Gareth ließ seine Brieftasche und seinen Pullover fallen und begann an der Schnur zu zerren, die ihn strangulierte.
Die Garotte lockerte sich daraufhin ein wenig. Gareth saugte hastig Luft ein.
„Mein Portemonnaie ist in meiner –“
„Dein Geld ist mir egal. Wo ist dein Tattoo?“, fragte eine raue Stimme mit Nachdruck.
„Mein …“ Oh nein. Bitte nicht nach so langer Zeit.
Sein unsichtbarer Angreifer zerrte an der Garotte und riss Gareths Kopf damit zurück.
„Also, wo ist es?“
„Mein Portemonnaie ist in meiner –“
Der Angreifer zog erneut zu. „Du weißt ganz genau, was ich meine. Wo ist es?“
„An meinem linken Handgelenk.“
„Zeig es mir.“
Mit zitternder Hand zog sich Gareth den Ärmel hoch, um dem Mann den gotischen Buchstaben P, gefolgt von einem Punkt, zu zeigen.
„Bitte, ich –“
Das waren die letzten beiden Worte, die Gareth sagen durfte. Das Knie wurde wieder in seinen Rücken gedrückt und der Draht der Garotte grub sich in seinen Hals, ihm wurde die Luft abgeschnitten und er begann zu bluten. Gareth wehrte sich zwar noch, etwa indem er mit den Ellenbogen nach dem Mann hinter ihm ausholte und mit den Füßen zu trampeln begann, aber insgeheim wusste er, dass sein Tod besiegelt war.
Wenn sie es auf dich abgesehen haben, dann kriegen sie dich auch.
Als sein Bewusstsein der ewigen Finsternis wich, dachte Gareth Jaxx nicht an die vielen Bücher, die er geschrieben hatte, oder an die vielen Geheimnisse, die er in mittelalterlichen Manuskripten entdeckt hatte. Er dachte nicht einmal an all die Auszeichnungen, die ihm von seinen Kollegen verliehen worden waren.
Nein, er dachte lediglich an den Duft des Parfums, den er vor einigen Minuten noch eingeatmet hatte.
Georgetown University, am darauffolgenden Tag
Remi Laurent, Gastprofessorin am Geschichtsinstitut der Georgetown University, stand ein schwieriges Gespräch bevor. Sie musste ihren Vorgesetzten darum bitten, sie an diesem Nachmittag in ihrem Unterricht zu vertreten. Denn Remi musste zu einem Meeting mit dem FBI.
Schon wieder.
Bisher war die Universität sehr zuvorkommend gewesen und hatte sie für ihre Zusammenarbeit mit dem FBI stets ohne zu zögern freigestellt. Der Dekan war von der Kooperation regelrecht begeistert und hatte sie außerdem dafür genutzt, mehrere kostenlose Vorlesungen von FBI-Ermittlern für das Kriminologie-Institut herauszuschlagen. Es gefiel ihm auch, dass dadurch ein „Brückenschlag zwischen der akademischen Welt und der Bundesregierung“ gemacht wurde. Übersetzt bedeutete dies, dass er sich Hoffnungen darauf machte, für kommende Semester zusätzliche Fördergelder vom Bund zu erhalten.
Doch der Leiter des Geschichtsinstituts war deutlich weniger begeistert.
Cyril Mullen war nicht nur ihr direkter Vorgesetzter, er war überdies auch ihr Liebhaber.
Und über ihren neuen Nebenjob war er ganz und gar nicht glücklich.
Sie klopfte an Cyrils Bürotür und ihr Herz begann dabei, vor Anspannung schneller zu schlagen. Ihre Beziehung hatte gerade eine schwere Zeit durchgemacht und die Wunden davon waren noch nicht vollends verheilt. Und nun stand sie kurz davor, erneut einen Konflikt auszulösen.
„Herein“, rief Cyril in dem schroffen Tonfall, den er immer dann aufsetzte, wenn er gerade sehr beschäftigt war.
Doch nachdem sie die Tür geöffnet und er gesehen hatte, wer dort geklopft hatte, war seine schroffe Art sofort wieder verflogen.
„Remi“, sagte er mit einem Lächeln und erhob sich dabei. „Komm rein.“
Mit seinen fünfzig Jahren war Cyril zwar zwölf Jahre älter als Remi, aber er sah noch immer wie Anfang vierzig aus. Er hatte einen aufrechten, muskulösen Körper, den er in unzähligen Stunden in der Racquetball-Halle trainiert hatte. Sein wahres Alter ließ sich nur an seinen Sorgenfalten, die er den mit der Leitung eines wissenschaftlichen Instituts verbundenen Anstrengungen zu verdanken hatte, und an seinen graumelierten Haaren erkennen.
