Dr. Stefan Frank 2511 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2511 E-Book

Stefan Frank

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Endstation oder Neuanfang?
Als Maxi nicht mehr damit rechnet, findet sie Hilfe

Wenn die einundzwanzigjährige Maxi in den Spiegel schaut, kann sie kaum glauben, dass das wirklich sie selbst ist, die sie da sieht. Was ist nur aus ihr geworden? Seit Wochen lebt sie nun schon auf der Straße, abgeschnitten vom "normalen" Rest der Gesellschaft. Ab und zu schläft sie in einer Obdachlosenunterkunft, doch das Umfeld hier ist für sie nur schwer zu ertragen.
Nie hätte sie gedacht, dass sie so tief sinken könnte. Und doch ist ihr keine andere Wahl geblieben, als diesen sozialen Abstieg hinzunehmen. Bei ihren Eltern konnte sie einfach nicht länger bleiben.
Dr. Stefan Frank wird auf die junge Frau aufmerksam, und ihr Schicksal rührt ihn zutiefst. Er weiß, dass Maxi alles andere als selbst schuld an ihrem Zustand ist. Und er weiß auch, dass er Maxi irgendwie helfen muss. Sie darf ihr junges Leben nicht einfach wegwerfen ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 122

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Endstation oder Neuanfang?

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Mixmike / iStockphoto

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-8365-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Endstation oder Neuanfang?

Als Maxi nicht mehr damit rechnet, findet sie Hilfe

Wenn die einundzwanzigjährige Maxi in den Spiegel schaut, kann sie kaum glauben, dass das wirklich sie selbst ist, die sie da sieht. Was ist nur aus ihr geworden? Seit Wochen lebt sie nun schon auf der Straße, abgeschnitten vom „normalen“ Rest der Gesellschaft. Ab und zu schläft sie in einer Obdachlosenunterkunft, doch das Umfeld hier ist für sie nur schwer zu ertragen.

Nie hätte sie gedacht, dass sie so tief sinken könnte. Und doch ist ihr keine andere Wahl geblieben, als diesen sozialen Abstieg hinzunehmen. Bei ihren Eltern konnte sie einfach nicht länger bleiben.

Dr. Stefan Frank wird auf die junge Frau aufmerksam, und ihr Schicksal rührt ihn zutiefst. Er weiß, dass Maxi alles andere als selbst schuld an ihrem Zustand ist. Und er weiß auch, dass er Maxi irgendwie helfen muss. Sie darf ihr junges Leben nicht einfach wegwerfen …

„Stefan, das war eine ganz wunderbare Idee. Dieser Tag war einfach zu sonnig, um ihn ausschließlich in der Praxis zu verbringen!“

Dr. Stefan Frank, der als Hausarzt in Grünwald praktizierte, sah seine Lebensgefährtin lächelnd an. Er hatte Alexandra nach Dienstschluss kurzerhand in ihrer Augenarztpraxis abgeholt und war mit ihr mit der Straßenbahn zum Englischen Garten gefahren. Im Biergarten hatten sie sich ein kühles Radler und einen Wurstsalat gegönnt. Und nun schlenderten sie Händchen haltend und entspannt zurück zur Haltestelle.

Auf dem Platz auf der gegenüberliegenden Straßenseite hatte sich eine riesige Gruppe Menschen versammelt.

Stefan blieb neugierig stehen. Sein Blick glitt aufmerksam über die zahlreichen Personen hinweg. Bei Menschenaufläufen war oft ein Unfall passiert. Und womöglich brauchte man dort drüben medizinische Hilfe. Aber er konnte nichts Besorgniserregendes entdecken.

„Hier scheint es etwas umsonst zu geben …“, murmelte Alexandra, die ebenfalls sofort erfasst hatte, dass niemand hilflos am Boden lag. Aber im nächsten Moment begriffen sie beide, dass es dennoch keine normale Versammlung war. Es war eine ganz besondere Gruppe, die sich hier kurz vor Sonnenuntergang eingefunden hatte.

Die Männer und Frauen standen in einer langen Schlange an einer Theke im Freien an. Andere standen in kleinen Grüppchen zusammen und löffelten Eintopf aus Pappbechern.

