Dr. Stefan Frank Großband 6 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank Großband 6 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

10 spannende Arztromane lesen, nur 7 bezahlen!

Dr. Stefan Frank - dieser Name bürgt für Arztromane der Sonderklasse: authentischer Praxis-Alltag, dramatische Operationen, Menschenschicksale um Liebe, Leid und Hoffnung. Dabei ist Dr. Stefan Frank nicht nur praktizierender Arzt und Geburtshelfer, sondern vor allem ein sozial engagierter Mensch. Mit großem Einfühlungsvermögen stellt er die Interessen und Bedürfnisse seiner Patienten stets höher als seine eigenen Wünsche - und das schon seit Jahrzehnten!

Eine eigene TV-Serie, über 2000 veröffentlichte Romane und Taschenbücher in über 11 Sprachen und eine Gesamtauflage von weit über 85 Millionen verkauften Exemplaren sprechen für sich:

Dr. Stefan Frank - Hier sind Sie in guten Händen!

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2250 bis 2259 und umfasst ca. 640 Taschenbuchseiten.

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Impressum

BASTEI LÜBBE AG Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Für die Originalausgaben: Copyright © 2014 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © shutterstock/ESB Professional ISBN 978-3-7325-6920-5 www.bastei.de www.luebbe.de www.lesejury.de

