Dr. Stefan Frank Großband 13 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank Großband 13 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

10 spannende Arztromane lesen, nur 7 bezahlen!

Dr. Stefan Frank - dieser Name bürgt für Arztromane der Sonderklasse: authentischer Praxis-Alltag, dramatische Operationen, Menschenschicksale um Liebe, Leid und Hoffnung. Dabei ist Dr. Stefan Frank nicht nur praktizierender Arzt und Geburtshelfer, sondern vor allem ein sozial engagierter Mensch. Mit großem Einfühlungsvermögen stellt er die Interessen und Bedürfnisse seiner Patienten stets höher als seine eigenen Wünsche - und das schon seit Jahrzehnten!

Eine eigene TV-Serie, über 2000 veröffentlichte Romane und Taschenbücher in über 11 Sprachen und eine Gesamtauflage von weit über 85 Millionen verkauften Exemplaren sprechen für sich:
Dr. Stefan Frank - Hier sind Sie in guten Händen!

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2320 bis 2329 und umfasst ca. 640 Seiten.

Zehn Geschichten, zehn Schicksale, zehn Happy Ends - und pure Lesefreude!

Jetzt herunterladen und sofort eintauchen in die Welt des Dr. Stefan Frank.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 1218

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Impressum

BASTEI LÜBBE AG Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Für die Originalausgaben: Copyright © 2015/2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © shutterstock/diplomedia ISBN 978-3-7517-2953-6 www.bastei.de www.luebbe.de www.lesejury.de

Stefan Frank

Dr. Stefan Frank Großband 13

Inhalt

Stefan FrankDr. Stefan Frank - Folge 2320Nach einer Enttäuschung hat Miriam die Nase von Männern gestrichen voll. Sie wohnt zusammen mit ihrer Schwester Nadja in einer schicken Villa und ist mit ihrem Leben so zufrieden, wie es ist. Doch Nadja will Miriams Single-Dasein nicht akzeptieren. Immerhin ist Miriam schon zweiunddreißig, da muss sie sich schon ein wenig beeilen, wenn sie noch einen Mann finden will! Um ihrer Schwester in Sachen Liebe ein wenig auf die Sprünge zu helfen, fragt Nadja in ihrer Stammkneipe herum, ob jemand Miriam kennenlernen möchte. Ein neuer Bekannter, Philip, ist gleich Feuer und Flamme und lässt sich Miriam vorstellen. Diese ist leider gar nicht begeistert, als sie Nadjas offensichtlichen Verkupplungsversuch durchschaut. Außerdem gefällt ihr der schmierige Philip überhaupt nicht, sie will ihn so schnell wie möglich loswerden. Aber das ist gar nicht so einfach, denn schnell wird deutlich, dass Philip nicht bereit ist, eine Abfuhr zu akzeptieren ...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2321Vanessa Stern ist eine Lehrerin wie aus dem Bilderbuch. Die junge Frau ist überall beliebt und kümmert sich um ihre Schützlinge, als wären es ihre eigenen Kinder. Aber auch wenn sie nach außen so fröhlich wirkt - in ihrem Inneren sieht es sehr traurig aus. Vanessa ist als Kind im Heim großgeworden und sehnt sich nach der Geborgenheit einer glücklichen Beziehung. Doch ihr Freund Florian behandelt sie schlecht. Rücksichtslos lässt er sich von ihr bedienen und setzt sie bei jeder Gelegenheit unter Druck. Während Weihnachten immer näher rückt und überall die Vorfreude steigt, fürchtet sich Vanessa beinahe vor den Festtagen. Bestimmt wird ihr Heiliger Abend alles andere als schön ... Da lernt sie den aufgeschlossenen Paul kennen. Der Sozialarbeiter arbeitet in dem Flüchtlingsheim, in dem auch eine von Vanessas Schülerinnen lebt. Als eine Masern-Epidemie ausbricht, setzen sich die beiden gemeinsam für das Wohl der Flüchtlinge ein.Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2322Warum die hübsche Arzthelferin nicht sehen kann, wer ihre wahre Liebe ist. Die junge Marinka Böhme übernimmt bei Dr. Frank eine Vertretungsstelle als Arzthelferin. Ihre Beziehung in Köln ist zerbrochen, und in München möchte sie ein neues Leben beginnen. Doch zu einem neuen Leben gehört auch eine neue Liebe, findet Marinka. Um dem Glück ein bisschen auf die Sprünge zu helfen, meldet sich die hübsche Frau bei einer Partnerbörse im Internet an. Schon bald trifft sie die ersten Verabredungen mit verschiedenen Männern. In der Praxis hat sie unterdessen den sympathischen Sören kennengelernt, der von der hübschen Arzthelferin völlig hingerissen ist. Allerdings macht er sich keine Hoffnungen, Marinkas Herz für sich gewinnen zu können. Sicher findet sie ihn viel zu langweilig und unscheinbar; so geht es ihm ja meistens mit den Frauen ...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2323Dr. Frank und das bewegende Schicksal einer Studentin. Für Hanna zählt im Leben nur ihr Sport. Die ehrgeizige Studentin ist eine erfolgreiche Skiläuferin und steht kurz vor dem Durchbruch zu einer Profikarriere. Für die Liebe ist da kein Platz. Zum Glück hat sie in ihrem Mitbewohner Dominik einen guten Freund. Die beiden verbringen die Abende miteinander, lernen zusammen, führen stundenlange Gespräche und albern herum. Dass Dominik in Wahrheit unsterblich in sie verliebt ist, ahnt Hanna nicht. Doch dann hat die junge Frau einen furchtbaren Skiunfall, der ihr Leben dramatisch verändert. Während sie fast daran verzweifelt, dass sie plötzlich an den Rollstuhl gefesselt ist, kümmert sich ihr Mitbewohner mit täglichen Besuchen in der Klinik rührend um sie. Langsam scheint sich Hanna mit der neuen Situation zu arrangieren, aber plötzlich werden ihre Schmerzen schlimmer, und die Ärzte stellen sie vor eine schwierige Wahl ...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2324Bea Vortigern und Fabian Mierensberg sind ein hinreißendes Paar. Die zwei lieben sich von ganzem Herzen und harmonieren so gut miteinander, dass es jedem Außenstehenden warm ums Herz wird, wenn er die beiden zusammen erlebt. Besser gesagt: beinahe jedem Außenstehenden, denn es gibt eine große Ausnahme: Sophie Mierensberg, Fabians Mutter. Sophie ist in den besseren Kreisen Münchens dafür bekannt, dass sie zu bösartigen Intrigen neigt, doch bei Bea treibt sie ihr Spiel auf die Spitze. Sie beäugt die Freundin ihres Sohnes mit unverhohlenem Missfallen, stellt sie bei jeder Gelegenheit bloß und tut alles, um die jungen Leute auseinanderzubringen. Fabian glaubt lange Zeit, dass die Liebe alle Hindernisse überwinden kann, doch plötzlich muss er erkennen, dass er sich da wohl getäuscht hat ...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2325Erwachsene sind gar nicht immer so klug, wie sie glauben - das ist zumindest die felsenfeste Überzeugung der vierjährigen Emilia. Wie sonst kann es sein, dass sich ihre Mami immer wieder mit den falschen Männern trifft? Dabei wüsste Emilia genau, welchen Mann sie gerne zum Papa hätte: Martin, den netten Erzieher aus ihrer Kita. Aber der ist leider auch nicht schlauer als ihre Mama und hat sich eine ganz blöde Freundin ausgesucht, ein Model namens Isabel. Emilia wird also nichts anderes übrig bleiben, als dem Glück der beiden ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Wenn sie nur wüsste, wie sie das anstellen soll! Zum Glück hat sie zwei Helfer an ihrer Seite: ihre nette Nachbarin Frau Suderstedt und ihren Hausarzt Dr. Frank. Wäre doch gelacht, wenn am Ende nicht alle endlich glücklich wären ...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2326Die fröhliche Krankenpflegerin Pia geht ganz in ihrem Beruf auf. Vor allem zu ihrem Patienten Albert Hofbauer hat sie ein enges Verhältnis. Der Zweiundsechzigjährige leidet an Parkinson. Noch mehr als die Krankheit belastet den Witwer jedoch der Umstand, dass er seit vielen Jahren keinen Kontakt zu seinem Sohn Max und der sechsjährigen Enkelin Lina hat. Pia bricht die Einsamkeit des alten Mannes das Herz. Um die Familie zu vereinen, sucht sie Max auf und redet mit ihm. Der gut aussehende Zahnarzt ist von ihrem Besuch allerdings alles andere als begeistert. Brüsk gibt er ihr zu verstehen, dass in der Vergangenheit Dinge geschehen sind, die er seinem Vater nicht verzeihen kann. Max wirkt hartherzig, doch Pia ahnt, dass der alleinerziehende Vater unter seiner rauen Schale ein Herz voller Liebe trägt. Aber so sehr sich Pia auch bemüht, sie kommt einfach nicht an Max heran. Da bricht die kleine Lina zusammen, und plötzlich stehen ganz andere Sorgen im Vordergrund ...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2327Als Tochter eines Zeitungshändlers ist die hübsche Veronika in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Zwar wurde sie von ihren Eltern geliebt, doch das hat ihr nie gereicht. Veronika will Geld, Erfolg und Ruhm. All dies hoffte sie durch den Beruf der Ärztin zu erlangen. Ihre Stelle als Assistenzärztin an der angesehenen Waldner-Klinik ernüchtert sie jedoch schnell: Veronika fühlt sich von der Chefärztin drangsaliert und benachteiligt, die Patienten findet sie nervtötend. Da lernt sie durch Zufall den bekannten Schauspieler Tim Ruska kennen. Endlich ist ihre Chance gekommen, doch noch berühmt und reich zu werden - und das ohne diese blöde Schufterei! Sie wird einfach die neue Frau an seiner Seite werden. Na gut, Tim ist verheiratet, aber das ist doch nur noch eine reine Formsache. Was will er schließlich mit diesem grauen Mäuschen, das Tag und Nacht um das Baby weint, welches das Ehepaar verloren hat? Veronika schmiedet einen gefährlichen Plan, und bald steht weit mehr auf dem Spiel als nur ihre Karriere oder die Ehe des Schauspielers ...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2328Das Leben der neunundzwanzigjährigen Marianne liegt in Trümmern vor ihr. Seit sie vor zwei Jahren von einem Hund gebissen wurde, plagen sie unerklärliche Schmerzen. Da sie ihren Arm kaum noch bewegen kann, hat sie über die Erkrankung sogar ihren geliebten kleinen Töpferladen verloren. Im Nachtzug von Bologna nach München lernt Marianne einen anderen Reisenden kennen, den attraktiven Pierre. Die beiden unterhalten sich nur kurz, doch es kommt zu einem folgenschweren Kuss. Immer wieder führt das Schicksal die beiden zusammen, aber obwohl ihr der junge Mann außerordentlich gut gefällt, verhält sich Marianne abweisend. Sie weiß, dass sie bei ihrem Kennenlernen Dinge gesagt hat, die sie nicht hätte sagen dürfen. Sie weiß, dass Pierre in Rom jemanden hat, der auf ihn wartet - und sie weiß, dass ihr Leben schon kompliziert genug ist. Was beide jedoch nicht wissen, ist, dass es da noch ein anderes Geheimnis gibt, das ihre Leben auf merkwürdige Weise miteinander verbindet ...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2329Isabella Vonderbank arbeitet als Verkäuferin bei einem edlen Herrenausstatter in München. Die junge Frau liebt ihre Arbeit, den Umgang mit Menschen - und auch die gemeinsamen Stunden mit ihrem Kollegen Arndt. Allerdings steht für sie fest, dass sie sich niemals auf eine Beziehung mit einem Kollegen einlassen wird. Das würde sicher auch ihr Chef nicht gerne sehen. Als Kleidung an einen Stammkunden ausgeliefert werden muss, erklärt sich Isabella spontan bereit, die Fahrt zu übernehmen. Sie hat an dem Tag ohnehin noch einen Termin bei ihrem Hausarzt Dr. Frank, und die Adresse des Kunden liegt auf ihrem Weg. Nachdem Isabella von ihrem Kundenbesuch zurückgekehrt ist, wird ihrem Umfeld jedoch schnell klar, dass irgendetwas passiert sein muss. In Stefan Franks Praxis verhält sie sich so merkwürdig, dass dem Arzt sofort auffällt, dass etwas nicht stimmt. Nach ihrer Rückkehr ins Geschäft bemerkt auch Arndt ihre Wesensveränderung. Was ist nur mit Isabella geschehen? Allen Fragen weicht sie aus. Zunächst wundern sich alle nur, doch schon bald weicht die Verwunderung größter Besorgnis, denn plötzlich wird klar: Isabellas Geheimnis bedroht ihr Leben ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Dich hat der Himmel gesandt!