„Das könnten Obdachlose sein“, vermutete Alexandra richtig. Sie musterte einen Mann, dessen zerzauster Bart sein ganzes Gesicht zugewuchert hatte. Man konnte schwer sagen, ob der Kerl zwanzig oder sechzig Jahre alt war. Neben ihm stand eine Frau, die sich gegen einen ausrangierten Einkaufswagen mit nur drei Rädern stützte. Der Einkaufswagen war randvoll mit Pfandflaschen gefüllt.

Es waren Menschen jeden Alters dort. Und sie alle schien zu vereinen, dass sie irgendwann und irgendwie durch das System gerutscht waren.

„Ich verspüre so etwas wie Erleichterung“, gestand Stefan. Er legte seinen Arm um seine Freundin. „Wann setzen wir Durchschnittsbürger uns schon mit dem Thema ‚Obdachlosigkeit‘ auseinander? Ich könnte dir nicht mal aus dem Stegreif sagen, wie viele Obdachlose es in Deutschland gibt. Wir blenden diese Menschen nur zu gerne aus, weil wir uns nicht mit ihrem Schicksal befassen wollen.“

Er ließ seine Partnerin wieder los.

„Aber natürlich ahnen wir, dass es diese Hilfsbedürftigen dennoch gibt. Es ist gut, zu sehen, dass es Münchner gibt, die sich um die Obdachlosen unserer Stadt kümmern.“

Sein Blick wanderte anerkennend zu den emsigen Mitarbeitern der Hilfsorganisation, die unermüdlich Suppe in entgegengestreckte Becher füllten.

„Lass uns weiter gehen“, bat Alexandra. „Unsere Bahn kommt jeden Moment.“

Stefan Frank war im Begriff, sich von dem seltenen Anblick loszureißen, aber im nächsten Augenblick blieb er verblüfft stehen. Seine Augenbrauen wanderten ungläubig zusammen.

„Aber das gibt es doch nicht!“, rutschte es ihm freudig heraus. „Das ist die kleine Schwester meines Schulfreundes Peter Kowalski! Henriette Kowalski! Schau einer an!“

Ehe Alexandra ihn aufhalten konnte, hatte Dr. Frank auch schon mit ein paar langen Schritten die Straße überquert. Kopfschüttelnd lief sie ihm hinterher. Die Bahn konnten sie fürs Erste vergessen.

Alexandra hielt nach einem kleinen Mädchen Ausschau, aber Kinder waren hier weit und breit nicht zu sehen. Erst dann begriff sie, dass diese Henriette eine erwachsene Frau sein musste. Auch eine Vierzigjährige konnte schließlich die kleine Schwester eines alten Schulfreundes sein. Stefans Kindheit war lange her.

Zu Alexandras Verwunderung reihte Stefan sich jetzt wie selbstverständlich in die Schlange der Obdachlosen ein. Offenbar wollte er seine alte Bekannte auf diese Weise überraschen.

Unsicher blieb Alexandra am Rand des Geschehens stehen. Sie fühlte sich unwohl unter all diesen Leuten. Was hatten diese armen Seelen vom Leben zu erwarten außer ein kostenfreies Abendessen? Sie bekam ein schlechtes Gewissen.

Es war ihr plötzlich unangenehm, selbst ein derart sorgenfreies Leben zu führen. Im Gegensatz zu diesen verlorenen Gestalten hatte Alexandra einen gut bezahlten Job, der ihr nicht nur Geld, sondern auch Erfüllung und viel Freude schenkte.

Sie hatte in Stefan einen liebevollen und zärtlichen Partner gefunden. Sie hatte ihre hübsche Wohnung in Grünwald – und dazu noch die schöne Villa, in der Stefan wohnte. Sie konnten sich Urlaube leisten und gingen regelmäßig in teure Restaurants. Wie fern waren all diese Dinge für jene Menschen in dieser Reihe?

Eine Frau, die Alexandras Alter haben mochte, sah sie mit leerem Blick an. Alexandra drehte sich verlegen um. Am liebsten wäre sie weggelaufen.