Stefan Frank

Dr. Stefan Frank Großband 6

Inhalt

Stefan FrankDr. Stefan Frank - Folge 2250Annika Sabirski ist voller Vorfreude: Nur wenige Wochen noch, dann wird ihr Traum von einem eigenen Restaurant endlich war! Sie hat bereits eine alte Lagerhalle gemietet, die sie gemeinsam mit ihrer Freundin und Mitarbeiterin Karolina zu einem hübschen thailändischen Lokal umgestalten wird. Gemeinsam machen sich die beiden Frauen mit Feuereifer an die Arbeit. Doch dann wird Annika jäh aus dem Leben gerissen. Nach einem schweren Autounfall erwacht sie in einem Krankenhausbett, und mit einem Mal ist nichts mehr, wie es vorher war. Annika kann sich an nichts mehr erinnern. Nicht an ihr Restaurant, nicht an Karolina - ja, nicht mal an ihren Verlobten Jochen. In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an ihren Hausarzt Dr. Stefan Frank ...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2251Nach einigen missglückten Beziehungen glaubt Marcel Pohlmann nicht mehr daran, dass er tatsächlich noch die große Liebe finden wird. Doch als er der hübschen Lehrerin Tabea Winter begegnet, gerät diese Überzeugung ins Wanken. Tabea ist nicht nur wunderschön, sondern auch überaus klug und witzig. Mit einem Wort: Sie ist seine Traumfrau! Und so kommt es, dass Marcel ihr schon nach wenigen Wochen einen Heiratsantrag macht. Aber zu seinem Entsetzen reagiert die Frau seines Herzens nicht mit einem überschwänglichen Ja, sondern schaut ihn mit einem Mal aus misstrauischen Augen an. Dabei war er sich doch so sicher, dass sie ihn ebenso sehr liebt wie er sie! Irgendetwas muss passiert sein, was Tabea an ihrer Liebe zweifeln lässt. Aber was?Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2252Von klein auf haben ihre Tante und ihre große Schwester der jungen Erzieherin Daniela Mantei eingetrichtert, dass alle Männer böse Ungeheuer sind, von denen man sich besser fernhält. Und bisher hat sich Daniela auch an diesen Rat gehalten - doch das fällt ihr zunehmend schwerer, seit ihr der attraktive Musiktherapeut Ruben Winterfeld begegnet ist. Seine charismatische Art und sein großes Einfühlungsvermögen sorgen dafür, dass sie sich sofort zu ihm hingezogen fühlt ... Sehr zum Leidwesen von Tante Friederike und Schwester Carmen wird aus Daniela und Ruben tatsächlich ein Paar, und für einige Wochen hängt für Daniela der Himmel voller Geigen. Als sich dann auch noch Nachwuchs ankündigt, kann sie ihr Glück kaum begreifen. Doch Frederike und Carmen bleiben Ruben gegenüber reserviert. Spätestens, wenn das Kind da ist, wird er Daniela allein lassen, sind sie überzeugt. Und so langsam, aber sicher fällt das Misstrauen, das sie sähen, bei Daniela auf fruchtbaren Boden ...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2253Was, um Himmels willen, hat sich die Mutter nur dabei gedacht, als sie ihr Baby ausgerechnet vor der Tür des verbitterten Literaturkritikers Dirk Habermann ausgesetzt hat? Das fragt sich nicht nur Dr. Frank, sondern alle anderen Anwohner der Gartenstraße in Grünwald stellen sich dieselbe Frage. Auch Dirk Habermann selbst weiß nicht, wie ihm geschieht. Seit seine große Liebe ihn vor vielen Jahren verlassen hat, gab es keine andere Frau mehr in seinem Leben. Sein Kind kann das kleine Mädchen also nicht sein. Aber kann man einen Menschen, mit dem man nicht einmal verwandt ist, so sehr lieben? Jedes Mal, wenn er in die riesengroßen blauen Augen des Babys guckt, weitet sich sein Herz - das er schon längst tot geglaubt hatte - ein bisschen mehr. Schon nach wenigen Tagen erkennen seine Nachbarn Dirk kaum wieder: Auf einmal wirkt der einst mürrische Nörgler entspannt und glücklich. Bloß das Rätsel um die Mutter des Babys scheint für immer ungelöst zu bleiben ...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2254Wie schön sie doch ist! Gabriel kann seinen Blick kaum von der atemberaubend attraktiven Senta abwenden. Ihr dunkles Haar wallt lang über ihren Rücken hinab, und der samtweiche Blick aus ihren braunen Augen trifft ihn bis ins Mark. Und diese Figur... Nein, so weit darf er nicht denken. Er darf sich auf gar keinen Fall in sie verlieben. Denn dummerweise ist Senta ausgerechnet die Tochter seines neuen Chefs. Und der hat Gabriel unmissverständlich klargemacht, dass die junge Frau tabu für ihn ist. Doch auch ohne diese Ermahnung hätte sich Gabriel nie gewagt, sich Senta zu nähern, denn ständig wird sie von anderen Männern umschwärmt. Vor allem der Sprössling der größten Brauerei Münchens, Thilo Bruck, legt sich mächtig ins Zeug, um das Herz der Schönen zu erobern. Wie soll ein einfacher Friseur wie Gabriel gegen diese Konkurrenz ankommen?Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2255Als Marie die Tür zu ihrem Elternhaus öffnet, traut sie ihren Augen kaum: Da steht ja Ellen, ihre beste Freundin aus Kindertagen! Wie viele Jahre haben sie sich nicht mehr gesehen? Nun, es müssen einige gewesen sein, denn an der Hand hält Ellen ein niedliches kleines Mädchen. Das muss ihre Tochter Anna sein! Doch was treibt Mutter und Tochter dazu, nach all der Zeit - und nach all den schlimmen Dingen, die Ellen hier erlebt hat - nach Grünwald zurückzukehren? Wie sich herausstellt, hat Ellen endlich einmal Glück gehabt: Sie hat von einem entfernten Bekannten ein schönes kleines Häuschen in Maries Nachbarschaft geerbt. Die beiden jungen Frauen sind überglücklich, sich endlich wiederzuhaben. Aber dann scheinen die Schatten aus Ellens Vergangenheit sie doch wieder einzuholen. Kann Marie ihrer besten Freundin helfen, endlich dauerhaft glücklich zu werden?Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2256Der vierjährige Anton ist ein richtiger kleiner Sonnenstrahl. Fast immer ist er fröhlich und gut gelaunt, und im Team seiner Kita-Fußballmannschaft glänzt er als Torjäger. Doch von einem Tag auf den anderen ist er wie ausgewechselt. Blass und mit trübem Blick sitzt er in der Ecke und hat keine Energie mehr, mit den anderen Kindern zu spielen. Er hat Bauchschmerzen, sagt er, und die werden immer schlimmer. Besorgt fährt seine Mutter Annalena mit ihm in die Waldner-Klinik. Dort stellen die Ärzte eine Diagnose, die der jungen Mutter den Boden unter den Füßen wegzieht: Ihr kleiner Junge, ihr Ein und Alles, hat Nierenkrebs. Anton muss sofort operiert werden, nur dann hat er eine Überlebenschance. Nach der OP guckt Anton seine Mama traurig an. Er weiß, er wird noch viele Wochen in der Klinik bleiben müssen. Zuerst wird man ihn bestrahlen, dann bekommt er eine Chemotherapie. Dabei hat er doch nur einen Wunsch: Er möchte endlich wieder Fußball spielen!Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2257Dr. Frank ist ratlos! Wie nur soll er seine Patientin Clara Bachmann dazu bewegen, endlich abzunehmen? Inzwischen wiegt die junge Frau über zweihundert Kilo, und noch immer stopft sie jede Menge Fast Food in sich hinein! Der Arzt weiß: Wenn sie so weitermacht, wird sie das Essen eines Tages umbringen! Doch Clara ist uneinsichtig, sind die kalorienhaltigen Leckereien doch das Einzige, was ihren tristen Alltag etwas bunter erscheinen lässt. Einer spontanen Eingebung folgend, überweist Dr. Frank Clara in ein Sanatorium für Übergewichtige im Bayerischen Wald. Und tatsächlich: Die schöne Umgebung, die liebevolle Betreuung und der Umgang mit Menschen, die das gleiche Problem haben wie sie, wirken bei Clara wahre Wunder. Als der Grünwalder Arzt sie dort ein Jahr später besucht, traut er seinen Augen kaum: Aus Clara Bachmann ist eine wunderschöne junge Frau geworden. Dennoch schaut sie Dr. Frank aus tieftraurigen Augen an. Sie weiß, wenn sie nach Grünwald zurückkehrt, hat sich an ihren Problemen nichts geändert. Noch immer ist sie einsam und allein ... Oder?Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2258Endlich hat sich Patricia den Traum von einer eigenen Tierhandlung erfüllt! Eigentlich müsste sie jetzt überglücklich sein - und das wäre sie auch, wäre da nicht ihre Neurodermitis, die immer ausbricht, wenn sie nervös ist. Als Patricias Beziehung zu ihrem Freund Daniel in die Brüche geht, ist sie überzeugt, dass Daniel sie wegen ihrer Hautkrankheit verlassen hat. Sie fühlt sich hässlich und geht kaum noch unter Menschen. Abends trifft sie sich nicht mehr mit Freunden, sondern tauscht sich mit Tierhaltern in einem Internetforum aus. Besonders sympathisch ist ihr ein Hundebesitzer namens Bernhard. Schon bald beginnt es zwischen den beiden zu knistern, doch als Bernhard auf ein Treffen drängt, erschrickt Patricia zutiefst. Sicher, auch sie sehnt sich danach, ihren "Seelenverwandten" persönlich kennenzulernen. Doch mit der Entzündung in ihrem Gesicht will sie nicht vor ihn treten. In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an Dr. Frank ...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2259Nele ist verliebt - das ist für niemanden zu übersehen. Doch zur Überraschung aller, die sie kennen, will sie die Identität ihres Liebesten nicht preisgeben. Weder verrät sie ihrer Freundin Marina, an wen sie ihr Herz verloren hat, noch ihrem Hausarzt Dr. Frank, dem sie sonst alles anvertraut. Ja, nicht einmal ihrem besten Freund André will sie etwas erzählen! Aber der ist eigentlich ganz froh darüber, Neles verliebte Schwärmerei könnte er ohnehin nicht vertragen. Denn was die hübsche Studentin nicht ahnt: André ist selbst in sie verliebt, schon seit ihrer ersten Begegnung. Umso entsetzter ist er, als er schließlich durch einen Zufall doch erfährt, um wen es sich bei Neles mysteriösem Freund handelt: Es ist niemand anderes als der Schönling Niko, der in ihrer Stammdiskothek eine Frau nach der anderen abschleppt! Außerdem erzählt er dort immer von seiner psychisch kranken Ehefrau. Ob Nele über das Doppelleben ihres Liebsten Bescheid weiß?Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Dr. Frank, wer bin ich?

