Du wirst mir gehören (Ein Megan-York-Thriller – Band 3) - Ava Strong - E-Book

Du wirst mir gehören (Ein Megan-York-Thriller – Band 3) E-Book

Ava Strong

0,0

Beschreibung

Als eine Frau mit verschwommenen Erinnerungen an ihren verstörenden Onkel von vor Jahrzehnten an die Öffentlichkeit tritt, sieht sich die Polizistin und alleinerziehende Mutter Megan York aus einer Kleinstadt gezwungen, einen ungelösten Fall wieder aufzurollen, den ihre Stadt am liebsten vergessen hätte. Als neue Leichen auftauchen, gewinnt der Fall plötzlich an Brisanz. Doch nichts ist so dringend wie Megans Bedürfnis, ihre Familie vor ihrem vorbestraften Ehemann zu schützen. Kann Megan alles bewältigen? Oder wird die Dunkelheit sie einholen? "Die Handlung ist voller Wendungen, aber es ist das völlig unerwartete Ende, das dieses Buch zu einem der fesselndsten macht, die ich seit Jahren gelesen habe."– Leserstimme zu "Not Like Us"⭐⭐⭐⭐⭐ DU WIRST MIR GEHÖREN ist der dritte Band einer lang erwarteten neuen Reihe der Bestsellerautorin Ava Strong, deren Erfolgsroman "NOT LIKE US" (als kostenloser Download erhältlich) über 1.000 Fünf-Sterne-Bewertungen und Rezensionen erhalten hat. Die Krimireihe um Megan York ist ein packender Thriller voller atemberaubender Wendungen und nervenaufreibender Spannung, der eine brillante neue Protagonistin vorstellt und Sie bis zur letzten Seite fesseln wird. Fans von Rachel Caine, Teresa Driscoll und Robert Dugoni werden begeistert sein. Weitere Bände der Reihe sind ebenfalls erhältlich! "Ein gruseliger, spannender Pageturner, der einem nachts den Schlaf rauben könnte!"– Leserstimme zu "Not Like Us"⭐⭐⭐⭐⭐ "Äußerst fesselnd, ich konnte nicht aufhören zu lesen ... Viele Wendungen und ein völlig unerwartetes Ende. Ich kann den nächsten Teil dieser Reihe kaum erwarten!"– Leserstimme zu "Not Like Us"⭐⭐⭐⭐⭐ "Eine Achterbahnfahrt der Ereignisse ... Ich konnte erst aufhören, als ich es zu Ende gelesen hatte!"– Leserstimme zu "Not Like Us"⭐⭐⭐⭐⭐ "Hervorragende Lektüre mit sehr realistischen Charakteren, in die man sich emotional hineinversetzt ... Konnte es nicht aus der Hand legen!"– Leserstimme zu "The Death Code"⭐⭐⭐⭐⭐ "Ein ausgezeichneter Roman, voller Wendungen und Überraschungen, mit einem verblüffenden Ende, das Lust auf den nächsten Band macht! Gut gemacht!"– Leserstimme zu "The Death Code"⭐⭐⭐⭐⭐ "Die Lektüre lohnt sich. Ich kann es kaum erwarten zu erfahren, was im nächsten Buch passiert!"– Leserstimme zu "The Death Code"⭐⭐⭐⭐⭐ "Ich konnte die Geschichte nicht mehr aus der Hand legen! Dieses Buch ist absolut empfehlenswert!"– Leserstimme zu "His Other Wife"⭐⭐⭐⭐⭐ "Die rasante Handlung, der Aufbau der Geschichte und die Charakterzeichnung haben mich wirklich begeistert ... Ich wollte das Buch nicht aus der Hand legen, und das Ende war eine völlige Überraschung."– Leserstimme zu "His Other Wife"⭐⭐⭐⭐⭐ "Die Figuren sind außerordentlich gut entwickelt ... Die Handlung steckt voller Wendungen, die mich im Ungewissen gelassen haben. Eine äußerst gut geschriebene Geschichte."– Leserstimme zu "His Other Wife"⭐⭐⭐⭐⭐ "Eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe ... Das Ende war perfekt und überraschend. Ava Strong ist eine großartige Autorin."– Leserstimme zu "His Other Wife"⭐⭐⭐⭐⭐ "Meine Güte, was für eine Achterbahnfahrt ... Oft war ich mir sicher, den Mörder zu kennen – nur um jedes Mal eines Besseren belehrt zu werden. Das Ende hat mich völlig überrascht. Ich bin begeistert, dass dies der Auftakt einer Reihe ist. Mein einziger Kritikpunkt: Der nächste Band ist noch nicht erschienen. Ich brauche ihn!"– Leserstimme zu "His Other Wife"⭐⭐⭐⭐⭐ "Eine unglaublich intensive, fesselnde und unterhaltsame Geschichte. Sie wird Sie bis zum Schluss in Atem halten."– Leserstimme zu "His Other Wife"⭐⭐⭐⭐⭐

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 293

Veröffentlichungsjahr: 2025

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



DU WIRST MIR GEHÖREN

EIN MEGAN-YORK-THRILLER – BAND 3

Ava Strong

Ava Strong ist die Autorin mehrerer erfolgreicher Thriller-Reihen, darunter die REMI LAURENT-Reihe (sechs Bände), die ILSE BECK-Reihe (sieben Bände), die STELLA FALL-Reihe (sechs Bände), die DAKOTA STEELE-Reihe (sechs Bände), die LILY DAWN-Reihe (fünf Bände) und die MEGAN YORK-Reihe (fünf Bände). Alle Reihen sind noch nicht abgeschlossen.

Als leidenschaftliche Leserin und lebenslange Liebhaberin von Krimis und Thrillern freut sich Ava über Nachrichten ihrer Leser. Besuchen Sie www.avastrongauthor.com für weitere Informationen und um in Kontakt zu bleiben.

