Dr. Stefan Frank Großband 18 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank Großband 18 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

10 spannende Arztromane lesen, nur 7 bezahlen!

Dr. Stefan Frank - dieser Name bürgt für Arztromane der Sonderklasse: authentischer Praxis-Alltag, dramatische Operationen, Menschenschicksale um Liebe, Leid und Hoffnung. Dabei ist Dr. Stefan Frank nicht nur praktizierender Arzt und Geburtshelfer, sondern vor allem ein sozial engagierter Mensch. Mit großem Einfühlungsvermögen stellt er die Interessen und Bedürfnisse seiner Patienten stets höher als seine eigenen Wünsche - und das schon seit Jahrzehnten!

Eine eigene TV-Serie, über 2000 veröffentlichte Romane und Taschenbücher in über 11 Sprachen und eine Gesamtauflage von weit über 85 Millionen verkauften Exemplaren sprechen für sich:
Dr. Stefan Frank - Hier sind Sie in guten Händen!

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2370 bis 2379 und umfasst ca. 640 Seiten.

Zehn Geschichten, zehn Schicksale, zehn Happy Ends - und pure Lesefreude!

Jetzt herunterladen und sofort eintauchen in die Welt des Dr. Stefan Frank.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 1230

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Stefan Frank
Dr. Stefan Frank Großband 18

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2016/2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by Bastei Lübbe AG, Köln

Covermotiv: © shutterstock/wavebreakmedia

ISBN: 978-3-7517-4427-0

www.bastei.de

www.sinclair.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Dr. Stefan Frank 2370

Paula verhält sich seltsam. Die Sechsjährige wirkt verschlossen, macht Rückschritte in ihren sprachlichen Fähigkeiten, meidet jeden Körperkontakt, pflegt keine Freundschaften und scheint oft abwesend zu sein. Schon kleinste Begebenheiten regen sie furchtbar auf und lassen sie aggressiv werden.

Für ihre Mama Eva ist es besonders schwer, mit diesen Dingen umzugehen, denn als alleinerziehende Mutter muss sie alle Sorgen mit sich selbst ausmachen. Paulas Vater Magnus hat die kleine Familie schon vor vielen Jahren verlassen und sich seitdem nie wieder gemeldet.

Nach einer Odyssee von Arzt zu Arzt steht ein schrecklicher Verdacht im Raum: Paula leidet womöglich an Autismus! Ausgerechnet in dieser schweren Zeit taucht Magnus plötzlich wieder auf. Seine Gegenwart lässt Evas Herz noch immer höherschlagen, doch sie ist fest entschlossen, ihm nie wieder zu vertrauen. Er hat sie damals mit einer anderen Frau betrogen und alles zwischen ihnen zerstört.

Als Magnus sie eindringlich bittet, mit Paula in die Praxis seines Hausarztes Dr. Frank zu gehen, lehnt Eva ab. Auf Ratschläge ihres Exmannes kann sie nun wirklich gut verzichten!

Doch was soll aus Paula werden, wenn niemand ihr helfen kann?

Dr. Stefan Frank 2371

Als sich die lebenslustige Ingenieurin Pia und der attraktive Unternehmer Levi kennenlernen, ist es Liebe auf den ersten Blick, und schnell sind die beiden ein Paar.

Alles könnte so schön sein, doch mit der Zeit hat Pia jedes Mal ein mulmiges Gefühl im Bauch, wenn Sie weiß, dass sie ihren Freund gleich wiedersehen wird. Er überrascht sie nämlich bei fast jedem Treffen mit sehr wertvollen Geschenken. Mehrfach hat sie ihn gebeten, nicht so viel Geld für sie auszugeben, doch er scheint ihre Einwände nicht ernst zu nehmen.

Die junge Frau fühlt sich unwohl bei dem Gedanken, dass Levi so viel Geld für sie ausgibt. Vor allem aber beschleicht sie ein unangenehmer Verdacht: Ihr Freund scheint zu denken, dass er sie mit seinen teuren Geschenken kaufen kann.

Als er ihr an ihrem Geburtstag erneut ein unfassbar teures Geschenk präsentiert, platzt Pia der Kragen. Was soll das? Hört Levi ihr denn nie zu? Aufgebracht läuft sie davon.

In ihrer Ratlosigkeit wendet sich Pia an ihren Hausarzt Dr. Frank, von dem sie weiß, dass er gut zuhören kann und oft wertvolle Ratschläge gibt. Ob der Grünwalder Arzt eine Idee hat, weshalb sich Levi so verhält?

Dr. Stefan Frank 2372

Seit mehreren Monaten sucht die fünfundzwanzigjährige Luisa einen Arzt nach dem anderen auf, denn sie leidet unter schwerwiegenden Symptomen, die ihr große Angst machen. Tief in ihrem Inneren ahnt sie, dass sie schwer und womöglich sogar unheilbar krank ist. Aber jeder der Mediziner sagt etwas anderes, und keiner kann wirklich etwas bei ihr finden.  Luisa fühlt sich sterbenselend. Was ist nur los mit ihr, wieso kann niemand ihre Krankheit diagnostizieren? Sie bildet sich all diese Beschwerden doch nicht ein! Als es ihr wieder einmal besonders schlecht geht, sucht sie in ihrer Verzweiflung Dr. Stefan Frank auf. Von dem Grünwalder Arzt hat sie schon viel gehört, ihn jedoch nie selbst konsultiert. Dr. Frank lässt sich ihre Symptome schildern und runzelt ernst die Stirn, während er sich Notizen macht. Ob er der jungen Frau wohl helfen kann und endlich herausfinden wird, was ihr wirklich fehlt?

Dr. Stefan Frank 2373

Irgendwie will bei Lynn in diesem Jahr überhaupt keine richtige Weihnachtsstimmung aufkommen. Die vielen kleinen Lichter in den Straßen, der Geruch von Bratäpfeln und Glühwein, die besinnliche Musik - all das stimmt die junge Arzthelferin eher traurig.

Wie könnte sie auch fröhlich sein? Schon lange ist sie in ihren Nachbarn Albert verliebt, doch der ist bereits in festen Händen und plant gerade akribisch, wie er seiner Freundin einen besonders romantischen Heiratsantrag machen kann.

Und dann ist da noch Max. Der gut aussehende Historiker macht keinen Hehl daraus, dass er viel für Lynn empfindet und gern mehr für sie wäre als nur ein guter Bekannter. Aber so sehr sich die Arzthelferin auch vor Augen führt, wie sympathisch und attraktiv Max ist - er lässt ihr Herz einfach nicht höherschlagen.

Da erhält Lynn plötzlich eine anonyme Einladung zum Weihnachtsmarkt, der sie zögernd folgt. Wer möchte sie da wohl treffen? Angestrengt denkt sie nach. Mit der Überraschung, die sie dann erwartet, hätte sie jedoch niemals gerechnet ...

Dr. Stefan Frank 2374

Seit Wochen überlegt Theresa verzweifelt, wen sie als Begleiter auf die Hochzeit ihrer Schwester mitnehmen könnte. Ihr letzter Freund hat sie für ihre Schwester verlassen und ist nun der Bräutigam! Da wäre es besonders unangenehm, auf dem Fest als Single aufzutauchen.

In ihrer Not lässt sie sich zu einem Blind Date überreden, das ihre beste Freundin für sie organisiert. Vielleicht ist dieser Adrian ja wirklich so nett, wie ihre Freundin behauptet.

Als Theresa das Restaurant betritt, in dem sie auf ihre Verabredung treffen soll, gleitet ihr Blick gleich zu einem allein sitzenden Mann, der das verabredete Erkennungszeichen - ein Buch - neben sich liegen hat. Das muss Adrian sein!

Die beiden unterhalten sich gut, und überrascht bemerkt die junge Frau, dass sie sich zu ihrem Tischnachbarn tatsächlich hingezogen fühlt. Doch plötzlich steht der wahre Adrian neben ihr - sie hat sich zu dem falschen Mann gesetzt! Kurz darauf ist der Fremde verschwunden, ohne dass sie seinen Namen erfahren hat.

Theresa ahnt ja nicht, dass sie ihn schon ganz bald wiedersehen wird ...

Dr. Stefan Frank 2375

Dr. Stefan Frank ahnt gleich, dass es sich um einen Notfall handeln muss, als an einem Morgen zwischen Weihnachten und Neujahr sein Telefon klingelt. Nachdem er sich gemeldet hat, hört er am anderen Ende der Leitung die schwache Stimme einer Frau. Es ist Gesa Martin, eine junge Mutter, die ihr Kind allein großzieht. Dr. Frank bemerkt sofort, dass es ihr sehr schlecht geht, und verspricht, umgehend bei ihr vorbeizuschauen.

Der Anblick der Kranken erschreckt den Mediziner. Es ist offensichtlich, dass Gesa Martin dringend Hilfe braucht, die sie nur in einer Klinik bekommen kann. Doch als Dr. Frank erklärt, dass er sie in ein Krankenhaus einweisen muss, leistet die Patientin überraschend Widerstand.

"Ich muss bei meinem Baby bleiben!", erklärt sie entschieden. "In die Klinik gehe ich nicht."

Eindringlich versucht Dr. Frank, die Frau umzustimmen, doch sie lässt nicht mit sich reden und fordert den Arzt auf, ihre Wohnung zu verlassen.

Dr. Frank ist ratlos. Was soll er nur tun? Er kann die Patientin nicht zwingen, in die Klinik zu gehen, aber er weiß, dass ihr Leben auf dem Spiel steht, wenn sie die nötige Behandlung verweigert ...