Als Remi nicht, wie sie es normalerweise tat, die Tür hinter sich zuzog, verschwand sein Lächeln wieder. Daran konnte er erkennen, dass es sich hierbei um ein geschäftliches Meeting handelte – nicht um eine kurze Knutscherei zwischen den Unterrichtsstunden.
„Was gibt es denn?“, sagte er in einem merklich offizielleren Tonfall und nahm gleichzeitig wieder Platz. Lediglich sein Blick blieb weiterhin sanft, er wanderte zunächst zu ihren Augen und dann über ihren Körper hinweg. Trotz ihrer Anspannung bemühte sich Remi, ihn anzulächeln. Für einen Akademiker mittleren Alters war Cyril ein erstaunlich mannhafter Liebhaber.
Remi hielt kurz inne. Sie schaute zu Cyrils mit Büchern über amerikanische Außenpolitik des neunzehnten Jahrhunderts – viele davon von ihm selbst verfasst – gefülltem Regal, bevor sie sich dazu entschloss, das Pflaster mit einem schnellen Ruck abzureißen.
„Das FBI hat mich darum gebeten, heute Nachmittag an einem Meeting in deren Büro teilzunehmen.“
Cyrils Miene verfinsterte sich. „Wie nett, dass Sie dir so weit im Voraus davon erzählt haben.“
„Ich soll in deren Büro hier in Washington, D.C kommen. Anders als beim letzten Mal muss ich also diesmal nicht nach Quantico fahren. Die waren vorher nur in Quantico ansässig, weil die Leiterin dieser neuen Einheit, für die ich arbeite, dort unterrichtet hat. Jetzt, wo die Antiquitäteneinheit ihre Probephase überstanden hat, sind ihr Büros hier im Hauptquartier in Washington zugewiesen worden.“
„Freut mich sehr für die“, murmelte Cyril grimmig.
„Ich werde nur meinen Kurs um vierzehn Uhr verpassen. Allerhöchstens auch noch den um sechzehn Uhr.“
„Abgesehen von den ganzen Unterrichtstagen, die du verpassen wirst, wenn du dich wieder irgendwo in der Weltgeschichte auf die Jagd nach gefährlichen Kriminellen begibst.“
„Das steht noch nicht fest. Es ist genauso gut möglich, dass ich nur einen Blick auf Fotos einiger historischer Artefakte werfen soll, wie es letzte Woche der Fall war. Da habe ich insgesamt nur drei Stunden dort verbracht.“
Was eine ziemliche Enttäuschung gewesen war. Ich hatte ja gehofft, zu einem neuen Abenteuer aufbrechen zu können. Stattdessen war ich schon am frühen Nachmittag wieder mit Vorlesungen und dem Bewerten von Hausarbeiten beschäftigt gewesen.
„Wenn es um eine solche Kleinigkeit ging, hätten die dir sicher einfach eine E-Mail geschickt“, sagte Cyril.
Stimmt wahrscheinlich. „Es tut mir wirklich leid, Cyril, aber am Telefon hörte es sich so an, als sei es eine ziemlich wichtige Angelegenheit.“
„Also definitiv kein Drei-Stunden-Job, bei dem du dir bloß ein paar Fotos anschauen sollst“, sagte ihr Freund mit einem resignierten Seufzer.
Remi hielt inne. Sie versuchte, sich den in ihr aufsteigenden Frust nicht anmerken zu lassen. Cyrils Sicht der Dinge konnte sie nachvollziehen. Dank der übertriebenen Sittenstrenge, die amerikanischen Universitäten vorherrschte, fiel es ihnen ohnehin schon schwer, genug Zeit miteinander zu verbringen. Ihre ständige Abwesenheit machte die Sache nur noch schlimmer.
Trotzdem ging es noch immer um ihr Leben, nicht um seins.
Wobei er natürlich wollte, dass daraus ihr gemeinsames Leben wurde. Aus seiner Sicht würde ihre Hochzeit zu einem Ende der Streitereien führen und außerdem sicherstellen, dass sie auch nach Ende des akademischen Jahres weiterhin ein Visum mit Arbeitserlaubnis erhalten würde.
Es gab also mehrere triftige Gründe dafür, nicht zum FBI-Hauptquartier zu fahren. Die Hoffnung darauf, erneut in Ermittlungen eingebunden zu werden, die mit der Verbrecherjagd verbundene Aufregung, die Gelegenheit, der Gesellschaft eine echte Hilfe sein zu können – das waren die Gründe, die dafür sprachen, zum FBI zu fahren.
Und diese Gründe wogen für Remi schwerer.
