Dr. Stefan Frank Großband 19 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank Großband 19 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

10 spannende Arztromane lesen, nur 7 bezahlen!

Dr. Stefan Frank - dieser Name bürgt für Arztromane der Sonderklasse: authentischer Praxis-Alltag, dramatische Operationen, Menschenschicksale um Liebe, Leid und Hoffnung. Dabei ist Dr. Stefan Frank nicht nur praktizierender Arzt und Geburtshelfer, sondern vor allem ein sozial engagierter Mensch. Mit großem Einfühlungsvermögen stellt er die Interessen und Bedürfnisse seiner Patienten stets höher als seine eigenen Wünsche - und das schon seit Jahrzehnten!

Eine eigene TV-Serie, über 2000 veröffentlichte Romane und Taschenbücher in über 11 Sprachen und eine Gesamtauflage von weit über 85 Millionen verkauften Exemplaren sprechen für sich:
Dr. Stefan Frank - Hier sind Sie in guten Händen!

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2380 bis 2389 und umfasst ca. 640 Seiten.

Zehn Geschichten, zehn Schicksale, zehn Happy Ends - und pure Lesefreude!

Jetzt herunterladen und sofort eintauchen in die Welt des Dr. Stefan Frank.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 1244

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Stefan Frank
Dr. Stefan Frank Großband 19

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2017 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Shutterstock / SpeedKingz

ISBN: 978-3-7517-4667-0

www.bastei.de

www.sinclair.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Dr. Stefan Frank 2380

Mit geröteten Wangen blickt Marlene Großschulze auf die Waage im Untersuchungszimmer von Dr. Frank. Sie hat ihr Gewicht gehalten. Die Zeiten, in denen sie übergewichtig war, sind endgültig vorbei.

Eigentlich müsste die junge Frau glücklich sein: Sie ist bildschön, kerngesund und dank einer frühen Erbschaft auch noch sehr reich. Dennoch bemerkt Stefan Frank, dass Marlene große Probleme mit sich herumzutragen scheint. Sie wirkt bei ihren Besuchen in der Praxis immer sehr verschlossen und scheu. Einmal hat sie dem Grünwalder Arzt gestanden, ihre Eltern hätten ihr schon als Kind eingeredet, sie sei hässlich und nichts wert. Diese Schatten der Vergangenheit ist sie offenbar noch nicht losgeworden.

Bei einem Spaziergang trifft Stefan Frank einige Tage später wieder auf Marlene, und er sieht erfreut, dass es seit Kurzem einen Mann im Leben der schüchternen Frau gibt. Hoffentlich wird diese neue Liebe dafür sorgen, dass seine Patientin mehr Selbstbewusstsein und Lebensfreude entwickeln kann!

Zunächst sieht tatsächlich alles danach aus, doch das Schicksal hat anderes im Sinn: Als Marlene die Praxis von Dr. Frank erneut aufsucht und im Wartezimmer Platz nimmt, erfährt sie etwas, was ihre gerade erst erworbene heile Welt schlagartig zusammenbrechen lässt ...

Dr. Stefan Frank 2381

Seit Monaten fiebern Pia und Alexander ihrer Hochzeit entgegen. Alles ist bis ins letzte Detail geplant und vorbereitet. Als der große Tag endlich gekommen ist, strahlt die Sonne von einem wolkenlosen Himmel herab, und die weiße Dorfkirche reckt ihren verschneiten Turm in den eisblauen Winterhimmel. Unter den Geladenen sind auch der Grünwalder Arzt Dr. Stefan Frank und dessen Lebensgefährtin. Bewundernd blicken sie nach der romantischen Zeremonie auf die vielen Pferdeschlitten, die vor dem Pfarrhaus stehen. Auf alle Gäste und auf das Brautpaar wartet eine Schlittenfahrt durch die märchenhaft verschneite Landschaft.  Alles scheint perfekt, die Brautleute strahlen um die Wette und wirken unbeschreiblich glücklich. Doch plötzlich fasst sich Pia an die rechte Schläfe. "Autsch!", presst sie hervor, als es ihr wie ein Peitschenhieb in den Schädel fährt. "Pia?" Erschrocken sieht ihr Mann sie an, doch seine Stimme dringt nur gedämpft und wie aus weiter Ferne zu ihr durch. Die junge Frau will etwas erwidern, aber sie bringt nur ein undeutliches Nuscheln hervor. Mit einem Mal rasen schwarze Wände auf sie zu. Sie streckt Halt suchend die Hände aus - und fasst ins Nichts ...

Dr. Stefan Frank 2382

Vor acht Monaten verband Laura mit dem warmherzigen Italiener Matteo eine leidenschaftliche Affäre. Der gut aussehende Student hat ihr damals allerdings unmissverständlich klargemacht, dass er an einer festen Beziehung nicht interessiert ist, daher war die Trennung unausweichlich.

Erst einige Zeit später bemerkt Laura, dass sie Matteos Kind unter dem Herzen trägt. Natürlich möchte sie dem werdenden Vater erzählen, dass sie ein gemeinsames Kind erwarten. Auch wenn sie weiß, dass Matteo von einer eigenen Familie nichts wissen will, hofft sie im Stillen doch darauf, dass er es sich anders überlegen wird, wenn er von ihrer Schwangerschaft erfährt.

Sie selbst hat nie erfahren, was es heißt, sich in einer Familie geborgen zu fühlen. Auf ihr Kind soll nicht das gleiche Schicksal warten. Es soll mit Vater und Mutter aufwachsen, das ist Lauras großer Traum.

Doch all ihre Versuche, Matteo zu kontaktieren, scheitern. Unter seiner alten Adresse und Telefonnummer ist er nicht mehr erreichbar. Verzweifelt erzählt Laura Dr. Stefan Frank von ihrer Suche. Der Grünwalder Arzt kennt so viele Menschen in der Gegend, vielleicht kann er ihr helfen, Matteo zu finden?

Dr. Stefan Frank 2383

Tief in eine Zeitschrift versunken sitzt Antonia Küffer im Wartezimmer von Dr. Stefan Frank.

"Warten Sie, ich helfe Ihnen", sagt da eine wohlklingende tiefe Stimme direkt neben ihr. Die junge Frau blickt irritiert auf, weil sie im ersten Moment denkt, die Anrede würde ihr gelten. Aber dann sieht sie, dass ein groß gewachsener, sehr attraktiver Mann einer älteren Frau aus dem schweren Wintermantel hilft und sie dann noch zu ihrem Platz begleitet.

Die Liebenswürdigkeit des Mannes und seine angenehm ruhige Stimme wecken Antonias Interesse. Verstohlen betrachtet sie ihn über den Rand der Zeitschrift. Da er sich Vermerke in seinen Kalender macht, blickt er nicht auf, sodass sie ihn ungeniert beobachten kann. Er sieht sehr gut aus mit seinem gepflegten Drei-Tage-Bart und dem kurz geschnittenen Haar.

Plötzlich sieht der Fremde von seinen Notizen auf, und sein Blick trifft die Augen von Antonia. Sofort breitet sich in ihrem Bauch ein heftiges Kribbeln aus. Dieser Mann hat etwas Geheimnisvolles. Trotz seines Lächelns liegt etwas unglaublich Schwermütiges in seinen Augen ...

Dr. Stefan Frank 2384

Der neunjährige Moritz hat es im Leben bisher immer leicht gehabt: Er ist außergewöhnlich hübsch, besitzt einen umwerfenden Charme und ist auf vielen Gebieten sehr begabt. Alles scheint ihm in den Schoß zu fallen, und er ist überall beliebt.

Doch dann fällt ein furchtbarer Schatten auf das Leben des Jungen: Seine Eltern verunglücken tödlich. Moritz und seine kleine Schwester Madita werden vorübergehend von ihrer Tante Annabelle versorgt, die ihnen aber schnell klarmacht, dass dies kein Dauerzustand sein kann. Annabelle hat ihre eigenen Probleme, und dass sie jemals Kinder großziehen wird, hat sie für sich schon lange ausgeschlossen.

Ihre Suche nach geeigneten Adoptiveltern zeigt der jungen Frau schnell, dass es nahezu unmöglich ist, ein Paar zu finden, das beide Kinder nehmen will. Es wird ihr wohl nichts anderes übrig bleiben, als die Kinder zu trennen und einzeln zu vermitteln.

Als Moritz erfährt, dass seine geliebte Schwester in einer anderen Familie groß werden soll als er, fasst er einen Plan ...

Dr. Stefan Frank 2385

Als sich Lilly vor einigen Jahren von ihrem Freund Jacob getrennt hat, hatte sie dafür gute Gründe. Der Sohn reicher Eltern hat in seinem Leben stets andere Prioritäten als seine Beziehung gehabt, Lillys Wünsche schienen ihm nicht so wichtig zu sein. Hinzu kam, dass Jacobs Eltern stets der Meinung waren, die einfache Lilly sei nicht gut genug für ihren Sohn und nur auf sein Geld aus.

Mittlerweile ist Lilly eine erfolgreiche Geschäftsfrau, sie hat eine eigene Reinigungsfirma gegründet, die sich vor lukrativen Aufträgen kaum retten kann. Alles scheint gut zu sein, und doch fühlt sie sich oft einsam und leer.

Eines Tages steht plötzlich Jacob vor ihrer Tür, er will einen Auftrag an ihre Firma vergeben. Schnell wird klar, dass es zwischen den beiden immer noch knistert, und Jacob macht keinen Hehl daraus, dass er seine Exfreundin nach wie vor anziehend findet. Aber Lilly weiß eines: Sie wird nicht noch einmal so dumm sein, sich an Jacob die Finger zu verbrennen ...