Dr. Stefan Frank 2376

Konstantin Hohenheim leidet seit seiner Geburt an einer schweren chronischen Krankheit, aber da er medikamentös gut eingestellt ist, kann er einen weitestgehend normalen Alltag führen. Trotzdem wirft die Erkrankung einen tiefen Schatten auf sein Leben, denn in der Vergangenheit hat Konstantin immer wieder erfahren müssen, dass Frauen mit einem wie ihm nicht zusammen sein wollen.

Wann immer er einer Freundin gestanden hat, dass er chronisch krank ist, hat diese umgehend verzweifelt nach Gründen gesucht, ihn zu verlassen.

Als der junge Verleger die bildhübsche Theresa Eggebrecht kennenlernt und sich eine zarte Verliebtheit zwischen den beiden entwickelt, beschließt er daher, sie vorerst im Unwissen über seine Krankheit zu lassen. Warum soll er nicht wenigstens ein paar wunderbare Wochen mit ihr genießen, bevor sie ihn unweigerlich sowieso verlassen wird?

Doch diesmal ist die Situation für Konstantin besonders schwer, denn Theresa berührt sein Herz mehr als alle Frauen zuvor. Er weiß, dass er es kaum aushalten wird, sie zu verlieren ...

Dr. Stefan Frank 2377

Seit einigen Tagen liegt der vierjährige Luca in der Waldner-Klinik. Nachdem er von seiner Mutter zuvor mehrmals hintereinander mit kleineren Verletzungen in die Praxis von Dr. Stefan Frank gebracht wurde, leidet er nun unter immer wiederkehrenden starken Bauchschmerzen und Übelkeit. Um schneller und gezielt herausfinden zu können, was dem Kind fehlt, hat Dr. Frank es bei seinem letzten Besuch in die renommierte Klinik in Schwabing überwiesen.

Doch auch hier stehen die Ärzte vor einem Rätsel. Alle Laborergebnisse sind unauffällig, es lässt sich einfach nichts finden, was Lucas Symptome erklären würde. Aber wann immer es dem kleinen Patienten so gut geht, dass er kurz vor der Entlassung aus dem Krankenhaus steht, verschlechtert sich sein Zustand plötzlich wieder rapide. Seine Mutter ist in solch großer Sorge, dass sie beinahe rund um die Uhr an seinem Bett wacht und Luca aufopferungsvoll betreut.

Auch die engagierte Lernschwester Lea kümmert sich liebevoll um den Jungen. Seine ernsten Augen rühren sie, und sie wird das Gefühl nicht los, dass er einen großen Kummer verbirgt. Wie kann sie ihm nur helfen? Die junge Frau ist ebenso ratlos wie ihre Kollegen.

Doch dann kommt der Tag, an dem Lea plötzlich eine furchtbare Entdeckung macht ...

Dr. Stefan Frank 2378

Der attraktive Polizist Patrick Ribis fühlt sich wie vor den Kopf geschlagen, als er einen Anruf aus der Waldner-Klinik erhält. Sein Bruder und dessen Frau hatten einen schweren Unfall und liegen im Koma; nun soll er sich um seine sechsjährige Nichte Lisa kümmern.

Patrick ist Junggeselle, lebt nur für seine Arbeit und ist überhaupt nicht auf ein Kind eingestellt. Außerdem kennt er Lisa nicht einmal, er hat den Kontakt zu seiner Familie schon vor Jahren abgebrochen. Hinzu kommt, dass das Mädchen an Diabetes leidet und daher besonderer Fürsorge bedarf. Wie soll er das neben seiner Arbeit alles schaffen?

Notgedrungen willigt Patrick schließlich ein, sich um das Kind zu kümmern. Doch obwohl er sich Mühe gibt, so gut wie möglich für sie da zu sein, spürt Lisa, dass sie ihrem Onkel zur Last fällt.

Als der Polizist wieder einmal später von der Arbeit kommt, ist das Mädchen spurlos verschwunden. Jemand hat noch gesehen, wie Lisa aus dem Haus gelaufen ist, danach verliert sich ihre Spur.

Patrick ist klar, dass er Lisa so schnell wie möglich finden muss - draußen ist es schon dunkel und bitterkalt. Außerdem hat die Kleine seit Stunden nichts gegessen, und das kann bei ihrer Krankheit zu einer lebensbedrohlichen Unterzuckerung führen! Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit ...

Dr. Stefan Frank 2379

Im Laufschritt legt Anina Donath die letzten Meter zur Buchhandlung zurück. Gerade noch rechtzeitig schafft sie es zu der Lesung des bekannten Autors. Als sich die junge Frau erleichtert auf ihren Sitz fallen lässt, sieht sie aus dem Augenwinkel einen attraktiven Mann herankommen, der offenbar ebenfalls spät dran ist und den Platz neben ihr reserviert hat.

Der Fremde stellt sich als Lukas Völker vor, und da sie sich auf Anhieb sympathisch sind, trinken sie nach der Veranstaltung noch ein Glas Wein miteinander. Es wird ein netter Abend, Anina und Lukas haben sich viel zu erzählen, doch plötzlich bemerken beide, wie sich die Stimmung zwischen ihnen verändert. Immer wieder begegnen sich ihre Blicke, die Gesprächspausen werden länger, und ihre Herzen schlagen schneller.

"Ich bin verheiratet, Anina. Das sage ich dir lieber gleich", platzt Lukas mit rauer Stimme heraus.

Anina fühlt sich, als hätte ihr jemand einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf geschüttet. So ist das also. Dann kann aus Lukas und ihr natürlich nichts werden.

Und obwohl sich die beiden darin eigentlich einig sind, können sie doch nicht verhindern, dass sie sich wie magisch zueinander hingezogen fühlen ...

Dr. Stefan Frank Großband 18

Cover

Titel

Impressum

Zusammenfassung

Inhalt

Dr. Stefan Frank 2370

Mein Kind ist anders, Dr. Frank

Dr. Stefan Frank 2371

Ich kauf dir alles, was du willst

Dr. Stefan Frank 2372

Sie dachte, sie müsste sterben

Dr. Stefan Frank 2373

Überraschung für dich, Lynn!

Dr. Stefan Frank 2374

Date mit einem Unbekannten

Dr. Stefan Frank 2375

Ich muss bei meinem Baby bleiben!

Dr. Stefan Frank 2376

Kannst du mich trotzdem lieben?

Dr. Stefan Frank 2377

Warum hast du das getan?

Dr. Stefan Frank 2378

Der einsame Weg

Dr. Stefan Frank 2379

Freitags im Park

Guide

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Contents

Mein Kind ist anders, Dr. Frank

Leidet die scheue Paula an Autismus?

P aula verhält sich seltsam. Die Sechsjährige wirkt verschlossen, macht Rückschritte in ihren sprachlichen Fähigkeiten, meidet jeden Körperkontakt, pflegt keine Freundschaften und scheint oft abwesend zu sein. Schon kleinste Begebenheiten regen sie furchtbar auf und lassen sie aggressiv werden.

Für ihre Mama Eva ist es besonders schwer, mit diesen Dingen umzugehen, denn als alleinerziehende Mutter muss sie alle Sorgen mit sich selbst ausmachen. Paulas Vater Magnus hat die kleine Familie schon vor vielen Jahren verlassen und sich seitdem nie wieder gemeldet.

Nach einer Odyssee von Arzt zu Arzt steht ein schrecklicher Verdacht im Raum: Paula leidet womöglich an Autismus! Ausgerechnet in dieser schweren Zeit taucht Magnus plötzlich wieder auf. Seine Gegenwart lässt Evas Herz noch immer höherschlagen, doch sie ist fest entschlossen, ihm nie wieder zu vertrauen. Er hat sie damals mit einer anderen Frau betrogen und alles zwischen ihnen zerstört.

Als Magnus sie eindringlich bittet, mit Paula in die Praxis seines Hausarztes Dr. Frank zu gehen, lehnt Eva ab. Auf Ratschläge ihres Exmannes kann sie nun wirklich gut verzichten!

Doch was soll aus Paula werden, wenn niemand ihr helfen kann?

Eine Regenfront hielt sich schon seit Tagen hartnäckig über München. Auf den Straßen reihte sich eine Pfütze an die nächste, und ein bitterkalter Wind fauchte durch die Straßen der Bayernmetropole. Der Herbst zeigte sich von seiner stürmischen Seite.

Eva Stangl kniete im Schaufenster ihres Second-Hand-Shops und verteilte ein Dutzend elektrisch betriebene Windlichter dekorativ auf der weiß lackierten Vintage-Kommode, die zwischen den beiden Schaufensterpuppen stand. Sie zog die Schubladen ein Stück auf und stellte die Lichter als Blickfang darauf. Die Puppen waren mit Kleidern aus ihrem Laden herbstlich warm angezogen.

Eva verteilte einige bunte Blätter zwischen den Lichtern und erwog, noch einen Kürbis dazuzulegen, entschied sich dann jedoch dagegen. Manchmal war weniger mehr, und das Schaufenster wirkte nun genauso einladend, wie es geplant gewesen war.

Draußen wirbelte der Sturm buntes Herbstlaub über die Straße, und die Wolken ließen die Dämmerung an diesem Nachmittag früh hereinbrechen. Bei diesem Wetter kamen erfahrungsgemäß weniger Menschen zum Bummeln in den Laden, aber vielleicht würde die neue Dekoration ihre Wirkung nicht verfehlen und Kunden anlocken.

Eva schloss die weiße Trennwand hinter sich, die das Schaufenster vom Verkaufsraum abtrennte. Ihr Geschäft Second Chance nahm die gesamte untere Etage eines Altbaus ein. Im Inneren war es anheimelnd warm, und es duftete nach den Zimtplätzchen, die sie am Morgen gebacken hatte und in die einer Schale für ihre Kunden bereitlagen.