Vorschau

Dich hat der Himmel gesandt!

Auf dem Weihnachtsmarkt begegnet Miriam ihrer großen Liebe

Nach einer Enttäuschung hat Miriam die Nase von Männern gestrichen voll. Sie wohnt zusammen mit ihrer Schwester Nadja in einer schicken Villa und ist mit ihrem Leben so zufrieden, wie es ist.

Um ihrer Schwester in Sachen Liebe ein wenig auf die Sprünge zu helfen, fragt Nadja in ihrer Stammkneipe herum, ob jemand Miriam kennenlernen möchte. Ein neuer Bekannter, Philip, ist gleich Feuer und Flamme und lässt sich Miriam vorstellen.

Diese ist leider gar nicht begeistert, als sie Nadjas offensichtlichen Verkupplungsversuch durchschaut. Außerdem gefällt ihr der schmierige Philip überhaupt nicht, sie will ihn so schnell wie möglich loswerden. Aber das ist gar nicht so einfach, denn schnell wird deutlich, dass Philip nicht bereit ist, eine Abfuhr zu akzeptieren …

Miriam Vortweiler winkte dem Mann zu, der eben an ihr vorbeifuhr, dann wandte sie sich wieder um und ging auf das Haus zu. Ob Dr. Frank wohl ihre Nachbarin, Frau Birgle, besucht hatte? Seit einiger Zeit machten der alten Dame der Kreislauf und die Beine zu schaffen, und der Grünwalder Arzt schaute regelmäßig bei ihr vorbei.

Miriam steckte den Schlüssel ins Schloss, blieb aber noch einen Moment stehen, nachdem sie die Haustür geöffnet hatte, und schnupperte. Es roch nach Weihnachten. Nach Vanille, Zimt und Frischgebackenem.

Oh Nadja, dachte sie, du kannst es wirklich nicht lassen, oder?

Langsam zog sie die Tür hinter sich zu, trat zu dem alten Bauernschrank, den sie als Garderobe benutzten, zog ihre warme Winterjacke aus und hängte sie auf. Als Letztes nahm sie die helle Wollmütze und den dicken Schal ab und legte beides in das obere Fach.

Miriam zog eine leichte Grimasse, als sie sich kurz in dem Spiegel betrachtete, der neben dem Schrank hing. Natürlich waren die Haare wieder von der Mütze plattgedrückt. Schnell fuhr sie mit den Fingern durch ihre Frisur und lockerte die Haare auf.

Dann wandte sie sich nach links und ging zu der gemütlichen Küche, die sie und ihre Schwester sich in dem schönen alten Grünwalder Haus teilten. Eigentlich war die Küche allerdings ganz allein Nadjas Reich, denn Miriam kochte nicht gern, und noch weniger gern beschäftigte sie sich mit Backen.

Nadja stand vor der Arbeitsplatte und blickte auf, als Miriam die Küche betrat.

„Du kommst genau richtig“, begrüßte sie die Schwester und schob sich mit dem Arm eine ihrer blonden Locken aus dem Gesicht. „Ich habe eben mit den Vanillekipferln angefangen. Du kannst mir helfen, sie zu formen.“

„Och …“ Miriam trat an die Küchentheke, auf der bereits mehrere mit Weihnachtsplätzchen gefüllte Dosen standen, und nahm sich eine Marzipanmakrone.

„Du sollst nicht naschen, sondern arbeiten!“ Das klang strenger, als Nadja es meinte. „Komm, wasch dir die Hände, und dann los. Ich hab dir dort drüben schon eine Schürze hingelegt.“

Während sie sprach, teilte sie ein Stück vom Teig ab, stäubte ein wenig Mehl auf das Backbrett und rollte dieses Stück zu einer langen, schmalen Wurst aus, die sie in kleinere Teile schnitt. Die kleinen Teigstückchen formte sie geschickt zu „Kipferln“ und legte sie auf das bereitstehende Backblech.

Miriam stieß einen tiefen Seufzer aus. Nadja würde nörgelig werden, wenn sie ihr nicht half, und eine nörgelnde Nadja konnte ziemlich unausstehlich sein. Außerdem würde ihre Schwester sie dann ewig betteln lassen, wenn sie etwas von deren wirklich köstlichem Weihnachtsgebäck haben wollte.

„Wer nicht arbeitet, bekommt auch nichts“, pflegte Nadja stets zu sagen.

Missmutig griff Miriam nach der weißen, mit Rüschen verzierten Schürze. Sie würde damit albern aussehen, dachte sie, aber sie wusste, dass es für ihre Kleidung besser war, wenn sie sie umband. Wie schaffte ihre Schwester es nur, dass sie immer so makellos aussah, wenn sie in der Küche arbeitete? Miriam bestäubte sich beim Backen immer in kürzester Zeit mit Mehl und hatte an allen möglichen und unmöglichen Stellen Teig kleben.

Plötzlich lächelte sie. „Du siehst aus, als wärst du geradewegs den Fünfzigerjahren entsprungen“, sprach sie ihre Gedanken aus. „Die Jeans, der kurze Pulli, der Pferdeschwanz und deine Schürze“, fügte sie hinzu, während sie selbst ihre Schürzenbänder zu einer Schleife band. „Die perfekte junge Hausfrau am Backbrett.“

„Ha, ha.“ Nadja sah kurz auf. „Als Kompliment war das wohl eher nicht gedacht.“ Eine weitere Reihe frisch geformter Kipferl wanderte auf das Blech. „Oh, verflixt, das andere Blech muss aus dem Ofen raus.“

Sie ging zum Backofen, öffnete ihn und zog das Blech vorsichtig ein Stück hervor.

„Die sind perfekt“, meinte sie zufrieden. „Gerade leicht angebräunt.“ Vorsichtig nahm sie das Blech ganz heraus und stellte es dann auf einer Unterlage auf der Küchentheke ab. „Wenn du die Dinger schon nicht formen willst, dann wende sie wenigstens im Zucker.“ Sie schob die flache Schale hinüber, in der sie Puderzucker mit reichlich Vanillezucker gemischt hatte. „Nun mach schon, lass mich nicht hängen, Miriam! Ich habe noch so viel Teig hier, der verarbeitet werden muss.“

Miriam seufzte erneut und machte sich endlich an die Arbeit. Die Kipferl mussten noch heiß sein, wenn sie im Zucker gewälzt wurden, damit er besser haftete. Eins nehmen, in den Zucker drücken, leicht bestäuben, dann herumdrehen. Danach kam gleich das nächste dran. Das dritte wanderte in ihren Mund.