„Findest du jemanden, der mich vertreten kann?“, fragte sie Cyril. „Wir bräuchten nur jemanden für die Vorlesung zum Symbolismus in der Kunstgeschichte. Germaine könnte das übernehmen. Sie hat eine wundervolle Vorlesung zu griechisch-orthodoxen Ikonen mitsamt einer vollständig ausgearbeiteten PowerPoint-Präsentation. Die hat sie bereits mehrfach gehalten, deshalb würde sie keine weitere Vorbereitungszeit brauchen. Der Kurs zur Politik der italienischen Renaissance ist nur für höhere Semester. Denen kann ich einfach per E-Mail mitteilen, dass sie an ihren Hausarbeiten arbeiten sollen.“
Cyril schnaubte. Und schaute aus dem Fenster. Einen Augenblick lang sagte er nichts und als er dann doch das Wort ergriff, hörte er sich sehr nachdenklich an.
„Als du von der Jagd nach dem Kryptex-Mörder zurückgekommen bist, warst du wie ein anderer Mensch. Du bist überhaupt nicht mehr zur Ruhe gekommen. Hast wie am laufenden Band geredet. Ich dachte, das wären nur die Nachwirkung davon, dass du dich in solch große Gefahr begeben hast und es ist zwar mit der Zeit wieder besser geworden, aber ganz weggegangen ist es noch immer nicht. Und dann kam der zweite Fall, für den du nach Italien musstest. Damit bin ich falsch umgegangen. Ich war gemein und unhöflich zu dir und das tut mir leid. Aber nachdem du von diesen Ermittlungen zurückgekommen warst, bist du noch distanzierter geworden. Nicht nur mir gegenüber, sondern allen gegenüber. Bei unseren Lehrbesprechungen bist du meist vollkommen geistesabwesend. Und bei Stevens Cocktailparty letzte Woche hast du kaum ein Wort hervorgebracht. Es fühlt sich so an, als wärst du gar nicht mehr richtig hier. In Gedanken bist du immer ganz woanders. Wenn sich das noch ein drittes Mal verschlimmert, verliere ich dich bestimmt für immer.“
Remi warf einen Blick über ihre Schulter, um sicherzugehen, dass sie aus dem Flur nicht beobachtet wurden, dann griff sie nach seiner Hand.
„Du verlierst mich nicht, Cyril. Du weißt doch, wie wichtig du mir bist. Aber ich muss das einfach tun.“
Sie hielten ihre Hände fest umschlungen, bis Schrittgeräusche aus dem Flur sie dazu veranlassten, einander loszulassen.
* * *
Drei Stunden später saß Remi im Büro von Keiko Ochiai, stellvertretende Direktorin der Antiquitäteneinheit des FBI. Ihr Eckbüro war kühl und bequem eingerichtet. Remi ließ sich auf einen gut gepolsterten, ergonomischen Stuhl vor dem aufgeräumten Schreibtisch der Direktorin fallen und bewunderte die Schwarz-Weiß-Fotos von Rindern und Rancharbeitern, die die Wände schmückten. Diese Bilder waren das Ergebnis von Mrs. Ochiais Hobby, dem Fotografieren der Ranch ihres Vaters und deren unmittelbarer Umgebung im westlichen Texas.
„Schön, Sie wiederzusehen, Professor Laurent“, sagte Direktorin Ochiai mit ihrem gewohnten texanischen Akzent, an den sich Remi noch immer nicht so recht hatte gewöhnen können. Wenn sie die Augen schloss, stellte Remi sich vor, eine weiße Frau mit Kautabak zwischen den Zähnen und einer Schrotflinte in der Hand vor sich sitzen zu haben, keine Asiatin mittleren Alters in einem teuren Business-Anzug.
„Es freut mich ebenfalls. Wo ist denn Daniel? Also, ich meine natürlich Agent Walker?“
“Er unterstützt einige Kollegen bei ihren Ermittlungen. Im Moment gibt es in unserer Einheit nichts Dringendes zu erledigen, aber so wie sich die Dinge in den ersten Monaten unserer Zusammenarbeit entwickelt haben, glaube ich nicht, dass das lange so bleiben wird. Deshalb wollte ich mit Ihnen über Ihren Status beim FBI sprechen.“
„Über meinen Status?“ Remi war nicht bewusst, dass sie überhaupt einen Status beim FBI hatte. Sie war zweimal bei komplexen Ermittlungen als zivile Beraterin aufgetreten, darüber hinaus ein weiteres Mal bei einem weniger komplexen Fall, aber wenn sie nicht gerade für das FBI arbeitete, war sie eine ganz gewöhnliche Zivilistin.
Eine französische Zivilistin, deren Visum mit Arbeitserlaubnis am Ende des nächsten Semesters auslaufen würde. Dann musste sie zurück an die Sorbonne, der renommiertesten Hochschule Frankreichs.
