Dr. Stefan Frank 2610 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2610 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Apothekerin Sinja schreibt von Zeit zu Zeit Artikel für die Apothekenzeitung. Für ihren neuen Auftrag soll sie über die Gefahren auf Spielplätzen berichten. Sinja beschließt, sich auf dem nächsten Spielplatz einen Eindruck zu verschaffen. Dort begegnet sie dem Witwer Magnus und seiner Tochter Merle. Die schüchterne Fünfjährige schließt sich nicht leicht jemandem an, aber Sinja erobert ihr Herz. Als Merle sich fröhlich lachend von ihr auf der Schaukel anstoßen lässt, höher und höher hinauf, ist Magnus bezaubert von Sinja. Sie verbringen den Abend gemeinsam, essen zusammen und reden bis tief in die Nacht, während Merle längst an Sinja gekuschelt schläft. Zwischen ihnen entsteht ein Band.
An einem heißen Sommertag vertraut Magnus Sinja seine Tochter Merle für ein paar Stunden an. Die beiden machen sich auf den Weg zum Eiscafé. Unterwegs begegnen sie Sinjas Exfreund. Er verwickelt sie in ein Gespräch. Sinja ist abgelenkt und achtet kurz nicht auf Merle. Das nutzt die Fünfjährige für einen Abstecher zu dem nahe gelegenen Spielplatz. Auf der Schaukel schwebt sie überglücklich den Wolken entgegen. Sinja entdeckt es, aber ihre Rufe nach Vorsicht verhallen ungehört. Plötzlich löst sich ein Seil der Schaukel aus der Halterung! Merle fliegt durch Luft, stürzt und bleibt reglos liegen ...


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Inhalt

Cover

Wenn Spielen zur Gefahr wird

Vorschau

Impressum

Wenn Spielen zur Gefahr wird

Arztroman um einen Noteinsatz am Spielplatz

Apothekerin Sinja schreibt von Zeit zu Zeit Artikel für die Apothekenzeitung. Für ihren neuen Auftrag soll sie über die Gefahren auf Spielplätzen berichten. Sinja beschließt, sich auf dem nächsten Spielplatz einen Eindruck zu verschaffen. Dort begegnet sie dem Witwer Magnus und seiner Tochter Merle. Die schüchterne Fünfjährige schließt sich nicht leicht jemandem an, aber Sinja erobert ihr Herz. Als Merle sich fröhlich lachend von ihr auf der Schaukel anstoßen lässt, höher und höher hinauf, ist Magnus bezaubert von Sinja. Sie verbringen den Abend gemeinsam, essen zusammen und reden bis tief in die Nacht, während Merle längst an Sinja gekuschelt schläft. Zwischen ihnen entsteht ein Band.

An einem heißen Sommertag vertraut Magnus Sinja seine Tochter Merle für ein paar Stunden an. Die beiden machen sich auf den Weg zum Eiscafé. Unterwegs begegnen sie Sinjas Exfreund. Er verwickelt sie in ein Gespräch. Sinja ist abgelenkt und achtet kurz nicht auf Merle. Das nutzt die Fünfjährige für einen Abstecher zu dem nahe gelegenen Spielplatz. Auf der Schaukel schwebt sie überglücklich den Wolken entgegen. Sinja entdeckt es, aber ihre Rufe nach Vorsicht verhallen ungehört. Plötzlich löst sich ein Seil der Schaukel aus der Halterung! Merle fliegt durch Luft, stürzt und bleibt reglos liegen ...

Die vergangenen achtundvierzig Stunden hatten Dr. Frank kaum eine Atempause gegönnt. Er war für einen Kollegen beim Wochenend-Notdienst eingesprungen und hatte bis in die Nacht hinein Patienten versorgt. Das heiße Sommerwetter brachte bei vielen Menschen den Kreislauf durcheinander. Herzbeschwerden konnten sich verschlimmern. Und nach einem Freiluftkonzert waren mehrere Menschen mit Hitzschlag zu ihm gekommen.

So hatten sich die Patienten in seiner Praxis die Klinke in die Hand gegeben. Erst gegen Morgen war es ruhiger geworden.

Nach einem kurzen Abstecher unter die Dusche war er zu der geplanten Radtour mit seinem langjährigen Freund und Kollegen Uli Waldner aufgebrochen. Sie wollten ihren freien Vormittag für eine Fahrt an der Isar entlang nutzen.