Stefan hingegen hatte weniger Berührungsängste als sie. Womöglich lag es daran, dass er in seiner Praxis regelmäßig mit Menschen zu tun hatte, denen das Schicksal übel mitgespielt hatte. Auch er fühlte Mitleid mit all den Obdachlosen hier. Aber gleichzeitig war sein Interesse geweckt: Er wollte wissen, was es mit dieser Suppenküche auf sich hatte. Und er freute sich auf das unverhoffte Wiedersehen mit Henriette.

Henriette war in der Zwischenzeit zu einer ausgesprochen attraktiven Frau herangewachsen. Sie mochte inzwischen vierzig Jahre alt sein. Das rote Haar trug sie wie auch damals zu einer lockigen Mähne. Und immer noch hatte sie den gleichen spitzbübischen Ausdruck im Gesicht.

Plötzliche Wehmut überkam Stefan. Er erinnerte sich, wie er regelmäßig bei Peter Kowalski zu Hause gewesen war. Sie hatten stundenlang gemeinsam Modellflugzeuge gebaut. Hin und wieder hatten sie auch gemeinsam Comics gelesen.

Henriette hatte damals ständig an Stefans Rockzipfel gehangen. Sie hatte den Freund ihres großen Bruders furchtbar verehrt. Und mehr als einmal hatte Stefan dem kleinen, rotgelockten Mädchen Haarspangen, Gummibärchen oder Aufkleber geschenkt und sich damit einen Platz in ihrem Herzen gesichert.

Gemächlich schob sich die Schlange vorwärts. Nun waren nur noch drei Personen zwischen ihm und Henriette.

Stefan holte tief Luft. Endlich stand er ihr gegenüber. Routiniert griff sie nach dem Pappbecher, füllte eine Kelle Suppe hinein und reichte das Mahl mit einem herzlichen Lächeln ihrem Gegenüber.

Ihre Blicke trafen sich. Verdutzt ließ Henriette den Becher sinken. Im nächsten Moment erkannte sie ihn. Die Freude in ihrem Gesicht hätte nicht größer ausfallen können.

„Ich fasse es nicht! Stefan, bist du das?“ Ungläubig starrte sie ihn an.

„Ja. Ich habe mich hier unter deine Kundschaft geschmuggelt. Das schien mir der effektvollere Auftritt, als mich einfach von hinten an dich heranzupirschen …“, gestand der Hausarzt. Auch er konnte ein seliges Lächeln nicht unterdrücken. Es war schön, die kleine Henriette nach all den Jahren wiederzusehen.

Hinter Stefan machte sich Unmut breit. Die Wartenden verlangten nach ihrem Essen. Er murmelte eine Entschuldigung und ließ den Mann hinter sich vorbei.

Henriette nickte Stefan auffordernd zu.

„Los, komm hier rüber auf die andere Seite. Du kannst mir rasch beim Austeilen helfen!“

Ehe sich Stefan versah, stand er auch schon neben Henriette. Eine dunkelhäutige Mitarbeiterin warf ihm eine Schürze mit dem Logo der Hilfsorganisation zu. Henriette selbst reichte ihm einen großen Korb mit Brotscheiben.

„Für jeden eine Scheibe Brot“, wies sie ihn an. „Und lass dir keine Scheibe zusätzlich abluchsen. Wir haben mehr Bedürftige als Lebensmittel. Wir müssen also sparsam damit umgehen, wenn jeder etwas bekommen soll.“

Stefan Frank stand nun direkt neben Henriette. Er sah über die Köpfe der Obdachlosen hinweg zu Alexandra hinüber. Sie stand mit unsicherem Gesichtsausdruck gegen die Litfaßsäule gelehnt da. Er durfte sie nicht allzu lange dort warten lassen. Es war ausgesprochen unhöflich gewesen, einfach davonzulaufen. Aber Henriettes Anblick hatte ihn für einen Moment jede Höflichkeit vergessen lassen.

Er hoffte, Alexandra nahm es ihm nicht allzu übel und verstand seinen Überschwang. Es passierte selten genug, dass er lieben Menschen aus seiner Kindheit wiederbegegnete.