Zurück zu einer Arbeit, bei der sie leider nie in Mordermittlungen eingebunden wurde.
„Genau“, fuhr die Direktorin fort. „Ich habe mit meinen Vorgesetzten gesprochen und wir sind der Auffassung, dass Sie sich als großartige Verstärkung für das FBI erwiesen haben. Es wäre eine Schande, am Ende des akademischen Jahres nicht mehr auf Ihre Unterstützung zählen zu können. Es wäre allerdings kompliziert, eine Verlängerung Ihres Visums zu erwirken, wenn Sie weiterhin nur in Teilzeit für uns arbeiten würden, deshalb ist das FBI der Ansicht, dass es die beste Lösung wäre, Ihnen eine Vollzeitanstellung anzubieten.“
Remi blinzelte. Zu Beginn des zweiten Falles, an dem sie mit Daniel gearbeitet hatte, hatte sie selbst genau das vorgeschlagen, aber damals war ihr Vorschlag abgelehnt worden. Sie hatte sich bisher kaum Hoffnungen gemacht, dass sich die Haltung des FBI dazu jemals ändern würde.
Wie war es nun also zu diesem Umdenken gekommen?
„Verstehe“, sagte Remi, die plötzlich ein wenig verunsichert war. Sie hatte sich bereits damit abgefunden, weiterhin lediglich eine zivile Beraterin zu bleiben, deshalb brachte es sie jetzt aus dem Konzept, dass ihr unerwarteterweise doch mehr angeboten wurde. „Nehmen Sie mir die Bemerkung nicht übel, aber das ist eine ganz schön drastische Veränderung in der Haltung des FBI im Vergleich zu unserem letzten Gespräch dazu.“
Die Direktorin legte ein Lächeln auf. „Es ist Ihnen gelungen, sie zu überzeugen. Mich hatten Sie bereits nach den Kryptex-Ermittlungen überzeugt. Aber meine Vorgesetzten hatten schlicht nicht damit gerechnet, dass wir es erneut mit einem Serienmörder zu tun bekommen würden, bei denen ihre Fachkenntnisse von Nutzen sein würden. Natürlich ist es sehr unwahrscheinlich, wenn nicht gar ausgeschlossen, dass uns noch ein dritter solcher Fall begegnet, aber unsere Einheit wird regelmäßig in internationale Ermittlungen involviert sein, bei denen ihre Kenntnisse eine große Hilfe darstellen würden. Deshalb passen Sie perfekt zu uns.“
„Würde ich dabei weiterhin mit Agent Walker zusammenarbeiten?“
„Das hat in der Vergangenheit ja bestens geklappt. Daher sehe ich keinen Grund dafür, daran etwas zu ändern.“
Remi atmete langsam aus und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Warum nur erfüllte Ochiais Antwort sie zu gleichen Teilen mit Begeisterung und Schrecken? Daniel war ein ziemlicher Rohling, aber er hatte auch eine fürsorgliche Seite – und eine launische Seite, die er mit viel Mühe hinter seiner rauen Fassade zu verbergen versuchte. Der Mann war mindestens genauso schwer zu verstehen wie die Kryptex, die Remi noch immer nicht entschlüsselt hatte. Sie vermisste ihn und musste oft an ihn denken, wenn sie nicht gerade mit ihm an einem Fall arbeitete. Er war ganz anders als all die höflichen Akademiker, mit denen sie sich normalerweise umgab.
Ochiai schien Remis Gesichtsausdruck lesen zu können, denn sie fügte hinzu: „Ich weiß, dass Sie an Georgetown Verpflichtungen haben, und Agent Walker hat erwähnt, dass Sie Ihr Visum möglicherweise auch auf anderem Wege verlängern lassen können.“ Die Direktorin lächelte sie vielsagend an. „Aber das FBI hätte großes Interesse an einer engeren Zusammenarbeit mit Ihnen.“
„Wenn ich das Angebot ablehne, kann ich dann trotzdem weiterhin als Beraterin für Sie arbeiten?“
„Selbstverständlich. Sie sind ein zu wichtiger Teil unseres Teams, als dass wir Sie verlieren wollten.“
Das zu hören, erfüllte Remi mit Stolz. Dass eine so erfahrene Beamte wie Ochiai sie so ausdrücklich lobte, war in der Tat ein bemerkenswertes Kompliment.
Aber dann wurde Remi von Zweifeln erfasst. Was hatte Cyril noch gleich zu seiner Angst gesagt, sie möglicherweise zu verlieren?
„Dann muss ich ihr Angebot leider dankend ablehnen“, sagte Remi.
Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus und sobald sie ausgesprochen waren, bedauerte Remi sie bereits wieder. Allerdings war sie gleichzeitig auch erleichtert, sie herausgebracht zu haben. Ein Wechsel aus der Wissenschaft zum FBI würde sich als Einbahnstraße herausstellen. Wenn sie auf der neuen Stelle mehr als nur ein paar Jahre verbringen würde, was das FBI mit Sicherheit von ihr erwarten würde, dann würde es das Ende ihrer akademischen Karriere bedeuten. Sie wusste schließlich, wie es war, mit Ermittlungen beschäftigt zu sein. Für ihre Forschung würde ihr dabei nebenbei kaum Zeit bleiben. Und Wissenschaftler, die nicht regelmäßig neue Forschungsergebnisse veröffentlichten, gerieten in der akademischen Welt schnell in Vergessenheit.
All die Mühe, die sie in ihre Lateinkenntnisse und in ihren Aufstieg auf der akademischen Karriereleiter investiert hatte, wäre dann umsonst gewesen.
Zudem musste sie auch an Cyrils Reaktion denken. Sie hasste es zwar, dass seine Gefühle Kontrolle über sie hatten, aber sie liebte ihn, und wenn ein Berufswechsel, von dem sie nicht einmal sicher war, ob sie ihn wirklich wollte, ihrer Beziehung schaden würde, dann war es das nicht wert.
Die Direktorin studierte sie eingehend. Remi wurde bewusst, dass sie ihrer Antwort noch keine Erklärung hinterhergeschickt hatte, weil sie sich in ihren widersprüchlichen Emotionen verloren hatte.
„Ich denke, es wäre für mich am besten, weiter in der Wissenschaft zu arbeiten und nebenbei als zivile Beraterin zu fungieren. Ich … werde auch über dieses Semester hinaus weiter an der Universität Georgetown bleiben, also stehe ich Ihnen weiterhin zur Verfügung.“
Ochiai lächelte wissend. Es handelte sich diesmal um ein sanfteres Lächeln. „Dann sind wohl Glückwünsche angebracht.“
Remi schaffte es, das Lächeln der Direktorin zu erwidern. „Vielen Dank.“
Sie spürte, wie in ihr Anspannung aufstieg. Anderen Menschen davon zu erzählen, dass sie bald heiraten würde – selbst solchen, die Cyril gar nicht kannten –, löste ein Gefühl der Beklemmung in ihr aus.
Aber woran lag das? Cyril konnte zwar launisch und sogar jähzornig sein, aber er war auch ein liebevoller Mensch, ein brillanter Forscher und jemand, der einen Großteil seiner Freizeit wohltätigen Zwecken widmete. Es sprach so viel dafür, ihn zu lieben.
Woher kam also ihre Anspannung? Ihr Zögern?
Diese Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf während sie und Ochiai sich die Hand gaben und Höflichkeiten austauschten. Sie verfolgten Remi den Flur hinunter und bedrückten sie noch immer, als sie bereits wieder im Aufzug stand. In der Tiefgarage huschten sie wie Geister um ihren Kopf herum, weshalb sich ihre hallenden Schritte für Remi wie das spöttische Lachen dieser Geister anhörten.
„Hey.“
Remi stieß einen leisen Schrei aus und blieb erschrocken auf der Stelle stehen, um nicht mit dem Mann zusammenzustoßen, der plötzlich vor ihr stand.
Es handelte sich um Agent Daniel Walker.
Der FBI-Ermittler trug den gewohnten schwarzen Anzug mit Krawatte, der ihm aufgrund seines sehr breiten Kreuzes nur schlecht passte. Sein Bierbauch verstärkte diesen Eindruck zusätzlich. Remi hätte ihm gern Cyrils Schneider vorgestellt, aber natürlich würde er sich darauf nicht einlassen. Für Mode interessierte er sich genauso wenig wie für gesunde Ernährung.
Daniel hatte kurze braune Haare. In seinen braunen Augen, die oftmals unerbittlich dreinblickten, lag derzeit ein sanfter, leicht amüsierter Ausdruck.
„Sind Sie etwa eine Hellseherin oder so was?“, fragte der Ermittler sie.
„Ach, hallo. Wieso Hellseherin?“, sagte Remi, die noch immer etwas durcheinander war.
„Ich wollte Sie gerade anrufen und dann stehen Sie plötzlich vor mir.“
„Oh, ach so. Ich, äh, hatte gerade ein Meeting mit Direktorin Ochiai.“
Daniel sah verwirrt aus. „Aha. Davon wusste ich gar nichts.“
„Weshalb wollte Sie mich denn anrufen?“
Daniel setzte sein typisches verschmitztes Lächeln auf. „Ich möchte Sie zu einem unterhaltsamen Urlaub in Italien entführen.“
„Wie bitte?“
„Dort ist ein Amerikaner unter seltsamen Umständen ermordet worden. Unter sehr seltsamen Umständen. Ich dachte, dass wir uns das mal ansehen sollten. Der Fall ist genau Ihr Ding.“
Remi war sich nicht sicher, was er mit dieser Redewendung sagen wollte. Sie hatte sich noch immer nicht mit amerikanischen Idiomen vertraut gemacht. Im amerikanischen Englisch gab es davon fast genauso viele wie im Französischen.