Dr. Stefan Frank 2386

Maren und Lucas sind schon seit einigen Jahren ein Paar. Gemeinsam haben sie sich vor Kurzem eine Eigentumswohnung gekauft und einen eigenen Friseursalon eröffnet. Für Lucas ist klar, dass sie beide für immer zusammenbleiben und eines Tages auch Kinder haben werden.

Umso schwerer trifft es ihn daher, als seine Freundin ihm bei einem Besuch im Café plötzlich aus heiterem Himmel eröffnet, dass sie keine Gefühle mehr für ihn hegt. Sie möchte die Trennung und erklärt, dass sie ein neues Leben führen will - ohne ihn.

Lucas ist am Boden zerstört. Eine Zukunft ohne Maren kann er sich gar nicht vorstellen. Wie soll es denn nun weitergehen?

Die beiden beschließen, ihre Wohnung als WG umzubauen und vorerst als Freunde zusammenzuwohnen. Schließlich haben sie auch ihren gemeinsamen Laden und den gemeinsamen Kredit, sie können ihre Leben also gar nicht so einfach voneinander trennen.

Doch die geplante "Freundschaft" lässt sich alles andere als leicht verwirklichen. Maren hat nämlich schon bald einen neuen Verehrer, den reichen und sehr attraktiven Anwalt Armin von Hellerau, und das ist für Lucas kaum zu ertragen ...

Dr. Stefan Frank 2387

Die alleinerziehende Pauline Wiemer ist stolz auf ihre Tochter Sophia. Das Mädchen spielt außerordentlich gut und begeistert Klavier. Aufgrund seiner Begabung besucht es eine angesehene Musikschule, wo auch die Lehrer von dem Talent des Kindes begeistert sind. Doch vor allem freut sich Pauline darüber, dass ihre Tochter bei alldem so normal, unkompliziert und fröhlich geblieben ist. Die Kleine ist alles andere als altklug oder affektiert; sie liebt es, herumzualbern, und genießt neben dem Klavierspiel ihre Freizeit wie jedes andere Mädchen.  Aber seit einigen Wochen ist Sophia plötzlich verändert. Die Neunjährige wird immer stiller, isst kaum und wirkt ständig müde. Auch ihren Lehrern fällt auf, dass sie sich stark verändert hat. Pauline ist ratlos. Der Kinderarzt hat nichts festgestellt, aber vielleicht sollten sie einmal Dr. Stefan Frank aufsuchen? Der Grünwalder Mediziner ist Pauline Wiemers Hausarzt, und eines weiß sie sicher: Wenn einer herausfinden kann, was mit ihrem Kind nicht stimmt, dann er. Doch noch bevor sie ihren Entschluss in die Tat umsetzen kann, erreicht die junge Mutter ein Anruf. Sophias Klavierlehrer ist am Telefon. Atemlos berichtet er, dass das Mädchen in der Schule ohnmächtig zusammengebrochen ist ...

Dr. Stefan Frank 2388

Dr. Stefan Frank sitzt gerade mit einem taubblinden Mädchen in seinem Sprechzimmer, als er vor der Tür aufgeregte Stimmen vernimmt. Kurz darauf stürmt Mia Kirsch ohne Vorwarnung in das Sprechzimmer herein, dicht gefolgt von der energisch protestierenden Arzthelferin.

"Entschuldigung!", sprudelt es aus der jungen Frau atemlos hervor. "Dr. Frank! Es ist ein Wunder geschehen! Ich konnte leider keine Sekunde länger warten!"

Als der Grünwalder Arzt erfährt, was seine Stammpatientin ihm zu sagen hat, kann er ihr wegen ihres indiskreten Überfalls keinen Augenblick böse sein. Was er hier hört, grenzt wirklich an ein Wunder.

Überglücklich verabschiedet sich Mia und verlässt die Praxis. In wenigen Stunden wird sie ihren Freund treffen. Er wird aus allen Wolken fallen, wenn sie ihm die Neuigkeit verrät!

Doch als sie zur vereinbarten Zeit in dem verabredeten Café sitzt, erscheint ihr Partner nicht. Lange wartet die aufgeregt Frau, immer wieder versucht sie vergeblich, ihn auf seinem Handy zu erreichen.

Irgendwann gibt sie verärgert auf, doch als Matthias am späten Abend noch immer nicht nach Hause kehrt, beschleicht Mia ein schrecklicher Verdacht: Ist ihrem Freund etwas zugestoßen?

Dr. Stefan Frank 2389

Mit angespannter Miene nimmt Olivia Harms vor Dr. Franks Schreibtisch Platz. Der Grünwalder Arzt sieht auf den ersten Blick, dass es seiner Patientin sehr schlecht geht. Kein Wunder, sie hat erst vor wenigen Wochen ihren Ehemann Sven verloren.

Aber nicht nur die Trauer um ihren verstorbenen Mann ist es, die Olivia quält. Vor allem leidet sie unter ihrem schlechten Gewissen. Kurz vor Svens Tod hat sie sich mit ihm gestritten und ihm bittere Vorwürfe gemacht - Vorwürfe, die ungerecht waren. Hätte sie das nicht getan, hätte sich ihr Mann sicher nicht so aufgeregt, und dann wäre er vermutlich noch am Leben. Eines steht für Olivia jedenfalls fest: Sie verdient es nicht mehr, glücklich zu werden.

Mitfühlend betrachtet Dr. Frank die junge Frau. Er versteht ihre Gefühlslage, aber er weiß etwas, was die Situation womöglich leichter für sie machen könnte. Allerdings zögert er, ob er dieses Wissen auch mit ihr teilen darf ...

Dr. Stefan Frank Großband 19

Cover

Titel

Impressum

Über das Buch

Inhalt

Dr. Stefan Frank 2380

Wie soll ich damit leben, Dr. Frank?

Dr. Stefan Frank 2381

Ein Tag wie aus dem Bilderbuch

Dr. Stefan Frank 2382

Lauras großer Traum

Dr. Stefan Frank 2383

Schwere Stunden für Jan

Dr. Stefan Frank 2384

Meine Schwester bleibt bei mir!

Dr. Stefan Frank 2385

Vergessen habe ich dich nie

Dr. Stefan Frank 2386

Auseinandergeliebt – und jetzt?

Dr. Stefan Frank 2387

Noteinsatz in der Musikschule

Dr. Stefan Frank 2388

Warten auf Matthias

Dr. Stefan Frank 2389

Eine zweite Chance für die Liebe

Guide

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Contents

Wie soll ich damit leben, Dr. Frank?

Als eine schreckliche Neuigkeit plötzlich alles veränderte

M it geröteten Wangen blickt Marlene Großschulze auf die Waage im Untersuchungszimmer von Dr. Frank. Sie hat ihr Gewicht gehalten. Die Zeiten, in denen sie übergewichtig war, sind endgültig vorbei.

Eigentlich müsste die junge Frau glücklich sein: Sie ist bildschön, kerngesund und dank einer frühen Erbschaft auch noch sehr reich. Dennoch bemerkt Stefan Frank, dass Marlene große Probleme mit sich herumzutragen scheint. Sie wirkt bei ihren Besuchen in der Praxis immer sehr verschlossen und scheu. Einmal hat sie dem Grünwalder Arzt gestanden, ihre Eltern hätten ihr schon als Kind eingeredet, sie sei hässlich und nichts wert. Diese Schatten der Vergangenheit ist sie offenbar noch nicht losgeworden.

Bei einem Spaziergang trifft Stefan Frank einige Tage später wieder auf Marlene, und er sieht erfreut, dass es seit Kurzem einen Mann im Leben der schüchternen Frau gibt. Hoffentlich wird diese neue Liebe dafür sorgen, dass seine Patientin mehr Selbstbewusstsein und Lebensfreude entwickeln kann!

Zunächst sieht tatsächlich alles danach aus, doch das Schicksal hat anderes im Sinn: Als Marlene die Praxis von Dr. Frank erneut aufsucht und im Wartezimmer Platz nimmt, erfährt sie etwas, was ihre gerade erst erworbene heile Welt schlagartig zusammenbrechen lässt …

„Wissen Sie was, Schwester Martha?“, flüsterte Marie-Luise Flanitzer, die jüngere Sprechstundenhilfe von Dr. Stefan Frank.

Mit den Augen verfolgte sie eine junge Frau, die sich gerade am Tresen der Praxis angemeldet hatte und nun ins Wartezimmer ging.

„Ich würde gern mal mit der Frau Großeschulz shoppen gehen, um ihr etwas Schickes zu kaufen. Jetzt hat sie eine wunderbare Figur und läuft immer noch in so weiten, unmöglichen Sachen herum, als müsse sie sich verstecken.“

„Da hast du recht. Det Fräulein Marlene hat leider sehr wenig Selbstvertrauen“, bestätigte Martha Giesecke mit ihrem typischen Berliner Zungenschlag, den sie auch nach vielen Jahren in Bayern nicht abgelegt hatte. „Aber so, wie ick gehört habe, hatte sie auch keine einfache Kindheit. Sie hat mal dem Chef erzählt, det ihre Eltern ihr immer eingeredet haben, sie wäre hässlich und könne nichts.“

„Was? Wie können Eltern ihrem Kind nur so etwas einreden?“, empörte sich Marie-Luise. „Kein Wunder, dass sie jetzt Probleme hat. Was ist denn mit ihren Eltern? Hat sie noch Kontakt?“

„Det weiß ick nicht, aber ihre Eltern leben schon seit ein paar Jahren nicht mehr in Deutschland.“

„Dann kann man nur hoffen, dass es der hübschen jungen Frau bald gelingt, sich von ihrer Vergangenheit zu emanzipieren“, sagte Marie-Luise seufzend.