Vorschau

Dr. Frank, wer bin ich?

Als die bezaubernde Annika ihr Gedächtnis verlor

Annika Sabirski ist voller Vorfreude: Nur wenige Wochen noch, dann wird ihr Traum von einem eigenen Restaurant endlich war! Sie hat bereits eine alte Lagerhalle gemietet, die sie gemeinsam mit ihrer Freundin und Mitarbeiterin Karolina zu einem hübschen thailändischen Lokal umgestalten wird. Gemeinsam machen sich die beiden Frauen mit Feuereifer an die Arbeit.

Doch dann wird Annika jäh aus dem Leben gerissen. Nach einem schweren Autounfall erwacht sie in einem Krankenhausbett, und mit einem Mal ist nichts mehr, wie es vorher war. Annika kann sich an nichts mehr erinnern. Nicht an ihr Restaurant, nicht an Karolina – ja, nicht mal an ihren Verlobten Jochen. In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an ihren Hausarzt Dr. Stefan Frank …

„Hallo Karolina“, begrüßte Annika Sabirski ihre neue Mitarbeiterin, die bereits vor der großen Eisentür auf sie wartete. „Bist du schon lange hier?“

„Nein, erst seit fünf Minuten.“

Aufgeregt fingerte Annika den Schlüssel aus ihrer Handtasche und öffnete das schwergängige Tor, das laut quietschte. Nach wochenlangem Suchen hatte sie endlich den geeigneten Ort gefunden, um ihren Traum von einem eigenen Restaurant Wirklichkeit werden zu lassen. Gestern war der Kaufvertrag unterschrieben worden; die ehemalige Schreinerwerkstatt in der Nähe der Münchner Innenstadt gehörte nun Annika.

Fast ehrfürchtig betraten die beiden Frauen die fast leere Halle.

„Puh, hier ist aber noch viel zu tun“, stellte Karolina nach einem skeptischen Blick auf zerbrochene Fensterscheiben und löchrige Wände fest.

„Die Werkstatt ist perfekt“, schwärmte Annika begeistert. Ihre Wangen waren vor Erregung gerötet, und ihre blauen Augen blitzten. „Hier drüben bauen wir unsere kleine Bühne für die Shows und die Karaoke-Abende auf. Dorthin kommt der Tresen, und da hinten lasse ich eine Wand für die Küche einziehen – natürlich aus Glas, damit man den Köchen bei der Arbeit zusehen kann.“

Sie kicherte.

„Deine Aufgabe ist es also, Köche zu finden, die gut aussehen. – Vor die Küchenfront stellen wir Palmen, und hier kommt unser Herzstück hin: die Rampe für die fliegenden Hühner“, fuhr sie voller Enthusiasmus fort.

Während sie sprach, lief die junge Frau von einer Ecke der großen Halle zur anderen und gestikulierte wild. Vor ihrem inneren Auge hatte das Restaurant bereits seine endgültige Gestalt angenommen.

„Und da, in der Mitte, lassen wir Platz für das Tuk-Tuk.“

„Platz für was?“, fragte Karolina.