„Ist die Direktorin damit einverstanden, dass ich mitkomme?“
„Sie wird damit einverstanden sein, sobald ich sie frage. Ich glaube, sie ist mit dem Fall noch nicht vertraut. Wir haben gerade erst davon gehört.“
„Und wann müssten wir los?“
„Jetzt gleich.“
Remi blieb die Spucke weg.
Daniel neigte seinen Kopf zur Seite. „Kann ich das als Einverständnis interpretieren?“
Noch am selben Abend saßen Remi und Daniel in einem Flugzeug nach Rom und gingen gemeinsam den Fall durch. Trotz des langen Fluges und der engen Sitze konnte Remi bereits spüren, wie ihr Herz vor Vorfreude auf ein neues Rätsel, das sie lösen musste, schneller schlug.
Doch weil sie so plötzlich abgereist waren, mischten sich unter diese Vorfreude auch Schuldgefühle. Wie üblich hatte das FBI die Sache mit dem Dekan geklärt, aber Cyril war, in den wenigen Minuten, die sie gemeinsam verbracht hatten, während sie ihre Koffer gepackt hatte, ganz und gar nicht erfreut gewesen.
Das bereitete ihr einige Sorgen, doch Remi sagte sich selbst, dass sie daran nichts ändern konnte, solange sie noch in der Luft waren. Sobald sie gelandet waren, würde sie ihn anrufen, damit er sich ein wenig besser fühlte. In der Zwischenzeit mussten sie sich auf den Fall konzentrieren.
Viel hatte sie darüber bisher nicht erfahren. Daniel wollte ihr erst im Flugzeug mehr davon erzählen, er hatte ihre Vorfreude und Ungeduld wie ein Elternteil genossen, das seinem Kind gesagt hatte, es sollte erst frühstücken, bevor es am Weihnachtsmorgen die Geschenke auspacken durfte.
Jetzt aber durfte sie endlich auspacken. Er legte eine dünne Mappe vor ihr auf den Klapptisch.
„Gareth Jaxx war ein Privatforscher aus –“
„Gareth Jaxx!“, sagte Remi.
„Kannten Sie ihn?“
„Ich habe von ihm gehört, denn sein Ruf eilt ihm voraus. Er war einer der besten unabhängigen Forscher aller Zeiten auf dem Gebiet der Forschung zu lateinischen Texten des frühen Mittelalters.“
„Tatsächlich? Haben Sie ihn je persönlich kennengelernt?“
„Nein. Aber das hätte ich gern. Ich hatte großen Respekt vor ihm. Er hat wirklich Maßstäbe gesetzt und in der Forschung neue Wege beschritten. Aber nein, ich habe ihn nie getroffen. Er war ein ziemlich privater Mensch. Ist nur äußerst selten zu Tagungen gekommen. Aber ich habe viele seiner Veröffentlichungen gelesen.“
Daniel musste grinsen. „Ich wusste doch, dass Sie bei diesem Fall eine Hilfe sein würden. Jedenfalls war Mr. Jaxx zuletzt damit beschäftigt, sich in der Kirche des Heiligen Sankt Augustin in Rom einige alte Bücher anzusehen. Nachdem er die Kirche gestern Abend verlassen hatte, ist er ein paar Straßen weiter erdrosselt worden. Mit einer Garotte. Das ist ein dünner Draht, mit dem –“
„Das ist mir bekannt. Der Begriff kommt aus dem Französischen.“
„Oki-doki. Jedenfalls, er wurde zwar erdrosselt, aber nicht ausgeraubt. Sein Portemonnaie, in dem mehr als zweihundert Euro waren, wurde nicht mitgenommen. Seine ziemlich teure Armbanduhr und sein Handy ebenfalls nicht. Er wurde vor einer Haustür ermordet und dann auf den Rücken gelegt. Der Täter hat ihm das Hemd ausgezogen und es beiseite geworfen. Und jetzt kommen wir zu dem Punkt, bei dem es richtig seltsam wird. Öffnen Sie die Mappe.“
Sie tat, wie ihr geheißen. Darin befand sich ein Foto von der Leiche. Am rechten Handgelenk des Mannes war ein rechteckiges Stück Fleisch herausgetrennt worden.
Remi schnappte nach Luft. Genau wie die Frau, die neben ihr saß.