„Au!“, rief sie, denn das Vanillekipferl war noch ein wenig zu heiß gewesen.

Nadja hatte das neue Blech inzwischen komplett belegt und schob es in den Backofen. Sie lachte.

„Selbst schuld, wenn du so gierig bist. Du hättest nur noch einen Moment lang warten müssen.“

Das stimmte ja, aber diesen Kipferln konnte man kaum widerstehen!

„Hast du wieder Uromas Rezept genommen?“, fragte Miriam.

„Na klar, was denn sonst? Das sind einfach die besten Vanillekipferln, die es gibt“, erwiderte Nadja und formte bereits die nächsten. „Jetzt mach das Blech mal endlich leer!“

Ihre Urgroßmutter stammte aus Wien, und als sie als junge Ehefrau nach München gekommen war, hatte sie ihr „Wiener Haushaltsbuch“ mitgebracht. Als Teenager hatten Miriam und Nadja oft kichernd darin gelesen, denn es enthielt nicht nur unzählige Rezepte, sondern auch Ratschläge für alle Lebenslagen – wie man einen Haushalt führte, wie man sich einrichtete und den Garten anlegte, wie man Kranke versorgte und verköstigte, wie man richtig Wäsche wusch und Flecken entfernte oder wie man sonstige kleine Malheure beseitigte, die im Haushalt passierten.

Miriam konnte sich besonders über die Seiten amüsieren, auf denen mit Fotos dargestellt wurde, wie man Seidenstrümpfe richtig anzog und pflegte. Sicher, die waren damals sehr teuer gewesen, aber heute wirkte das einfach nur komisch.

Nachdem sie sämtliche Kipferln im Zucker gewendet und in eine Dose geschichtet hatte, trat Miriam zu ihrer Schwester, die ein bisschen zur Seite rückte und ihr Platz machte.

Während Nadja nun weiterhin die langen Rollen drehte und sie zerschnitt, nahm Miriam die kurzen Stücke, formte sie zu perfekten Kipferln und legte sie auf das neue Blech.

„Geht doch“, murmelte Nadja.

Einträchtig arbeiteten sie weiter.

„Aber nach den Kipferln ist Schluss, oder?“, wollte Miriam wissen. „Du hast hoffentlich nicht noch anderen Teig vorbereitet? Ich hab schließlich einen langen Arbeitstag hinter mir.“

Nadja schüttelte den Kopf. „Für heute reicht’s“, erwiderte sie. „Ich hab drei Bleche voll Makronen gemacht und Rumtörtchen – alles unsere Lieblingssorten. Irgendwann diese Woche backe ich noch einmal.“

Im Stillen nahm Miriam sich vor, an dem Tag Überstunden zu machen. Sie aß das Weihnachtsgebäck ihrer Schwester ausgesprochen gern, aber die Arbeit, die dazugehörte, mochte sie nun mal gar nicht.

Sie fand überhaupt, dass ihre Schwester viel zu viel Theater um die Vorweihnachtszeit und das Fest machte. Ihr selbst hätte es vollkommen gereicht, wenn sie an den Adventssonntagen schön bei Kaffee und Plätzchen zusammengesessen und jeweils eine weitere Kerze angezündet hätten.

Den ganzen anderen Schnickschnack, all diese weihnachtliche Dekoration, brauchte sie wirklich nicht. Girlanden aus Tannengrün an den Türen und über den Fenstern, Schwibbögen und kleine Holzfiguren aus dem Erzgebirge, Nussknacker … es gab nichts, womit Nadja ihre Räume nicht geschmückt hätte.

„Ich weiß genau, was du jetzt denkst“, sagte ihre Schwester mit einem Lachen. „Dir graut es schon wieder davor, dass ich bald das ganze Haus – na ja, meinen Teil – mit Tannengrün und all dem hübschen Krimskrams dekorieren werde. Aber sonst kommt doch gar keine Weihnachtsstimmung auf, oder?“

„Die kommt bei mir auch so nicht auf, weil ich den ganzen Weihnachtskram schon ab September in den Supermärkten sehe“, brummte Miriam. „Ich mag’s halt lieber schlicht und einfach.“

„Kahl und karg“, verbesserte ihre Schwester.

Miriam, die gerade die letzten Kipferln auf das letzte Blech gelegt hatte, sah Nadja an und umarmte sie plötzlich.

„Ich mag dich trotzdem!“

„Geh weg!“, meinte Nadja lächelnd und schob sie fort. „Du machst mich ganz dreckig. Überall hast du Mehl und Zucker an dir, und deine Hände sind ganz klebrig vom Teig!“

„Du stammst wirklich von einem ganz anderen Planeten“, sagte Miriam. „Oder hast du schon mal zwei Schwestern gesehen, die so unterschiedlich sind wie wir? Eine von uns ist garantiert im Krankenhaus vertauscht worden.“

„Du“, meinte Nadja und band sich die Schürze ab. „Ich sehe schließlich genauso aus wie Oma.“

Nadja war nicht sehr groß, ausgesprochen zierlich, mit einem feinen, zarten Gesicht und einer Fülle blonder Locken. Dazu hatte sie riesige blaue Augen. Miriam hingegen war größer, zwar auch schlank, aber kräftiger als ihre Schwester. Sie hatte glatte dunkle Haare und schokoladenbraune Augen.

Doch die Unterschiede zwischen ihnen beschränkten sich nicht allein auf ihr Aussehen. Auch vom Charakter her waren sie vollkommen verschieden.

Miriam war ein kluger, vernunftbetonter Mensch. Sie überlegte stets ganz genau, bevor sie irgendetwas unternahm, und wog alles sorgfältig gegeneinander ab. Was sie nicht wollte, wollte sie nicht, und dann stemmte sie sich auch mit aller Macht gegen die Vorstellungen anderer. Das hatte ihr den Ruf eingebracht hatte, stur und so störrisch wie ein Esel zu sein.

Nadja hingegen war ein Wirbelwind, spontan, gefühlsbetont und manchmal auch sehr leicht beeinflussbar. Sie war nicht dumm, aber meist machte sie sich nicht die Mühe, nachzudenken, bevor sie etwas tat, und so war sie schon in so manche Bredouille geraten. Sie nahm gern von allen Menschen nur das Beste an, und auch erlittene Enttäuschungen hinderten sie nicht daran, weiterhin unbeirrt an das Gute zu glauben. Anders als Miriam, konnte Nadja Leute nicht immer richtig einschätzen.

Was Männer betraf, hatten die beiden Schwestern ebenfalls völlig verschiedene Ansichten. Miriam hatte dem anderen Geschlecht nach einer herben Enttäuschung abgeschworen und wollte von einer festen Beziehung nichts mehr wissen. Sie fühlte sich als Single wohl.

Auch Nadja legte sich nicht fest, ließ sich aber gern umschwärmen, denn sie zog die Männer an wie Licht die Motten. Sie wechselte die Männer, mit denen sie ausging, so häufig, dass ihre Schwester meistens gar nicht wusste, wer gerade „aktuell“ war.

„Warum sollte ich mich auf einen Einzigen beschränken, wenn es doch so viele tolle Männer gibt?“, sagte Nadja gern, wenn Miriam sie darauf ansprach. „Irgendwann wird schon der Richtige kommen und mich im Sturm erobern, aber bis dahin genieße ich, was die Männerwelt an Vorzügen zu bieten hat.“

„Ich habe eben Dr. Frank wegfahren gesehen. Meinst du, er war bei Frau Birgle?“, wechselte Miriam das Thema.

Nadja zuckte mit den Schultern. „Kann schon sein“, erwiderte sie. „Ich war heute Vormittag eine Stunde drüben bei ihr. Sie hat sich nicht besonders wohlgefühlt, und ich hab ihr noch mal eingebläut, dass sie entweder uns oder gleich unseren Lieblingsarzt anrufen soll, wenn es ihr nicht gut geht. Aber du weißt ja, wie sie ist: Sie will niemandem lästig fallen.“

Nadja begann das Backbrett zu säubern.

„Aber ich glaube“, fuhr sie fort, „sie hat im Grunde nur Angst davor, dass ihr irgendjemand sagt: ‚So geht es nicht weiter, Frau Birgle, Sie sollten nicht länger ganz allein in diesem großen Haus leben.‘ Dann müsste sich nämlich eine andere Lösung finden lassen.“

Sie blickte kurz auf.

„Was sicher nicht falsch wäre. Man merkt, dass sie den Haushalt nicht mehr schafft. Früher war es bei ihr immer blitzblank, aber jetzt wirkt alles ein wenig schmuddelig und vernachlässigt. Während ich bei ihr Kaffee gemacht habe, habe ich schnell ein bisschen in der Küche aufgeräumt und geputzt.“

„Meine Schwester mit dem guten Herzen“, kommentierte Miriam liebevoll.

„Na ja, man kann sie ja nicht so hängen lassen. Und ich hab auch genug Zeit.“

Nadja hielt das Backbrett in der Spüle unter heißes Wasser, was ein wenig umständlich war, denn das Brett passte nicht richtig ins Becken.