In den Regalen und auf den Kleiderständern warteten gebrauchte Kleidungsstücke und Accessoires auf eine zweite Chance. Eva kauft die Garderobe an und sorgte mit Nadel, Faden, neuen Knöpfen und viel Geschick dafür, dass die Sachen in allerbestem Zustand waren, ehe sie sie weiterverkaufte. In ihrem Geschäft fanden sich zahlreiche Designerstücke, die von ihren Trägerinnen aussortiert worden waren, nachdem die neue Kollektion herausgekommen war. Die meisten Teile waren kaum getragen. Auch Säcke mit Kleidung aus Nachlässen nahm Eva an.

Die Glocke über der Ladentür bimmelte und kündigte eine neue Kundin an. Es war eine blonde Mittvierzigerin, unter deren dunkelblauem Mantel sich weibliche Kurven abzeichneten. Maren Berger war Zahnärztin, sie kaufte gern im Second Chance ein und schaute sich nun suchend um.

„Hallo, Frau Berger“, begrüßte Eva sie. „Kann ich etwas für Sie tun?“

„Ich suche ein neues Kleid.“ In den blauen Augen der Zahnärztin blitzte ein Lächeln. „Am liebsten hätte ich eines, das mich wie Anfang zwanzig und Größe sechsunddreißig aussehen lässt. Können Sie mir da helfen?“

„Termine für Zauberei vergebe ich nur montags und mittwochs“, antwortete Eva bedauernd.

„So, so.“ Ihre Kundin lachte. „Dann komme ich einfach morgen noch mal wieder.“

„Wäre Ihnen für den Anfang auch mit einer Tasse Kaffee geholfen?“

„Und ob. Vielen Dank. Draußen ist es wirklich ungemütlich. Bei diesem Wetter ist die Hälfte meiner Patienten erkältet.“

„Am Wochenende soll der Regen endlich weiterziehen, dann könnte es sogar noch einmal richtig mild werden.“ Eva schenkte ihrer Kundin eine Tasse aus der stets bereitstehenden Kanne ein. „Das sagen zumindest die Meteorologen.“

„Ach, auf die Wetterfrösche ist nicht viel Verlass.“ Die Zahnärztin winkte ab. „Ich warte lieber ab, ehe ich Pläne für schönes Wetter schmiede.“

„Für welchen Anlass suchen Sie denn ein Kleid?“

„Meine Nichte feiert Verlobung. Es soll also festlich sein, aber nicht zu aufgebrezelt. Etwas wie das dort drüben.“

„Das braune Kleid?“ Eva schüttelte energisch den Kopf. „Bloß nicht! Die Farbe würde Sie blass und langweilig wirken lassen, und Sie sind beides nicht. Nein, Sie brauchen eine frische Farbe. Probieren Sie einmal das Korallenfarbene dort drüben an, Frau Berger. Es hat Ihre Größe, und die Farbe müsste wunderbar zu Ihren Haaren passen.“

„Sind die kurzen Ärmel nicht zu kühl für diese Jahreszeit?“

„In Festsälen wird es erfahrungsgemäß sehr warm, und sollten Sie frieren, dann können Sie diesen Paschmina-Schal dazu tragen.“ Eva suchte einen zartblauen Schal heraus, der einen wunderbaren Kontrast zu dem Kleid bilden würde und obendrein herrlich weich und warm war.

Ihre Kundin stellte den Kaffeebecher ab und nahm die Sachen mit in die Umkleidekabine. Wenig später kam ein begeisterter Ausruf hinter dem Vorhang hervor.

„Wow, Sie sind eine Zauberin!“ Die Zahnärztin kam heraus und drehte sich vor dem mannshohen Spiegel neben der Kabine. Das Kleid passte wie angegossen und betonte ihre weibliche Figur. Der Rock wirbelte bei jeder Drehung hoch und zeigte ihre langen Beine.

„Sehr hübsch.“ Eva nickte zufrieden. „Das Kleid hat anscheinend auf Sie gewartet.“

„Das glaube ich auch. Nichts kneift oder zwackt, und es sieht obendrein richtig toll aus. Vielen Dank, Eva. Sie finden immer das Richtige, deshalb komme ich so gern hierher, wenn ich etwas zum Anziehen brauche.“

Evas Wangen erwärmten sich vor Freude über das Lob.

Sie hatte das Haus von ihrem Onkel geerbt. Es war groß genug für ihre Tochter und sie und bot ihr obendrein die Möglichkeit, im Erdgeschoss ihren Laden zu führen. Sie hatte das Geschäft liebevoll eingerichtet und war von früh bis spät auf den Beinen, weil sie nicht nur im Laden stehen musste, sondern sich abends auch noch um die Buchführung kümmerte und neue Lieferungen durchsah.

Eva hatte ein sicheres Auge für Mode und bemühte sich, ihre Kunden gut zu beraten, deshalb freute sie sich, wenn sie dabei das Richtige traf.

Die Zahnärztin bezahlte und verließ – die Tüte mit ihren neuen Schätzen fest an sich gedrückt – den Laden.

Evas Blick fiel auf ein Mädchen von etwa fünfzehn Jahren, das schon eine geraume Zeit vor dem Spiegel stand und sich verträumt ein türkisfarbenes T-Shirt vor den Oberkörper hielt. Das Shirt war mit einer Eule bedruckt und mit Strass besetzt, sodass es bei jeder Bewegung glitzerte. Zu einer Jeans würde es dem Mädchen ausgezeichnet stehen.

„Die Farbe passt zu dir, Sophie“, bemerkte Eva.

„Das Shirt gefällt mir auch total, aber …“ Das Mädchen spähte auf das Preisschild und zuckte kaum merklich zusammen. „Ach, ich glaube, ich brauche es doch nicht.“ Ihr sehnsüchtiger Blick verriet, wie gut ihr das Kleidungsstück gefiel. Trotzdem hängte sie es zurück auf den Ständer.

Eva kannte die Familie des Mädchens. Sie wohnten in der Nachbarschaft und hatten vier Kinder. Der Vater war schon lange krank, und die Mutter half halbtags in der Bäckerei aus. Vermutlich drehten sie jeden Cent dreimal um und steckten ihn dann doch lieber wieder ein.

„Wir haben gerade eine Rabattaktion. Auf jedes Shirt gibt es fünfzig Prozent Nachlass.“

„Wirklich? Oh, wenn das so ist, dann nehme ich es doch!“ Die Augen des Mädchens strahlten auf. Sie kramte in ihrer Geldbörse und brachte mehrere Münzen hervor. Dann rechnete sie kurz und reichte Eva die Münzen.

Eva kassierte und verstaute das Shirt in einer Papiertüte, die sie lächelnd über den Ladentisch reichte.

„Viel Spaß beim Tragen!“

„Vielen, vielen Dank!“ Mit leuchtenden Augen verließ ihre junge Kundin den Laden. Dabei schien sie einige Zentimeter über dem Boden zu schweben.

Hinter Eva schnalzte jemand missbilligend mit der Zunge.

„Eine Rabattaktion? Davon höre ich zum ersten Mal.“

Eva wirbelte herum. Hinter ihr war eine kleine, drahtige Frau mit rötlich getönten Haaren aufgetaucht. In ihrem faltigen Gesicht leuchtete ein Lächeln.

„Tante Helene!“ Eva presste eine Hand auf ihr Herz. „Ich habe dich gar nicht bemerkt.“

„Meine Knie knacken von Jahr zu Jahr lauter. Warte nur ab, bald hörst du mich schon von Weitem kommen.“

„Fischst du etwa gerade nach Komplimenten, Tante Helene?“

„Jetzt, wo du fragst …“ Die Ältere neigte schmunzelnd den Kopf. „Was war das eigentlich gerade mit der Rabattaktion?“

„Sophies Familie hat nicht viel Geld, deshalb habe ich die Aktion erfunden. Das Shirt hat ihr gar zu gut gefallen, und es wird ihr wirklich hervorragend stehen.“

„Dein weiches Herz wird dich noch mal in den Untergang treiben“, mahnte Tante Helene, aber sie lächelte dabei. Sie half Eva im Laden und übernahm am frühen Nachmittag das Geschäft, damit Eva sich um ihre Tochter kümmern konnte, die um diese Zeit aus der Schule kam.

Genau genommen waren sie nicht verwandt. Helene Wuttke wohnte im Haus nebenan. Seit dem Tod ihres Mannes war sie allein und froh über die Gelegenheit, im Laden helfen zu können, weil ihr daheim die Decke auf den Kopf fiel. Sie war herzensgut und für Eva und ihre Tochter wie eine liebe Patentante.

Eva übergab die Kasse an Tante Helene. Ein Blick auf ihre Armbanduhr mahnte sie zur Eile. Paula würde gleich aus der Schule kommen, und sie hatte noch keinen Handschlag getan, um das Mittagessen vorzubereiten.

Immer zwei Schritte auf einmal nehmend, eilte sie nach oben. Die Heizung knackte, was sich nicht nur unheimlich anhörte, sondern auch kein gutes Zeichen war. Die Anlage war in diesem Herbst schon dreimal ausgefallen!

Der Monteur hatte ihr nahegelegt, eine neue Heizung einbauen zu lassen, doch der Preis, den er dafür veranschlagt hatte, hatte Eva den Atem verschlagen. Wenn sie nicht gerade eine Bank ausrauben wollte, dann würde sie noch eine Weile auf eine neue Heizung sparen müssen.

Manchmal war sie nicht sicher, ob das ererbte Haus ein Glücksfall oder ihr Untergang war, denn es war stark renovierungsbedürftig. Wasserflecken zeichneten sich an der Decke ab, durch die Fenster pfiff der Wind, und der Boden knarzte bei jedem Schritt.