„Ick bin da sehr zuversichtlich. Den ersten großen Schritt hat sie schon gemacht; sie hat es geschafft, fünfzehn Kilo abzunehmen.“

„… und sie hat ihr Gewicht jetzt schon über Wochen gehalten. Das zeigt doch, dass sie einen starken Willen hat und diszipliniert ist“, ergänzte Marie-Luise.

Eine Viertelstunde später stieg Marlene Großeschulz im Sprechzimmer von Dr. Frank von der Personenwaage.

„Immer noch zweiundfünfzig Kilo. Sie halten Ihr Gewicht“, sagte der Grünwalder Arzt lobend und trug die Daten in die Patientenakte ein, die er im Computer aufgerufen hatte.

Eine leichte Röte huschte über Marlenes Gesicht; sie lächelte verschämt. Es war ihr sehr peinlich, aber sie konnte nichts dagegen tun, dass jedes noch so kleine Lob ihre Wangen glühen ließ. Marlene senkte den Kopf, sodass ihr langes braunes Haar das schöne Gesicht fast ganz verdeckte.

„Ich bin so glücklich, dass ich die Kilos los bin. Ich will nie wieder dick werden“, sagte sie leise.

„Frau Großeschulz! Jetzt lassen Sie mal die Kirche im Dorf. Sie tun ja gerade so, als ob Sie über hundert Kilo gewogen hätten“, sagte Dr. Frank lachend.

„Na ja, viel hat nicht gefehlt. Ich war schon bei fast siebzig.“

„Ich wollte auch nicht sagen, dass es falsch war, abzunehmen“, betonte Dr. Frank. „Aber die Figur ist nicht alles; schlank sein löst nicht automatisch alle Probleme. Manche Menschen sind glücklich trotz Übergewichts, und andere sind gertenschlank, aber sehr unglücklich.“

Er sah seine Patientin aufmerksam an. Würde Marlene den Ball aufnehmen und sich ihm öffnen? Dr. Frank wusste, dass die unsichere junge Frau, die jetzt so schüchtern vor ihm saß, noch einen langen Weg vor sich hatte, ehe sie selbstbewusst durchs Leben gehen würde. Er würde sie gern dabei unterstützen, aber Marlene musste den ersten Schritt machen.

„Ich … ich … Glauben Sie, ich bin unglücklich?“, fragte Marlene, sah den Arzt aber nicht an.

„Was glauben Sie denn?“, gab Dr. Frank die Frage zurück. „Sind Sie unglücklich?“

Marlene zuckte mit den Schultern.

„Ich bin halt so, wie ich bin. Ich habe mich damit abgefunden, dass ich niemals der Mittelpunkt einer Party sein werde. Das geht ja auch gar nicht, denn ich werde zu keiner Party eingeladen.“ Sie lachte leise.

„Sie sind eine sehr schöne, kluge, junge Frau, und – ganz wichtig – Sie haben Humor und können auch über sich selbst lachen“, sagte Stefan Frank. „Gehen Sie aus, genießen Sie das Leben, und stürzen Sie sich ins Getümmel.“

„Das sagt meine Freundin Tanja auch immer, aber ich bin nicht gern unter fremden Menschen. Mich beachtet doch sowieso keiner.“

„Wenn Sie mit einer solchen Einstellung losziehen, dann ist das auch kein Wunder. Seien Sie mutiger, gehen Sie auf die Menschen zu, die Sie interessant finden. Sie werden dann ganz schnell merken, dass Sie Anerkennung bekommen.“

„Ich weiß nicht. Ich bin doch eher die graue, langweilige und uninteressante Maus. Ich denke immer, das Glück ist für die anderen, nicht für mich.“

„Ich weiß, dass man Ihnen diesen Schwachsinn jahrelang eingeredet hat. Aber das stimmt nicht – und das hat auch nie gestimmt! Sie müssen die Vergangenheit abschütteln.“

„Ich weiß, ich versuche es ja, aber es ist nicht einfach“, sagte Marlene seufzend.

„Sie werden das schaffen, da bin ich ganz sicher“, ermunterte sie Dr. Frank. „Sie möchten doch sicher auch eine Familie haben, einen liebevollen Ehemann und einen Sack voll toller Kinder, oder?“

Marlene lächelte versonnen.

„Natürlich hätte ich das gern. Wenn ich manchmal allein vor dem Fernseher sitze, dann stelle ich mir vor, wie es wäre, wenn Kinder durchs Haus toben würden und mein Mann in der Küche stände und uns ein leckeres Essen zauberte, das wir dann alle zusammen auf der Terrasse verzehren würden. Verrückt, nicht?“

„Das ist nicht verrückt, Marlene. Sie haben ein Recht darauf, glücklich zu sein. Ich wünsche Ihnen, dass all Ihre Träume wahr werden und dass durch ihr schönes Haus eines Tages fröhliche Kinderstimmen klingen.“

Dr. Frank dachte daran, dass Marlene von ihren Großeltern eine große, wunderschön gelegene Villa in Grünwald und ein ansehnliches Barvermögen geerbt hatte. Das hatte damals für einen Skandal gesorgt, denn Marlenes Eltern hatten medienwirksam das Erbe für sich reklamiert und ihrer Tochter Erbschleicherei vorgeworfen.

Der Großvater, der so etwas schon geahnt hatte, hatte aber noch zu Lebzeiten einen Anwalt engagiert, der Marlenes Interessen gegen ihre Eltern vertreten hatte. Ohne die Weitsicht des Großvaters hätte Marlene sofort nachgegeben und auf das Erbe verzichtet, aber so nutzten alle Verleumdungen gegen die Tochter nichts: Marlene war und blieb die Erbin.

Kurz nach dem unschönen Zwist hatten sich Marlenes Eltern nach Thailand abgesetzt.

„Ich habe ein Recht darauf, glücklich zu sein. Das haben Sie schön gesagt, Dr. Frank“, sagte Marlene gedankenverloren. „Ich sollte mir den Satz einrahmen und an die Wand hängen.“

„Tun Sie das. Lesen Sie ihn jeden Tag, bis Sie es endlich glauben.“

„Danke, Dr. Frank. Ich gebe mir Mühe. Das war ja heute die Abschlussuntersuchung. Ich werde Sie und die Gespräche vermissen“, sagte Marlene ein wenig traurig.

„Auch wenn die ärztliche Begleitung der Diät jetzt abgeschlossen ist, können Sie gern noch zu mir kommen, wenn Ihnen etwas auf der Seele brennt. Körperlich sind Sie kerngesund; Ihre Werte sind bestens. Wenn es danach geht, können Sie Bäume ausreißen.“

„Ich fühle mich auch fit. Ich habe nur Angst, dass ich wieder zunehme. Ich bewege mich zwar viel mehr als vor der Diät und esse bewusster als früher, aber die alten Muster schleichen sich bestimmt bald wieder ein. Ich habe mich ein bisschen schlaugemacht. Was halten Sie von Low-Carb?“

„Im Augenblick ist die kohlenhydratarme Ernährung gerade wieder im Trend. Sie scheint bei vielen Menschen ganz wirksam zu sein. Aber Sie wollen doch nicht noch dünner werden, oder?“, fragte Dr. Frank mit gekrauster Stirn.

„Nicht unbedingt. Mein Wunschgewicht habe ich ja erreicht, aber vielleicht doch noch so zwei, drei Kilo“, sagte Marlene vorsichtig.

„Sie haben bei einer Größe von ein Meter und fünfundsechzig einen Body-Maß-Index von neunzehn Komma eins. Alles unter neunzehn gilt schon als Untergewicht. Es ist medizinisch auf gar keinen Fall angeraten, Ihr Gewicht noch weiter zu reduzieren.“

„Aber Low-Carb kann ich doch auch machen, wenn ich nur das Gewicht halten will, oder?“

„Das können Sie. Ich persönlich bin allerdings der Meinung, dass ausreichend Bewegung und vernünftiges, ausgewogenes Essen – also von allem etwas und alles in Maßen – das Gesündeste ist. Und ich denke, dass es auch erlaubt sein muss, ab und zu mal zu sündigen. Je strenger die Regeln, desto eher werden die Leute es leid, sich daran zu halten.“

„Sie meinen also, ich kann durchaus mal ein Eis mit Sahne essen?“, fragte Marlene. Man sah, dass ihr bei dem Gedanken das Wasser im Mund zusammenlief.

„Solange die Betonung auf ‚mal‘ liegt, spricht nichts dagegen“, erwiderte Dr. Frank lächelnd.

***

Tanja Krömer sah genervt auf die Anzeigetafel über dem Bahnsteig. Aus den zehn Minuten Verspätung waren erst zwanzig und jetzt bereits dreißig geworden, und schon wieder machte die blecherne Stimme eine Durchsage.

„ Informationen zum Intercity sechshundertelf aus Stuttgart. Geplante Ankunftszeit war sechzehn Uhr zweiundfünfzig. Dieser Zug hat heute circa vierzig Minuten Verspätung. Grund dafür ist eine Weichenstörung. Wir bitten um Ihr Verständnis.“

Tanja zog den Kragen ihrer Daunenjacke noch fester unter dem Kinn zusammen. Ein kalter Januarwind pfiff über den zugigen Bahnsteig und trieb ein paar vereinzelte Schneeflocken vor sich her.

Sie dachte, dass es eine Schnapsidee gewesen sei, ihren Vetter vom Zug abzuholen. Er hätte auch ohne sie nach Grünwald gefunden, und sie könnte jetzt gemütlich mit Marlene vor dem prasselnden Kaminfeuer sitzen, einen heißen Tee trinken und in aller Ruhe in der Wärme des gemütlichen Wohnzimmers auf Daniel warten.

Missmutig stapfte Tanja über den Bahnsteig. Solange sie in Bewegung blieb, war ihr wenigstens nicht ganz so kalt.