„Ich wusste überhaupt nicht, dass du in München wohnst“, sagte Stefan mit einem Seitenblick auf Henriette. Sie trug ein teures Parfüm, das sich wie ein heftiger Kontrast über den deftigen Geruch der Suppe legte. Für einen Moment nahm die Geruchsmischung Stefan den Atem. Das Parfüm war zu schwer. Er sehnte sich nach dem dezenten Jasminduft, den Alexandra verströmte.

„Ich bin schon fast drei Jahre hier“, berichtete Henriette. „Wenn ich geahnt hätte, dass du auch hier lebst, hätten wir uns ja mal treffen können.“

Stefan nickte. „Ich habe eine Hausarztpraxis in Grünwald“, erzählte er dann stolz. „Du weißt ja, ich wollte immer schon Arzt werden.“ Er reichte ein Stück Brot über den Tresen.

„Herzlichen Glückwunsch!“, rief Henriette überrascht aus. „Mir war nicht klar, dass du deinen Lebenstraum wirklich umgesetzt hast, Stefan. Wir haben uns nach unserem Wegzug ja völlig aus den Augen verloren.“

Das stimmte. Familie Kowalski war noch zu Stefans Schulzeit nach Bremen gezogen. Ab da hatten sie leider keinen Kontakt mehr gehabt.

„Und was ist aus Peter geworden?“, erkundigte sich Stefan nach seinem alten Schulfreund.

Henriette grinste. „Mein großer Bruder ist nach dem Abitur in die Entwicklungshilfe nach Ecuador gegangen“, verriet sie ihm. „Dort hat er seine große Liebe kennengelernt. Er lebt immer noch dort. Mit seiner Frau Maria-Fernanda und drei unglaublich süßen Kindern.“ Sie verstaute den leeren Suppentopf unter dem Tisch und hievte gemeinsam mit ihrer Kollegin einen vollen Topf auf die Theke.

„Er ist für immer nach Südamerika ausgewandert?“, wiederholte Stefan verblüfft. Er konnte sich an den engen Zusammenhalt der Familie Kowalski erinnern. „Das war für eure Eltern bestimmt nicht leicht“, schlussfolgerte er. „Aber wenigstens bist du ja in Deutschland geblieben.“ Er sah schon wieder zu Alexandra hinüber. Sie stand an der Säule und studierte die Plakate.

Zu Stefans Verwunderung lachte Henriette laut auf.

„Stefan, ich habe vor zwanzig Jahren als blutjunges Ding einen angehenden Diplomaten geheiratet“, eröffnete sie ihm. „Seitdem ist mein Leben eine einzige Reise. Es war eine Riesenausnahme, dass wir zur Abwechslung mal für eine kurze Zeit nach Deutschland versetzt wurden. Aber der nächste Auslandsaufenthalt kommt bestimmt.“

Beeindruckt nickte Stefan. Henriette war also eine Diplomatengattin. Ob sie auch einen Beruf erlernt hatte?

Als könnte Henriette seine Gedanken lesen, sprach sie exakt dieses Thema an.

„Du kannst dich vielleicht erinnern, dass ich schon als Kind immer gerne Illustratorin geworden wäre?“, fragte sie ihn.

Tatsächlich kehrte die Erinnerung schlagartig zurück. Henriette hatte Stefan ständig wunderbare Bilder gemalt. Eines war so hübsch gewesen, dass er es sogar an seine Zimmertür geklebt hatte.

„Es war immer mein Traum, Illustration, Grafikdesign oder Kunst zu studieren. Aber mit der Heirat war das natürlich vorbei“, seufzte Henriette. „Du kannst nicht ständig umziehen, auf Empfänge und zu Einladungen gehen und parallel noch studieren.“

Sie wirkte auf einmal traurig.

„Natürlich male ich immer noch“, ergänzte sie dann. „Aber ich mach es eher als Hobby. Ich habe recht früh Kinder bekommen. Unsere Zwillingssöhne gehen auf ein Internat in der Schweiz. Um nicht zu Hause zu versauern, bin ich ehrenamtlich aktiv. Zurzeit arbeite ich für die Münchner Obdachlosenhilfe.“

Stefan reichte einem ausgemergelten jungen Mann ein Stück Brot. Der Mann hatte kaum mehr einen Zahn im Mund. Er war mit großer Sicherheit drogenabhängig.