Copyright © 2023 Ava Strong. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Werkes darf ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Autorin in irgendeiner Form reproduziert, verbreitet oder übertragen werden, es sei denn, dies ist im Rahmen des US-amerikanischen Urheberrechtsgesetzes von 1976 gestattet. Die Speicherung in Datenbanken oder Abfragesystemen ist ebenfalls untersagt. Dieses E-Book ist ausschließlich für den persönlichen Gebrauch lizenziert und darf nicht weiterverkauft oder an Dritte weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch mit anderen teilen möchten, erwerben Sie bitte für jeden Empfänger ein eigenes Exemplar. Falls Sie dieses Buch lesen, ohne es gekauft zu haben oder es nicht für Ihren persönlichen Gebrauch erworben wurde, geben Sie es bitte zurück und kaufen Sie Ihr eigenes Exemplar. Vielen Dank, dass Sie die Arbeit der Autorin respektieren.

Dies ist ein fiktionales Werk. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder der Fantasie der Autorin entsprungen oder werden fiktiv verwendet. Jegliche Ähnlichkeit mit realen Personen, lebend oder tot, Ereignissen oder Orten ist rein zufällig.

PROLOG

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

KAPITEL SECHS

KAPITEL SIEBEN

KAPITEL ACHT

KAPITEL NEUN

KAPITEL ZEHN

KAPITEL ELF

KAPITEL ZWÖLF

KAPITEL DREIZEHN

KAPITEL VIERZEHN

KAPITEL FÜNFZEHN

KAPITEL SECHZEHN

KAPITEL SIEBZEHN

KAPITEL ACHTZEHN

KAPITEL NEUNZEHN

KAPITEL ZWANZIG

EPILOG

PROLOG

Als Melanie vor wenigen Minuten aus ihrer Bewusstlosigkeit erwachte, kämpfte sie tapfer gegen den Ausbruch einer völligen Panik an.

Schmerz und Verwirrung empfingen sie, als sie die irritierende, unerwartete Helligkeit wahrnahm, die alles umhüllte und ihre Augen zu strapazieren begann, noch bevor sie sie überhaupt geöffnet hatte.

Dieses Gefühl von Schmerz und Verwirrung verschwand nie ganz, selbst als ihr bewusst wurde, dass sie sich im Freien befand, allein und ohne jegliche Erinnerung daran, wie sie dorthin gelangt war.

Langsam dämmerte es ihr: Sie war auf einer Insel. Am Ufer einer Bucht einer kleinen Insel... auf der sie sich nicht erinnern konnte, jemals zuvor gewesen zu sein.

Doch ihre Panik erreichte erst ihren Höhepunkt, als sie ihrem ersten Instinkt folgte: aufzustehen. Der Impuls kam plötzlich, als sie allmählich wieder zu sich kam, und so versuchte sie, sich hastig aufzurichten - nur um ebenso schnell und schmerzhaft wieder zu Boden gerissen zu werden. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Arme mit einer dicken Metallkette fest an den mächtigen Stamm eines Baumes direkt hinter ihr gefesselt waren.

Ihre Panik steigerte sich noch, als sie versuchte, um Hilfe zu schreien, doch stattdessen drang nur ein gedämpftes Stöhnen aus ihrem Mund. Klebeband hielt ihre Lippen fest verschlossen, und weder das verzweifelte Schütteln ihres Kopfes noch das Anspannen ihres Kiefers vermochten es zu lösen.

Als sie sich, so gut es ging, umdrehte, konnte sie niemanden im Wald der kleinen Insel hinter sich entdecken. Vor ihr erstreckte sich nur die matt schimmernde Oberfläche eines Sees. Abgesehen von ihrem Knebel und der Kette gab es keinerlei Spuren eines anderen Menschen. Keine Fußabdrücke im groben Sand ein paar Meter vor ihr. Kein gestrandetes Boot, das erklären würde, wie sie an Land gebracht worden sein könnte.

Kein Essen. Kein Wasser. Nur Verwirrung und ihre rasch wachsende Angst.

Doch selbst nachdem ihr all das klar geworden war und sie beinahe an Hyperventilation erstickt wäre, gelang es Melanie gerade noch, sich an ein paar letzte Hoffnungsfetzen zu klammern.

Vielleicht war es eher eine Art Verhandeln. Die Phasen der Trauer und so weiter. Aber wie auch immer, sie konnte sich gerade so über Wasser halten, indem sie sich verzweifelt an das Wenige klammerte, das ihr noch zu bleiben schien.

Sie wusste nicht mehr, wie sie hierher gekommen war, und all ihre jüngsten Erinnerungen darüber hinaus waren verschwommen und wirr. Vielleicht - so versuchte sie sich einzureden - war das auch gut so. Vielleicht war sie die Erste gewesen, die auf einer verrückten Party ohnmächtig geworden war, und sie war nur das Opfer eines ausgeklügelten Streichs.

Als ihr die abscheuliche Unwahrscheinlichkeit dieses Gedankens bewusst wurde, versuchte sie sich schnell mit einer anderen Idee zu trösten. Sie konzentrierte sich auf einen möglichen Fluchtweg: Solange sie noch klar denken konnte, hatte sie vielleicht eine Chance. So behutsam wie möglich versuchte sie, die Enge ihrer Fesseln zu prüfen, um zu sehen, ob der Knoten der schweren Kette ein wenig nachgab und sie ihn vielleicht lockern könnte.

Doch auch diese Anstrengung blieb fruchtlos. Die Kette war perfekt gewickelt und festgezogen, unerschütterlich fest.

Ihre Familie, ihre Freunde, ihr Freund, dachte sie verzweifelt... Früher oder später mussten sie doch bemerken, dass sie verschwunden war.

Und der winzige Bereich, auf den sie beschränkt war, lag mindestens ein paar Zentimeter über der Wasserlinie. Sie versuchte sich daran zu erinnern, ob Seen Gezeiten hatten, und sie flehte zu Gott, dass es nicht so wäre. Aber sie glaubte nicht, dass sie es taten.

Das war's: Sie musste nur warten, bis jemand sie fand. Sie hatte weder Essen noch Wasser, aber wenigstens würde sie nicht ertrinken, dachte sie. Wenn sie nur durchhalten würde, bis man sie fand...

Eine Träne rann ihr über die Wange.

Sie blickte auf.