Endlich meldete sich die Stimme aus den Lautsprechern mit einer guten Nachricht.

„ Der verspätete Intercity aus Stuttgart erhält jetzt Einfahrt auf Gleis acht. Bitte Vorsicht bei der Einfahrt des Zuges.“

Erwartungsvoll schaute Tanja dem Zug entgegen.

Mit quietschenden Rädern kam der Intercity zum Stehen. Tanja reckte den Hals, um ihren Vetter nicht zu verpassen, denn er wusste ja nicht, dass sie ihn abholen würde.

„Hallo, Daniel! Hallo! Daniel!“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und winkte heftig zu einem jungen Mann, der sich die Wollmütze tief ins Gesicht gezogen hatte.

„Tanja, meine Lieblingscousine!“, rief Daniel erfreut, als er sie schwungvoll in den Arm nahm. „Das nenne ich eine Überraschung! Es ist schön, wenn man in eine fremde Stadt kommt und gleich so herzlich empfangen wird.“

„Na ja, so fremd ist dir München ja nicht. Du warst doch schon ein paar Mal hier“, erwiderte Tanja lachend.

„Schon. Aber jetzt ist München mein neues Zuhause. Das ist etwas ganz anderes, als nur zu Besuch zu kommen.“

„Ich jedenfalls freue mich, dass du nach München ziehst.“

„Sag mal, bist du allein hier, oder ist Marlene auch mitgekommen?“, fragte Daniel neugierig und sah sich um.

„Marlene wartet in deinem neuen Zuhause mit einem heißen Tee und einem frisch gebackenen Apfelkuchen“, erwiderte Tanja.

„Dann lass uns mal los. Ich bin ganz gespannt auf Marlene und auf das Haus. Du hast beide in höchsten Tönen gelobt. Jetzt will ich wissen, ob ich deinem Urteil vertrauen kann“, sagte Daniel grinsend.

„Was? Du Ungeheuer von einem Vetter! Du wagst es, an meinem Urteil zu zweifeln?“, fragte Tanja mit einem theatralisch bösen Blick und knuffte ihn in die Seite.

„Oh, ich bitte untertänigst um Verzeihung, Eure Cousinliche Hoheit! Niemals würde mir so etwas einfallen.“

Daniel verbeugte sich vor Tanja, griff nach ihrer Hand und drückte ihr einen laut schmatzenden Kuss auf den wollenen Handschuh.

Tanja lachte. „Na, dann los jetzt. Ich bin nicht mit dem Auto da, denn für heute Nachmittag wurde Blitzeis angesagt. Wir gehen rechts runter, da ist die U-Bahn Station. In deinem Bahnticket ist doch die Fahrt innerhalb Münchens mit drin, oder?“

Daniel nickte und griff nach seinem Rollkoffer.

Vor zwei Monaten hatte Tanja erfahren, dass ihr Vetter, der bisher in Stuttgart gelebt und gearbeitet hatte, einen neue Arbeitsstelle als Ingenieur in München antreten würde. Er hatte sie gebeten, ihm bei der Wohnungssuche behilflich zu sein. Daniel hatte den Wunsch geäußert, gern etwas ländlicher leben zu wollte.

Tanja hatte sofort an ihre Freundin Marlene gedacht, die ganz allein in einer riesigen Villa in Grünwald wohnte. Marlene hatte immer mal wieder davon gesprochen, sich einen Untermieter zu suchen, denn so allein in dem großen Haus fühlte sie sich nicht wohl. Sie hatte die Idee aber nie in die Tat umgesetzt.

Außerdem, so hatte Tanja sich überlegt, würden ihr frisch getrennter Lieblingsvetter und ihre schüchterne Freundin Marlene doch ein wunderschönes Paar abgeben. Vielleicht gelang es ihrem einfühlsamen Vetter, Marlenes Panzer zu knacken. Und vielleicht gelang es der schönen, scheuen Marlene, Daniel seinen Liebeskummer wegen Hanna vergessen zu lassen.

„Warum bist du eigentlich nicht bei Marlene eingezogen, wenn du so gut mit ihr befreundet bist und sie ein so schönes Haus mit viel Platz hat?“, fragte Daniel, als sie in der U-Bahn saßen.

„Daniel, du weißt doch, dass ich nicht dafür geboren bin, im Garten zu sitzen. Ich liebe Schwabing; ich brauche das pulsierende Leben um mich herum. Jedenfalls im Moment noch. Wenn ich mal Kinder habe, dann ziehe ich vielleicht auch aus der Stadt ins Grüne.“

„Was höre ich da? Mein Cousinchen spricht von Kindern! Ist dein Traumprinz endlich aufgetaucht?“

„Noch nicht. Ich bin immer noch dabei, möglichst viele Frösche zu küssen, in der Hoffnung, dass es mal plopp macht und einer zum Prinzen wird“, erwiderte Tanja grinsend.

Daniel antwortete nicht, sondern blickte wehmütig aus dem Fenster, vor dem der dunkle U-Bahn Tunnel vorbeizog.

„Hey, Daniel, du musst an Hanna denken, nicht?“, fragte Tanja mitfühlend. „Tut es noch sehr weh?“

„Ja, wenn ich an sie denke, macht mich das traurig. Hanna war schon eine Traumfrau für mich. Aber ich weiß inzwischen auch, dass ich Fehler gemacht habe. Ich hätte wissen müssen, dass das mit uns nicht klappt.“

„Was hast du denn für Fehler gemacht? Ich dachte, sie sei mit einem anderen Kerl durchgebrannt“, sagte Tanja überrascht.

„Ist sie auch, aber das war nur konsequent. Hanna hat immer gesagt, dass sie Karriere machen will, dass sie einige Jahre im Ausland arbeiten will, dass in ihr Leben keine eigene Familie passt. Ich habe das einfach nicht ernst genommen. Ich habe gehofft, dass sie das nicht wirklich so meint, denn ich wollte nie länger ins Ausland, und ich will unbedingt eine Familie mit vielen Kindern.“

„Und irgendwann ist euch dann klar geworden, dass diese beiden Lebensentwürfe nicht zusammenpassen?“, fragte Tanja.

„Hanna ist es klar geworden; mir wird es erst so langsam klar. Trotzdem trauere ich um die schöne Zeit mit ihr. Sie ist und bleibt eben eine wundervolle Frau.“

„Und ihr Neuer? Geht der mit ihr ins Ausland und hält ihr den Rücken frei für die Karriere?“

„Carlos ist Argentinier und mittlerweile zurück in sein Land gegangen – mit Hanna. Das mit dem Ausland hat also schon mal geklappt. Sein Vater hat dort eine große Im- und Exportfirma. Ich nehme an, dass Hanna da einen guten Job bekommt. So ein Sprungbrett konnte ich ihr nicht bieten“, sagte Daniel traurig.

„Rede nicht so einen Blödsinn! Ihr habt einfach nicht zueinander gepasst. Du bist doch ein toller Typ. Vergiss Hanna. Andere Mütter haben auch schöne Töchter!“

„Ach, Cousinchen, wenn das Leben nur so einfach wäre. Ich kann meine Gefühle für Hanna nicht so einfach ausknipsen, auch wenn ich verstehe, was zur Trennung geführt hat. Ich brauche noch ein bisschen Zeit.“

„Du wirst darüber hinwegkommen“, sagte Tanja und tätschelte ihrem Vetter das Knie. „An der nächsten Station müssen wir raus.“

„Sind wir schon da? Wir sind doch gerade mal zehn Minuten unterwegs“, wunderte sich Daniel.

„Wir müssen in die Tram umsteigen. Dann dauert es noch mal gut zwanzig Minuten bis Grünwald.“

Eine halbe Stunde später standen die beiden vor Marlenes Haustür.

Daniel staunte. Es war zwar schon dunkel, aber die Straßenlaternen gaben genug Licht, um die Villa und den riesigen Vorgarten erkennen zu lassen.

„Wow, das ist ja ein richtiger Palast!“, sagte er bewundernd.

„Warte nur mal ab, bis du den Garten hinter dem Haus siehst, dann fällst du vom Glauben ab. Der geht nämlich bis direkt an die Isar und hat einen eigenen Bootsanleger.“

„Wenn die Dame des Hauses genauso beeindruckend ist wie ihr Anwesen, dann …“, murmelte Daniel und wedelte vielsagend mit der Hand.

„Lass dich überraschen.“ Tanja grinste und drückte auf die Klingel.

Es dauerte nur Sekunden, dann öffnete sich die Tür. Marlene schien schon im Flur auf sie gewartet zu haben.

„Sorry“, sagte Tanja. „Ich habe ganz vergessen, dir Bescheid zu geben, dass der Zug Verspätung hatte.“

„Ist schon gut“, sagte Marlene leise. „Kommt doch herein.“ Sie hielt die Tür offen und ließ Tanja und Daniel eintreten.

„Guten Abend, Marlene. Ich bin Daniel, aber das hast du dir ja bestimmt schon gedacht.“ Tanjas Vetter lachte seine Gastgeberin freundlich an.

Marlene nahm schüchtern die ausgestreckte Hand. Sie hielt den Kopf so weit gesenkt, dass ihr langes Haar das hübsche Gesicht zur Hälfte verdeckte.

„Es freut mich, Sie kennenzulernen, Daniel“, antwortete sie scheu.

„Aber, aber“, mischte sich Tanja resolut ein. „Wir wollen doch gar nicht erst mit dem Siezen anfangen. Ihr seid ab heute eine Wohngemeinschaft, da wird sich geduzt!“

„Von mir aus gern. Einverstanden, Marlene?“, fragte Daniel.