„Entschuldigung“, sagte sie leise und schloss die Mappe wieder. Die Frau neben ihr wurde ganz bleich im Gesicht. „Eine FBI-Angelegenheit.“
„Die italienische Spurensicherung sagt, dass das Fleisch mit einem Rasiermesser entfernt worden ist.“ Daniel setzte ihre Unterhaltung fort, als wären sie ganz ungestört. „Die Wunde war nicht tief, es ist also eher ein dünnes Stück herausgetrennt worden, wie man es von einem Putenbraten abschneiden würde.“
Es ertönte das Klicken eines Sitzgurtes gefolgt von dem Rascheln von Kleidung. Die Frau neben Remi war aufgestanden und eilte nun zu einer anderen, unbesetzten Sitzreihe.
„Die Wunde war also nicht lebensgefährlich?“, fragte Remi. Dabei setzte sie einen gleichermaßen unbekümmerten Tonfall auf, genau wie ihr Partner es getan hatte. Das war eigentlich ganz lustig.
„Ganz und gar nicht. Außerdem ist ihm die Wunde wohl erst zugefügt worden, nachdem Jaxx bereits ermordet worden war. Die Schnitte waren sehr gerade, was nahelegt, dass Jaxx sich nicht mehr bewegt hatte, darüber hinaus wurde am Tatort nicht viel Blut gefunden. Fällt Ihnen dazu etwas ein?“
„Vielleicht hat der Täter eine Tätowierung oder ein anderes Erkennungsmerkmal entfernt?“, fragte Remi.
Daniel streckte ihr einen erhobenen Daumen entgegen – eine Geste, die ihr Herz erwärmte. Sie hatte keine Ahnung, warum ihr die Anerkennung dieses Mannes so wichtig war, aber sie war ihr definitiv wichtig.
„Bei derartigem Verhalten kann man davon normalerweise ausgehen“, sagte Daniel. „Das habe ich bei anderen Fällen bereits beobachten können. Aber wenn der Täter ein Erkennungsmerkmal entfernen wollte, warum hat er dann das Portemonnaie und das Handy am Tatort zurückgelassen?“
„Gute Frage“, gab Remi zu. Sie dachte einen Augenblick lang darüber nach. „Was ist mit seinen Notizen?“
„Welche Notizen?“
„Sie sagten doch, er hätte die Kirche verlassen, nachdem er dort tagsüber seiner Forschung nachgegangen war. Hatte er irgendwelche Notizen bei sich? Oder einen Laptop?“
„Weder noch. Vielleicht hat er seine Sachen über Nacht in der Bibliothek der Kirche gelassen.“
Remi schüttelte den Kopf. „Das würde Jaxx nicht tun. Er war bekannt dafür, aus seiner Forschung immer ein großes Geheimnis zu machen. Vor der Veröffentlichung seiner Texte hatte nie jemand eine Ahnung, woran er gerade arbeitete.“
„Oh. Worauf hat er sich denn spezialisiert?“
„Auf Irrlehren des frühen Mittelalters.“
„Und hat er dazu viel veröffentlicht?“
„Nicht ständig, aber wenn er etwas veröffentlicht hat, dann hatte seine Arbeit immer eine große Wirkung. Er hatte ein Talent dafür, verloren geglaubte Bücher ausfindig zu machen. Dafür hat er sich in den obskursten Bibliotheken der Welt herumgetrieben.“
„Klingt so, als hätten Sie sich gut mit ihm verstanden.“
„Ich bin ihm, wie gesagt, nie begegnet. Das gilt für die meisten von uns. Aber er war zweifelsohne einer der talentiertesten unabhängigen Forscher der gesamten Geschichtsforschung.“
„Ja, mir ist aufgefallen, dass er an keiner Universität angestellt war. Womit hat er denn sein Geld verdient?“
„Das weiß ich nicht. Vielleicht hat er geerbt.“
„Interessante Theorie“, sagte Daniel und blätterte dabei im Bericht der Spurensicherung herum. „Wie kommt man also auf die Idee, einen Experten für Irrlehren des Mittelalters zu erdrosseln und ihm dann ein Stück Haut abzuziehen?“
Der Mann, der in der Reihe vor ihnen saß, drehte sich zu ihnen herum und starrte sie an. Nachdem Remi seinen Blick erwidert hatte, drehte er sich hastig wieder weg.
Remi verkniff sich ein Kichern. Wenn sie mit Cyril zu einer Konferenz flog, dann zogen sie mit ihren Gesprächen nie solche Aufmerksamkeit auf sich oder sorgten gar dafür, dass jemand den Platz wechselte.