Eva hatte sich vorgenommen, das Haus nach und nach zu renovieren. Das Kinderzimmer und ihr Schlafzimmer waren bereits fertig. Die anderen Räume hatten mit ihren verwohnten Möbeln und den Flecken an den Wänden durchaus das Potential, als Kulisse in einem Gruselfilm herzuhalten, aber Eva war fest entschlossen, das Beste daraus zu machen. In ein paar Jahren würde man den Altbau nicht mehr wiedererkennen!

Sie heizte den Ofen vor und holte mit dem Anflug eines schlechten Gewissens eine Pizza aus dem Tiefkühler. Zu mehr reichte die Zeit leider nicht.

Auf dem Fensterbrett ließen ihre Küchenkräuter die Blätter hängen. Eva seufzte. Sie hatte die Tontöpfe vor wenigen Tagen gekauft – und nun waren die Pflanzen schon eingegangen. Sie hatte einfach keinen grünen Daumen. Tante Helene neckte sie manchmal mit der Behauptung, dass sie sogar Stoffblumen dazu bringen könnte, ihre Blätter abzuwerfen …

Die Haustür öffnete und schloss sich quietschend. Das Scharnier musste dringend geölt werden. Eva setzte es in Gedanken mit auf die Liste. Schritte polterten auf der Treppe, dann tauchte ein Mädchen mit einem dicken blonden Zopf im Flur auf.

„Hallo, mein Schatz! Wie war es in der Schule?“

„Ging so.“ Mit dieser knappen Auskunft wirbelte ihre Tochter an der Küchentür vorbei und verschwand nebenan in ihrem Zimmer.

Eva stutzte. Ging so? Was sollte sie sich denn darunter vorstellen?

Sie schob die Pizza in den Ofen und stellte den Küchenwecker auf zwölf Minuten ein. Dann folgte sie ihrer Tochter.

Paula hatte sich auf ihr Bett gesetzt, die Knie an den Körper gezogen und die Arme darum geschlungen, als wollte sie sich so klein wie möglich machen. Ihr Schulranzen lag neben der Tür in der Ecke.

„Ist alles in Ordnung, Spätzchen?“ Eva setzte sich auf die Bettkante.

„Hm-m“, machte ihre Tochter und vermied ihren Blick. Sie schaukelte ohne Pause vor und zurück.

„Was war denn los?“

Paula schwieg sekundenlang. Sie schien mit sich zu kämpfen.

„Frau Grübling hat mir einen Brief mitgegeben“, gestand sie dann und zog ein Schreiben aus ihrem Schulranzen.

Eva nahm den Brief aus dem Kuvert, faltete ihn auseinander und überflog die Nachricht.

„Ich soll zum Elterngespräch in die Schule kommen. Warum denn das?“

Ihre Tochter setzte die Schaukelbewegung schweigend fort.

„Paula?“

„Du sollst morgen zu die Lehrer kommen.“

„Zu der Lehrerin“, korrigierte Eva automatisch.

„Hm-m“, wiederholte Paula, als würde sie das gar nichts angehen. Sie war auch nicht bereit, weitere Auskünfte zu geben, sondern blickte schweigend aus dem Fenster.

Eva erkannte, dass sie von ihrer Tochter nichts weiter erfahren würde. Wenigstens saß Paula gesund und unversehrt vor ihr, das war ein Trost. Trotzdem hatte sie plötzlich einen Knoten im Magen. Etwas Erfreuliches hatte ihr die Klassenlehrerin ihrer Tochter bestimmt nicht mitzuteilen, wenn sie es so spannend machte.

Eva schluckte ein Seufzen hinunter. Manchmal wäre es schön gewesen, einen Partner zu haben, der mit ihr durch Dick und Dünn ging. Jemanden, der die Zügel auch mal in die Hand nahm, der daran dachte, einzukaufen oder eine neue Lieferung Heizöl zu bestellen. Jemanden, der sie in den Arm nahm und ihr sagte, dass alles gut werden würde.

Paulas Vater Magnus war leider ein Totalausfall gewesen. Das hatte sie schon während ihrer Schwangerschaft einsehen müssen. Früher hatte er noch hin und wieder geschrieben, aber auch das war schon lange vorbei. Seine letzte Karte war zu Paulas drittem Geburtstag gekommen. Seitdem herrschte Schweigen.

Eva hatte sich mit ihrem männerlosen Leben arrangiert, aber manchmal überkam sie eine heftige Sehnsucht nach einem Partner. Doch dieser Wunsch gehörte wohl in die Kategorie „Träume, die sich niemals erfüllen“.

Eva zog ihre Tochter an sich, aber Paula löste sich so heftig von ihr, dass es ihr einen Stich gab. Was war nur mit ihrer Tochter los? Warum ließ Paula sie nicht mehr an sich heran?

***

Am nächsten Vormittag besserte sich das Wetter. Zwar hingen noch immer graue Wolken über München, aber es regnete nicht mehr. Die Grundschule lag nur zehn Minuten von Evas Haus entfernt, deshalb entschied sie sich, ihr Auto stehen zu lassen und zu Fuß zu ihrem Termin mit Frau Grübling zu gehen.

Ihr Herz klopfte heftig, als sie die Treppe zum Eingang des Schulhauses hinaufstieg. Sie fühlte sich beinahe wieder wie eine Schülerin, die zum Direktor gerufen wurde.

Sie war eine gestandene Frau und Mutter, aber ein kleiner, verräterischer Teil von ihr wünschte sich, kehrtzumachen und nach Hause zu gehen. Doch das kam nicht in Frage. Immerhin ging es um ihr Kind, und für Paula würde sie kämpfen wie eine Löwin.

Die Klassenlehrerin kam ihr vor dem Lehrerzimmer entgegen. Frau Grübling hatte schon zahlreiche Schulklassen durch die ersten vier Schuljahre geführt. Sie war eine untersetzte Frau mit einem praktischen Kurzhaarschnitt und einem Kinn, das energisch vorgereckt war.

„Guten Tag, Frau Stangl. Sie sind pünktlich, sehr gut.“ Wahrscheinlich lag es an ihrer Arbeit, dass die Lehrerin alles bewertete. „Wir können im Lehrerzimmer miteinander sprechen. Die Kollegen haben noch Unterricht, wir sind also ungestört.“ Frau Grübling ging voraus, und Eva folgte ihr.

Die Klassenlehrerin ihrer Tochter bot ihr einen Platz an einem Fenstertisch an, auf dem ein Stapel Klassenarbeiten lag.

„Kommen wir gleich zur Sache“, begann sie und faltete die Hände vor sich auf dem Tisch. „Mir sind bei Paula einige Dinge aufgefallen, die mich, gelinde gesagt, beunruhigen.“

„Was denn für Dinge?“ Mit einem Mal schien ein Kloß in Evas Kehle zu klemmen. Sie versuchte vergebens, ihn hinunterzuschlucken.

„Nun, Paula wird immer verschlossener. Sie geht den anderen Kindern aus ihrer Klasse aus dem Weg, spricht mit niemandem und vermeidet Blickkontakt. Sie kann sich nicht länger als wenige Minuten auf eine Sache konzentrieren. Und sie hat im Unterricht nachgelassen. Stark nachgelassen. Manche Dinge, die sie bereits beherrscht hat, scheint sie wieder zu verlernen. Wie den Gebrauch der Artikel. Sie sagt zum Beispiel ‚der Buch‘ statt ‚das Buch‘.“

Die Aufzählung prasselte auf Eva nieder wie faustgroße Hagelkörner. Sie saß stocksteif da und ließ die Lehrerin zu Ende sprechen. Zu einer Erwiderung war sie vorerst nicht fähig. Ihr war selbst schon aufgefallen, dass ihre Tochter stiller geworden war, aber sie hatte es für eine Phase in ihrer Entwicklung gehalten, die vorübergehen würde.

„Diese Rückschritte sollten nicht vorkommen, aber sie tun es“, fuhr Frau Grübling fort. „Und es wird schlimmer. Paula zeigt aggressives Verhalten anderen Personen gegenüber.“

„Aggressiv?“ Eva schüttelte lebhaft den Kopf. „Das kann nicht sein. Meine Tochter ist ein liebes Mädchen. Sie würde niemals einem anderen Kind wehtun.“

„Sie hat es aber getan. Gestern sollte sie im Unterricht mit Marie zusammenarbeiten, aber sie hat sich geweigert. Als Marie zu ihr heranrücken wollte, hat Paula sie zurückgestoßen – und zwar so heftig, dass Marie hingefallen ist und sich den Kopf am Tisch angeschlagen hat. Der Arzt musste die Platzwunde nähen.“

„Was sagen Sie da?“ Eva war entsetzt. Das konnte nicht wahr sein. Ihre Tochter hatte ein anderes Mädchen verletzt?!

„Ich bin mir sicher, dass Sie Ihr Bestes tun, um für Paula zu sorgen, aber – entschuldigen Sie bitte, wenn ich das so unverblümt sage – Sie scheinen mit der Situation überfordert zu sein. Mir ist klar, dass es nicht leicht ist, als alleinerziehende Mutter Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, aber ich muss Sie bitten, die Augen nicht länger vor der Wahrheit zu verschließen: Paula hat ernste Probleme.“

„Wir kommen sehr gut zurecht“, beteuerte Eva, fragte sich aber gleichzeitig, ob das wirklich stimmte. Paula war schon immer ein stilles Mädchen gewesen, das für sich blieb und sich nicht leicht anderen Menschen anschloss. Seitdem sie zur Schule ging, hatte sich diese Tendenz verstärkt. Und Eva hatte neben ihrer Arbeit oft wenig Zeit, um für ihr Kind da zu sein.

„Ich habe mit dem Rektor gesprochen, und wir sind uns einig, dass Sie mit Paula einen Kinderpsychologen aufsuchen sollten, Frau Stangl. Ihr Verhalten ist nicht normal.“

Nicht normal. Diese beiden Worte trafen Eva wie Tritte in die Magengrube. Alles in ihr sträubte sich gegen diese Unterstellung. Und doch fragte sie sich manchmal selbst, warum ihr Kind so scheu war und keine Freunde fand.