Der Fluss rauschte zu ihrer Linken. Enten schnatterten im Schilf. Hier und da standen Kormorane auf Steinen, die aus dem Wasser aufragten. Das stete Rauschen der Reifen auf dem Radweg begleitete sie ebenso wie das muntere Vogelkonzert. Die Sonne malte bizarre Muster durch das Blätterdach auf den Asphalt. Schmetterlinge gaukelten von Löwenzahnblüte zu Löwenzahnblüte.

Sonnenschein. Seelenwärme.

Stefan Frank fühlte, wie ihm das Herz leichter wurde.

»Wir hätten den Ausflug auch verschieben können, weißt du«, meldete sich sein Begleiter und brachte sein Fahrrad neben ihn. Gleichmäßig in die Pedale tretend, schaute er herüber. »Damit du Schlaf nachholen kannst.«

»Besser nicht. Wenn ich jetzt schlafe, wälze ich mich nur heute Abend schlaflos im Bett. Außerdem wäre es schade, das sonnige Wetter nicht zu nutzen.«

»Trotzdem sollten wir es langsam angehen lassen.«

»Abgemacht. Wenn du nicht mithalten kannst, fahren wir eben etwas langsamer«, neckte Stefan Frank seinen Freund.

»Ich?« Uli Waldner schnaubte. »Mir ging es um dich.«

»Oh, da musst du dir keine Sorgen machen. Ich genieße unsere Fahrt viel zu sehr, um schon ans Aufhören zu denken.« Stefan Frank ließ den Blick schweifen – über das üppige Grün des Sommers, die Weiden, die so weit über den Fluss hingen, dass ihre Zweige ins Wasser stippten, und das Ufergras, das sich leicht im flüsternden Wind neigte. Überall summte und brummte es. Irgendwo schlug ein Buntspecht gegen einen Baumstamm. Ja, die Doppelschicht steckte ihm in allen Gliedern, aber um nichts in der Welt hätte er diesen Ausflug missen wollen.

Sein Begleiter zog die Wasserflasche aus der Halterung, setzte sie an und ließ sie sogleich enttäuscht sinken.

»Kein Tropfen mehr drin.«

»Warte, hier müsste noch Wasser sein.« Stefan Frank reichte seinem Freund die eigene Wasserflasche.

Uli Walder schüttelte den Kopf. Seine Wangen waren hochrot und Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Trotzdem lehnte er das Angebot ab.

»Das geht nicht. Ich bringe dich bei dieser Hitze nicht um dein Wasser.«

»Nimm ruhig. Wir müssten bald Idas Eisdiele erreichen. Dort können wir unsere Flaschen auffüllen.«

»Das klingt wunderbar. Ich habe gar nicht darauf geachtet, wie lange wir schon unterwegs sind. Könntest du ›bald‹ ein bisschen genauer definieren? Wie weit ist es noch?«

»Nun, ich würde sagen, noch zwei, maximal drei Kilometer.« Stefan Frank blickte zu seinem Freund hinüber. »Ida soll neue Eissorten im Angebot haben. Wir könnten auch Erdbeerparfait oder gefrorene Pistazienwölkchen probieren.«

»Ich verstehe nicht, was du mit ›oder‹ meinst«, grummelte sein Begleiter.

Dr. Frank stutzte, dann huschte ein verstehendes Schmunzeln über sein Gesicht.

»Du meinst, wir sollten die leckersten Sorten durchprobieren?«

»Auf alle Fälle. Wir machen keine halben Sachen, oder? Außerdem verdunstet bei dieser Hitze ohnehin das meiste, bevor es im Magen ankommt. Das Eis setzt also keinesfalls an.«

»Eine gewagte Theorie.«

»Treten wir den Beweis an.«

Ein Lachen schwang in der Stimme seines Freundes mit und verriet, wie sehr er den unbeschwerten Morgen genoss. Als Chirurg und Leiter der Waldner-Klinik trug er eine weitreichende Verantwortung. Er setzte sich dafür ein, dass in seinem Krankenhaus jeder Patient als Ganzes betrachtet wurde. Und er sorgte dafür, dass moderne Behandlungsmethoden und persönliche Zuwendung Hand in Hand gingen. Für diesen Ansatz war seine Klinik weit über die Grenzen von München hinaus bekannt und gefragt. Gerade die Last dieser großen Verantwortung ließ ihn jeden freien Moment besonders schätzen.