Marlene nickte. „Soll ich jetzt gleich einen Tee kochen, oder willst du erst deine Zimmer sehen?“

„Ich habe Marlene gesagt, dass du Teetrinker bist“, erklärte Tanja. Sie war stolz, dass sie daran gedacht hatte.

„Mein Cousinchen hat alles im Blick“, lobte Daniel. „Wenn es okay ist, würde ich mich gern kurz frisch machen, aber dann hätte ich liebend gern einen Tee.“

„Ich zeige Daniel alles, und du kochst den Tee“, entschied Tanja und griff nach der Hand ihres Vetters.

In der ersten Etage lagen die beiden Zimmer, die Marlene an Daniel vermietet hatte. Von dem einen Raum führte eine Tür in ein geräumiges Badezimmer, welches Daniel zur alleinigen Nutzung überlassen war.

Die Einrichtung der Zimmer war spärlich, denn Daniel würde bald seine Möbel aus Stuttgart holen. Es waren aber ein Bett, ein bequem aussehender Sessel und ein Tisch mit Stühlen vorhanden, damit der neue Mieter die Tage ohne seine eigenen Möbel gut überbrücken konnte.

Auf dem Tisch stand eine große Vase mit frischen Blumen, und auf dem Kopfkissen lag ein Schokoladenmaikäfer.

„Wie nett“, bemerkte Daniel lachend. „Kommen Schokolade und Blumen von dir oder von Marlene?“

„Ich habe damit nichts zu tun“, winkte Tanja ab.

„Sag mal, stimmt mit Marlene eigentlich irgendetwas nicht? Sie ist so zurückhaltend und lässt sich immer die Haare vors Gesicht fallen. Hat sie da eine Narbe oder so was?“, fragte Daniel vorsichtig.

„Nein. Marlene ist nur sehr schüchtern. Sie braucht ein bisschen Zeit, bis sie auftaut und sich an dich gewöhnt hat.“

***

„Herr Filbert! Herr Filbert! Kommen Sie mal. Es ist etwas ganz Wichtiges passiert“, rief die alte Frau Hunzinger aufgeregt durch die nur einen Spaltbreit geöffnete Tür.

Adrian Filbert trat näher und hörte, wie die alte Dame die Tür schloss, um die Sicherheitskette zu entfernen.

Adrian seufzte. Schon wieder hatte seine Wirtin ihn abgefangen; langsam wurde es lästig. Warum konnte die alte Krähe ihn nicht in Ruhe lassen? Er setzte sein gewinnendes Lächeln auf und suchte fieberhaft nach einer Entschuldigung, warum er jetzt auf gar keinen Fall Zeit hatte, einen dünnen Kaffee zu trinken und staubtrockene Kekse zu essen.

Sekunden später öffnete sich die Tür. Frau Hunzingers Gesichtsausdruck war vielsagend und geheimnisvoll. Mit ihrer knochigen Hand winkte sie Adrian näher zu sich heran.

„Die Polizei war hier“, wisperte sie. „Die haben Sie gesucht.“

Adrian gefror das Lächeln auf den Lippen. Die Polizei? Er räusperte sich und versuchte, seine Stimme möglichst amüsiert und beiläufig klingen zu lassen.

„Na, so was! Was wollten die denn? Habe ich falsch geparkt?“ Er lachte bemüht.

„Das wollten sie mir nicht sagen, aber ich soll sofort anrufen, wenn Sie nach Hause kommen. Sie haben mir eine Visitenkarte hiergelassen“, sagte Frau Hunzinger wichtig.

„Das wird ja noch ein Momentchen Zeit haben, nicht wahr, liebe Frau Hunzinger?“, sagte Adrian einschmeichelnd. „Was halten Sie denn von einer schönen Tasse Kaffee? Und dann erzählen Sie mir genau, was die Polizei gesagt hat.“

„Kommen Sie herein. Ich muss mir doch wohl keine Sorgen machen, oder? Sie sind doch nicht etwa so einer, der alte Damen überfällt und ihnen die Ersparnisse raubt?“, fragte sie lächelnd und mit erhobenem Zeigefinger.

„Frau Hunzinger! Schauen Sie mich an. Sieht so jemand aus, der liebe alte Ladys überfällt?“, fragte Adrian und hob unschuldig seine leeren Hände.

„Ach, Herr Filbert. Schade, dass nicht alle jungen Männer so freundlich und kultiviert sind wie Sie, dann bräuchten alte Frauen wie ich keine Angst zu haben.“

„Sie sind doch keine alte Frau! Sie sehen aus wie das blühende Leben. Ich hoffe, dass ich auch noch so fit bin, wenn ich mal so alt bin wie Sie“, schmeichelte ihr Adrian.

„Sie sind ein Charmeur, Herr Filbert. Mein Herbert – Gott hab ihn selig –, der hat auch immer solche Komplimente gemacht. Herbert war ein schöner Mann. Als er jung war, sah er genauso gut aus wie Sie. Ich habe da ein paar Fotos …“

„Die Fotos schaue ich mir später gern an, aber wollen wir uns nicht erst setzen, Kaffee trinken und ein bisschen plaudern?“, fragte Adrian ungeduldig. Er wollte unbedingt mehr über den Besuch der Polizei erfahren.

„Gut, gut, ich weiß ja, ihr jungen Leute wollt keine alten Geschichten hören. Nehmen Sie Platz; ich kümmere mich um den Kaffee.“

„Kann ich Ihnen helfen, liebe Frau Hunzinger? Jetzt haben Sie meinetwegen auch noch Arbeit!“

„Ach was! Das mache ich gern. Ich freue mich doch, dass Sie mir Gesellschaft leisten. Setzen Sie sich nur schon hin. In meiner Küche hantiere ich am liebsten allein. Das war schon immer so. Wenn mein Herbert in die Küche kam, habe ich sogar ihn rausgeworfen.“

„Dann bleibt mir nur noch, mich zu bedanken“, sagte Adrian höflich und verbeugte sich leicht.

Frau Hunzinger lächelte glücklich und verschwand in der Küche.

Adrian setzte sich auf einen der unbequemen Stühle, stand aber ganz schnell wieder auf und schritt durch das plüschige Wohnzimmer. Er hatte keine Ruhe. Was wollte die Polizei? Siedend heiß fiel ihm ein, dass er bis vor ein paar Tagen das vage Gefühl gehabt hatte, dass ihm jemand folgte. Ob das ein Privatdetektiv gewesen war, der herausgefunden hatte, wer er war und wo er wohnte?

Sollte ihm eines seiner letzten Opfer die Polizei auf den Hals gehetzt haben? Dabei war er doch so vorsichtig gewesen. Die Frauen, die er um ihre Ersparnisse betrogen hatte, kannten noch nicht einmal seinen richtigen Namen. Und in die möblierte Einzimmerwohnung, die er bei der alten Frau Hunzinger gemietet hatte, hatte er niemals eine der Damen gebracht.

„Sie sitzen ja gar nicht“, riss ihn die vorwurfsvolle Stimme der Wirtin aus seinen Gedanken.

Sie kam mit einem Tablett, auf dem eine Kaffeekanne sowie Sahne und Zucker standen – und die unvermeidlichen Sandkuchenplätzchen, von denen man husten musste, wenn man sie nicht mit viel Flüssigkeit herunterspülte.

„Ich habe auf Sie gewartet, ich wollte doch wenigstens helfen, den Tisch zu decken“, sagte Adrian.

„Wie mein Herbert, der wollte mir auch immer helfen“, erwiderte Frau Hunzinger lächelnd.

Bei der zweiten Tasse Kaffee und dem dritten Keks gelang es Adrian endlich, wieder auf das Thema zu kommen, das ihm so auf den Nägeln brannte.

„Was genau hat die Polizei denn gesagt?“

„Ach, das war irgendwie eigenartig. Die haben mir ein Bild von Ihnen gezeigt und gefragt, ob der Mann auf dem Foto bei mir wohnt. Aber dann haben sie gesagt, der Mann würde Peter Bäumler heißen. Ich habe gesagt, ein Peter Bäumler wohnt hier nicht, aber der Mann auf dem Foto schon. Dieser Mann sah wirklich genauso aus wie Sie, er hatte nur keinen Schnäuzer. Haben Sie einen Zwillingsbruder?“, fragte Frau Hunzinger und sah ihren Mieter neugierig an.

„Ach, der Peter!“ Adrian seufzte übertrieben laut. „Jetzt wird mir alles klar.“

„Was denn? Wer ist das?“, fragte Frau Hunzinger – im sicheren Bewusstsein, gleich eine Geschichte zu hören, die sie bei ihrer wöchentlichen Bridgerunde zum Besten geben könnte.

Adrian räusperte sich ein paar Mal, um Zeit zu gewinnen. Sein Hirn arbeitete auf Hochtouren. Zum einen versuchte er, Ordnung in seine sich überschlagenden Gedanken zu bringen, zum anderen musste er sich eine plausible Geschichte ausdenken, die Frau Hunzinger davon überzeugen würde, nicht bei der Polizei anzurufen.

„Ja, das ist ein bisschen kompliziert. Also: Der Peter, der ist tatsächlich mein Bruder, und wir sehen uns zum Verwechseln ähnlich, obwohl wir keine Zwillinge sind. Unsere Mutter hat bald nach Vaters Tod wieder geheiratet. Peter ist damals von meinem Stiefvater adoptiert worden; mich wollte er nicht adoptieren. Deshalb hat mein Bruder auch einen anderen Nachnamen“, begann Adrian.

Während er sprach, nahm in seinem Kopf die Lügengeschichte immer mehr Gestalt an, und die Worte flossen wie von selbst aus seinem Mund. Einem gewohnheitsmäßigen Lügner wie ihm fiel doch immer etwas ein.