Paula war ein Eigenbrötler mit Eigenheiten, an die sich Eva gewöhnt hatte, die Außenstehenden jedoch merkwürdig vorkommen mussten. Wie ihre Abneigung gegen ungerade Zahlen und ihre Schweigsamkeit …

„Sie sollten dringend mit Ihrer Tochter den Umgang mit anderen Kindern üben“, legte ihr die Lehrerin nahe. „Außerdem muss sich Paula bei Marie entschuldigen.“

„Ich werde mit ihr sprechen und versuchen, herauszufinden, warum sie überreagiert hat.“

„Gut. Und vergessen Sie bitte nicht den Besuch beim Kinderpsychologen. Es ist im Interesse Ihrer Tochter.“ Das Gesicht der Lehrerin wurde weicher und verriet, dass sie sich ehrliche Sorgen um Paula machte.

Damit war Eva entlassen.

Benommen verließ sie die Schule und wankte zu einer Bank auf dem Schulhof. Sie wollte ihre Tochter vom Unterricht abholen, wenn sie schon einmal hier war, deshalb wartete sie.

Es dauerte nicht lange, dann verkündete die Pausenglocke das Ende des Schultages. Die Tore öffneten sich, und Kinder strömten lachend und schwatzend ins Freie. Die bunte Schar wirkte unbeschwert und fröhlich. Doch wo blieb Paula?

Eva stand von der Bank auf und lief unruhig auf und ab.

Endlich kam ihre Tochter aus dem Schulhaus. Paula trottete hinter den anderen Kindern her und hielt den Blick gesenkt. Sie vermied den Kontakt zu ihren Kameraden und wirkte wie ein Fremdkörper zwischen den fröhlichen Kindern. Der Anblick versetzte Eva einen Stich. Hatte die Lehrerin möglicherweise recht? Stimmte mit ihrer Tochter etwas nicht? War sie drauf und dran, als Mutter zu versagen?

„Spätzchen!“ Eva winkte ihrer Tochter zu.

Paula reagierte nicht, sie schien sie nicht einmal zu hören.

„Paula! Hier bin ich!“

Paula hob kurz den Kopf, dann kam sie herüber und schob die Daumen unter die Riemen ihres Schulranzens. Sie sagte kein Wort, blieb nur still stehen wie ein Automat, der auf die nächste Anweisung wartet.

„Ich habe uns unterwegs Donuts besorgt“, erklärte Eva lebhafter, als ihr zumute war. Sie holte die Papiertüte aus ihrer Umhängetasche und hielt sie ihrer Tochter hin.

Paula spähte in die Tüte und schüttelte entsetzt den Kopf.

„Das kann ich nicht essen!“

„Warum denn nicht? Die Donuts sind mit einer Erdbeerglasur bestrichen. Die magst du doch.“

„Es sind drei, Mami! Drei!“ Paula sah sie so schockiert an, als hätte sie ihr einen zappelnden Fisch zum Essen vorgesetzt.

„Unmöglich. Ich habe zwei Stück verlangt.“ Eva spähte in die Tüte und unterdrückte ein Seufzen. Es waren tatsächlich drei Donuts. Die Verkäuferin musste sie falsch verstanden haben – und nun weigerte sich ihre Tochter, die Süßigkeit anzurühren.

Paula verabscheute alle ungeraden Zahlen. Das ging so weit, dass sie keine Bluse anzog, an der eine ungerade Zahl von Knöpfen festgenäht war. Und sie aß nichts, das in ungerader Anzahl auf ihrem Teller lag, egal, ob es Fischstäbchen oder Pommes frites waren …

Kurzentschlossen angelte sich Eva einen Donut aus der Packung und verzehrte ihn.

„Siehst du? Nun sind es nur noch zwei. Nimm dir einen!“

Paula presste die Lippen zusammen und wandte sich ab. Stumm trottete sie den Bürgersteig hinunter nach Hause, sodass ihrer Mutter nichts anderes übrig blieb, als ihr zu folgen.

Eva packte die Tüte seufzend wieder in ihre Tasche. Die gebeugten Schultern und der traurige Blick ihrer Tochter zerrissen ihr fast das Herz. Ihr kleines Mädchen war unglücklich, das war nicht zu übersehen. Aber warum?

„Was war denn gestern zwischen dir und Marie los?“, erkundigte sie sich.

Paula hielt den Blick fest nach unten gerichtet und schwieg.

„Hat dich Marie geärgert?“

Keine Antwort.

„Deine Lehrerin sagt, du hast Marie gestoßen und sie ist hingefallen. Warum hast du das getan? War es ein Versehen? Paula, bitte, rede mit mir!“ Eva sah ihre Tochter an, aber diese antwortete noch immer nicht. Das war kein gutes Zeichen. Womöglich war es tatsächlich keine so schlechte Idee, mit einem Arzt über ihre Schwierigkeiten zu sprechen. Eva nahm sich vor, daheim gleich mit dem Kinderarzt zu telefonieren.

Schweigend legten sie den Rest des Heimwegs zurück. Zu Hause angekommen, verschwand Paula sofort in ihrem Zimmer. Eva brachte die Donuts in die Küche. Anschließend wollte sie zu ihrer Tochter gehen und auf eine Erklärung für ihr Verhalten drängen, doch da rief die Klingel sie zur Tür. Rrrring! Der Lärm durchbrach die Stille im Haus wie Kanonendonner.

Eva eilte die Treppe hinunter, öffnete – und wich im nächsten Augenblick überrascht zurück. Draußen wartete ein groß gewachsener Mann mit dunklen Haaren und braunen Augen. Sein Lächeln war ein wenig unsicher und unendlich vertraut …

Nein! Das durfte doch nicht wahr sein! Der Schock traf Eva wie ein kalter Wasserguss. Sie kniff die Augen zusammen und riss sie wieder auf, weil sie sich nicht sicher war, ob sie einem Trugbild erlag.

„Magnus? Bist du es wirklich?“

***

„Darf ich reinkommen?“ Die Stimme ihres früheren Mannes war sanft und rau und hatte noch immer die Macht, ihr eine wohlige Gänsehaut über den Rücken zu schicken.

Eva sah ihn so entgeistert an, als wäre er geradewegs vor ihr vom Himmel gefallen.

„Eva?“ Er zog fragend eine Braue hoch. „Passt es dir gerade nicht? Soll ich lieber ein anderes Mal wiederkommen?“

„Was?“ Sie löste sich mit einem tiefen Atemzug aus ihrer Schockstarre. Wenn sie ihn jetzt bat, ein anderes Mal wiederzukommen – würde es dann wieder drei Jahre dauern, bis sie etwas von ihm hörte?

„Störe ich euch?“

„Nein, ist schon gut. Komm herein.“ Sie trat von der Tür zurück und ließ ihn eintreten. Während sie vor ihm die Treppe hinaufstieg, wirbelten ihre Gedanken durch ihren Kopf wie aufgeschreckte Spatzen.

Ihr Exmann war Anwalt und auf Steuerrecht spezialisiert. Als sie sich kennengelernt hatten, war er noch Student gewesen. Sie waren sich beim Eislaufen begegnet, wo sie ihm buchstäblich vor die Füße gefallen war. Er hatte ihr beim Aufstehen geholfen – und ein Blick in seine sanften braunen Augen hatte genügt, und es war um sie geschehen gewesen. Ihm war es genauso ergangen.

Von diesem Tage an waren sie unzertrennlich gewesen. Ihre Freunde hatten Eva gewarnt, es wäre zu früh für sie, um schon mit Anfang zwanzig zu heiraten, aber Eva war sich sicher gewesen, dass sie zusammengehörten.

Eine eigene Familie war immer ihr Traum gewesen, und mit Magnus war er in greifbare Nähe gerückt. Die Zukunft schien ihnen zu gehören – bis zu jenem verhängnisvollen Februar-Nachmittag vor sechs Jahren, an dem sie hinter seine Affäre gekommen war und ihre Welt in zahllose Scherben zerbrochen war …

Eva nahm ihren Besucher mit in die Küche und deutete auf den Wasserkocher.

„Möchtest du einen Tee, Magnus?“

Er schaute sich in dem kleinen Raum um, und seine Brauen zogen sich zusammen. Plötzlich sah sie die Küche mit seinen Augen: den schäbigen Ofen, auf dem im Lauf der Jahre so viele Speisen angebacken waren, dass sich die Überreste selbst mit stundenlangem Putzen nicht mehr entfernen ließen, die Fenster, durch die der Wind hereinpfiff, und die Decke mit den Wasserflecken, die vom undichten Dach herrührten.

„Hier wohnst du also“, murmelte er, ohne auf ihre Frage einzugehen. „Das kann nicht dein Ernst sein, Eva. Dieses Haus ist eine Bruchbude!“

„Es ist mein Zuhause, über das du da herziehst! Ich renoviere es Stück für Stück. Es tut mir leid, wenn es deinen hohen Ansprüchen nicht genügt, aber da du unserer Tochter keinerlei Unterstützung zukommen lässt, muss genügen, was ich ihr bieten kann.“

Ein Muskel zuckte in seinem Gesicht und verriet, dass ihre Worte ihn trafen.

„Es tut mir leid. Ich habe kein Recht, über euer Leben oder euer Zuhause zu urteilen. Nicht nach allem, was war.“

Eva verschränkte die Arme vor der Brust und verbarg ihre aufwallenden Emotionen hinter einer gleichmütigen Miene.