„Fertig“, meinte sie schließlich. „Der Rest kommt in die Spülmaschine. Falls du nach all deiner Plätzchennascherei noch Hunger hast – ich habe eine Linsensuppe gekocht, mit Speck und Würstchen.“

„Lecker. Einen kleinen Teller schaffe ich bestimmt noch.“

„Dann mach dir die Suppe einfach warm, sie steht im Kühlschrank.“

„Isst du nichts mehr?“

„Hab ich schon“, erwiderte Nadja. „Außerdem muss ich mich jetzt ein bisschen beeilen. Gleich kommt noch jemand vorbei.“

„Wer denn? Wieder so ein Kerl, der bis über beide Ohren in dich verliebt ist?“, fragte Miriam. Sie sah ganz deutlich, wie angestrengt ihre Schwester bemüht war, sich ein Lachen zu verkneifen. Was war denn so komisch an ihrer Frage?

„Du wirst es schon sehen“, meinte Nadja nur.

***

Miriam schob ihren leer gegessenen Teller von sich weg. Sie überlegte, ob sie sich noch einen Nachschlag nehmen sollte, obwohl sie eigentlich satt war.

Es war unfair, dass Nadja so gut kochen konnte. Egal, was sie zubereitete, es schmeckte immer so gut, dass man sich nur allzu gern dazu verleiten ließ, mehr zu nehmen, als nötig war. Aber Gott sei Dank gehörten sie und ihre Schwester beide zu jenen glücklichen Menschen, die nie zunahmen, egal, was sie aßen.

Sonst wäre ich vermutlich längst kugelrund, dachte Miriam und lehnte sich zurück. Nadja war Köchin aus Leidenschaft – überhaupt tat sie alles gern, was mit dem Haushalt zusammenhing. Sie hätten sich ohne Probleme eine Hilfe leisten können, doch das wollte ihre Schwester nicht.

„Ich hab doch Zeit“, sagte Nadja jedes Mal, wenn die Sprache auf dieses Thema kam. „Und Hausarbeit entspannt mich.“

Die beiden hatten von ihren viel zu früh verstorbenen Eltern so viel Geld geerbt, dass sie es eigentlich nicht nötig hatten, auch nur einen Tag ihres Lebens zu arbeiten.

Nadja, die ausgebildete Fotografin war, hatte nach dem Tod der Eltern tatsächlich ihre Stelle aufgegeben und nahm nur noch ab und zu einen Auftrag an. Sie war glücklich mit ihrem jetzigen Leben, kümmerte sich um Haus und Garten und schaute nach Leuten in der Nachbarschaft, wenn diese Unterstützung nötig hatten. Zweimal in der Woche verbrachte sie ein paar Stunden als ehrenamtliche Helferin auf der Kinderstation der Waldner-Klinik. Dort spielte sie mit den kleinen Patienten oder den Geschwisterkindern. Es war Dr. Frank gewesen, der sie gefragt hatte, ob sie sich diese Aufgabe zutrauen würde, und Nadja hatte nicht lange nachdenken müssen.

Miriam jedoch führte ihr Leben genauso weiter, wie sie es auch zuvor getan hatte. Sie arbeitete in einem Münchener Verlag. Einfach zu Hause zu bleiben, konnte sie sich nicht vorstellen. Sie liebte ihre Arbeit und den Umgang mit den Kollegen.

Der Einzige, den sie nicht ganz so liebte, war ihr Chef. Allerdings kamen sie inzwischen recht gut miteinander klar und hatten mehr oder weniger Frieden geschlossen. Miriam hatte ihm klargemacht, dass sie sich nicht von ihm drangsalieren lassen würde, nur weil sie Angst hätte, ihren Job zu verlieren. Diesen Vorteil des Geldes wusste sie durchaus zu schätzen: Schmiss er sie raus, würde sie das nicht in finanzielle Nöte bringen.

Tom hingegen, ihr „Büromann“, wie sie ihn nannte, war ein echter Schatz. Er war klug, verlässlich, hatte eine große Klappe und einen ziemlich skurrilen Humor. Sie kamen gut miteinander aus, was auch nötig war, wenn man jeden Tag mindestens acht Stunden im selben Raum miteinander verbrachte.

„Wieso hast du eigentlich keinen Freund?“, hatte er sie noch vor ein paar Tagen unvermittelt gefragt. „Muss doch langweilig sein, immer so allein. Ich meine, du bist nicht dumm, kannst echt witzig sein, und für dein Alter siehst du noch richtig gut aus …“

„Danke!“, hatte sie spöttisch eingeworfen und die Augen verdreht. „So was hören Frauen immer gern.“

„Na ja, du bist doch bestimmt schon zweiunddreißig oder so …“

„Also uralt für einen Sechsundzwanzigjährigen?“

„Ja. Irgendwie schon. Trotzdem, wieso bist du immer noch Single?“

„Weil mir die meisten Männer auf den Geist gehen. So wie du im Moment.“

„Ach …“

Miriam lächelte bei der Erinnerung an dieses Gespräch. Sie war so in ihre Gedanken versunken, dass sie weder das Klingeln noch die eiligen Schritte ihrer Schwester hörte, als die zur Haustür lief.

Erst als Nadja den Kopf zur Tür hereinsteckte und fragte: „Kannst du mal eben ins Wohnzimmer kommen? Ich möchte dir jemanden vorstellen“, kehrte sie in die Wirklichkeit zurück.

„Muss das sein?“, fragte Miriam zurück. Müde stand sie auf, nahm ihren Teller und brachte ihn zur Spüle, um ihn schnell abzuwaschen.

„Bitte!“

„Na gut“, gab sie nach. „Bin gleich da.

Nadja nickte fröhlich und verschwand wieder.

Miriam räumte den gespülten Teller und den sauberen Löffel weg, dann unterzog sie sich selbst einer kurzen Musterung. Hastig klopfte sie ein wenig Mehl von ihren Jeans und ihrem Pullover. Teig schien nirgendwo mehr an ihr zu kleben, allerdings hatte die weiche Mandelmasse trotz Schürze einen Klecks auf ihrem rechten Oberschenkel hinterlassen. Der Fleck verschwand auch dadurch nicht, dass sie an ihm herumrieb.

Egal, das musste reichen. Wen auch immer ihre Schwester ihr da vorstellen wollte, es war deren Besuch, und den musste sie sicher nicht beeindrucken.

Als Miriam das Wohnzimmer betrat, erhob sich ein Mann. Sie betrachtete ihn eher uninteressiert, wunderte sich aber, dass er so gar nicht in Nadjas „Beuteschema“ zu passen schien. Er war eher der biedere Typ, sah zwar nicht schlecht aus, hatte aber nichts an sich, was irgendwie ihre Aufmerksamkeit gefesselt hätte. Blass und farblos kam er ihr vor.

„Miriam, das ist Philip Bortengrün“, stellte Nadja den Mann mit einem strahlenden Lächeln vor. „Philip, das ist meine große Schwester Miriam.“

Sein Händedruck war genauso schlaff, wie Miriam es erwartet hatte. Schnell zog sie ihre Hand zurück.

„Tja, dann lasse ich euch jetzt …“, begann sie, doch ihre Schwester unterbrach sie schnell.

„Ach was, Miriam, du willst doch nicht schon wieder gehen, oder? Setz dich noch ein bisschen zu uns. Schließlich ist Philip extra deinet …“

„Philip ist was?“, fiel Miriam ihr ins Wort.

Nadjas Wangen röteten sich. Für einen Moment schaute sie weg, dann sah sie ihre Schwester wieder an.

„Na ja, deinetwegen gekommen“, gab sie zu. „Er wollte dich unbedingt kennenlernen.“

„Ach …“ Miriam warf Nadja einen mörderischen Blick zu, und Nadja zuckte leicht zusammen. „Etliche von den anderen jungen Männern, die du in letzter Zeit hier angeschleppt hast, wollten mich auch kennenlernen. Hast du was Bestimmtes vor, Nadja? Willst du mich vielleicht verkuppeln?“

„Miriam“, begann Nadja.

„So dürfen Sie das nicht sehen, Miriam“, sagte Philip zur gleichen Zeit.

„Für Sie immer noch Frau Vortweiler“, verbesserte ihn Miriam scharf.

Ihr unfreundlicher Einwurf schien ihn nicht sehr zu stören. Lächelnd sah er Miriam an. „Ich habe zufällig Ihr Bild gesehen und –“

„Zufällig?“

„Nun ja, Ihre Schwester hat es mir gezeigt. Sie ist so stolz auf Sie und macht sich …“ Er schien zu zögern. „Nun ja, offensichtlich scheint sie sich Ihretwegen Sorgen zu machen. Weil Sie allein sind. Und da Sie mir sofort gefallen haben, habe ich sie gebeten, uns beide miteinander bekannt zu machen.“

Miriam war zutiefst verärgert. Nadja machte sich ihretwegen Sorgen? Weil sie allein war? Erzählte wildfremden Leuten davon? Was sollte das? Was ging da im Kopf ihrer Schwester vor?

„Miriam und ich haben vorhin zusammen Weihnachtsplätzchen gebacken.“ Nadja, die sich nun sichtlich unbehaglich zu fühlen begann, wollte schnell vom Thema ablenken. „Sie ist ein sehr häuslicher Mensch.“

„Bin ich nicht“, verbesserte Miriam mit einem Seitenblick auf ihre Schwester. Dann blickte sie Philip Bortengrün kühl an. „Nun, jetzt haben Sie mich ja kennengelernt. Mich allerdings interessiert Ihre Bekanntschaft nicht wirklich. Einen schönen Abend noch. – Nadja, wir beide werden noch ein Wörtchen miteinander reden“, fügte sie hinzu, dann drehte sie sich um und verließ den Raum.