„Oh, Sie Armer! Sie haben sich mit Ihrem Stiefvater nicht verstanden, nicht wahr? Er hat Ihren Bruder vorgezogen. Das muss Ihnen sehr wehgetan haben“, unterbrach ihn Frau Hunzinger. Sie wirkte heftig erregt über die Ungerechtigkeit, die dem netten Herrn Filbert in der Jugend widerfahren war.

Adrian grinste in sich hinein. Das klappte ja wunderbar, seine Wirtin entwickelte die Geschichte sogar noch mit.

„Ja, ja, das war eine sehr schlimme Zeit. Ich mag gar nicht daran zurückdenken“, sagte er mit einem traurig-bitteren Unterton. „Aber das ist zum Glück Vergangenheit.“

„Was ist denn mit Ihrem Bruder? Warum sucht die Polizei nach ihm?“, fragte Frau Hunzinger, die ihre Neugierde kaum noch bändigen konnte.

Adrian schluckte heftig; die alte Dame sollte ruhig denken, dass er mit den Tränen kämpfte, während er weiter an seiner Geschichte bastelte.

„Könnte ich wohl ein kleines Gläschen von Ihrem wunderbaren selbst gemachten Aufgesetzten bekommen, liebe Frau Hunzinger? Auf den Schreck, dass der Peter schon wieder in Schwierigkeiten steckt, brauche ich etwas Starkes.“

Die alte Dame sprang sofort auf und kam mit einer Flasche und zwei Schnapsgläsern zurück. Sie schenkte die Gläser randvoll, und beide tranken sie in einem Zug aus.

Adrian musste sich zusammenreißen, um sich nicht zu schütteln, als die entsetzlich süße, klebrige Flüssigkeit seine Kehle herunterrann. Aber er wusste, dass Frau Hunzinger jetzt noch drei, vier weitere Schnäpse trinken würde, um dann friedlich schnarchend auf dem Stuhl einzuschlafen. Das hatte er schon mehrfach erlebt, wenn es ihm nicht gelungen war, sich vor den Einladungen seiner Wirtin zu drücken.

Wenn sie erst einmal schlief, dann würde sie vor morgen früh nicht wieder aufwachen. Es bestand also keine Gefahr, dass sie heute noch bei der Polizei anrief.

„Nun erzählen Sie schon. Was ist mit dem Peter? Ist er auf die schiefe Bahn geraten?“, fragte Frau Hunzinger und schenkte ihr und Adrians Glas wieder voll.

„In der Tat. Mein Bruder hat schon früh Schwierigkeiten gemacht. Sie wissen ja, wie das ist, wenn man die falschen Freunde hat, nicht?“

Frau Hunzinger nickte verstehend.

„Mein kleiner Bruder hatte sich einer Bande von Autoknackern angeschlossen. Die haben im großen Stil Luxuswagen gestohlen und ins Ausland gebracht. Er wurde erwischt und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Seit ein paar Monaten ist er wieder frei, aber ganz offensichtlich ist er schon wieder in kriminelle Machenschaften verstrickt.“

Frau Hunzinger trank das nächste Glas Aufgesetzten und blickte Adrian fragend an.

„Ich versteh aber nicht, wieso die Polizei hier bei mir nach Ihrem Bruder sucht. Die müssen doch wissen, dass Sie nicht Peter sind.“

„Das wissen die auch. Ich habe kurz vor Peters Verhaftung einen großen Fehler gemacht“, sagte Adrian leise. „Ich wusste, dass Peter gesucht wird, aber ich habe ihn trotzdem bei mir in der Wohnung versteckt. Er ist doch schließlich mein Bruder.“

„Das hätte ich auch getan“, sagte Frau Hunzinger und nickte heftig. „Blut ist eben dicker als Wasser, wie man so schön sagt. Jetzt begreife ich: Die Polizei glaubt, dass Sie Ihren Bruder wieder verstecken.“ Ihre Stimme war schon leicht verwaschen, denn inzwischen kippte sie schon den fünften Schnaps in sich hinein. „Aber das tun Sie doch nicht? Oder ist Ihr Bruder oben im Zimmer?“

Frau Hunzinger sah ihrem Mieter mit einer Mischung aus Furcht und Sensationsgier in die Augen, aber die Schnäpse hatten ihren Blick getrübt, und es gelang ihr nicht, Adrian zu fixieren.

„Nein, wo denken Sie hin. Ich habe keinen Kontakt mehr zu meinem Bruder. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt, so etwas Dummes würde ich nicht wieder machen“, versicherte Adrian und schenkte seiner Wirtin das Glas wieder voll.

„Dann rufen wir jesch bei der Polischei an und klären dasch. Die Nummer liegt da neben dem Teleschon“, nuschelte Frau Hunzinger.

„Natürlich. Aber das übernehme ich, schließlich geht es um meinen Bruder. Vielleicht erzählt die Polizei mir, was ihm vorgeworfen wird. Ich nehme die Visitenkarte des Beamten mit nach oben und rufe von dort aus an.“

„Aber Sie müsschen mir erzählen, wasch …“

Mitten im Satz fiel Frau Hunzinger der Kopf auf die Brust, und ein lauter Schnarcher zeigte Adrian, dass der Aufgesetzte die gewünschte Wirkung entfaltet hatte.

Leise stand er auf, griff im Herausgehen nach der Visitenkarte und verließ die Wohnung.

Im Flur blieb er kurz stehen und atmete tief durch. Ärgerlich schlug er mit der Faust auf das Treppengeländer. Was für ein Mist!

„Ganz ruhig, Adrian“, sagte er leise beschwörend zu sich selbst. „Überlege ganz genau, was passiert ist.“

Er ließ sich auf eine Treppenstufe sinken, sortierte die Informationen und kombinierte. Wenn er alles betrachtete, dann sah es so schlimm gar nicht aus.

Karolin Weber, sein vorletztes Opfer, musste ihn angezeigt haben, denn nur sie kannte ihn unter dem Namen Peter Bäumler. Vermutlich hatte sie einen Privatdetektiv engagiert, um ihn zu finden, was lange gedauert hatte.

Er hatte Karolin schon vor fast einem halben Jahr um einige zehntausend Euro erleichtert und sich seitdem nicht mehr bei ihr gemeldet. Aber leider hatte er nicht dafür sorgen können, dass sie kein Foto von ihm hatte.

„Diese verfluchten Smartphones“, schimpfte Adrian laut vor sich hin.

Seit fast jeder über ein Smartphone verfügte und an allen Ecken damit Fotos und Selfies gemacht wurden, war es für Adrian trotz aller Vorsicht nicht mehr möglich, nicht doch auf dem einen oder anderen Foto zu sehen zu sein. Das machte es natürlich leichter, ihn aufzuspüren.

Gut, dachte er, jetzt wissen sie, wie mein wirklicher Name lautet und wo ich wohne. Ich muss also so schnell wie möglich in einer anderen Bleibe untertauchen und vorsichtshalber auch die SIM-Karte meines Handys austauschen. Dann bin ich fürs Erste nicht mehr aufspürbar.

***

„Ich habe dir noch etwas fertig gemacht – zum Mitnehmen“, sagte Marlene und schob Daniel lächelnd eine kleine Plastikbox über den Tisch.

„Was ist denn da drin?“

„Ein bisschen Wegzehrung, falls du unterwegs Hunger bekommst.“

„Du bist ein echter Engel, Marlene“, sagte Daniel und sah seine Vermieterin an. Wie schön sie ist, wenn sie lächelt, dachte er. Leider tat sie das sehr selten.

Seit mehr als einer Woche wohnten sie jetzt zusammen, und Daniel fühlte sich rundherum wohl in Marlenes Gesellschaft.

Schon nach zwei Tagen war Marlenes Schüchternheit gewichen; sie hatten jeden Abend nach der Arbeit lange in der Küche gesessen, zusammen gekocht, gegessen und geredet, geredet, geredet. Schnell hatten sie Vertrauen zueinander gefasst, und sie sprachen inzwischen offen über ihre Ängste und Probleme, aber auch über ihre geheimen Träume und Wünsche.

„Und wie besprochen“, sagte Marlene, „du rufst an, wenn du morgen aus Stuttgart losfährst. Ich kümmere mich dann darum, dass die Umzugshelfer rechtzeitig hier sind.“

„Wird gemacht. Ich denke, dass ich so gegen Mittag loskomme. Die meisten Sachen habe ich ja schon eingepackt. Den Rest schaffe ich noch heute Abend, und morgen um zehn stehen drei starke Männer bei mir auf der Matte, um beim Einladen zu helfen. Das dürfte nicht länger als zwei, höchstens drei Stunden dauern.“

„Gut. Soll ich für die Helfer eine Suppe kochen?“, fragte Marlene.

„Nur, wenn es dir nicht zu viel wird. Ich kann auch eine Pizza bestellen, wenn wir ausgeladen haben.“

„Suppe finde ich besser“, sagte Marlene. „Du weißt doch, dass ich ein bisschen darauf achten muss, was ich esse. Pizza hat so schrecklich viele Kalorien.“

„Du hast doch eine Superfigur, da kannst du dir schon mal eine Pizza leisten“, erwiderte Daniel lachend. „Ihr Frauen immer mit eurem Abnehmfimmel.“

„Nein, Daniel, das ist kein Fimmel. Ich war bis vor Kurzem viel zu dick. Jetzt passe ich eben auf“, sagte Marlene leise und ließ dabei ihre Haare wieder so weit ins Gesicht fallen, dass kaum noch etwas davon zu sehen war.

„Entschuldige. Ich wollte dir nicht zu nahe treten“, sagte Daniel schnell.