„Warum bist du hier, Magnus?“

„Weil ich mit dir reden muss. Es ist viel passiert in den vergangenen Jahren. Ich habe mich geändert …“

„… sagte der Fuchs, als er um den Schlüssel zum Hühnerstall bat“, vollendete sie skeptisch.

„Mir ist klar, dass ich deine Zweifel verdient habe, aber verurteile mich bitte nicht, ohne mich angehört zu haben. Das wäre nicht fair.“

„Nicht fair?“, echote sie. „Weißt du, was nicht fair ist? Wenn man im achten Monat schwanger ist, nach Hause kommt und den Mann mit einer anderen Frau im Ehebett findet. Das ist nicht fair!“

Magnus zuckte zusammen, als hätte er einen Stromschlag erhalten.

„Das war ein Fehler, den ich inzwischen bitter bereue. Das musst du mir glauben. Ich habe dafür gebüßt, Eva.“

„Du? Wie denn? Du hast eine Karriere gemacht und musst dir offensichtlich keine Sorgen machen, wo du das Geld für die Reparatur der Heizung oder für die Schulbücher hernimmst. Nein, Magnus. Unsere Tochter büßt, und zwar an jedem einzelnen Tag, den sie ohne ihren Vater aufwachsen muss.“

Ein bitterer Geschmack breitete sich in Evas Mund aus. Die Erinnerungen an jenen furchtbaren Tag, an dem sie hinter seine Untreue gekommen war, fluteten ihr Herz wie Säure und vertrieben jedes wärmere Gefühl daraus. Sie hatte damals die Scheidung eingereicht, und Magnus war aus München fortgezogen. So kam es, dass Paula ihren Vater kaum kannte.

Eva hatte versucht, ihn mit Fotografien und Erzählungen für sie lebendig zu halten, aber wenn ihre Tochter sie fragte, warum ihr Vater nichts von ihr wissen wollte, dann wusste sie keine Antwort.

Eva ließ sich auf die Eckbank sinken und bedeutete ihm, ebenfalls Platz zu nehmen.

Er tat es und verschränkte die Hände vor sich auf der Tischplatte. Sekundenlang schien er nicht zu wissen, wie er fortfahren sollte.

„Wie läuft es bei dir?“, fragte er dann mit rauer Stimme.

„Ganz gut. Ich habe dieses Haus geerbt und meinen Laden eröffnet. Viel wirft er nicht ab, aber es reicht, um über die Runden zu kommen.“

„Er macht sicherlich eine Menge Arbeit, oder?“

„Oh ja, vor allem der Papierkram. Es ist unglaublich, was man alles für die Steuer und die Buchhaltung beachten muss. Dafür wäre im Grunde ein eigenes Studium nötig.“ Eva strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. „Und wie geht es dir?“

„Ich habe eine eigene Kanzlei eröffnet. Hier in München.“

„Also wohnst du nicht mehr in Berlin?“

„Nein. Es war an der Zeit, nach Hause zu kommen.“

„Nach Hause?“ Eva konnte die Skepsis nicht ganz aus ihrer Stimme heraushalten. „Ich hätte nicht gedacht, dass du weißt, was das ist.“

„Mittlerweile schon. Ich habe viele Fehler gemacht. Ich habe dich verletzt, und mir ist klar, dass du mir das vermutlich nie verzeihen wirst. Das kann ich auch nicht erwarten. Ich bitte dich nur, mir noch eine Chance zu geben.“

„Eine Chance?“

„Ich war lange krank, Eva. Fast hätte ich es nicht geschafft. Wenn man so nah an der Schwelle des Todes steht, dann überdenkt man seine Prioritäten. Ich habe gelernt, stärker auf meinen Körper zu hören und auf meine Gesundheit zu achten. Und mir ist klar geworden, was wirklich im Leben zählt.“

„Und was, glaubst du, ist das?“

„Die Familie. Menschen, die man liebt und von denen man geliebt wird.“

„Das klingt merkwürdig aus deinem Mund. Für dich war deine Freiheit dein höchstes Gut. Du hast mir vorgeworfen, dich einzuengen und dir die Luft zum Atmen zu nehmen.“

Magnus nickte kaum merklich.

„Das ist wahr, aber wie gesagt: Ich bin nicht mehr der Mann, der ich einmal war.“

„Ach, Magnus, das sagt sich so leicht.“

„Es ist mir ernst damit. Ich möchte für euch da sein. Für die Kleine und dich!“

„Weißt du überhaupt, was du dir da vornimmst? Es ist nicht leicht, ein Kind großzuziehen.“ Eva strich sich über die Stirn. „Paulas Lehrerin hat mich heute in die Schule bestellt, weil Paula eine Einzelgängerin ist. Anscheinend hält sie sich von den anderen Kindern fern. Und wenn sie doch einmal Kontakt mit ihnen hat, dann reagiert sie aggressiv. Die Lehrerin hat mir nahegelegt, mit ihr einen Arzt aufzusuchen.“

„Das klingt ja gar nicht gut.“

„Ist es auch nicht.“

„Ich wüsste jemanden für Paula. Mein Hausarzt, Dr. Frank, ist ausgezeichnet. Du solltest mit ihr zu ihm gehen. Er kann ihr bestimmt helfen.“

Eva hob abwehrend die Hände. Die Vergangenheit steckte wie ein Stachel in ihrem Herzen, deshalb lehnte sie alles ab, was von ihm kam – auch seinen Rat.

„Paula hat schon einen Kinderarzt. Wir werden ihn aufsuchen.“

„Aber Dr. Frank ist wirklich hervorragend.“

„Mag sein, aber wir kommen ohne ihn zurecht.“

„Du meinst, ohne mich.“ Magnus ließ die Schultern sinken. „Lass mich teilhaben, Eva, bitte. Ich möchte für euch da sein und Paula endlich der Vater sein, den sie braucht.“

Eva hörte den Ernst in seiner Stimme, aber sie traute seinem Versprechen nicht. Möglicherweise meinte er es in diesem Augenblick aufrichtig, aber was würde nächste Woche sein? Oder nächstes Jahr? Wenn ihm aufging, dass das Leben mit einem Kind nicht nur wunderschön, sondern auch anstrengend sein konnte?

„Das geht nicht, Magnus. Du kannst nicht hier auftauchen, unsere Tochter kurz sehen und dann wieder aus ihrem Leben verschwinden. So läuft das nicht. Paula braucht Beständigkeit.“

„Und die werde ich ihr bieten.“

„Du?“ Eva wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Ihr Exmann schien für ein Familienleben so geeignet zu sein wie ein Eisbär für eine Expedition durch die Wüste.

Während sie noch mit ihren Gefühlen kämpfte, erschien Paula unvermittelt in der offenen Küchentür.

Die Sechsjährige blickte ihren Vater an.

„Vati?“ Ihr Gesicht war regungslos und verriet keine Empfindung. Das beunruhigte Eva zutiefst. Sollte Paula ihm nicht um den Hals fallen und jubeln, weil ihr Vater sie besuchen kam? Oder schimpfen und in Tränen ausbrechen, weil er so lange nichts von sich hatte hören lassen? Doch Paula wirkte so unbeteiligt, als wäre er ein Fremder.

Bei dieser Erkenntnis krampfte sich alles in Eva zusammen. Sie wusste nicht, was ihr mehr Angst machte: das unerwartete Auftauchen ihres früheren Mannes oder die Gleichgültigkeit ihrer Tochter …

***

„Den mag ich nicht!“ Paula wehrte sich am nächsten Morgen mit Händen und Füßen dagegen, ihren veilchenfarbenen Pullover anzuziehen.

„Was hast du denn gegen den Pulli?“ Ratlos sah Eva ihre Tochter an. „Er ist nagelneu und schön flauschig.“

„Ist er nicht. Er kratzt.“

„Du hast ihn dir selbst ausgesucht. Die Stickerei mit dem Eichhörnchen hat dir im Laden gefallen, weißt du nicht mehr?“

„Nö“, rief Paula. Ihr Gesicht rötete sich.

Eva widerstand dem Impuls, auf die Uhr zu sehen. Sie wusste auch so, dass sie schon spät dran waren, wenn sie es vor dem Unterricht noch zum Kinderarzt schaffen wollten.

„Zieh den Pulli jetzt an, Paula. Wir müssen los.“

„Ich mag ihn aber nicht.“

„Er war sehr teuer. Du wolltest ihn unbedingt haben, nun zieh ihn bitte auch an.“ Eva blieb fest und flocht ihrer Tochter die Haare zu einem Zopf, nachdem sich Paula endlich bequemt hatte, in den Pullover zu schlüpfen. Gefrühstückt hatten sie bereits, deshalb drängte Eva nun zum Aufbruch.

Ihre Tochter holte ihren Schulranzen und stieg schweigend ins Auto. Dabei kratzte sie sich die Arme und den Bauch.

„Was hast du denn?“

„Es juckt wie verrückt!“

Eva beugte sich über ihre Tochter, die auf dem Rücksitz saß, und bat sie, den Pulli ein Stück hochzuziehen. Darunter zeichneten sich rote Quaddeln und Striemen ab.

„Ach, du liebe Zeit! Du hast Ausschlag von dem Pullover bekommen!“ Bestürzt sah Eva ihre Tochter an. „So kannst du nicht einen ganzen Tag überstehen. Wir müssen noch einmal nach oben, damit du dich umziehen kannst.“

Paula schwieg, aber ihr vorwurfsvoller Blick schien zu sagen: Ich habe es doch gesagt!

Eva eilte mit ihrer Tochter zurück ins Haus und gab ihr ein weiches Baumwollshirt zum Anziehen, nachdem sie ihren Oberkörper abgewaschen und hauchdünn mit einer antiallergischen Salbe bestrichen hatte.

Dann konnten sie endlich aufbrechen.