Das helle Sonnenlicht, das sie vorhin geweckt hatte, hatte sich auf beängstigend intensive Weise durch die dünne Wolkendecke gebrochen. Inzwischen war es schon fast verblasst.

Eine Flutwelle aus schiefergrauen Wolken hatte seinen Platz eingenommen und löschte alles andere aus, als sie über den Horizont heranrollte. In der Ferne grollte und donnerte es.

Und die Wasserlinie des Sees - als die ersten Regentropfen des Sturms auf ihn trafen - schien bereits anzuschwellen.

KAPITEL EINS

Megan konnte sich kaum noch auf den Beinen halten.

Sie starrte auf den Papierkram, der sich auf ihrem Schreibtisch türmte. Es schien fast, als würden die Seiten zurückstarren und sie verhöhnen.

Sie sehnte sich danach, die letzten Formulare endlich abzuschließen und nach Hause zu ihrer Tochter Emma zu kommen. Das schlechte Gewissen nagte an ihr, weil sie in letzter Zeit so viele Nachtschichten geschoben hatte. Zwar hatte sie es geschafft, seit dem letzten Notfall etwas Zeit für sich zu haben, aber es fühlte sich nie ausreichend an, um all die Male wettzumachen, in denen sie dem Ruf der Pflicht folgen musste, wenn ein Menschenleben in Gefahr war.

Also zwang sie sich, den Stift aufs Papier zu setzen. Sie versuchte krampfhaft, sich an das Prozedere für dieses spezielle Formular zu erinnern.

Doch so sehr sie sich auch bemühte, in der quälenden Stille des Büros konnte sie sich einfach nicht konzentrieren. Immer wieder schweiften ihre Gedanken zu Spencer ab.

Ihr Ex-Mann und Emmas Vater. Der Geist, der sie nicht losließ.

Es wäre so viel einfacher gewesen, wenn er sich als unverbesserlicher Psychopath entpuppt hätte. Aber das war er nicht.

Sie hatte ihn wirklich geliebt... einst. Spencer war Emmas Vater, weil Megan damals geglaubt hatte, sie würde den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen.

Das Schlimmste war, dass sie seit seiner Entlassung aus dem Gefängnis immer noch einen Hauch des Charmes spürte, der sie einst so angezogen hatte. Diese grenzenlose Loyalität. Diese fast liebenswerte Zielstrebigkeit.

Sie drückte den Stift fester aufs Papier und kniff die Augen zusammen. Sie versuchte, die Erinnerungen und die quälenden Fragen zu verdrängen.

Spencer hatte in jener verhängnisvollen Nacht vor Jahren beinahe einen Mann getötet. Diese Nacht in der Bar würde sie nie vergessen. Es war die schlimmste Erfahrung ihres Lebens gewesen, den Krankenwagen ins Krankenhaus zu begleiten und bangend darauf zu warten, ob der Verletzte überleben würde.

Aber es war nur ein einziger Schlag gewesen. Er hatte nicht die Absicht gehabt, jemanden umzubringen. Das Lebensbedrohliche an der Sache war nur, wie der andere Mann nach hinten gefallen und sich dabei Kopf und Genick angeschlagen hatte. Und zumindest in diesem Moment wusste Megan, dass Spencer geglaubt hatte, sie auf seine eigene eifersüchtige, verdrehte Art zu beschützen.

Nein, ihr Ex hätte beinahe jemanden umgebracht. Aber er war kein Psychopath. Er war kein böser Mensch. Sie konnte ihn also nicht hassen - stattdessen empfand sie nur Mitleid für ihn. Sie brachte es nicht übers Herz, einfach eine einstweilige Verfügung zu beantragen und einen Schlussstrich zu ziehen.

Es war offensichtlich, dass er ihre gemeinsame Tochter aufrichtig liebte, und als er darum bat, wieder Teil von Emmas Leben zu sein, konnte Megan seine Bitte nicht einfach als lächerlich abtun. Stattdessen hatte sie ihr Bestes getan, ihm eine zweite Chance zu geben.

Doch dann begannen sich in dem perfekten Bild des geläuterten Ex-Häftlings, das er direkt nach seiner Entlassung vermittelt hatte, Risse zu zeigen.

Die Anzeichen von Ernsthaftigkeit waren immer noch da, ebenso wie das Verantwortungsgefühl, das er als Vater eindeutig empfand. Aber auch das, was Megan für die ersten Anzeichen seines gefährlichen Jähzorns hielt, begann wieder durchzusickern. Das Temperament und die Eifersucht, die ihn ins Gefängnis gebracht und einen anderen Mann monatelang ins Krankenhaus befördert hatten. Gleichzeitig tauchten in Spencers Umfeld zwielichtige Gestalten auf. Sie blieb im Unklaren darüber, ob es sich um "Bekanntschaften" aus seiner Gefängniszeit handelte und inwieweit sie sich Sorgen machen musste.

Und so fühlte sie sich an jedem dieser kühlen Spätfrühlingstage wie gelähmt. Selbst wenn sie nur einfachen Papierkram vor sich hatte, kam es ihr vor, als würde sie im Treibsand versinken. Unfähig, sich auf etwas anderes zu konzentrieren als die Frage, die Spencer ihr immer wieder stellte. Er bat ständig darum, wieder Teil von Emmas Leben sein zu dürfen, und Emma wollte Zeit mit ihrem Vater verbringen. Natürlich war er nie gewalttätig gegenüber einem von ihnen gewesen. Aber im Hinterkopf nagten Zweifel, die ihr allein bei dem Gedanken daran den Magen umdrehten.

Sie hörte, wie sich in einiger Entfernung die Eingangstür des Reviers öffnete, und kurz darauf Schritte auf dem Boden. Als sie aufblickte, sah sie Niall, der zielstrebig auf die Nische zusteuerte, in der sich ihr Schreibtisch befand.

Beim Anblick ihres entschlossen wirkenden Partners legte Megan erleichtert den Stift beiseite und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Sie war dankbar für alles, was sie aus dem Teufelskreis ihrer lähmenden Gedanken befreien konnte.

"Eine Frau steht draußen vor der Tür", sagte Niall mit grimmiger Miene. "Sie meinte, sie wolle irgendwas melden. Mehr hat sie nicht gesagt... aber sie war kreidebleich."