Es war ihr völlig egal, ob sie unhöflich und grob war. Sie hatte ihn nicht eingeladen. Sie wollte sich nicht mit ihm unterhalten. Jetzt nicht und auch nicht in Zukunft. Denn dieser Mann gefiel ihr nicht. Er weckte Unbehagen und Abneigung in ihr.

Aber mit Nadja würde sie sich „unterhalten“! Und zwar in aller Deutlichkeit.

***

Als Miriam das obere Stockwerk betrat, in dem sich ihr Wohnbereich befand, schien es, als käme sie in eine andere Welt.

Nadja hatte in ihren Räumen alles hell, verspielt und mit vielen bunten Farben eingerichtet. Bei Miriam jedoch beherrschten dunkelbraune Möbel mit klaren Linien das Bild. Ihre Strenge wurde durch die Gelb- und Ockertöne gemildert, in denen Miriam die Wände gestrichen hatte. Die Räume wirkten warm und freundlich, aber im Gegensatz zum Erdgeschoss, in dem Nadja lebte, erschien keines der Zimmer überladen; die Einrichtung war auf das Wesentliche konzentriert.

Nadja neigte dazu, alles zu sammeln, was ihr gefiel, egal, ob es Kitsch oder hübsches Kunsthandwerk war. Überall standen und hingen diese „Staubfänger“. Während Nadja ihren Wohnbereich als „gemütlich“ bezeichnete, nannte Miriam die Räume ihrer Schwester „überdekoriert“ – auch wenn sie zugeben musste, dass der Gesamteindruck gar nicht so schlecht war. Irgendwie passte das alles zu Nadja und deren Art. Nur ihrem eigenen Geschmack entsprach es nun mal nicht.

Der einzige „neutrale“ Raum im Haus war das Wohnzimmer, das sie beide gemeinsam benutzten. Sie hatten es fast unverändert gelassen und die schönen alten Möbel ihrer Großeltern übernommen. Die Sachen stammten zum Teil noch aus den frühen zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, in denen das Haus von ihrem Urgroßvater erbaut worden war.

Die einzige „Dekoration“, die Miriam sich erlaubte, war die Bildersammlung, die sie sich zugelegt hatte. Sämtliche Gemälde zeigten Szenen aus Südfrankreich. Diese Sammlung war das Einzige, wofür sie auch schon einmal mehr Geld ausgab – denn obwohl sie mehr als genug Geld besaß, gab sie es nicht wahllos aus.

Eines ihrer Lieblingsbilder – eine Tuschezeichnung – zeigte eine junge Arlesierin in Tracht, die von hinten abgebildet war und sich in einem Spiegel betrachtete. Das lange Kleid, der Faltenwurf, das typische Spitzentuch – all das war lediglich mit kraftvollen Strichen angedeutet, allein das Gesicht im Spiegel war feiner gezeichnet.

Jedes Mal, wenn Miriam dieses Bild betrachtete, fühlte sie sich seltsam davon berührt. Sie hatte es während eines ihrer Urlaube in der Provence in einem Geschäft in Joucas entdeckt, einem kleinen Bergdorf in der Nähe von Gordes, wo sie niemals einen solchen Schatz erwartet hätte. Sofort hatte sie gewusst, dass sie es haben musste.

Der Besitzer hatte am Anfang gezögert, es ihr zu verkaufen, denn er hatte es Wochen zuvor einem jungen Mann versprochen, der dann jedoch nicht mehr aufgetaucht war. Als der Verkäufer merkte, wie sehr sie sich zu dieser Zeichnung hingezogen fühlte, hatte er schließlich geseufzt und genickt.

„Also gut, Madame, ich verkaufe es Ihnen. Bei Ihnen ist es in guten Händen, das sehe ich. Dann sollen Sie es auch haben.“

Sie hatte es zu Hause in ihrem Schlafzimmer aufgehängt, so, dass sie es vor dem Einschlafen und gleich nach dem Aufwachen sehen konnte. Es schenkte ihr Mut und Kraft, und es beruhigte sie, wenn ihre Gefühle in Aufruhr waren.

So wie jetzt.

Was hatte sich Nadja nur bei alledem gedacht? Miriam stand vor dem Bild und betrachtete es. Sie mochte die stolze Haltung der jungen Frau aus Arles. Ihr eigener Stolz hatte allerdings im Moment ein wenig gelitten.

Es war, als hätte sie ein Schild auf dem Rücken hängen, auf dem in Großbuchstaben stand: „O Gott, ich bin dabei, eine alte Jungfer zu werden! Helft mir doch bitte alle, einen Mann zu finden!“

Erst hatte Tom mit diesem Unsinn angefangen, und nun mischte sich auch noch ihre Schwester in ihr Leben ein. Dabei wusste Miriam noch nicht einmal, worüber sie sich mehr ärgern sollte: darüber, dass Nadja sie überhaupt verkuppeln wollte, oder darüber, dass sie einen so unmöglichen Typ wie diesen Philip angeschleppt hatte.

Bei den anderen drei Männern, die Nadja hierhergebracht hatte, hatte sie die Versuche ihrer Schwester noch lachend und mit einem Schulterzucken abgetan. Aber ihr Philip Bortengrün zu präsentieren, ihm gar vorher ein Foto von ihr zu zeigen, als sei sie eine Marktkuh, die man anpreisen musste – das war schlicht und einfach eine Unverschämtheit!

Miriam seufzte. Diesmal zeigte das Bild gar nichts von seiner üblichen Wirkung. Sie war immer noch wütend und enttäuscht. Resigniert wandte sie sich ab, trat ans Fenster und blickte hinunter in den Garten. Sehen konnte sie allerdings nichts, denn die winterliche Dunkelheit hatte längst eingesetzt.

Nadja sollte sich einfach aus ihren persönlichen Angelegenheiten heraushalten, das würde sie ihr klipp und klar sagen. Sie hatte sich nicht einzumischen. Miriam wollte und brauchte keinen Mann, um glücklich und zufrieden zu sein, das wusste ihre Schwester doch ganz genau.

Und wenn es anders wäre, dann wäre sie durchaus in der Lage, sich selbst einen Mann zu suchen!

***

Das Frühstück am nächsten Morgen wurde eine ungemütliche Angelegenheit. Miriam war niemand, der ein unangenehmes Gespräch lange aufschob, und so kam sie gleich zum Thema, nachdem sie eine Tasse Kaffee getrunken hatte.

„Bist du eigentlich völlig durchgeknallt?“, begann sie, immer noch verärgert. „Du bist meine Schwester, aber in meine persönlichen Angelegenheiten hast du dich nicht einzumischen. Ich bin kein dummes, unselbstständiges Kind, das nicht weiß, was gut für es ist. Also, halt dich raus aus meinem Liebesleben.“

Nadja, die ihr die ganze Zeit schweigend gegenübergesessen hatte, gab sich bockig.

„Du hast doch gar kein Liebesleben, aus dem ich mich raushalten könnte!“, erwiderte sie und verschränkte die Arme.

„Eben. Und so soll es auch bleiben. Ich brauche keinen Mann – geht das endlich in deinen Kopf hinein? Ohne dass du es in zwei Sekunden wieder vergessen hast, Blondchen?“

Miriam redete sonst nie in diesem Ton mit ihrer Schwester, doch sie war unsagbar wütend. Dann schwieg sie einen Moment.

„Nadja, hör mir gut zu“, fuhr sie schließlich fort. „Wenn du so was noch mal versuchst, gibt es einen solchen Streit, wie du ihn noch nie erlebt hast. Ich lasse mich nicht auf diese Weise behandeln und vorführen.“

„Ach, meinst du vielleicht, du hättest mich nicht vorgeführt?“, gab Nadja zurück. „Es war so peinlich, wie du einfach abgehauen bist. Und unhöflich. Wo Philip doch extra deinetwegen gekommen ist.“

Miriam sah aus, als wolle sie ihrer Schwester gleich an die Gurgel springen.

„Das reicht!“, sagte sie ganz leise. „Philip ist dein Problem, nicht meins. Ich will diesen Typ nie mehr sehen. Und peinlich war nur, dass du irgendeinem wildfremden Kerl mein Bild zeigst und ihm erklärst, die arme alte Miriam brauche ganz dringend einen Mann – so dringend, dass sie jeden Idioten nimmt.“

„Philip ist kein Idiot. Er ist sehr nett.“

„Wenn er so nett ist, dann nimm du ihn doch! Bind ihn dir um den Hals oder mach sonst was mit ihm. Aber mich lass gefälligst aus dem Spiel!“

„Du bist schon zweiunddreißig und immer noch allein“, sagte Nadja. „Wenn du nicht bald einen Mann findest, kriegst du nie mehr einen vernünftigen. Und vor einiger Zeit, als wir abends zusammensaßen, hast du gesagt, dass eine eigene Familie vielleicht doch ganz schön wäre. Da dachte ich …“ Betreten senkte sie den Blick, als sie sah, wie ihre Schwester sie anschaute.

Miriam schob den Teller mit ihrer Semmel weg.

„Mir ist der Appetit vergangen“, sagte sie knapp. „Und zwar gründlich. Ich bin weg.“

An der Tür drehte sie sich noch einmal um.

„Ich wüsste zu gern, wie du reagieren würdest, wenn ich mich so in dein Leben einmischen würde. Wenn ich plötzlich, mit einem Typ wie Philip an der Hand, in eines dieser Lokale käme, in denen du immer mit deinen ständig wechselnden Lovern abhängst, und dir sagen würde, Schwesterchen, nimm den hier, dann hörst du endlich auf, dich dauernd mit irgendwelchen Männern herumzutreiben.“

Nadjas große blaue Augen füllten sich mit Tränen.

„Das war gemein“, flüsterte sie.