Die beiden Männer radelten eine Weile schweigend weiter.

Vor ihnen war ein junges Paar unterwegs. Sie trugen Radlerhosen und weiße Funktionsshirts. Die Frau hatte einen Picknickkorb hinter sich auf das Rad geschnallt. Ein Baguette lugte daraus hervor. Auf dem Rücken des Mannes saß ein Mädchen in einem Kindersitz. Die Kleine quietschte fröhlich, als sie einen leuchtend gelben Schmetterling entdeckte, und versuchte, ihn mit einer Hand zu haschen. Sie konnte nicht älter als zwei Jahre sein. Ihr rosa Helm war mit weißen Häschen bemalt.

Das Paar warf sich immer wieder innige Blicke zu.

»Sieh nur, Stefan, so verliebt, die beiden. Da wird einem das Herz ganz warm«, murmelte Uli Waldner. »Stell dir vor, wir wären noch einmal so jung.«

»Anfang zwanzig? Dann hätten wir den größten Teil unserer Ausbildung noch vor uns. Wir müssten alle Erfahrungen neu machen. Und uns von Professor Silberstein herunterputzen lassen, wenn wir die Bezeichnungen der Knochen im menschlichen Körper nicht im Schlaf herunterrasseln können. Um ehrlich zu sein, bin ich froh, dass wir das hinter uns haben.«

»Da erinnerst du mich an etwas. Bei Professor Silberstein habe ich einmal einen Referatstermin verschwitzt. Ich sollte einen Vortrag über Neuralgien halten und hatte im Grunde keine Ahnung vom Thema. Also habe ich improvisiert.«

»Aber der Professor hat dich durchschaut, hab ich recht?«

»Und ob! Trotzdem hat er mich die ganzen zwanzig Minuten durchexerzieren lassen. Ich hab damals Blut und Wasser geschwitzt – und nie wieder ein Referat vergessen.«

»Dann hat es ...« Stefan Frank unterbrach mitten im Satz, weil die junge Frau vor ihnen unvermittelt angehalten und einen Fuß neben ihrem Fahrrad abgestellt hatte.

Das war es jedoch nicht, was ihn alarmiert hochfahren ließ. Es war der Wehlaut, den sie ausstieß, während sie sich an die Schläfe fasste, als wäre ihr geradewegs ein Blitz durch den Schädel gefahren. Und in der nächsten Sekunde brach sie zusammen!

Haltlos stürzte sie auf den Radweg, wie eine Marionette, deren Fäden von einer Schere durchtrennt wurden!

Die beiden Ärzte wechselten einen Blick, dann traten sie fester in die Pedale und stoppten neben der Unbekannten. Sie wälzte sich auf dem Asphalt, wimmerte und hielt sich den Kopf. Ihr Mann kam zurückgeradelt. Er war mit einem Mal aschfahl.

»Liebes? Liebes, was hast du denn?«

Sie antwortete mit einem Stöhnen.

»Können wir helfen?« Stefan Frank warf sein Fahrrad auf die Wiese und kniete sich neben die Frau. »Mein Name ist Frank, ich bin Arzt. Haben Sie Schmerzen?«

»Mein Kopf ... bringt mich um ...« Mit einem Mal rollte sie sich würgend zur Seite und übergab sich mitten auf den Gehweg.

Stefan Frank stützte ihren Kopf. »Können Sie mir Ihren Namen sagen?«

Anstelle einer Antwort verdrehte sie die Augen – und wurde mit einem Mal schlaff in seinem Arm!

»O Gott!« Ihr Mann stöhnte. »Helfen Sie ihr, bitte. Ihr Name ist Britta. Und ich bin Magnus Eising. Was fehlt ihr nur?«

Stefan Frank tastete nach dem Puls der jungen Frau.

Vergebens!

Sie hatte einen Herzstillstand erlitten!