Megan sprang auf und erkannte sofort die Bedeutung hinter Nialls Blick. Er hatte eindeutig "das Gefühl" bei der anderen Frau. Sie hatte gelernt, seiner Intuition in solchen Dingen zu vertrauen.

"Na dann, lass uns mal hören, was sie auf dem Herzen hat", erwiderte sie und gab Niall ein Zeichen, ihr zu folgen.

Das wäre wenigstens eine Ablenkung, dachte Megan trocken, während sie sich auf den Weg machte, um den neuen Besucher zu begrüßen. Etwas anderes, worauf sie ihre Aufmerksamkeit richten konnte, anstatt sich von der endlosen Flut ängstlicher Sorgen plagen zu lassen: Wahrscheinlich ein neues, mysteriöses und grausames Verbrechen, über dessen Aufklärung sie sich nun den Kopf zerbrechen musste.

***

"Ich weiß, was ihr denkt... ich muss wie eine Verrückte wirken", sagte die Frau, ihre Hand zitterte, als sie das Foto über den Tisch zu Megan und Niall schob.

Megan blickte auf das Bild und dann wieder zu der Frau, die sich als Rachel vorgestellt hatte. Sie musterte sie einen Moment lang, während sie in einem kleinen, privaten Besprechungsraum am Tisch saßen. Besonders fiel ihr das auffällige, leuchtende Blau von Rachels Augen auf.

Megan schüttelte den Kopf, zuckte mit den Schultern und machte dann eine beschwichtigende Geste. "Ich habe noch keinen Grund, das zu glauben. Erzählen Sie einfach weiter", sagte sie vorsichtig. Sie wusste, dass dies nicht gerade die sanfteste Formulierung war, aber gleichzeitig war ihr bewusst, dass eine professionelle Atmosphäre genau das sein konnte, was Menschen in solch aufwühlenden Situationen am meisten brauchten.

Und die Frau vor ihr sah definitiv aus, als könnte sie etwas Beruhigung gebrauchen. Megan wünschte, sie hätten ein warmes Getränk zur Hand, das sie Rachel anbieten könnten. Einen Kaffee oder eine heiße Schokolade oder so etwas. Ihre zittrigen Gesten und ihre ängstliche, stockende Art zu sprechen erinnerten sie an jemanden, der sich von einer Unterkühlung erholte.

"Na ja... wie auch immer. Ich weiß, dass... was ich sage... also... es klingt unglaublich, sogar für mich. Ich hoffe, es ist unglaublich", sagte Rachel. "Die Vorstellung, dass jemand aus meiner eigenen Familie... jemanden umgebracht haben könnte. Einen Mord begangen hat. Und dass er sein ganzes Leben lang direkt neben uns gelebt hätte, im Hintergrund... in unserer Familie. Und wir hätten es nie erfahren..."

"Und das ist er?" fragte Megan und tippte auf den Mann auf dem Foto, das Rachel ihr zugeschoben hatte. Die andere Frau nickte.

Der Mann wirkte buchstäblich so, als würde er im Hintergrund des ansonsten idyllischen Familienfotos auftauchen. Sein Gesichtsausdruck war auffallend, fast beunruhigend neutral, hinter den anderen posierenden und lächelnden Familienmitgliedern.

"Und Sie sagten... er hat ein Verbrechen zugegeben? Vor Jahren?"

Rachel nickte erneut und starrte auf den Tisch.

"Ja. Ich meine - nicht direkt zugegeben. Nicht auf diese Weise", sagte sie verlegen. "Denn natürlich... wenn einer von uns wirklich gedacht hätte, dass Onkel Aron etwas Unrechtes getan hat, wären wir sofort zur Polizei gegangen. Es tut mir leid, dass wir das nicht früher getan haben, aber wir dachten einfach nicht..."

"Ich bin mir sicher, absolut sicher, Rachel. Du brauchst dich für nichts zu entschuldigen", beruhigte Megan die andere Frau.

"Möchtest du eine Decke oder irgendetwas anderes?" fragte Niall. Aber Rachel schüttelte den Kopf, ihre Augen waren immer noch nach unten gerichtet, eindeutig darauf konzentriert, die nächsten Worte ihrer Geschichte zu finden.

"Onkel Aron - es ist nicht so, dass ich ihn jeden Tag gesehen habe. Und wenn ich ihn sah, hat er meistens nur geschwiegen. Über alles, nicht nur... du weißt schon. Aber die Familie wohnte nur ein paar Kilometer entfernt, also sahen wir uns alle ziemlich oft. Bei unseren Familientreffen haben wir oft ein paar Drinks für die Erwachsenen herumgereicht. Und wenn wir das taten, trank Onkel Aron ein paar, genau wie wir anderen auch. Das waren die einzigen Momente, in denen wir Onkel Aron über irgendetwas reden hörten, auch wenn es nur gemurmelt war", sagte sie.

Rachel sah schließlich auf, als ob sie sich vergewissern wollte. Megan runzelte verständnisvoll die Stirn und nickte langsam. Aber sie sagte nichts, um den Fluss ihrer Geschichte zu unterbrechen. Sie ließ das Schweigen zu, damit die Frau fortfahren konnte.

"Und ich erinnere mich... einmal, ich war noch ein Teenager und hatte mir den Knöchel verstaucht, als ich herumtollte, und ich saß sozusagen alles aus... und so saßen wir beide, Aron und ich, in einer entfernten Ecke des Gartens und sahen zu, wie alle anderen beim Familientreffen taten, was auch immer sie taten - sie warfen einen Football herum oder drehten Würstchen auf dem Grill - und es gab nur mich, die den Eisbeutel auf meinem Bein hielt, und ihn, der in seinem Klappstuhl saß und sein Bier fest umklammerte, was er immer tat, daran erinnere ich mich genau. Nur wir beide, weit weg von allen anderen... und er fing an zu murmeln. Und ich habe genau zugehört, denn er hat fast nie gesprochen..."

Megan merkte, dass sowohl sie als auch Niall sich vorbeugten, um die andere Frau zu hören, und lauschten praktisch mit angehaltenem Atem.