Im Auto drehte Eva die Heizung hoch, weil es spürbar kälter geworden war. Es würde wohl nicht mehr lange dauern, bis sie die Fensterscheiben morgens wieder freikratzen und Schnee schaufeln mussten.

Die Praxis des Kinderarztes war knapp zwanzig Minuten Autofahrt entfernt. Sie waren schon spät dran, wenn Paula später noch halbwegs pünktlich zum Unterricht erscheinen sollte, deshalb drückte Eva aufs Gas. Unterwegs blickte sie ihre Tochter über den Rückspiegel an.

„Wenn du nachher in der Schule bist, solltest du dich mit Marie versöhnen.“

Schweigend schaute Paula aus dem Fenster.

„Das ist wichtig, hörst du? Du hast sie geschubst. Möchtest du mir nicht endlich sagen, warum?“

Diese Frage brannte Eva auf dem Herzen, seitdem sie mit der Lehrerin gesprochen hatte, doch Paula war ihr bisher die Antwort schuldig geblieben. Auch jetzt schwieg sie sich aus.

„Hat Marie etwas gesagt, was dich geärgert hat?“

Paula hob die Schultern und ließ sie wieder fallen.

„Oder hat sie dich zuerst geschubst?“

Die Antwort war und blieb die gleiche.

Resignierend konzentrierte sich Eva auf den Verkehr. In sich gekehrt war ihre Tochter schon immer gewesen. Ein stilles Kind, das nicht leicht Anschluss fand. Sie hatte das nie für ein Problem gehalten, aber nun machte sie sich Sorgen. War Paulas Verhalten womöglich ein Alarmsignal für eine ernsthafte Erkrankung?

Nervös betrat sie wenig später mit ihrer Tochter die Praxis des Kinderarztes. Sie hatten Glück und kamen nach wenigen Minuten Wartezeit an die Reihe.

Dr. Palfinger war ein junger Arzt, der vor wenigen Monaten die Nachfolge von Dr. Kayser angetreten hatte, der in den wohlverdienten Ruhestand gegangen war. Er hatte Paula bisher erst einmal wegen eines Infekts behandelt. Eva hoffte, dass er genauso gewissenhaft war wie sein Vorgänger.

Sie schilderte ihm die Sorgen von Paulas Lehrerin und erwähnte auch Paulas verschlossenes Wesen und ihre fehlende Interaktion mit anderen Kindern. Nichts ließ sie aus. Dabei spürte sie die wachsende Ungeduld des jungen Arztes.

„Ich fürchte, ich bin für diese Art von Problemen der falsche Ansprechpartner“, unterbrach er sie schließlich.

„Welche Art von Problemen?“

„Psychische Probleme. Es ist offensichtlich, dass Paula Rückschritte in ihrer Entwicklung macht – und zwar vor allem auf sozialer und intellektueller Ebene. Ich würde Ihnen empfehlen, sie einem Psychologen vorzustellen.“

„Aber Sie haben sie noch nicht einmal untersucht.“

„Das muss ich auch nicht. Ihre Beschreibung genügt mir.“

Eva sah den Kinderarzt entgeistert an. „Können Sie Paula nicht wenigstens … ich weiß auch nicht … abhören? Ihren Blutdruck messen? Sich ein Bild von ihrem körperlichen Zustand verschaffen?“

„Das würde nichts bringen. Paula gehört in die Hände eines Psychologen.“

Eva war wie vor den Kopf geschlagen. Konnte es das geben? Dass ein Kinderarzt eine Untersuchung verweigerte? Sie schaute zur Seite. Ihre Tochter saß auf dem Stuhl und hielt den Kopf gesenkt, als würde sie das alles nichts angehen. Sie hatte die Hände unter ihre Oberschenkel geschoben und zeigte nicht, ob sie dem Verlauf des Gesprächs folgte oder nicht.

Der Kinderarzt druckte ihnen eine Überweisung aus und bat seine Sprechstundenhilfe, Eva eine Liste mit Kinderpsychologen auszuhändigen, die ihre Praxis in der näheren Umgebung hatten. Danach wünschte er ihnen alles Gute und entließ sie.

Kurz und schmerzlos, ging es Eva durch den Kopf. Benommen verließ sie mit ihrer Tochter die Praxis. Sie konnte sich des Gefühls nicht erwehren, soeben abgewimmelt worden zu sein. Warum hatte sich der Kinderarzt nicht etwas mehr Zeit genommen?

Enttäuscht presste Eva die Lippen zusammen und brachte ihre Tochter zurück zum Auto.

Sie fuhr zur Schule, parkte und begleitete ihr Kind zum Schultor.

„Hab einen schönen Tag, Spätzchen.“ Sie umarmte Paula und blickte ihr nach, bis sie in dem roten Backsteingebäude verschwunden war. Dann steuerte sie eine Bank an und zog ihr Mobiltelefon hervor.

Sie überflog die Liste mit Psychologen. Keiner der Namen sagte ihr etwas, deshalb wählte sie kurzentschlossen die erste Nummer. Sie würde jede Hilfe annehmen, die ihr Kind bekommen konnte. Wenn ein Psychologe Paula wieder fröhlich und offen machen konnte, dann war es ihr jede Mühe wert.

Es klingelte zweimal, dann meldete sich eine junge Sprechstundenhilfe.

Eva sagte ihr Sprüchlein auf, nannte ihren Namen und bat um einen Termin für ihre Tochter.

„Waren Sie schon einmal bei uns, Frau Stangl?“, erkundigte sich die Arzthelferin kühl.

„Noch nicht. Bis jetzt gab es dazu keine Veranlassung.“

„Ich verstehe. Es tut mir sehr leid, aber wir nehmen keine neuen Patienten mehr an.“

„Was? Aber meine Tochter braucht einen Therapeuten. Zumindest sagt das ihr Kinderarzt.“

„Wir haben schon mehr Patienten, als wir betreuen können. Versuchen Sie es am besten in der Praxis von Dr. Bleyer. Er ist neu und hat eventuell noch keinen festen Patientenstamm. Vielleicht haben Sie dort mehr Glück.“

„Ich verstehe. Danke.“ Niedergeschlagen beendete Eva das Gespräch und wählte anschließend die Nummer der empfohlenen Praxis. Doch auch dort wies man sie ab.

Was war das nur für eine Welt, in der Ärzte kranke Menschen abwiesen, weil sie keine Zeit für sie hatten?

Eva telefonierte die gesamte Liste ab.

Die meisten Praxen nahmen keine neuen Patienten an. Zwei waren gerade im Urlaub, deshalb war niemand zu erreichen. Maschinenstimmen baten darum, es später wieder zu versuchen, doch Eva konnte sich schon denken, wie dieser Versuch ausgehen würde.

Verzweifelt wählte sie die Nummer der letzten Praxis auf ihrer Liste. Wieder rasselte sie ihr Sprüchlein herunter, und wieder hörte sie am anderen Ende die gleichen bedauernden Worte.

„Wir nehmen leider niemanden mehr an.“

Plötzlich konnte sie nicht mehr an sich halten.

„Es geht um mein Kind!“, rief sie. „Paula braucht dringend Hilfe. Entweder Ihr Doktor schaut sie sich an, oder ich melde Ihre Praxis wegen unterlassener Hilfeleistung der Ärztekammer!“

Im Hörer war ein tiefer Atemzug zu hören. Tasten klapperten. Dann meldete sich die Arzthelferin wieder.

„Also schön. Ich kann Ihnen aber frühestens in zwei Monaten einen Termin anbieten. Vorher ist wirklich nichts zu machen.“

„In zwei Monaten?! Aber meine Tochter braucht jetzt Hilfe. Bitte, sie ist erst sechs Jahre alt, und ich weiß nicht, wie ich ihr helfen kann.“ Evas Stimme brach. Eine Träne rollte über ihre Wange, und die Verzweiflung schnürte ihr die Brust zusammen. Ein Schluchzen entfuhr ihr.

Das schien ihre Gesprächspartnerin zu erweichen.

„Na gut“, gab diese widerstrebend nach. „Kommen Sie morgen früh um acht zu uns. Ich werde versuchen, Sie zwischendurch mit dranzunehmen. Bringen Sie aber Zeit mit, wenn Sie zu uns kommen. Viel Zeit!“

***

Eva hatte Glück: Ihre Aushilfe war gern bereit, in ihrem Geschäft einzuspringen, damit sie mit Paula zum Kinderpsychologen gehen konnte. Doch damit erschöpfte sich ihr Glück bereits, denn in der Praxis mussten sie stundenlang ausharren. Als Eva endlich in ihrem Laden ankam, war es bereits Mittag.

„Sie haben uns sitzen und sitzen lassen!“, rief sie atemlos. „Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat.“

„Das macht doch nichts.“ Tante Helene war gerade dabei, die Ankleidepuppe neben der Kasse umzudekorieren. Ein Kunde mit Humor hatte der Puppe irgendwann einmal einen zerfledderten Krimi in die Hand gedrückt, weshalb sie sie nun Mimi nannten. Helene hatte ihr einen Ski-Overall angezogen und zupfte eine Ski-Mütze auf ihrem Kopf zurecht. „Ich habe gern ausgeholfen. Kein Problem. Wie war es denn?“

„Furchtbar.“ Eva ließ sich mit einem tiefen Atemzug auf dem Hocker neben der Kasse nieder. Im Laden war gerade nichts weiter los, deshalb hatten sie Gelegenheit, sich in Ruhe zu unterhalten. „Die Arzthelferin hatte mich ja vorgewarnt, dass wir Zeit mitbringen sollen, aber das war eine Untertreibung. Wir haben sage und schreibe viereinhalb Stunden gewartet.“

„Oje. Paula muss ja furchtbar hibbelig geworden sein.“

„Eigentlich nicht. Ich war diejenige, die irgendwann so die Nase voll hatte, dass sie laut geworden ist“, gestand Eva.