Er schaute zu seinem Freund auf. »Ruf die Rettung an. Sie sollen Hilfe schicken. Schnell!«

Ulrich Waldner war schon dabei. Er presste sein Telefon ans Ohr und sprach. Stefan Frank beugte sich wieder über die Fremde und begann mit der Herzdruckmassage. Ihr Mann setzte die Trage mit seiner Tochter ab, nahm sie in die Arme und drehte ihr Köpfchen so, dass sie nicht mit ansehen musste, wie Dr. Frank versuchte, ihre Mutter wiederzubeleben. In seinen weit aufgerissenen Augen stand ein einziges Flehen.

Stefan Frank arbeitete wie eine Maschine.

Drücken ... Beatmen ... Drücken ... Beatmen ...

Derweil flackerte ein furchtbarer Verdacht durch seine Gedanken: Die Symptome der Unbekannten passten zu einem Aneurysma. Das Kopfweh, die Übelkeit und der plötzliche Zusammenbruch ... Sie hatte eine ballonartige Aussackung an einem Blutgefäß in ihrem Kopf. Eine Schwachstelle, höchstwahrscheinlich an einer Arterie. Und die war soeben gerissen! Nun blutete sie unkontrolliert in ihren Schädel. Das Blut konnte wegen des Schädelknochens nirgendwohin ausweichen und ließ ihren Hirndruck gefährlich ansteigen.

Es stand nicht gut um sie.

Verbissen bemühte er sich weiter. Der Schweiß rann in Strömen über sein Gesicht und seinen Rücken. Seine Arme schmerzten, aber er ließ nicht nach.

»Kommen Sie, Britta«, drängte er zwischen zwei Stößen. »Kämpfen Sie!«

Doch seine tastenden Fingerkuppen fanden keinen Puls.

Also weiter. Weiter. Er drückte und beatmete, bis in der Ferne das Martinshorn des Rettungswagens laut wurde. Noch immer zeigte die Fremde keine Reaktion und mit jeder Minute sanken ihre Chancen weiter! Im dunkelsten Winkel seines Verstandes lauerte die Erkenntnis, dass er nicht helfen konnte. Diesmal nicht. Sein Freund wollte ihn ablösen, aber er blieb dran, tat alles, was er konnte.

»Nicht aufgeben«, mahnte er – nicht sicher, ob er sie damit meinte oder sich selbst.

***

Drei Jahre später

Lonmore ... Kilmuir ... Dunvegan ...

Versonnen folgte Sinja mit dem Finger der A863 von Ortschaft zu Ortschaft. Die Straße führte immer weiter Richtung Nordwesten und ihre Sehnsucht folgte ihr.

Das Papier der Landkarte war zerknittert, so oft hatte Sinja sie in den vergangenen Monaten auseinander- und wieder zusammengefaltet.

Jetzt wären wir auf dem Campingplatz und würden unser Zelt aufschlagen, dachte sie bekümmert und tippte auf Kinloch Campsite. Von dort aus wollten wir so gern diese nahe gelegene kleine Bäckerei besuchen, die Gisa uns so warm empfohlen hat: Jann´s Cakes. Der Caramel-Cheesecake dort soll ein Traum sein. Mit Blick auf die grünen Hügel und das Wasser ...

Sehnsucht trieb ihr die Tränen in die Augen.

Hastig blinzelte sie und schalt sich selbst für ihre Sentimentalität. Fast ein Jahr waren Thorsten und sie nun schon nicht mehr zusammen. Es sollte nicht mehr so wehtun, aber das tat es. Sie musste immerzu an ihre Pläne für diesen Sommer denken. Wo sie gerade wären. Was sie erleben würden. Eine abenteuerliche Trekkingtour durch den Norden von Schottland war ihr Traum gewesen und alles geplant – jede Route und jede Unterkunft. Doch anstatt an diesem Tag Dunvegan zu erreichen, saß Sinja allein in München. Und Thorsten? Er unternahm die Reise mit ihrer Cousine, sah mit ihr all die Wunder, die sie eigentlich zusammen erleben wollten.

Ein bitterer Geschmack legte sich auf ihre Zunge.

Energisch schob Sinja die Landkarte von sich, aber vor ihrem inneren Auge sah sie die grünen Weiten von Schottland, hörte die Rufe der Papageientaucher und stöberte Moorschneehühner im Grün auf. Sie hatte lange von dieser Reise geträumt und darauf gespart. Ihr Herz schlug für die Landschaft, die zotteligen Hochland-Rinder und überhaupt für die schottische Tierwelt. Ihre Zeichensachen hatten schon bereitgelegen, nur darauf gewartet, die Eindrücke auf das Papier zu bannen. Aus. Vorbei. Eine verräterische Träne stahl sich aus ihrem Augenwinkel.