"Es hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt, selbst nach all den Jahren...", sagte Rachel und schluckte schwer. "Ich erinnere mich genau an seine Worte: 'Ich hab sie erledigt... ich hab sie alle erledigt.'"

Megan blinzelte und starrte die andere Frau an, die sichtlich um Atem rang.

"Für einen Moment war ich sprachlos. Er sah mich nicht an, sondern beobachtete weiterhin den Rest der Familie, genau wie ich es zuvor getan hatte. Er wippte leicht in seinem Klappstuhl hin und her. An seinem Mundwinkel klebte ein wenig Bierschaum, fast wie bei einem Kleinkind. Also fragte ich ihn, wovon er sprach. Wen er meinte. Ohne mich anzusehen, immer noch in seinem Stuhl wippend und die Flasche umklammernd, hörte ich ihn murmeln: 'Die da. Hab sie mitgenommen, weggebracht, ausgetrunken.' Er brabbelte es einfach so vor sich hin. Danach sagte er nichts mehr. Aber diese wenigen Worte - ich konnte nicht anders, als sie mir einzuprägen. Für immer. Sie haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt."

Megan blinzelte erneut und wechselte einen Blick mit Niall.

"Das tut mir leid... es muss furchtbar gewesen sein, so etwas zu hören", sagte sie zu Rachel. "Aber wenn ich fragen darf... Das war vor fast zehn Jahren? Wenn Sie damals dachten, dass an seiner Geschichte etwas dran sein könnte, warum sind Sie erst jetzt zur Polizei gekommen?"

Die andere Frau zuckte zusammen, nickte aber, um Megans Argumentation zu bestätigen.

"Nun ja, diese Worte sind mir nie aus dem Kopf gegangen... aber gleichzeitig... jeder in der Familie wusste, dass Onkel Aron nicht ganz bei Trost war. Ich meine, es musste doch einen Grund geben, warum er so wenig redete. Seine Worte verfolgten mich zwar - das tun sie immer noch - aber ich dachte nicht, dass sie wirklich etwas zu bedeuten hätten."

Sie schüttelte den Kopf, als wäre sie von sich selbst enttäuscht.

"Doch dann... starb Onkel Aron. Vor ein paar Monaten - bei einem Autounfall. Ich half beim Ausräumen seiner Sachen. In einer Truhe auf dem Dachboden, in einer seiner alten Jacken, fand ich diesen Zettel, den er wohl vergessen hatte. Ganz zerknittert und vergilbt. Er sah aus, als wäre er aus einem Tagebuch gerissen worden. Oben war ein Datum, dann eine Spalte mit Namen, von denen einer eingekreist war: 'Marianne 'Wayward' Clement'. Und... und... daneben war eine Haarsträhne geklebt, lange Haare. Unter einer Spalte 'Insel' stand 'Death's Head' und unter 'See' stand 'Beartooth'. Ich habe nach einem See in der Nähe gesucht. Und daneben... daneben stand einfach 'Erledigt'. Zu dem Zeitpunkt konnte ich nicht anders, als die Namen nachzuschlagen... Bei den nicht eingekreisten Namen fand ich nichts, aber... aber..." Rachel brach ab und rang sichtlich nach Luft.

Megan hielt sich erfolgreich davon ab, 'Und...?' zu sagen. Stattdessen beobachtete sie schweigend, wie die Frau sich mühsam fasste.

"Und diese Frau... den Spitznamen 'Wayward' kenne ich nicht, aber... 'Marianne Clement', wie ich im Internet herausfand... genau um das Datum herum, das auf dem Zettel stand..." Rachel holte tief Luft. "Genau zu dieser Zeit verschwand diese Frau."

KAPITEL ZWEI

"Bist du dir sicher, dass du das jetzt angehen willst?", fragte Niall, während er Megan zum Dienstwagen folgte. "Der Fall ist seit fast einem Jahrzehnt ungelöst. Was heute da ist, wird auch morgen noch da sein."

Megan seufzte und winkte ab. Sie überlegte, wie sie ihre Dringlichkeit erklären könnte, ohne die weniger angenehmen Gründe zu erwähnen.

"Da hast du schon recht, aber Rachel behauptet, ihr Onkel sei erst vor ein paar Monaten gestorben. Die Leiche des mutmaßlichen Täters ist sozusagen noch warm. Das könnte wichtig sein. Vielleicht steckt mehr hinter dem Timing, als es den Anschein hat."

"Wenn du meinst. Ich hole schnell den Bootstrailer", erwiderte er schulterzuckend und machte sich auf den Weg zum hinteren Teil des Reviers.

Megan ließ sich auf den Beifahrersitz gleiten und warf Niall noch einen Blick zu, bevor sie ihr Handy zückte und nach Emmas Babysitter in ihren Kontakten suchte.

Was sie Niall über das Timing erzählt hatte, stimmte zumindest teilweise. Ein DNA-Test wäre einfacher, solange die Leiche des Verdächtigen noch nicht zu stark verwest war. Auch wäre es leichter, an weitere Beweise zu kommen, die sich in seinen Hinterlassenschaften verbergen könnten, wie die Notiz, die Rachel gefunden hatte - bevor alles an die Erben verteilt würde.

Doch da war noch etwas anderes: Megan stand unter enormem Stress, aus Gründen, die sie Niall nicht anvertrauen wollte. Ein brandneuer Mordfall war das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte. Also wollte sie jede Möglichkeit einer solchen Situation so schnell wie möglich ausschließen.

Endlich hörte das Klingeln auf, doch Megan blickte enttäuscht auf ihr Telefon, als eine automatische Stimme erklärte, wie man eine Nachricht hinterlassen konnte.

Was hatte sie vergessen? Sie kannte Amanda, Emmas Babysitterin, doch recht gut. Als Teenagerin hatte sie ihr Handy sicher immer griffbereit.

In ihren Textnachrichten fand Megan keinen Hinweis. Doch unter einem Berg von Spam-Mails entdeckte sie eine ungelesene E-Mail von Amandas Mutter von vor Wochen, in der von einem geplanten Familienurlaub die Rede war. Offenbar sollte dieser heute beginnen: Wahrscheinlich waren sie gerade am Flughafen angekommen.