„Na, für das Tuk-Tuk, das ich bestellt habe. Das sind so kleine motorisierte Gefährte auf drei Rädern, die in Thailand als wendige Taxis eingesetzt werden. Und hier, gleich neben dem Eingang, stehen dann niedrige Ledersofas mit kleinen Tischchen davor. Unsere Lounge.“

„Das wird aber Monate dauern, bis das alles fertig ist“, gab Karolina vorsichtig zu bedenken.

„Zwei, höchstens drei Monate, länger sollte das nicht dauern. Heute Nachmittag kommen Architekt und Innenausstatter, dann werden wir sehen, ob das realistisch ist. Ich möchte schon bald mit der Werbung beginnen. Bis wir eröffnen, soll ganz München über uns reden.“

„Ich bin mir sicher, dass viel über dich und dein Restaurant berichtet werden wird“, meinte Karolina überzeugt.

„Ich habe mich schon mit der Presse in Verbindung gesetzt.“ Annika schaute auf ihre Uhr. „In einer Stunde kommt ein Reporter vom Münchner Montagsblatt. Und morgen Mittag habe ich einen Termin mit einem Journalisten vom Südwest-Kurier.“

„Südwest-Kurier? Wow, das die daran Interesse haben! Na ja, wenn eine Millionärin ein Restaurant eröffnet, dann steht die Presse eben Schlange“, sagte Karolina grinsend.

„Ich hoffe, die Journalisten interessieren sich weniger für mich und mehr für mein Konzept.“

„Bei dem außergewöhnlichen Konzept wird wohl beides von Interesse sein.“

„Jetzt wollen wir aber erst einmal auf unser Baby anstoßen“, sagte Annika fröhlich. „Im Auto habe ich Gläser und eine Kühltasche mit Champagner. Ich bin sofort zurück.“

Als Annika die heruntergekommene Werkstatt verlassen hatte, krempelte Karolina die Ärmel hoch und zog aus einer Ecke einen wackeligen Klapptisch und zwei Hocker hervor. Sie blies den Staub von den Möbeln und wischte mit einem Taschentuch darüber, dann stellte sie Tisch und Hocker mitten in die Werkstatt.

„Et voilà“, rief sie, als Annika mit einer bunten Kühltasche wieder hereinkam, und deutete mit großer Geste auf die improvisierte Sitzgelegenheit.

„Zum stilvollen Trinken gehört auch eine weiße Tischdecke“, befand Annika und breitete eine Leinendecke, die sie aus ihrer Umhängetasche gezogen hatte, über das wacklige Tischchen.

Dann holte sie einen Flaschenkühler aus den Tiefen ihrer Tasche, außerdem eine weiße Serviette für die Flasche, eine Kerze und eine Packung Rauchmandeln, die sie in eine kleine silberne Schale schüttete, die sie ebenfalls mitgebracht hatte.

Mit einem lauten Knall, der von der leeren Halle mehrfach zurückgeworfen wurde, ploppte der Korken aus der Champagnerflasche.

„Auf unser Restaurant und auf eine gute Zusammenarbeit“, prostete Annika ihrer Mitarbeiterin zu. „Ich bin so froh, dass ich dich gefunden habe. Ich bin sicher, wir beide sind ein gutes Team. Darauf müssen wir noch einmal anstoßen!“

Annika Sabirski war erst vor wenigen Wochen nach München gezogen. Mit Vollendung ihres sechsundzwanzigsten Lebensjahres konnte sie über ein Millionenvermögen verfügen, das bis dahin treuhänderisch verwaltet worden war. Und nun war Annika dabei, sich einen lang gehegten Traum zu erfüllen: ein eigenes Restaurant mit thailändischer Küche.