Obwohl Marlene und er inzwischen ein sehr vertrautes Verhältnis hatten, gab es doch immer wieder Phasen, in denen Marlene ihren Panzer aus Schüchternheit wieder anlegte – besonders dann, wenn Daniel etwas sagte, was sie verunsicherte.

„Schon gut.“

Marlene stand auf und räumte die Teetassen vom Tisch, um sie in die Küche zu bringen.

Daniel sah ihr nach. Warum nur versteckte sie ihre makellose Figur in zeltartiger Kleidung? Dass sie eine Traumfigur hatte, wusste er, weil er sie einmal morgens in Unterwäsche über den Flur hatte huschen sehen. Aber als er sie beim Frühstück scherzhaft flirtend darauf angesprochen hatte, war sie rot geworden wie eine reife Tomate und hatte sich wieder hinter dem Haarvorhang versteckt.

Es gab einfach bestimmte Themen, über die er mit ihr nicht sprechen konnte. Noch nicht. Daniel hoffte, dass diese wunderschöne Frau mit einer Haut wie Samt und Seide und den großen Rehaugen bald erkennen würde, dass von ihm keine Gefahr ausging.

Aber warum wünschte er sich das? Was wollte er von Marlene? Reizte ihn nur, dass sie so unnahbar war, oder war da mehr? Konnte es sein, dass er sich ein bisschen in seine schöne Vermieterin verliebt hatte?

Daniel wischte den Gedanken fort. Quatsch. Er war noch nicht so weit, sich schon wieder zu verlieben.

Er nahm die Teekanne und folgte Marlene in die Küche.

„Danke noch mal für die Brotbox“, sagte er. „Ich gehe jetzt und melde mich morgen.“

Etwas unschlüssig standen sie voreinander. Daniel hatte das Gefühl, Marlene wartete darauf, dass er sie zum Abschied umarmte. Er machte noch einen langsamen Schritt auf sie zu und breitete die Arme aus. Marlene wich zurück und stand mit dem Rücken am Kühlschrank. Mit großen Augen sah sie ihn an, ließ aber diesmal nicht den Haarvorhang fallen.

„Was meinst du, sollen wir uns zum Abschied umarmen?“, fragte Daniel scherzend.

„Du kommst doch morgen schon wieder“, sagte Marlene leise, löste aber ihren Rücken vom Kühlschrank und näherte sich ihm einige Zentimeter.

„Macht doch nichts. Komm her, wie versuchen es einfach.“

Daniel legte seine Arme um sie und zog sie ganz sanft zu sich heran. Marlene gab nach und glitt an seine Brust. Ganz vorsichtig legten sich ihre Arme um Daniel.

Marlenes Atem ging schwer, sie traute sich nicht, sich zu bewegen, aber das Gefühl war wunderbar. Ein warmer Schauer durchlief ihren Körper. Sie holte tief Luft und sog Daniels Duft ein.

„Siehst du, war doch ganz einfach“, sagte Daniel und küsste sie aufs Haar.

Aber dann löste er sich von ihr, griff nach der Brotbox und verließ die Küche.

„Bis morgen“, rief er ihr noch zu.

Marlene blieb wie vom Donner gerührt stehen. Dieses Kribbeln im Bauch! Was für ein wunderbar betörendes Gefühl!

Sie schloss die Augen und versuchte, noch einmal so zu empfinden. Sie legte die Arme um ihren eigenen Körper. Nein, das war nicht richtig. In Daniels starken Armen hatte es sich ganz anders – viel besser – angefühlt.

Sie stand noch so da, als die Haustürklingel sie in die Wirklichkeit zurückholte. Ihr erster Gedanke war Daniel. Daniel war zurückgekommen. Aber er hatte doch einen Schlüssel, warum sollte er klingeln?

Natürlich, das musste Tanja sein. Sie hatte im ersten Moment ganz vergessen, dass ihre Freundin sich für heute Abend angekündigt hatte.

„Servus, Marlene“, sagte Tanja fröhlich, als ihr die Tür geöffnet wurde. „Ich habe gerade noch Daniel getroffen, aber wir haben nicht geredet. Er musste dringend zur Tram, um seinen Zug nicht zu verpassen.“

„Ja, ja, er ist schon los“, sagte Marlene noch ganz in Gedanken.

„Dann haben wir beiden Mädels sturmfreie Bude. Wenn du nichts dagegen hast, dann schlafe ich heute Nacht bei dir. Ich muss ja morgen sowieso schon wieder hier sein, um beim Umzug zu helfen. Ist das okay?“

„Natürlich. Ich habe Platz genug.“

„Ich habe uns etwas mitgebracht“, sagte Tanja geheimnisvoll und deutet auf eine Reisetasche, die sie auf den Boden gestellt hatte.

„Sportzeug?“, scherzte Marlene.

„Ganz im Gegenteil! Warte ab, du wirst stauen.“

Tanja ging ins Wohnzimmer, stellte die Tasche auf das Sofa und öffnete den Reißverschluss.

„Tataaa! Das ist für dich.“

Sie zog ein rotes, ärmelloses Schlauchkleid aus den Tiefen der Tasche und hielt es triumphierend hoch.

„Wie beide machen uns heute Abend so richtig schick und gehen aus. Was meinst du?“

„Das soll ich anziehen?“, fragte Marlene ungläubig.

„Du wirst toll darin aussehen. Probiere es einfach mal an.“

„Darin werde ich erfrieren“, protestierte Marlene lachend. „Hast du vergessen, dass Winter ist?“

„Marlene! Wir gehen aus, in eine Bar. Da ist es warm. Außerdem habe ich hier noch eine passende Stola, die kannst du dir umlegen, wenn dir kalt wird.“

„Aber ich trage so was nicht. Ich fühle mich darin bestimmt wie verkleidet. Mir steht so was doch auch gar nicht.“

„Papperlapapp. Keine Widerrede, du probierst es an, und dann sehen wir weiter. Ich habe für mich übrigens das gleiche Kleid in schwarz.“

Es kostete Tanja noch ein wenig Überredungskunst, aber dann hatte sie ihre Freundin so weit, dass sie wenigstens zustimmte, das Kleid anzuprobieren.

Marlene bestand darauf, sich im Bad umzuziehen, denn selbst vor ihrer besten Freundin war es ihr peinlich, sich in Unterwäsche zu zeigen.

Im Bad zog sie ihren weiten Pullover und die Jogginghose aus, dann schlüpfte sie in das Kleid. Der kühle Stoff legte sich wie eine zweite Haut um ihren Körper. Es fühlte sich ungewohnt an, aber nicht unangenehm.

Marlene wagte einen Blick in den großen Badezimmerspiegel und war überrascht. Sie sah wirklich gut aus. Sie sah sogar sexy aus.

Marlene lachte ihr Spiegelbild an, drehte sich mehrmals im Kreis und probierte verschiedene Posen aus, die sie bei Modelfotos in den Zeitschriften gesehen hatte. Sie suchte nach einer Haarspange und steckte ihre langen braunen Haare zu einem wilden Dutt hoch.

Wenn sie sich nicht täuschte, dann lag im Badezimmerschränkchen über dem Waschbecken doch noch ein knallroter Lippenstift, den sie bisher so gut wie nie benutzt hatte.

Als sie kurz darauf mit frisch geschminkten Lippen vor Tanja stand, schaute die mit echter Bewunderung auf ihre Freundin.

„Wow. Ich habe dir ja immer schon gesagt, dass du hübsch bist. Aber das haut mich jetzt wirklich um. Ich muss mir ernsthaft überlegen, ob ich mit dir ausgehen will. Wer wird mich noch ansehen, wenn ich neben dir stehe?“

„Rede nicht so ein dummes Zeug“, sagte Marlene verlegen. „Meinst du wirklich, ich kann so ausgehen? Schließlich bin ich halbnackt.“

„Quatsch. Du siehst klasse aus. Und wenn du nicht mitkommst, dann kündige ich dir die Freundschaft“, drohte ihr Tanja spielerisch.

„Aber ich hab doch gar keine Schuhe, die dazu passen.“

„Wir haben vor ein paar Wochen doch zusammen schwarze Stiefeletten gekauft. Die sind genau richtig zu dem Kleid.“

„Die, die … Na ja, die habe ich noch nie angezogen. Mit so einem hohen Absatz … Das bin ich gar nicht gewohnt.“

„Dann wird es Zeit, dass du dich daran gewöhnst! Heute ist der Abend, wo all deine schönen Sachen ausgeführt werden: Kleid, Stiefelchen und die schöne Goldkette von deiner Oma mit dem großen Diamantanhänger.“

„Das ist kein Diamant. Der Stein ist ein Topas; nur in der Einfassung sind kleine Diamanten verarbeitet.“

„Okay. Aber er sieht ausgesprochen kostbar und edel aus. Komm, wir gehen ins Bad, und ich schminke dich“, forderte Tanja ihre Freundin auf.

„Wollen wir uns nicht lieber einen gemütlichen Abend zu Hause machen? Wir könnten einen Film gucken oder einfach nur quatschen.“

„Ich muss heute aber unbedingt in die Wunder-Bar . Davon hängt vielleicht mein Lebensglück ab. Und dich brauche ich als Verstärkung“, sagte Tanja ein bisschen verschämt.

„Dein Lebensglück hängt am Besuch einer Bar?“, fragte Marlene lachend. „Muss ich das verstehen?“

„Also, pass auf, es ist so: Ich habe dir doch von Ludger Beier erzählt, meinem neuen Arbeitskollegen …“

„Ist das der, den du gern näher kennenlernen willst?“, hakte Marlene nach.