Es sah ihr gar nicht ähnlich, solche Details zu übersehen, dachte Megan. Aber angesichts all dessen, was ihr derzeit durch den Kopf ging, war sie nicht einmal überrascht, dass es passiert war.

Daran änderte es jedoch nichts: Emmas Schultag würde in weniger als einer halben Stunde enden, und Megan war nicht einmal ansatzweise auf dem Weg nach Hause, um den Rest des Nachmittags auf Emma aufzupassen - normalerweise Amandas Aufgabe. Ganz zu schweigen davon, am Abend vor Emmas Schlafenszeit da zu sein, weswegen Megan Amanda überhaupt hatte anrufen wollen.

Megan musste zugeben, dass Amanda in der Vergangenheit so zuverlässig gewesen war, dass sie ihre Anwesenheit als selbstverständlich angenommen hatte. Besonders in einer Kleinstadt wie Twin Lakes, wo es nicht gerade viele Babysitter gab.

Sie riss den Blick von ihrer Kontaktliste los und schaute in den Rückspiegel: Niall war gerade dabei, den Bootstrailer an die Anhängerkupplung zu hängen. Sie hatte noch etwas Zeit.

Es klingelte kaum einmal, bevor Spencer ranging.

"Hey Megan, alles in Ordnung?", fragte er in seinem typisch nervösen, aber vorsichtig hoffnungsvollen Ton.

"Hi Spence", sagte sie ins Telefon und unterdrückte ein Seufzen. "Hättest du heute Nachmittag Zeit, dich um Emma zu kümmern? Es ist ein ziemlich dringender Fall aufgetaucht."

"Klar, auf jeden Fall. Du kennst ja meinen Chef Yonatan - er hat dafür vollstes Verständnis. Ich habe mein Pensum für heute sowieso schon erfüllt. Ja, absolut, das kann ich machen."

"Okay... gut", sagte Megan und schloss die Augen.

Sie fragte sich, ob es ein Fehler war, ihn endlich zu sich nach Hause einzuladen. Selbst wenn es nur darum ging, auf Emma aufzupassen. Aber ihr Kopf fühlte sich völlig leer an, nachdem sie diese Frage schon so oft durchgekaut hatte.

"Sie kann von der Schule nach Hause laufen, aber du könntest sie auch abholen. Hauptsächlich möchte ich, dass du den Nachmittag und Abend auf sie aufpasst, bis ich zurück bin. Die Arbeit wird mich noch mindestens ein paar Stunden in Anspruch nehmen, aber ich werde wahrscheinlich rechtzeitig da sein, um sie ins Bett zu bringen."

"Alles klar. Ich bin in einer Viertelstunde da."

"Und, Spence?", fragte sie.

"Ja?"

"Also... ich weiß, dass du Emma niemals in Gefahr bringen würdest, oder? Nicht einmal... indirekt?"

Für einen Moment herrschte Stille in der Leitung.

"Nein, natürlich nicht, Megan. Auf keinen Fall", sagte er.

Megan wünschte, sie könnte ihm in diesem Moment ins Gesicht sehen. Sie glaubte nicht, dass er log, aber oft konnte sie viel über eine Person herausfinden, indem sie sie einfach beim Antworten beobachtete. Und sie wünschte wirklich, sie wüsste auch nur ein kleines bisschen mehr über Spencer. Sie hasste es, so wenig zu wissen, wie sie es tat.

"Also... bitte lass nicht zu, dass ich das in irgendeiner Weise bereue... okay?"

"Das werde ich nicht. Das wirst du nicht", versicherte er.

"Danke, das meine ich wirklich", sagte sie aufrichtig, aber nervös, bevor sie schließlich Niall im Rückspiegel sah, der sich dem Beifahrersitz näherte. "Ich muss los. Aber wir können reden, wenn ich zu Hause bin."

Niall setzte sich und nickte ihr zu.

"Wir können losfahren. Wer war das?"

"Ach, weißt du", sagte sie ausweichend und mied seinen Blick, während sie den Schlüssel im Zündschloss drehte. "Ich habe nur dem Babysitter Bescheid gegeben, dass ich mich verspäten werde."

***

Megan kniff die Augen zusammen und versuchte, durch den ständig schaukelnden Bug ihres Motorbootes zu erkennen, was auf dem aufgewühlten Wasser des Beartooth Lake vor ihnen lag. Unter dem grauen Himmel des plötzlich aufgezogenen Sturms zeichnete sich eine kleine Insel ab, mit ein paar felsigen Buchten und einer bewaldeten Schlucht.

Bevor sie losgefahren waren, hatte Megan die Karte der Gegend studiert und festgestellt, dass diese Insel tatsächlich einem Totenkopf ähnelte - genau wie Rachel es in ihrem Tagebuch beschrieben hatte. Deshalb war es ein guter Ausgangspunkt für ihre Suche nach einer der vielen kleinen Sandbänke und Inseln im Beartooth Lake. Unter normalen Umständen hätte Megan einen solchen Namen wohl für übertrieben gehalten. Doch in diesem Moment musste sie zugeben, dass die Insel, die sich aus dem dunklen, windgepeitschten See erhob, tatsächlich bedrohlich wirkte.

"Also... wie schätzt du unsere Chancen ein?", rief Niall vom Steuer des Bootes herüber. Seine tiefe Stimme war kaum zu hören über dem Dröhnen des Außenbordmotors und dem prasselnden Regen.

Megan zog sich vorsichtig an den Geländern entlang zu ihm.

"Du meinst, wie wahrscheinlich es ist, dass wir hier eine Leiche finden?", schrie sie zurück, obwohl sie jetzt fast neben ihm saß.

Niall nickte und griff hastig nach seiner Kapuze, als eine Windböe sie ihm vom Kopf reißen wollte.

"Ich weiß nicht", rief Megan schließlich. "Rachel sagte, ihr 'Onkel Aron' sei bekannt dafür, geistig nicht ganz auf der Höhe zu sein. Das könnte zweierlei bedeuten: Entweder hatte er keinen Bezug zur Realität und hat sich in Wahnvorstellungen über vermisste Personen aus den Nachrichten verloren. Oder..."