„Ja, vielleicht“, gab Miriam zu. „Aber was das Gemein-Sein betrifft, darfst du dich durchaus an die eigene Nase packen.“

***

„Hey, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“, wollte Tom wissen, kaum dass er ihr gemeinsames Büro betreten hatte.

Kurz schilderte Miriam ihm, was am vergangenen Abend geschehen war und wie sie sich beim Frühstück mit ihrer Schwester gestritten hatte.

„Und wage ja nicht, jetzt zu lachen!“, fügte sie zum Schluss drohend hinzu.

Tom stieß einen leisen Pfiff aus. „Das glaub ich jetzt nicht“, meinte er. „Läuft deine Schwester echt mit einem Foto von dir herum und zeigt es irgendwelchen Männern? ‚Hey, meine große Schwester hat’s bitter nötig – hast du keine Lust, mal bei uns vorbeizuschauen?‘ Das darf doch wohl nicht wahr sein!“

Miriam hatte plötzlich Tränen in den Augen stehen.

„Nee. Nicht heulen, bitte!“, sagte Tom und hob die Hände. „Wenn Frauen weinen, werde ich immer ganz schwach.“ Er fuhr sich mit den Fingern durch seine blond gefärbten, hochgegelten Haare.

Dann grinste er plötzlich, sah Miriam an und wackelte schelmisch mit den Augenbrauen.

„Also gut. Ich opfere mich gern, wenn du wirklich so ein Notfall bist“, fügte er hinzu und gab seiner Stimme einen übertrieben verführerischen Klang.

Miriam warf einen Notizblock nach ihm, doch Tom wich geschickt aus.

„Ich war früher mal Pfadfinder. Wirklich. Ist zwar lange her, aber ich versuche es immer noch – das mit der einen guten Tat pro Tag.“

„Ich denke, ich bin dir zu alt?“

Tom winkte ab. „Ach, darüber kann man auch mal hinwegsehen!“

„Wie großzügig von dir!“ Miriam musste lachen und wischte sich die Tränen weg.

Mit seinen schrägen Scherzen, die sie in den nächsten Stunden immer wieder zum Lachen brachten, half ihr Tom über den Tag hinweg.

„Danke. Du bist echt ein Schatz“, verabschiedete sich Miriam von ihm, als sie Feierabend hatten.

Er warf ihr eine Kusshand zu. „Träum von mir!“

„Lieber von dir als von diesem grässlichen Philip!“

***

Dieser grässliche Philip wartete bereits auf Miriam, als sie an diesem Abend nach Hause kam. Eigentlich war sie in versöhnlicher Stimmung gewesen, doch alle Versöhnlichkeit verging ihr, als sie die Küche betrat und ihn zusammen mit ihrer Schwester am Tisch sitzen sah.

„Was macht der hier?“, fragte sie ihre Schwester und blieb an der Tür stehen.

Philip war aufgesprungen und ging mit ausgestreckten Händen auf Miriam zu. Mit sanftem Lächeln sah er sie an.

„Oh bitte, es ist nicht Nadjas Schuld“, sagte er. „Ich habe Ihre Schwester so lange bedrängt, bis sie zugestimmt hat, dass ich noch einmal herkommen darf. Ich … ich hatte das Gefühl, dass der vergangene Abend nicht gut gelaufen ist.“

„Richtig.“

„Und ich würde gern noch einmal von vorn beginnen.“

„Nein.“

„Er hat sich auf den ersten Blick in dich verliebt“, mischte sich Nadja ein.

„Du hältst die Klappe“, fuhr Miriam sie an. Etwas ruhiger wandte sie sich wieder an Philip. „Offensichtlich habe ich das Auffassungsvermögen meiner Schwester überschätzt. Ich habe ihr heute Morgen sehr deutlich erklärt, dass ich Sie nicht kennenlernen will, aber das ist scheinbar gleich wieder aus ihrem Hirn entschwunden. Deshalb sage ich es Ihnen selbst noch einmal, ganz langsam und deutlich: Herr Bortengrün, Sie interessieren mich nicht. Ich erwidere Ihre Gefühle nicht, und – glauben Sie mir – daran wird sich auch niemals etwas ändern!“

Philipp Bortengrün sah der wütenden jungen Frau tief in die Augen.

„Sie werden mich lieben lernen, Miriam, das weiß ich genau. Ich kann warten. Ich bin ein Mann von großer Geduld“, sagte er mit milder Stimme. Dann erschien erneut dieses sanfte Lächeln auf seinen Lippen.

Miriam lief ein Schauder über den Rücken. Wie gruselig das klingt, dachte sie angewidert. Und wenn er der einzige Mann auf Erden wäre, würde ich immer noch schreiend davonrennen.

Sie machte auf dem Absatz kehrt, verließ die Küche und ging nach oben in ihren eigenen Bereich. Zum ersten Mal, seit sie hier lebte, zog sie die Tür am obersten Treppenabsatz hinter sich zu und drehte sorgfältig den schweren Schlüssel herum. Fassungslos lehnte sie sich an die Wand im Flur und atmete ein paarmal tief durch.

Warum tut Nadja das nur?, fragte sie sich erneut. Was ist plötzlich in meine kleine Schwester gefahren, mit der ich mich immer so gut verstanden habe? Hat dieser Kerl sie irgendwie in der Gewalt, dass sie ihn nicht rausschmeißt, sobald er hier auftaucht?

Wie am vergangenen Abend ging Miriam in ihr Schlafzimmer und stellte sich vor das Bild der Arlesierin. Doch wieder schenkte es ihr keine Ruhe, wieder streichelte es ihre Seele nicht.

Plötzlich begann ihr Magen zu knurren. Verdammt, dachte sie, jetzt habe ich nicht mal gegessen. Aber sie würde lieber verhungern, als noch einmal hinunter in die Küche zu gehen und sich etwas zu essen zu holen.

Noch ein Minuspunkt auf seiner Liste, dachte Miriam verärgert. Jetzt kann ich mich seinetwegen nicht mal mehr frei in meinem eigenen Haus bewegen. Na ja, mal sehen, was ich noch in meiner Tasche finde.

Sie kramte einen Schokoriegel und das nicht mehr ganz frische Brötchen heraus, das sie sich in der Mittagspause geholt, aber nicht gegessen hatte.

Das muss erst mal reichen, dachte sie und biss in die Semmel. Sobald er weg ist, laufe ich nach unten und hole mir etwas Anständiges zu essen.

Es dauerte noch ziemlich lange, bis sie endlich die Haustür zuschlagen und einen Wagen starten hörte. Dennoch wagte sich Miriam erst eine Weile später nach unten, als hätte sie Angst, er würde gleich doch noch aus irgendeiner Ecke hervorspringen.

Sie werden mich lieben lernen, Miriam, das weiß ich genau. Ich kann warten. Ich bin ein Mann von großer Geduld – immer wieder gingen ihr seine Worte durch den Kopf, und jedes Mal erschienen sie ihr nur noch unheimlicher und drohender.

Er ist widerlich, dachte sie. Ich will, dass er aus meinem Leben und diesem Haus verschwindet.

Doch den Gefallen tat ihr Philip Bortengrün nicht.

Jeden Abend, wenn sie von der Arbeit kam, wartete er bereits auf sie. Meist saß er mit Nadja im Wohnzimmer und folgte ihr dann in die Küche, als fühlte er sich hier schon ganz wie zu Hause. Doch Miriam ignorierte ihn stets, während sie sich ein Butterbrot schmierte, das sie dann mit in ihre Etage nahm. Und jeden Abend verschloss sie sorgfältig die Tür hinter sich.

Er macht alles kaputt, dachte sie. Ich vermisse Nadja. Ich vermisse meine alte Nadja. Ich vermisse es, abends mit ihr zusammenzusitzen, wenn wir uns gegenseitig von unserem Tag erzählen. Es tut mir weh, wenn sie mir die kalte Schulter zeigt, als habe ich ihr etwas Böses angetan.

Ich will, dass er verschwindet!

***

Miriam begann, sich vor dem Wochenende zu fürchten.

Was, wenn Philip auch dann hier aufkreuzte? An ihren freien Tagen hätte sie keine Möglichkeit, ihm so leicht zu entkommen – außer, wenn sie sich zwei Tage lang in ihrer Etage einsperrte.

In dem Fall fahre ich einfach weg, überlegte sie. Ich packe eine Tasche und komme erst spät am Sonntagabend wieder. Aber ehe es so weit kommt, muss ich noch einmal mit Nadja reden. Ihr klarmachen, dass es so nicht weitergeht.

Doch Nadja ging ihr aus dem Weg. Schließlich verlor Miriam die Geduld und stürmte am Freitagabend, nachdem Philip endlich fort war, ins Schlafzimmer ihrer Schwester.

„Nadja, was ist los mit dir?“, rief sie aufgebracht. „Ich habe dir unmissverständlich gesagt, dass ich ihn nicht sehen will, und trotzdem lauert er mir jeden Abend auf. Was hat er mit dir gemacht? Dich einer Gehirnwäsche unterzogen, oder was? Merkst du nicht, dass er verrückt ist?“

„Er ist verrückt nach dir. Er liebt dich eben. Das ist so romantisch, er träumt davon, dein Herz zu erobern. Ihr würdet so gut zusammenpassen!“

Tatsächlich. Der Kerl hatte sie einer Gehirnwäsche unterzogen. Von allein wäre Nadja niemals auf einen solchen Schwachsinn gekommen.