Da sie selbst keine gastronomische Ausbildung abgeschlossen hatte, hatte sie in München Ausschau nach einer kompetenten Mitarbeiterin gehalten, die sie in Karolina Wollweber gefunden hatte. Mit ihren noch nicht einmal dreißig Jahren hatte Karolina bereits viel Erfahrung in verschiedenen Hotels und Restaurants gesammelt. Außerdem war Karolina genauso begeistert von Annikas Konzept wie sie selbst.

„Das wird super, Karolina. Ich spüre das ganz deutlich. Ich kann schon die lachenden Gäste hören. Ich fühle die atemlose Stille, wenn wieder ein gebratenes Huhn vom Katapult fliegt, um mit dem Helm aufgefangen zu werden“, beschrieb Annika ihre Vision.

„Nun ja, bis dahin sehe ich allerdings noch viel, viel Arbeit“, versuchte Karolina, ihre Chefin auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.

„Das schaffen wir schon. Zum Glück habe ich genug Geld, damit geht vieles leichter.“

„Wohl wahr“, bestätigte Karolina. „Ich habe übrigens schon eine Stellenanzeige entworfen für unser Personal. Sollen wir die zusammen durchsprechen?“

„Dafür habe ich dich eingestellt. Damit möchte ich nichts zu tun haben. Ich vertraue da ganz auf deine fachliche Kompetenz. Du wirst schon die richtigen Leute finden.“

„In Ordnung. Ich habe schon mit Wong Kah gesprochen, er hat sich bis nächste Woche Bedenkzeit ausgebeten. Aber ich glaube, er wird unser neuer Koch“, sagte Karolina nicht ohne Stolz.

„Das ist ja super! Siehst du, das Konzept überzeugt. Wenn selbst ein Spitzenkoch wie Wong bereit ist, das Nam-Plah für uns zu verlassen …“

„Wollen wir hoffen, dass er zusagt. Im Moment gibt es in ganz München keinen besseren thailändischen Koch. Was mir ein bisschen Sorgen macht, ist die Suche nach den Einrad-Fahrern, die die Hühner auffangen. Ich glaube, da muss ich eher unter Sportstudenten suchen als unter Restaurantfachleuten.“

„Wozu brauchen Sie den Einrad-Fahrer in einem Restaurant?“, fragte eine lachende Stimme von der Tür her. „Entschuldigung, dass ich so hereinplatze, aber draußen habe ich keine Klingel gefunden. Ich bin Hansi Fleischhauer vom Münchner Montagsblatt.“

„Hallo Herr Fleischhauer. Ich bin Annika Sabirski, und das ist meine Mitarbeiterin Karolina Wollweber. Schön, dass Sie gekommen sind.“

Die drei gaben sich die Hände.

„Ich glaube, ich werde bei dem Interview nicht gebraucht, oder?“, erkundigte sich Karolina und fügte erklärend hinzu: „Ich habe noch so viel auf dem Zettel!“

„Du musst nicht bleiben, obwohl du bestimmt einiges ergänzen könntest“, sagte Annika.

Als Karolina gegangen war, setzte sich Annika mit dem Journalisten an den kleinen Tisch und bot auch ihm ein Glas Champagner an, das er dankend annahm.

„Wir können schon mal anfangen. Gleich müsste auch unser Fotograf kommen, aber bei dem Interview muss er ja nicht dabei sein.“

„Oh, ich wusste gar nicht, dass Sie mit einem Fotografen kommen. Hier gibt es doch noch gar nichts zu fotografieren.“ Annika sah sich in dem leeren Raum um und zuckte mit den Schultern. „Da wird Ihr Fotograf enttäuscht sein.“

„Frau Sabirski, unsere Leser wollen Sie sehen, sie wollen Ihre Geschichte hören. Eine schöne, junge Millionärin, die Neu-Münchnerin ist. Das interessiert.“

„Ich habe gedacht, dass Sie über mein Restaurant berichten wollen“, sagte Annika leicht verärgert. „Wissen Sie, ich bin keine Paris Hilton, die sich gern in der Öffentlichkeit präsentiert.“