Hastig fuhr sie mit einer Hand darüber, wischte ihn fort.

Ares drängte sich an ihre Beine und fiepte. Der kleine Chihuahua wusste immer, wann es ihr schlecht ging. Auch jetzt schleckte er ihr tröstend die Hand ab. Sie hatte ihn wenige Wochen nach ihrer Trennung aus dem Tierheim geholt, weil sie die Stille daheim nicht mehr ausgehalten hatte. Er war noch ein Welpe gewesen und auf drei Pfoten durch seinen Käfig gehumpelt. Sein früherer Besitzer hatte ihn wegen der Verletzung aufgegeben. Sinja hatte seine Behandlung fortgeführt und mit ihm das Laufen trainiert. Und er hatte sich gut herausgemacht. Wenn er jetzt losflitzte, konnte er sie mühelos abhängen.

Sie hatten sich gegenseitig gerettet, daran hegte sie nicht den geringsten Zweifel.

Sinja ließ endgültig von der Landkarte ab und griff nach der Gießkanne. Dann ging sie auf ihre Terrasse und wässerte die Pflanzen. Ihr Vorgarten war eine grüne Oase und der Grund gewesen, weshalb sie sich für die Erdgeschosswohnung entschieden hatte. Die Lage, am Rand von Grünwald und ein gutes Stück von München entfernt, war ihr anfangs nicht ideal erschienen, aber in den Zugang zum Garten hatte sie sich sogleich verliebt. Inzwischen liebte sie ihr Zuhause, das ganz in sonnigem Gelb und zartem Grün eingerichtet war. Rings um ihre Terrasse wuchsen Oleander, Bambus und Lavendel an einer Natursteinmauer. Weißdorn und Hartriegel zogen den Blick auf sich. An einem Rankgitter breitete sich eine bezaubernde Clematis aus. Wicken blühten wunderbar üppig. Eine Ecke des Vorgartens hatte Sinja wild gelassen, dort raschelten abends häufig Igel und andere Kleintiere im Grün.

Kochen war nicht ihre Stärke, was, genau genommen, noch eine Untertreibung war. Für Pflanzen jedoch hatte Sinja ein Händchen. Vielleicht, weil sie schon als Kind mit ihrem Vater im Garten gewerkelt hatte. Eine Zeit lang hatte sie überlegt, Gärtnerin zu werden, aber dann beschlossen, ihr Hobby ein ebensolches bleiben zu lassen. Stattdessen war sie ihrem zweiten Interesse gefolgt und Apothekerin geworden.

Gerade, als sie den Wicken Wasser gab, fiel ihr Blick auf das Reihenhaus auf der anderen Straßenseite. Davor stand ein Umzugswagen. Ein braunhaariger Mann wuchtete einen Karton aus dem Wagen und trug ihn zum Haus. Seine Jeans betonte seine schmalen Hüften und die muskulösen Beine, das weiße Shirt spannte sich über bemerkenswerten breiten Schultern. Etwas an ihm zog ihren Blick wie magisch an. War er einer der Umzugshelfer?

Nein, wohl eher ihr neuer Nachbar, entschied sie, als sie beobachtete, wie er zwei Möbelpackern Anweisungen erteilte, wo sie mit dem Hochbett hin sollten. Im Gegensatz zu ihm trugen die beiden grüne Latzhosen mit dem Aufdruck des Umzugsunternehmens. Er zog also nebenan ein. Seine Stimme war dunkel, wie heiße Schokolade mit Sahne und Kakaosplittern. Sinja konnte nicht anders, als zu ihm hinzusehen. Erst als Wasser auf ihre nackten Füße tropfte, zuckte sie zusammen und erkannte, dass sie ihre armen Blumen überwässert hatte.

In diesem Augenblick flitzte ein Mädchen von etwa fünf Jahren aus dem Haus und fasste nach der Kiste auf dem Arm des Unbekannten. Sie musste sich auf die Zehenspitzen recken, um ihm beim Tragen zu helfen. Er nickte und lobte sie offenbar. Sinja wurde das Herz weit. Die Kleine war zu niedlich mit ihren blonden Zöpfchen und dem verschmitzten Lächeln.