„Genau der. Ich habe ein Gespräch in der Teeküche mitbekommen, deshalb weiß ich, dass Ludger heute Abend mit einem total netten anderen Arbeitskollegen, dem Gernod, in die Wunder-Bar geht.“ Sie machte ein Kunstpause, ehe sie weitersprach. „… und ich bin ganz zufällig auch mit einer Freundin da …“

„Warum soll ich denn mit? Ich störe doch nur, wenn du Ludger näherkommen willst.“

„Du könntest dich doch ein bisschen um seine supernette Begleitung kümmern. Außerdem möchte ich schon wissen, was du von Ludger hältst.“

„Ich weiß nicht. Ich habe keine Lust, mit Ludgers Begleitung zu reden, den kenne ich doch gar nicht. Und warum sollte der Interesse an mir haben?“

„Weil er Augen im Kopf hat und du die schönste Frau in der ganzen Bar sein wirst! Und Gernod ist wirklich ein ganz netter Typ. Ich bin sicher, es wird dir guttun, mal etwas zu flirten und angeflirtet zu werden. Du musst ihn ja nicht gleich heiraten. Bitte, Marlene, komm mit, mir ist das sehr wichtig.“

„Na gut, ich gehe mit. Aber ich verspreche dir nicht, dass ich lange bleibe“, sagte Marlene resigniert.

***

„Oh, ich hätte mich nicht überreden lassen sollen, mit diesem Kleid aus dem Haus zu gehen“, jammerte Marlene.

Sie setzte sich auf einen der Barhocker und versuchte, den Rock über die Knie zu ziehen, was ihr allerdings nicht gelang. Nervös fingerte sie an dem kunstvoll gefassten Anhänger der Goldkette.

„Ich bestelle uns einen Cocktail“, sagte Tanja. „Was willst du? Einen Mai Thai oder einen Sex on the beach ?“

„Lieber was ohne Alkohol, mir reicht ein Orangensaft.“

„Marlene, wir sind in einer Bar und nicht im Kindergarten. Ein Cocktail wird dich nicht umbringen.“

„Na gut, dann einen Mai Thai .“

Tanja winkte dem Barkeeper hinter dem Tresen zu und bestellte die Getränke.

Kurze Zeit später stellte der Kellner die mit Fruchtstückchen dekorierten Gläser vor die Freundinnen.

„Ladys! Eure Cocktails“, sagte er grinsend. Sein bewundernder Blick verweilte kurz auf Marlenes sinnlichem Mund und glitt von dort zu ihrem Dekolleté. Dann blickte er wieder auf und lächelte Marlene vielsagend an. „Schade, dass ich arbeiten muss, schöne Frau“, murmelte er bedauernd.

Dass Marlene puterrot anlief, sah er schon nicht mehr, denn von der anderen Seite der Bar rief ein auffallend gut aussehender Mann ungeduldig nach dem Barkeeper.

„Siehst du! Selbst der Barmann liegt dir zu Füßen“, sagte Tanja. „Jetzt entspann dich mal, hier beißt keiner, wenn du es nicht willst.“

„Mir ist das unangenehm, wenn man mich so anglotzt.“

Marlene zog die Stola enger um ihre Schultern und bedeckte so ihr Dekolleté.

„Du wirst bewundert, nicht angeglotzt“, widersprach Tanja.

„Wer sollte mich schon bewundern? Ich glaube, ich will lieber wieder nach Hause.“

„Bitte, Marlene, warte doch noch ein bisschen. Wenigstens so lange, bis Ludger kommt.“

„Vielleicht hat er es sich ja anders überlegt und kommt gar nicht.“

„Er hat es sich nicht anders überlegt“, raunte Tanja leise und deutete mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung ihres Kopfes in Richtung Tür. „Da ist er.“

„Der große Blonde?“

Tanja nickte. „Guck da nicht so hin“, flüsterte sie. „Er soll doch nicht merken, dass ich seinetwegen hier bin. Das Zusammentreffen soll ganz zufällig wirken.“

„Er ist aber allein. Dein anderer Arbeitskollege kommt wohl später. Willst du ihn ansprechen, oder wartest du, bis er dich sieht?“, fragte Marlene verschwörerisch.

„Ich glaube, es ist besser, ich warte, bis er kommt, oder?“ Aufgeregt schob sich Tanja die blonden Locken hinter die Ohren und strich ihr Kleid glatt. „Ist bei mir alles in Ordnung? Keine verschmierte Wimperntusche? Kein Lippenstift auf den Zähnen?“

„Du siehst gut aus.“ Marlene lachte. So nervös hatte sie ihre Freundin noch nie erlebt. Marlene hatte immer geglaubt, im Umgang mit Männern sei Tanja die selbstbewussteste Frau der Welt. Es tat ihr gut, zu sehen, dass auch Tanja nicht ganz so taff war, wenn es ernst wurde.

„Wir müssen Ludger auf uns aufmerksam machen“, flüsterte Tanja. „Kannst du mal laut lachen?“

„Ich kann nicht so einfach lachen“, sagte Marlene. „Wie soll das denn gehen?“

„Dann mache ich das.“

Ohne in die Richtung von Ludger zu schauen, lachte Tanja plötzlich wie aus dem Nichts so laut und ansteckend los, dass Marlene, allerdings um einiges leiser, mit einfallen musste.

Tanja ist eine großartige Schauspielerin, dachte sie bewundernd.

„Diese Lache kenne ich doch.“

Ludger stand hinter den beiden Frauen und strahlte Tanja an.

„Nein!“, rief Tanja mit gut gespieltem Erstaunen. „Was für ein Zufall. Was machst du denn hier?“

„Ich war hier mit Gernod verabredet, aber der hat kurzfristig abgesagt. Jetzt bin ich ganz allein hier – und sehr einsam“, scherzte Ludger.

„Das ist meine Freundin Marlene“, stellte Tanja ihre Begleiterin vor. „Falls Marlene nichts dagegen hat, kannst du dich ja zu uns setzen.“

„Hallo, Marlene. Ich bin Ludger, ein Arbeitskollege von Tanja“, sagte Ludger freundlich und gab Marlene die Hand. „Darf ich mich zu euch setzen, oder störe ich den Damenabend?“

„Setz dich nur“, forderte Marlene ihn auf. „Ich bleibe sowieso nicht mehr lange.“

„Was? Du willst schon gehen? Der Abend ist doch noch jung. In einer halben Stunde beginnt dort in dem Nebenraum die Disco, dann können wir sogar tanzen“, sagte Ludger.

„Ich bestelle uns noch etwas zu trinken“, mischte sich Tanja aufgekratzt ein. „Was darf es denn für dich sein, Ludger?“

Nun geschah das, was Marlene befürchtet hatte: Sie fühlte sich schnell wie das fünfte Rad am Wagen. Zwar versuchten sowohl Tanja als auch Ludger, sie ab und zu ins Gespräch miteinzubeziehen, aber eigentlich hatten sie nur Augen und Ohren für einander.

Marlene seufzte leise. Sie freute sich darüber, dass ganz offensichtlich auch Ludger großes Interesse an Tanja hatte, aber was sollte sie zwischen zwei Turteltauben?

Verstohlen sah sie auf ihre Armbanduhr. Spätestens in einer Dreiviertelstunde würde sie sich verabschieden, das würde den beiden dann kaum noch auffallen und wäre nicht unhöflich.

Die Musik an der Bar wurde abgestellt, und aus dem Nebenraum ertönte Tanzmusik.

„Was meint ihr? Wollen wir rübergehen?“, fragte Ludger.

„Geht ihr nur. Ich mache mir nichts aus Tanzen“, entgegnete Marlene.

„Ach, komm doch mit“, drängte Tanja sie.

„Nein, ich trinke noch aus, und dann gehe ich.“

„Geh du schon mal vor, ich komme gleich“, sagte Tanja zu Ludger. Dann drehte sie sich wieder zu Marlene und sah sie mit einem traurigen Lächeln an. „Ich habe ein ganz schlechtes Gewissen, wenn ich dich jetzt so allein hier sitzen lassen. Schließlich sind wir ja zusammen ausgegangen. Aber ich konnte ja nicht wissen, dass Gernod im letzten Moment absagt. Wenn du willst, dann bleibe ich natürlich bei dir.“

„Um Himmels willen, du gehst jetzt schön mit deinem Ludger tanzen. Ich will sowieso nach Hause.“

„Und du bist mir wirklich nicht böse?“

„Nein und nochmals nein. Falls du noch bei mir übernachten willst, lege ich dir einen Schlüssel unter den Blumentopf rechts von der Haustür. Ich wünsche dir viel Spaß.“

„Ich danke dir“, sagte Tanja strahlend und küsste Marlene überschwänglich auf die Wange. „Du bist die beste Freundin, die man sich vorstellen kann.“

„Ach, übrigens“, sagte Marlene lächelnd. „Der Ludger scheint sehr nett zu sein. Ich glaube, ihr passt gut zusammen.“

„Das glaube ich auch“, erwiderte Tanja grinsend. Sie warf Marlene noch einen Luftkuss zu und verschwand dann im Nebenraum.

Die Bar hatte sich merklich geleert, die meisten Gäste hatten wohl nur darauf gewartet, dass zum Tanz aufgespielt wurde.

Marlene rührte mit dem Strohhalm in ihrem Cocktail. Sie hatte zwar schon ausgetrunken, aber die Eiswürfel waren noch nicht ganz geschmolzen und klapperten leise beim Umrühren. Sie schaute auf die wirbelnden Eisstückchen und ließ ihre Gedanken schweifen.

Sie haben ein Recht darauf, glücklich zu sein , hatte Dr. Stefan Frank zu ihr gesagt. Aber wo sollte sie dieses Recht einklagen?

Auf einmal kam sie sich entsetzlich lächerlich vor, wie sie so allein an der Bar saß. Eine einsame, traurige Frau, die sich verführerisch angezogen hatte, aber trotzdem für die Umstehenden unsichtbar war.