„Nein!“, antwortete Miriam heftig. „Ich mag ihn nicht. Ich finde ihn unheimlich und widerwärtig. Falls er auch morgen und übermorgen hier auftaucht, bin ich übers Wochenende weg!“

Sie schwieg einen Moment und atmete tief durch.

„Und sollte das Theater nächste Woche weitergehen, dann ziehe ich aus, Nadja. Glaub mir, das ist keine leere Drohung, das meine ich bitterernst.“ Sie warf die Hände hoch. „Ich habe keine Lust mehr, mich abends auf meiner Etage einzuschließen. Nicht in diesem Haus, das zur Hälfte mir gehört – meinem Zuhause. Ich schließe inzwischen ja sogar schon morgens meine Tür hinter mir ab, damit er nicht oben herumschnüffelt, während ich nicht da bin.“

Miriam bemerkte, wie ihre Schwester den Blick abwandte, und auf einmal kam ihr ein Verdacht.

„Nadja.“ Sie packte sie an den Schultern. „Er war doch nicht in meiner Wohnung, oder?“

Immer noch sah Nadja sie nicht an. „Doch“, gab sie schließlich zu, als Miriam sie leicht zu schütteln begann. „Aber ich habe ihn begleitet und herumgeführt. Er hat nichts angerührt, ich schwör’s dir. Er hat so sehr gebettelt, er wollte unbedingt wissen, wie du wohnst. Damit er dich besser versteht.“

Miriams Hände sanken herab. Sie stand da wie erstarrt und blickte ihre Schwester nur an.

„Das glaube ich einfach nicht“, sagte sie leise. „Das hast du nicht wirklich getan …“ Dann straffte sie sich. „Also gut, Nadja: entweder er oder ich. Kommt er her, bin ich weg. So lange, bis du wieder meine alte Nadja geworden bist. Die Schwester, die ich verstehe. Die mich nicht ständig enttäuscht. Im Moment verstehe ich dich nämlich überhaupt nicht mehr. Ich begreife nicht, warum du dich so verhältst.“

„Ich wollte dir doch nur etwas Gutes tun“, erwiderte Nadja. „Aber du hast mich gekränkt. Du hast alles zurückgewiesen und mich enttäuscht.“

Miriam schüttelte den Kopf. „Bevor du das nächste Mal irgendjemandem etwas Gutes tust, frage denjenigen lieber, ob er das auch wirklich will.“

***

Zumindest dieses Mal schienen ihre Worte gewirkt zu haben.

Nadja war das ganze Wochenende über unterwegs, und Philip tauchte nicht einmal in der Nähe der alten Villa auf. So hatte Miriam das Haus ganz für sich allein.

Dennoch fühlte sie sich nicht wohl. Nadja hatte schon öfter ziemlich schräge Ideen gehabt, aber noch nie war die Beziehung zwischen ihnen beiden deshalb ernsthaft in Gefahr geraten. Doch diesmal war es anders. Der Ärger über Nadjas Einmischung saß tief in ihrem Herzen und wollte nicht weichen.

Dass ihre Schwester privateste – und noch dazu unwahre – Dinge weitertratschte, die niemanden etwas angingen, hatte sie verletzt und zornig gemacht. Genau wie die Tatsache, dass Nadja so vollkommen ignorierte, dass Miriam diesen Philip nicht mehr sehen wollte. Am meisten aber empörte es sie, dass Nadja den Kerl auch noch in ihre privaten Räume gelassen hatte – in ihr eigenes Reich, das ihr allein gehörte. Darin hatte kein Fremder etwas zu suchen.

Das ging einfach nicht. So etwas machte man nicht.

Aber auch Nadja war beleidigt. Sie fühlte sich zurückgewiesen und missverstanden. Miriam hatte das Gefühl, dass sie beide unaufhaltsam auseinanderdrifteten, obwohl sie es gar nicht wollten. Doch keine von ihnen sah sich in der Lage, den entscheidenden Schritt zu tun, der sie wieder zueinandergeführt hätte.

Das tat Miriam weh, aber noch war sie nicht bereit, Nadja zu verzeihen.

Es war ein langweiliger Samstag. Miriam, die spät aufgestanden war, trödelte mit dem Frühstück herum. Anschließend ging sie einkaufen und putzte ihre Wohnung. Sie schrubbte und wischte wie besessen und lüftete ewig, obwohl die Räume auskühlten, als könne sie damit jede Spur von Philip beseitigen.

Und doch blieb ihr Unbehagen. Es schauderte sie, wenn sie daran dachte, dass er hier eingedrungen war. Der Mann war ihr unheimlich.

Sie werden mich lieben lernen, Miriam, das weiß ich genau. Ich kann warten. Ich bin ein Mann von großer Geduld.

Nein, er war ein Mann von großer Unverschämtheit und Dreistigkeit. Aufdringlich. Unsympathisch. Sah Nadja das nicht? Und überhaupt, wieso war er so beharrlich, obwohl sie ihm deutlich genug erklärt hatte, dass sie nichts von ihm wissen wollte?

Miriam schreckte aus ihren Gedanken, als ihr Handy summte. Eine neue Nachricht. Sie öffnete sie, obwohl ihr der Absender unbekannt war.

Wir sehen uns wieder. Ich gebe nicht auf. Denn ich will dich, Miriam.

Fast hätte sie ihr Handy fallen lassen. Woher kannte er ihre Nummer? Die konnte ihm doch nur Nadja gegeben haben! Noch ein Minuspunkt für ihre Schwester!

Augenblicklich schaltete Miriam ihr Handy ab. Sie ahnte, dass dies nicht die letzte Nachricht war, die sie an diesem Wochenende von Philip erhalten würde.

***

Am Sonntagmorgen hatte Miriam sich ihr Frühstück mit nach oben in ihre Wohnung genommen. Sie trank gerade ihren Kaffee, als das Telefon klingelte.

Schnell checkte sie das Display und überprüfte, von wem der Anruf kam. Gott sei Dank, es war nicht Philip.

„Hallo, Frau Birgle, hier ist Miriam“, meldete sie sich.

„Kindchen, kann bitte eine von euch beiden, du oder deine Schwester, zu mir herüberkommen? Schnell? Die Tür ist offen. Mir geht’s nicht gut.“

„Bin schon unterwegs“, versprach Miriam und legte auf. Sie trank hastig die Tasse leer, packte ihre Schlüssel, verschloss die obere Tür hinter sich und eilte dann zum Nachbarhaus.

Wie Frau Birgle gesagt hatte, war die Haustür unverschlossen und ließ sich leicht aufdrücken.

„Ich bin im Wohnzimmer“, rief die alte Dame, die offensichtlich auf das Geräusch der sich öffnenden Tür gelauscht hatte. Ihre Stimme klang schwach und ängstlich.

Miriam erschrak, als sie das Wohnzimmer betrat. Sie hatte die Nachbarin vielleicht zwei, drei Wochen nicht gesehen, und ihr Anblick war ein Riesenunterschied zum letzten Mal.

Zusammengesunken und kraftlos saß Johanna Birgle in ihrem Sessel. Sie hatte eine Hand auf ihr Herz gelegt und rang nach Luft.

„Was ist mit Ihnen?“, fragte Miriam bang, eilte zu ihr und ging neben ihr in die Hocke.

„Mein Herz! Es schlägt so schnell, als wollte es mir aus der Brust springen. Mir ist schwindelig, und die Brust tut mir weh“, brachte Johanna mühsam heraus. Schwach griff sie nach Miriams Hand. „Ich hab solche Angst, Kindchen.“

Das Telefon lag auf einem kleinen Tischchen. Miriam nahm es und wählte Dr. Franks Nummer.

„Was machst du da?“, wollte Johanna wissen.

„Hilfe holen. – Hallo, Dr. Frank, hier ist Miriam Vortweiler. Ich bin gerade bei Frau Birgle. Ihr geht es nicht gut.“ Schnell beschrieb sie ihm die Symptome, die die alte Dame ihr aufgezählt hatte. „Gut. Danke. Bis gleich.“ Erleichtert legte sie auf.

„Kindchen, es ist doch Sonntag“, sagte Johanna mit leichtem Vorwurf.

„Und?“

„Da kannst du nicht einfach Dr. Frank anrufen. Er will ja auch mal Feierabend haben.“

„Aber Ihre Herzschmerzen machen doch auch keinen Feierabend, oder? Wollen Sie vielleicht bis morgen warten?“

„Nein …“, kam es leise zurück.

Gut fünf Minuten später klingelte der Grünwalder Arzt. Miriam ließ ihn herein. Sie wollte Dr. Frank und seine Patientin allein lassen, doch Johanna winkte sie zu sich.

„Kannst ruhig bleiben, Kindchen, das beruhigt mich. Ihr seid beide so lieb, du genauso wie deine Schwester.“

Miriam antwortete nicht darauf, und nur Dr. Frank sah, wie sie unwillkürlich die Lippen zusammenkniff.

Was lief denn da zwischen den beiden? Miriam und Nadja waren doch sonst immer ein Herz und eine Seele gewesen, überlegte der Arzt überrascht.

Bevor er mit der Untersuchung begann, wollte Stefan Frank wissen, ob dies das erste Mal sei, dass Johanna einen solchen Anfall hatte.

Die alte Dame senkte den Blick und schüttelte den Kopf.