„Bist du auch verheiratet?“, fragte Henriette frei heraus. „Hast du Kinder?“ Sie warf Stefan einen schwärmerischen Blick zu.

Er wurde rot. „Nein, verheiratet bin ich nicht“, gab er zu. „Trotzdem habe ich die große Liebe gefunden. Meine Freundin Alexandra steht dort drüben und wartet auf mich. Wenn du magst, stelle ich euch gerne einander vor. Kinder haben wir keine.“

Henriettes verklärter Blick verflüchtigte sich. Sie wirkte auf einmal ziemlich beschäftigt.

„Irgendwie war das wohl klar“, rutschte es ihr heraus. „Damals hattest du auch immer irgendeine tolle Freundin.“

Stefan grinste. „Du übertreibst. Damals war ich doch gerade mal in der siebten Klasse. Aber eine Sache stimmt auf jeden Fall: Alexandra ist wirklich eine tolle Frau. Sie betreibt ihre eigene Augenarztpraxis.“

Von hinten brachte jemand neues Brot heran. Henriette trat zur Seite.

„Stefan, ich habe leider keine Zeit, mich länger zu unterhalten“, brach sie das Gespräch abrupt ab. „Aber ich würde dir gerne in den nächsten Tagen was zeigen. Wir haben nämlich nicht nur diese Suppenstation, sondern es gibt in München eine mobile Hausarztpraxis. Ehrenamtliche Ärzte fahren zu festen Terminen an unterschiedliche Plätze der Stadt. Obdachlose können sich dann medizinisch behandeln lassen. Ich könnte mir vorstellen, dass dieses Projekt interessant für dich ist. Und vielleicht willst du dich ja sogar selbst ehrenamtlich engagieren?“

Sie zwinkerte ihm schelmisch zu und kramte in ihrer Jackentasche. Dann überreichte sie ihm ihre kunstvoll gestaltete Visitenkarte.

„Das mache ich gerne“, versprach Stefan. Er ließ Henriettes farbenfrohe Visitenkarte in seiner Hosentasche verschwinden. Zum Abschied umarmte er sie. Dann ging er endlich zurück zu Alexandra.

„Seit wann hast du Supermodels in deinem Bekanntenkreis?“, fragte Alexandra ironisch.

Stefan hakte sich bei ihr unter.

„Jetzt übertreibst du aber!“, sagte er lachend. „Henriette ist hübsch, ohne Zweifel. Aber dir kann sie noch lange nicht das Wasser reichen. Warum bist du nicht einfach herübergekommen? Ich hätte euch gerne einander vorgestellt.“

Alexandra zuckte unsicher mit den Schultern. Sie schien die Antwort darauf selbst nicht zu wissen. Hand in Hand gingen sie über die Ampel auf die andere Straßenseite zurück.

„Aber mal im Ernst, Stefan …“ Offenbar konnte Alexandra das Thema nicht ruhen lassen. „Diese Frau ist der Inbegriff einer Sirene. Und dann hat sie auch noch leuchtend rotes Haar! Lass mich raten: Sie ist bestimmt Jazzsängerin. Vermutlich gehört ihr eine coole Bar in Schwabing.“

„Deine Fantasie geht mit dir durch, Schatz!“ Sie hatten die Haltestelle erreicht. Die nächste Bahn kam in wenigen Minuten. „Wenn es dich beruhigt – Henriette hat überhaupt keinen Beruf“, verriet Stefan. „Sie wäre gerne professionelle Künstlerin geworden, aber dann hat sie einen Diplomaten geheiratet und früh Kinder bekommen. Seither reist sie mit ihrem Mann durch die Welt.“

„Mein Mitleid hält sich in Grenzen.“ Alexandra wirkte immer noch verstimmt.

Stefan zog seine Freundin liebevoll an sich. „Ich bitte dich, Alexandra! Du bist doch nicht etwa eifersüchtig? Henriette ist lediglich die kleine Schwester meines alten Schulfreunds Peter. Eine Zeitlang bin ich bei ihnen ein- und ausgegangen. Sie arbeitet ehrenamtlich für die Obdachlosenhilfe in München. Und weißt du was? Es gibt dort sogar eine Art mobiles Sprechzimmer, in dem Ärzte tätig sind.“