Sie sah Niall an und zuckte mit den Schultern.

"Oder 'geistig verwirrt' könnte bedeuten: verwirrt genug, um einen Mord zu begehen?", wagte Niall zu vermuten.

Megan nickte. "Trotzdem. Die meisten Menschen sind keine Mörder. Selbst die meisten, die von Mord fantasieren, werden nicht zu Tätern."

Ihr Verstand sagte ihr, dass das stimmte. Die Fakten sprachen nicht dafür, dass Rachels Onkel ein Mörder gewesen war. Und doch hatte sie ein ungutes Gefühl bei dem Anblick der Insel, deren Ufer sie sich nun näherten. Rachels Geschichte über ihren Onkel hatte etwas in Megan ausgelöst, das sie nicht ganz einordnen konnte - als hätte es ihren detektivischen Instinkt geweckt. Vielleicht war es nur so, dass Rachel selbst Grund genug gehabt hatte, misstrauisch zu sein, und Megan fühlte sich aus irgendeinem Grund geneigt, dieser Intuition zu vertrauen.

Niall stellte den Motor ab, und sie glitten die letzten Meter, bis sie auf den groben Kiesstrand aufliefen. Megans Stiefel platschten ins Wasser, als sie aus dem Boot stieg. Sie ließ ihren Blick über die Baumgrenze schweifen.

Hinter ihr zog Niall das Boot vollständig an Land und wuchtete einen großen Felsbrocken auf den Kiel, um es zu sichern.

"Was ist der Plan? Wonach suchen wir?", fragte er, als er zu ihr aufschloss.

"Nun, auf diesem See gibt es normalerweise nicht viel Bootsverkehr, selbst bei Sonnenschein. Aber über die Jahre hinweg müsste es zumindest so viel Verkehr gegeben haben, dass alles, was vom See aus gut sichtbar ist, längst entdeckt worden wäre. Halt also Ausschau nach etwas Verstecktem oder Abgelegenem. Ein Grab vielleicht, oder etwas zwischen den Bäumen. Sogar in den Buchten am Ufer, wo die Felsen eine Leiche verbergen könnten."

"Alles klar. Du nimmst die linke Seite, ich die rechte? Wir können im Kreis gehen und uns in der Mitte treffen", schlug Niall vor. Megan nickte.

Sie holte ihre Taschenlampe heraus, während Niall in die andere Richtung stapfte. Zwar konnte sie einigermaßen gut sehen, aber die Dunkelheit des Sturms schien die kleineren Details zu verschlucken - genau die Details, nach denen sie Ausschau halten mussten, falls hier tatsächlich etwas Verstecktes und Abgelegenes zu finden war.

Sie bahnte sich ihren Weg zum Rand der Schlucht auf ihrer Seite der Insel und ließ den Strahl ihrer Taschenlampe über die Baumstämme gleiten. Der Boden schien weitgehend unberührt zu sein. Allerdings waren auch schon Jahre ins Land gegangen. Selbst wenn jemand etwas vergraben hätte, und sei es nur in einem flachen Grab, war sich Megan nicht sicher, ob sie es hätte erkennen können. Zudem gab es keinerlei Spuren menschlicher Aktivität. Keine Fußabdrücke, keine alten Feuerstellen, kein Müll.

Jenseits der ersten kleinen Baumgruppe wurde Megan klar, dass sie bereits das gegenüberliegende Ufer der Insel erreicht hatte. Sie befand sich also wahrscheinlich an der Spitze der "Pfeilspitze". Einige große Felsen bildeten eine kleine Bucht, die ins Wasser ragte, als hätte die Pfeilspitze einen Widerhaken.

Auf dem Weg zu den Felsen rutschte sie mit ihrem Stiefel auf einem glatten, schlammigen Stein aus, den sie für harmlosen Dreck gehalten hatte.

Kaum hatte sie den Halt verloren, wirbelte sie herum und ließ ihre Taschenlampe fallen, um sich abzufangen. Sie schaffte es gerade noch so. Ihre Handflächen schrammten schmerzhaft über die Felsen, aber sie konnte verhindern, dass ihr Kopf aufschlug.

Nachdem sie sich von dem Schreck erholt hatte, richtete sie sich langsam auf und war erleichtert, dass es nicht noch schlimmer gekommen war. Ihre Hände brannten, aber ihre Taschenlampe war an den Felsen zerschellt, auf die sie gefallen war. Sie verzog das Gesicht bei dem Gedanken, dass ihr Schädel genauso hätte zerbersten können. Vorsichtig sammelte sie so viele Aluminium- und Glasscherben auf, wie sie konnte, und verstaute sie in einem Beweismittelbeutel. Dann inspizierte sie die Bucht, die sie eigentlich hatte untersuchen wollen, und stellte fest, dass selbst in den abgelegeneren Felsen keine Leichen versteckt waren.

Der Regen hatte inzwischen noch zugenommen. Es schien, als könnten die Fluten sogar Teile der Insel überschwemmen, und Megan beschlich das Gefühl, dass es unter diesen Bedingungen da draußen noch gefährlicher sein könnte, als es den Anschein hatte. Hätte es in Strömen geregnet, als sie das Revier verließen, hätte sie es sich bestimmt noch am selben Tag zweimal überlegt, ob sie Rachels Geschichte weiterverfolgen sollte, angesichts all der Widrigkeiten. Sie versuchte, den Silberstreif am Horizont darin zu sehen, dass es noch nicht gedonnert und geblitzt hatte. Dann wäre es vielleicht wirklich brenzlig für sie geworden.

Wie aufs Stichwort erhellte ein Blitz für den Bruchteil einer Sekunde den Himmel, und in der Ferne grollte der Donner.

Megan schüttelte den Kopf. Mit Frühlingsstürmen war so weit im Norden wirklich nicht zu spaßen. Es war an der Zeit, Niall zu finden - es war an der Zeit, den Rückzug anzutreten.

Sie hatte gerade die Richtung gewechselt und stapfte auf seine Seite der Insel zu, als sie meinte, eine Stimme wie die seine zu hören, die ihren Namen rief. Sie hielt inne und lauschte angestrengt.