„Du?“ Tante Helene grinste. „Das hätte ich zu gern gesehen.“

„Wünsch dir das lieber nicht. Jedenfalls sind wir dann endlich drangekommen. Der Kinderpsychologe war ziemlich abweisend. Jedenfalls hatte ich den Eindruck, dass ihm alles zu viel ist. Er hat Paula einige Tests durchführen lassen. Zum Beispiel hat er ihr Bilder gezeigt, und sie musste sagen, was ihr dazu einfällt. Außerdem sollte sie etwas malen – und einige Sachen mehr.“ Eva hob die Schultern und ließ sie wieder fallen.

„Und was ist dabei herausgekommen?“

„Nichts Eindeutiges. Der Psychologe hat uns zum Ohrenarzt geschickt.“

„Wie bitte? Zum Ohrenarzt?“

„Ja, er glaubt, sie könnte einen Hörschaden haben. Das könnte der Grund sein, weshalb sie in der Schule Rückschritte macht und nur schwer Kontakte knüpft.“

„Also, ich weiß nicht.“ Tante Helene krauste zweifelnd die Stirn. „Das kommt mir merkwürdig vor. Paula kann doch hören.“

„Eigentlich schon, aber manchmal sind ihre Ohren auch auf Durchzug geschaltet. Ich kann ihr hundertmal sagen, sie soll endlich ihr Zimmer aufräumen oder sich bei ihrer Klassenkameradin entschuldigen, sie macht es nicht. Sie ist oft so in sich gekehrt, als wäre sie in einer eigenen Welt.“

„Und der Psychologe glaubt wirklich, das könnte von den Ohren kommen?“

Eva nickte und versuchte, sich ihre wachsende Panik nicht anmerken zu lassen. Die Ärzte schickten sie von einem Kollegen zum nächsten, ohne herauszufinden, was ihrem Kind wirklich fehlte. Das verunsicherte sie. Obendrein half es Paula nicht im Geringsten weiter.

Natürlich bemerkte Tante Helene, was mit ihr los war. Sie legte tröstend eine Hand auf ihren Arm.

„Das wird schon wieder. Ein Arzt wird herausfinden, was Paula fehlt, und ihr helfen können. Ganz bestimmt.“

„Hoffentlich. Ich habe schon unterwegs versucht, einen Termin beim Hals-Nasen-Ohrenarzt zu bekommen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schwer das ist. In vier Praxen wurde ich abgewimmelt, bis sich eine endlich erbarmt hat.“

„Doch, das kann ich mir durchaus vorstellen. Vor meiner Knie-OP habe ich auch eine Odyssee gemacht, bis ich einen Orthopäden gefunden habe, der mich nicht nur drangenommen hat, sondern mir auch helfen konnte. Dabei fällt mir ein, dass ich gleich wegmuss. Ich habe nämlich einen Kontrolltermin.“

„Hast du etwa wieder Beschwerden?“

„Kein Stück. Mit dem neuen Gelenk geht es mir super, aber der Arzt muss regelmäßig nachschauen. Ich wollte dich nur vorwarnen – es kann sein, dass ich es nicht rechtzeitig bis zu meiner Nachmittagsschicht schaffe, deshalb habe ich meinen Enkel gebeten, nachher für mich einzuspringen. Es ist ja nur für ein paar Stunden. Ist dir das recht?“

„Ich weiß nicht. Ich kenne ihn gar nicht, und da wollen wir ihm gleich die Kasse anvertrauen?“

„Tim ist ein anständiger Bursche. Darauf hast du mein Wort. Er würde nie lange Finger machen. Niemals.“

„Also schön. Wenn du ihm vertraust, soll es mir recht sein.“

„Danke …“ Tante Helene hatte kaum ausgesprochen, als die Türglocke einen neuen Besucher ankündigte.

Es war ein Teenager von etwa sechzehn Jahren, dessen Äußeres durchaus einen zweiten und auch dritten Blick auf sich zog. Seine schwarzen Jeans schienen mit einem Messer aufgepeppt worden zu sein, und auf seinem schwarzen T-Shirt prangte in silbernen Lettern der Name einer Heavy-Metal-Band.

In seinem Gesicht und seinen Ohren steckte mehr Metall, als Evas Schlüsselbund vorweisen konnte: Piercings, Ringe und Klemmen. Seine blonden Haare waren so verwuschelt, dass sie sich unwillkürlich fragte, ob er seit seiner Geburt jemals mit einem Kamm in Berührung gekommen war.

Tante Helene strahlte sie an.

„Eva, das ist Tim. Tim, das ist Eva, sie ist die Chefin hier.“

„Krass“, kam es zurück.

„Ja, krass“, echote Eva schwach. Dann sah sie Helene ungläubig an.

Diese zog eine Braue hoch und nickte kaum merklich.

„Sieh dich ruhig schon mal im Laden um, Tim“, ermunterte sie ihren Enkel. „Mach dich mit dem Angebot vertraut.“

„Jo, alles klar.“ Er schlenderte davon und lief dabei, als würde er über die Planken eines schwankenden Bootes laufen.

Eva wandte sich Tante Helene zu.

„Das kann nicht dein Ernst sein.“

„Tim ist viel freundlicher, als er aussieht, glaub mir.“

„Ja, der will nur spielen“, murmelte Eva skeptisch. „Mit seinem Auftreten wird er uns todsicher alle Kunden vergraulen.“

„Das macht er mit seiner offenen Art wieder wett. Vertrau mir. Er wird das schon meistern.“

„Sei mir nicht böse, aber … Ist er in irgendeiner Gang?“

Tante Helene lachte.

„Du siehst zu viele amerikanische Krimiserien im Fernsehen. Tim ist in Ordnung. Vor drei Jahren hatte er Ärger mit der Polizei, weil er in einem Elektronikladen etwas mitgehen lassen wollte. Er wurde ertappt und hat seine Strafe abgearbeitet. Seitdem ist er grundanständig. Er hat mir versprochen, nichts mehr anzustellen, und daran hält er sich.“

Eva sah zweifelnd zu dem Teenager hinüber, der gerade eine Lederhose aus dem Regal nahm, sie sich vorhielt und breit grinste.

„Voll krass!“, war sein Kommentar.

„So, ich muss los.“ Tante Helene angelte ihre Handtasche unter der Kasse hervor und winkte fröhlich „Am besten zeigst du Tim, wie die Kasse funktioniert, ehe du Paula von der Schule abholst. Dann kommt er schon klar.“

„Hm-m“, machte Eva matt. Sie sah ihrer Helferin verzweifelt nach, als diese das Geschäft verließ. Tim schien nicht einmal zu bemerken, dass seine Großmutter aufbrach. Er war vollauf damit beschäftigt, ein Dirndl zu betrachten, das einer Schaufensterpuppe angezogen war.

Eva riss die Augen auf. Spähte er dem Kleid wirklich gerade in den Ausschnitt? Bevor sie die Gelegenheit bekam, sich näher damit zu befassen, meldete sich erneut die Türklingel.

Magnus betrat den Laden und kam zielstrebig auf sie zu. Seine Kleidung war nichts Besonderes – Jeans, ein helles Hemd und eine Lederjacke – und doch klopfte Evas Herz bei seinem Anblick plötzlich schneller.

War es, weil sich das Leder eng um seine breiten Schultern schmiegte? Oder weil er sie ansah, als gäbe es für ihn nichts Wichtigeres auf der Welt als sie? Sie schnappte nach Luft und erinnerte sich hastig daran, dass er jede Frau so ansah. Nicht nur sie. Der Gedanke wirkte wie eine kalte Dusche, und ihr Herzklopfen wich einer herben Zurückhaltung.

„Magnus? Was führt dich denn hierher?“

„Ich wollte mit dir reden. Ist Paula hier?“

„Nein, sie ist noch in der Schule.“

„Verstehe.“ Er nickte bedächtig und wirkte seltsam enttäuscht. „Ich wollte hören, wie es bei ihrem Kinderarzt war.“

„Er konnte nichts feststellen und hat uns zu einem Psychologen geschickt.“

„Und? Wart ihr schon da?“

„Ja, aber er konnte auch keine eindeutige Diagnose stellen.“

„Was sind denn das für Ärzte? Sie müssen doch herausfinden können, was einem kleinen Mädchen fehlt!“, schimpfte er und sprach damit aus, was sie selbst schon gedacht hatte. „Geh mit Paula am besten zu meinem Hausarzt, Eva. Dr. Frank kann ihr bestimmt helfen.“

„Danke, aber wir kommen zurecht. Ich habe schon einen Termin beim Hals-Nasen-Ohrenarzt vereinbart.“

Magnus blies hörbar den Atem aus.

„Vertrau mir, Eva. Ich empfehle dir Dr. Frank wirklich nicht leichtfertig. Er ist großartig. Er …“

„Mag alles sein, aber wir brauchen ihn nicht.“ Eva war nicht bereit, sich auf ein Wort von ihm zu verlassen. Nicht, wenn es um ihr Kind ging. Er hatte schon einmal bewiesen, dass man besser nicht auf ihn baute.

Ihr früherer Mann ballte frustriert die Hände zu Fäusten. Plötzlich fiel sein Blick auf Tim – und er legte die Stirn in Falten.

„Wer ist denn die wandelnde Reklame für Stahlwaren?“

„Das ist Tim. Er ist meine … Aushilfe.“

„Aushilfe? Er sieht aus, als würde er dich jeden Moment ausrauben. Solche Typen sehe ich öfter im Gerichtssaal als irgendwo anders.“

„Tim ist in Ordnung“, wiederholte Eva die Worte ihrer Nachbarin. „Du weißt doch, wie das mit Hunden ist, die bellen.“