„Nein“, gab sie zu. „Ich hatte das schon ein paarmal, aber noch nie so schlimm wie jetzt.“

„Und warum haben Sie mir nie etwas davon erzählt?“

„Weil ich keine von diesen schrecklichen Alten sein will, die ständig jammern und klagen und dauernd dieses oder jenes Wehwehchen haben.“

„Tut mir leid, dass ich das sagen muss, aber das ist eine dumme Einstellung“, meinte Dr. Frank, während er begann, ihre Vitalwerte zu überprüfen. Sorgfältig maß er Puls und Blutdruck. „Eine sehr dumme sogar. Was haben Sie denn gemacht, wenn das Herzrasen kam?“

„Dann hab ich mich einfach hingelegt und geschlafen.“

„Da hätte es Ihnen genauso gut passieren können, dass Sie nicht mehr aufgewacht wären.“ Dr. Frank schüttelte den Kopf. „Bei so etwas müssen Sie unbedingt einen Arzt konsultieren, das dürfen Sie nicht schleifen lassen. Ich war doch oft genug bei Ihnen.“

Er packte seine Utensilien weg und sah dann die alte Dame an.

„Ich werde jetzt in der Waldner-Klinik anrufen, damit man uns einen Krankenwagen schickt. Ich kann es nicht verantworten, Sie hier allein in Ihrer Wohnung zu lassen. Sie müssen ins Krankenhaus. Die Kollegen dort werden Sie gründlich durchchecken, ein EKG machen und das Herz per Ultraschall untersuchen. Dort wird man alles tun, um ihr Herz wieder in seinen normalen Rhythmus zu bringen.“

„Ich will aber nicht ins Krankenhaus.“

„Ehrlich gesagt, kann ich im Moment keine Rücksicht darauf nehmen, ob Sie wollen oder nicht. Sie müssen, Frau Birgle. Sie haben Vorhofflimmern – bleibt das unbehandelt, kann es schließlich sogar zu einem Schlaganfall führen. Und das wollen wir doch alle nicht, oder?“

Johanna schüttelte den Kopf. „Muss ich denn lange bleiben?“, wollte sie wissen, nachdem er die Waldner-Klinik benachrichtigt hatte.

„Eher nicht“, entgegnete Stefan Frank beruhigend. „Man bekommt das meistens gut in den Griff. Vielleicht stellt sich auch heraus, dass das Flimmern durch eine andere Erkrankung ausgelöst wurde, etwa durch eine Fehlfunktion der Schilddrüse. Dann muss man zunächst diese Krankheit behandeln, wobei das Vorhofflimmern von selbst verschwindet. Sie brauchen sich also keine allzu großen Sorgen zu machen, Frau Birgle.“

Müde schloss die alte Dame die Augen. „Ihr Wort in Gottes Ohr“, murmelte sie.

Während Miriam eilig eine Tasche für ihre Nachbarin packte, blieb Dr. Frank bei seiner Patientin und redete tröstend auf sie ein.

Zwanzig Minuten später war Johanna auf dem Weg in die Waldner-Klinik.

Miriam überprüfte kurz, ob im Haus der Nachbarin alles in Ordnung war, ob kein Licht mehr brannte und alle elektrischen Geräte ausgeschaltet waren. Als sie zur Haustür gingen, fasste Dr. Frank sie am Arm.

„Einen Moment, Miriam“, bat er. „Schenken Sie mir doch noch ein paar Minuten – und erzählen Sie mir, was Ihnen zu schaffen macht. Wenn Sie möchten.“

Miriam blickte ihn überrascht an. „Aber …“, begann sie, doch er ließ sie nicht aussprechen.

„Es hat etwas mit Ihrer Schwester zu tun, nicht wahr?“

„Wie kommen Sie denn darauf?“

„Durch die Art, wie Sie eben auf Frau Birgles Bemerkung reagiert haben. Sie haben die Lippen zusammengekniffen. Und Sie wirken nicht so gelassen wie sonst.“

Miriam lachte verlegen. „Kann man vor Ihnen eigentlich nichts verbergen, Dr. Frank?“, wollte sie wissen.

„Ein Arzt muss scharfe Augen haben“, erwiderte er lächelnd.

„Also gut …“ Während sie die Tür abschloss und dann mit dem Arzt zu ihrem Haus hinüberging, schilderte sie ihm, was geschehen war.

Sie blieben vor dem schmiedeeisernen Tor stehen, dass den Zugang von der Straße zum Haus verschloss. Dr. Frank schüttelte nachdenklich den Kopf, nachdem sie geendet hatte.

„Philip Bortengrün – irgendwo habe ich den Namen schon mal gehört“, meinte er. „Ich weiß nur leider nicht mehr, in welchem Zusammenhang. Hm.“ Er schwieg einen Moment. „Merkwürdig ist das alles schon. Das hört sich so gar nicht nach Ihrer Schwester an. Glauben Sie denn, dass Nadja irgendwie unter dem Einfluss dieses Mannes steht?“

„Das muss sie ja wohl, denn anders kann ich mir nicht erklären, weshalb sie sich so benimmt.“

„Wenn Sie einen Rat oder Hilfe brauchen, dann wissen Sie ja, wo Sie mich finden“, entgegnete Stefan Frank. „In der Zwischenzeit werde ich versuchen, mich zu erinnern, wo ich diesen Namen schon einmal gehört habe.“

„Danke“, erwiderte Miriam. „Vielleicht komme ich tatsächlich auf Ihr Angebot zurück.

***

Am Montagmorgen gab Miriam vorsichtshalber am Empfang Bescheid, dass man unter keinen Umständen einen Herrn Bortengrün zu ihr durchstellen sollte. Wann immer auf dem Display ihres Bürotelefons eine Nummer zu sehen war, die sie nicht kannte, gab sie den Hörer erst einmal an Tom weiter.

In der Mittagspause kaufte sie sich ein billiges Handy, das sie für Notfälle zum Telefonieren benutzen wollte. Ihr Smartphone lag abgeschaltet zu Hause im untersten Schubfach ihrer Wäschekommode. Einigen wichtigen Leuten würde sie die neue Nummer geben, aber garantiert nicht ihrer Schwester.

Bin ich jetzt eigentlich paranoid geworden?, fragte sie sich, doch dann schüttelte sie den Kopf. Nein. Nicht paranoid. Sie war zufrieden. Denn jetzt hatte sie erst einmal das Risiko minimiert, weiterhin von Philip mit Nachrichten oder Anrufen belästigt zu werden.

Wieso gab er nicht auf? Jeder vernünftige Mann hätte sich gesagt, okay, die Frau will wirklich nichts von mir wissen, also lasse ich sie in Ruhe. Aber er war ganz offensichtlich nicht vernünftig. Oder doch?

Drei ganze Tage sah und hörte Miriam nichts von ihm, und das machte sie fast noch nervöser als alles andere zuvor. Sie konnte einfach nicht glauben, dass er tatsächlich aufgegeben hatte.

Hatte er auch nicht.

Kaum war sie am Donnerstagabend am Max-Weber-Platz in die Straßenbahn Richtung Grünwald gestiegen und hatte sich hingesetzt, da hörte sie plötzlich eine bekannte Stimme hinter sich.

„Wie schön, Sie endlich wiederzusehen, Miriam“, sagte Philip sanft.

Miriam reagierte nicht und drehte sich nicht um. Fieberhaft überlegte sie, wie sie ihn am besten loswerden konnte. Unterdessen sprach Philip unentwegt weiter. Er hatte sich vorgebeugt und murmelte dicht an ihrem Ohr.

Mit sanfter Stimmer redete er davon, wie schön er sie fand, wie sehr er sie liebte und sich nach ihr sehnte, wie sehr er sich wünschte, dass sie ein Paar wurden. Wie wunderbar sie zusammenpassen würden. Und dann kamen wieder jene Sätze, die sie so zu hassen gelernt hatte. Ich kann warten …

Ihr war schlecht. Von seinem Gerede wurde ihr übel.

Entschlossen stand Miriam auf. „Wenn Sie nicht aufhören, mich zu belästigen, hole ich die Polizei“, sagte sie so laut, dass es der ganze Wagen hörte. „Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe. Sofort.“ Damit ging sie ein Stück nach hinten und suchte sich einen neuen Platz.

Die Leute drehten sich nach ihnen um. Philip stand plötzlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, was ihm gar nicht zu gefallen schien.

Ein Typ, Mitte dreißig und eindeutig im Fitnessstudio gestählt, legte eine Hand auf ihren Arm, als sie an ihm vorbeiging.

„Wenn du Hilfe brauchst, Madel, sagst du mir Bescheid. Mit dem werde ich schon fertig“, verkündete er lautstark.

Miriam nickte, bedankte sich und lächelte ihn strahlend an. Sie blieb bis zur übernächsten Haltestelle, dem Rosenheimer Platz, sitzen, damit Philip glaubte, sie führe tatsächlich weiter nach Grünwald. Doch eine Sekunde, bevor sich die Türen schlossen, sprang sie aus der Bahn. Lächelnd blickte sie der Straßenbahn hinterher, die sich wieder in Bewegung gesetzt hatte und bereits Geschwindigkeit aufnahm.

Miriam blieb nicht an der Haltestelle stehen, sondern hielt Ausschau nach einem Taxi. Philip würde sicherlich an der Endhaltestelle stehenbleiben und darauf warten, dass sie mit der nächsten oder übernächsten Bahn kam.

Nun, da konnte er lange warten. Miriam winkte, als sie ein freies Taxi kommen sah, und zwei Minuten später war sie wieder auf dem Weg nach Grünwald.

Als sie nach Hause kam, legte sie als Erstes ihre Wintersachen ab. Eilig schaute sie erst im Wohnzimmer und dann in der Küche nach, doch beide Räume waren leer.

Aber Nadja musste zu Hause sein, denn von irgendwoher ertönte leise Musik. Miriam folgte der Musik, die leise aus dem „Damenzimmer“ ihrer Schwester erklang, und riss die Tür auf.