"Megan!", konnte sie gerade noch vernehmen, wieder dieses schwache Geräusch in der Ferne, das vom Tosen des Windes und des Regens fast verschluckt wurde.

So schnell es ihr möglich war, ohne dabei ihre Schritte aus den Augen zu verlieren, machte sie sich auf den Weg zurück in die Schlucht, in die Richtung, aus der sie Nialls Stimme zu hören glaubte. Der Donner grollte erneut in der Ferne, er klang näher als zuvor.

Beinahe wäre sie erneut ausgerutscht, bevor sie es wieder durch die Bäume schaffte, diesmal auf der Rückseite der Insel. Als sie über einer weiteren Felsformation stand, die eine größere Bucht als die letzte bildete, traf ihr Blick auf Nialls regennasses Gesicht, und ihre Erleichterung darüber, dass er nicht gestürzt war und sich auf irgendeine schreckliche Weise verletzt hatte, war nur von kurzer Dauer. Sie erkannte sofort den vertrauten grimmigen Ausdruck in seinen Zügen.

Er winkte sie zu sich heran, wo er stand, wo eine schüttere Baumreihe aus der Schlucht fast bis zum Wasser reichte. Er deutete auf den Baum, der dem Ufer am nächsten stand und dessen Stamm inzwischen ziemlich tief in die Fluten eingetaucht war. Dann sah sie, was er meinte: eine stark verrostete Kette, die um den Stammfuß gewickelt war, der schon lange den Elementen ausgesetzt gewesen sein musste.

Und tatsächlich - mehr als ein Dutzend sonnengebleichter Knochen lagen unter Wasser, verheddert in der rostigen Kette am Fuß des Baumstamms oder halb vergraben im Kies und der Erde des nahen Ufers.

KAPITEL DREI

Es war bereits zehn Uhr abends, als sie zum Revier zurückkehrten und erneut mit Rachel sprachen. Was ursprünglich für sieben Uhr geplant war, hatte sich hingezogen, und Megans zunehmende Erschöpfung drohte ihre sonst so zielstrebige Entschlossenheit, in diesem neuen Fall voranzukommen, zu untergraben.

"Gibt es wirklich nichts mehr, was du uns über Aron erzählen kannst?", fragte Megan und ärgerte sich innerlich, dass ihr keine einfühlsamere Formulierung eingefallen war.

Rachel, die ihr wieder im Vernehmungsraum gegenübersaß, schien kurz davor zu sein, in Tränen auszubrechen. Megan wollte die Frau nicht noch mehr bedrängen, als sie und Niall es bereits während ihrer zweiten Befragung getan hatten.

"Nein... es tut mir leid. Es tut mir so leid", sagte Rachel, schüttelte den Kopf und wischte sich die Augen.

Sie blickte ängstlich zu Megan auf und schien all ihren Mut zusammenzunehmen, um auszusprechen, was ihr durch den Kopf ging.

"Du... du hättest mich nicht so spät am selben Abend zurückgerufen... oder? Oder mir all diese Fragen gestellt... es sei denn...?"

Megan nickte entschuldigend.

"Es tut mir leid. Du hast recht. Aufgrund dessen, was wir auf der Insel gefunden haben, nehmen wir den Fall Marianne Clement wieder auf, mit Aron als Hauptverdächtigem."

Rachel brach in Tränen aus.

"Oh Gott. Was, wenn - was, wenn -", stammelte sie.

Megan tauschte einen Blick mit Niall, bevor sie sich wieder reumütig Rachel zuwandte.

"Was, wenn es mehr gäbe...? Was, wenn er mehr als ein Opfer gefordert hätte?", bot sie an.

Rachel nickte mit zusammengekniffenen Augen.

"Hättest du einen Grund zu der Annahme, dass es mehr gegeben haben könnte?", fragte Niall.

Rachel schien einen Moment lang um Fassung zu ringen, um über ihre Antwort nachzudenken. Nach einigen Sekunden stieß sie einen tiefen Seufzer aus.

"Ich... ich weiß es nicht. Ich könnte nach einem Tagebuch in den Sachen suchen, die er zurückgelassen hat. Um zu versuchen, das zu finden... was auch immer es war, aus dem diese Seite herausgerissen wurde", sagte sie kopfschüttelnd. Sie schien einen Moment lang den Atem anzuhalten, dann fasste sie Mut, mehr zu sagen.

"Aber... er hat es immer genossen, Zeit allein zu verbringen. Er fuhr mit seinem Boot auf Seen hinaus... wie diesen hier. Die abgelegeneren, die von anderen Leuten nicht so oft besucht wurden. Wir dachten alle, das läge daran, dass die Fische dort ungestört waren oder so. Aber er war immer... allein. Wir dachten, er wäre immer allein gewesen..."

"Du darfst dir nicht die Schuld geben, Rachel. Das ist alles nicht deine Schuld. Niemand verdächtigt seine Familienmitglieder solcher Dinge", sagte Niall in einem Ton, der gleichzeitig freundlich und bestimmt war.

"Aber, ich meine... er hat es mir gesagt. Er hat es mir ins Gesicht gesagt... wenn es mehr gäbe... und... und ich hätte etwas tun können, irgendetwas, früher...", sagte sie verzweifelt.

Megan öffnete den Mund, zögerte, dann schloss sie ihn langsam und zog eine Hand zurück, die sie halb in Richtung der anderen Frau ausgestreckt hatte, während sie versuchte, an etwas zu denken, was sie ihr sagen könnte. Aber ihr fiel nichts ein.

Als sie sah, wie Rachel weiter in ihre Handflächen schluchzte, wollte Megan sie am liebsten so beruhigen, wie Niall es gerade getan hatte, und ihr sagen, dass sie falsch lag, weil sie so dachte. Dass nichts an der Situation ihre Schuld war.

Stattdessen hallten Rachels andere Worte nur noch lauter in ihren Gedanken wider und übertönten alle Versuche Megans, über etwas anderes nachzudenken. Ihr analytischer Verstand lief auf Hochtouren, und wenn er erst einmal in Gang gekommen war, gab es kaum etwas, was sie dagegen tun konnte.