Sie versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie sich darüber amüsierte. Ein Kollege war ermordet worden, und zwar auf schreckliche Art und Weise und aus ungeklärten Gründen. So aufregend die Verbrecherjagd auch sein konnte, es handelte sich dabei dennoch um eine todernste Angelegenheit. Sie waren nicht zu einem Abenteuer aufgebrochen, sondern versuchten, dem Bösen Einhalt zu gebieten.
Und damit ihnen das gelang, mussten sie als allererstes an den Ort fahren, an dem Gareth Jaxx zuletzt gesehen worden war – in der Kirche des Heiligen Sankt Augustin.
* * *
Wie es bei Flügen nach Europa nicht unüblich war, kamen sie in den frühen Morgenstunden in Rom an – gähnend und mit geröteten Augen. Die Kirche hatte noch nicht einmal für Besuch geöffnet, als sie dort ankamen, aber ein Benediktinermönch wartete davor auf sie, um sie hereinzulassen. Er war ein dünner Mann Anfang vierzig mit eingefallenen Wangen, die durch seinen ordentlich gestutzten Bart eher betont als verdeckt wurden.
Remi sprach den Mönch auf Italienisch an.
„Mein Partner und ich sind vom FBI“, sagte sie voller Stolz, obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach. „Ich gehe davon aus, dass Interpol Sie bereits darüber informiert hat, dass wir kommen.“
„Ja, die hatten angerufen. Ich bin Bruder Lucco, der Bibliothekar der Kirche. Der arme Signore Jaxx, Gott hab ihn selig, hatte seit mehreren Tagen in unserer Bibliothek gearbeitet.“
Er gab ihnen die Hand, dann wandte er sich der alten Holztür der Kirche zu und schloss sie mit einem alten Messingschlüssel auf, der länger war als seine Hand. Die Tür öffnete sich mit einem Knarzen, woraufhin sie in das kühle Innere der Kirche traten.
Hier drinnen war das Licht aus. Die Morgensonne, die durch die Buntglasfenster der Ostwand fiel, war die einzige Lichtquelle. Diese Buntglasfenster stammten offensichtlich aus dem 15. Jahrhundert, wohingegen die Kirche selbst aus dem achten Jahrhundert zu stammen schien, auch wenn an einigen Stellen des Gebäudes Änderungen vorgenommen worden waren. Remi schaute sich mit geübtem Blick um, während Bruder Lucco sie das Kirchenschiff hinunter und zu einer Tür führte, die hinter einer Säule in der Nähe des Altars versteckt war. Auf dem Weg dorthin bat sie nicht darum, anhalten zu dürfen, um sich etwas genauer ansehen zu können. Gareth Jaxx war ein Bücherwurm gewesen. Wonach auch immer er gesucht hatte, würde sich nicht hier oben finden.
Sie gingen eine abgenutzte Steintreppe hinunter, die kühle Kellerluft, die ihnen dabei entgegenkam, war nach der italienischen Frühlingshitze eine willkommene Abwechslung. Am Treppenabsatz traten sie durch eine schwere hölzerne Bogentür, die wahrscheinlich schon seit Jahrhunderten dort stand. Danach befanden sie sich im Keller der Kirche.
Remi musste lächeln. Dies war die Art Ort, an dem sie sich wohlfühlte, ihrem verstorbenen Kollegen war es vermutlich ähnlich gegangen. In der Nähe der Tür hingen Renaissance-Ikonen der Jungfrau Maria, des heiligen Augustinus und des heiligen Benedikts an der Wand, vor denen eine Reihe von Votivkerzen stand. In der kühlen Luft des Kellers lag außerdem der Geruch von brennendem Wachs und Weihrauch.
Der Keller hatte eine rechteckige Form, beinahe wie ein breiter Flur. Die Decke war gewölbt und in den Ecken standen einige religiöse Statuen. An einem Ende des Raumes befanden sich mehrere Reihen länglicher Bücherregale, die mit in Leder oder Pergament gebundenen Büchern gefüllt waren. Vor diesen Regalen standen einige Schreibtische. Auf einem dieser Schreibtische lag ein Stapel Bücher. Remi eilte sofort dorthin.
„Hier hat Signore Jaxx gesessen“, erklärte Bruder Lucco unnötigerweise.
„Diese Bücher muss ich mir genauer ansehen“, sagte Remi und nahm dabei am Tisch des Verstorbenen Platz. „Es könnte sein, dass sie in Verbindung mit dem Fall stehen. Jaxx hat mit seiner Forschung einiges an Aufsehen erregt, dabei ist er auch so manchem auf die Füße getreten. Eine andere Erklärung dafür, dass man ihn ermordet hat, fällt mir nicht ein. Falls Ihnen noch weitere Werke bekannt sind, mit denen er sich beschäftigt hat, könnten Sie mir die ebenfalls bringen?“