„Keine Sorge, Frau Sabirski, natürlich werde ich auch etwas zu Ihrem Restaurant schreiben. Aber Sie sind eben ein neuer Promi in München, darüber wollen die Leute etwas erfahren. Außerdem gäbe es ja ohne Sie dieses Projekt auch gar nicht, oder?“ Hansi Fleischhauer legte ein Aufnahmegerät auf den Tisch und stellte ein kleines Mikrofon auf. „Sie haben das Konzept für Ihr Restaurant selbst entwickelt, nicht wahr?“

„Ja, das stimmt. Ich habe drei Monate in Thailand verbracht und bin seitdem der thailändischen Küche verfallen. Dort bin ich auch auf die Idee gekommen, das wunderbare Essen mit Shows und Showeinlagen zu kombinieren. Ein Abend bei uns wird ein Event für alle Sinne.“

„Haben Sie denn schon einen Namen für Ihr Restaurant?“

„Ja, es wird arooi maak heißen, das ist thailändisch und bedeutet übersetzt sehrlecker.“

„Als ich hereinkam, habe ich aufgeschnappt, dass Sie nach Einrad-Fahrern suchen. Was hat es damit auf sich?“

„In einem meiner Lieblingsrestaurants in Bangkok werden gebratene Hühnchen serviert. Aber bis die Hühnchen auf den Tellern landen, gibt es eine faszinierende Show. Mit einem Katapult werden die Hühner in den Raum geschleudert und von Kellnern, die auf einem Einrad fahren, aufgefangen. Die Kellner haben in jeder Hand eine Art Spieß und tragen einen Helm auf dem Kopf, auch mit Spieß – so ähnlich wie eine Pickelhaube. Sie fangen die fliegenden Hühner mit den Spießen auf und legen sie dann auf einen Teller.“

„Und das klappt?“ Hansi Fleischhauer schaute ungläubig. „Landen nicht die meisten Hühnchen auf dem Fußboden?“

„Natürlich passiert das auch mal, aber sehr, sehr selten. Diese Einrad-Kellner sind echte Könner.“

„Dann kann ich Ihnen jetzt schon sagen, dass Sie den ersten Gast sicher haben. Das muss ich mir unbedingt ansehen!“ Der Journalist lachte. „Und meine Kinder bringe ich auch mit – aber nur, wenn sie versprechen, dass sie das zu Hause nicht nachmachen.“

Annika musste grinsen. Sie dachte daran, wie sie selbst einmal vergeblich versucht hatte, ein von Karolina geworfenes Hühnchen aufzuspießen. Und das ganz ohne Einrad.

„Wie man hört, sind Sie nach Grünwald gezogen. Warum wohnt eine junge, attraktive Frau wie Sie nicht in einem der angesagten Münchner Szeneviertel?“

„Ich bin keine Partymaus. Ich habe es gern ruhig. Außerdem werde ich die meisten Abende in meinem Restaurant verbringen. Das reicht mir an Action.“

„Dann war Grünwald eine gute Entscheidung, dort ist es ruhig und beschaulich. Und wenn Sie mal einen guten Arzt brauchen, dann haben Sie den auch gleich vor der Tür. Ist Ihnen Dr. Stefan Frank schon begegnet?“

„Begegnet noch nicht, aber Sie sind nicht der Erste, der von ihm schwärmt“, sagte Annika lächelnd. „Das muss ja ein ganz außergewöhnlicher Arzt sein!“

„Ich habe vor Kurzem eine Reportage über ihn und seine Praxis gemacht. Er ist ein toller Mensch und ein hervorragender Mediziner. Wenn ich mal wieder einen Arzt brauche, dann werde ich auf jeden Fall zu ihm gehen.“

„Ich will hoffen, dass ich in absehbarer Zeit nicht seine Praxis aufsuchen muss. Obwohl, nachdem ich so viel von ihm gehört habe, würde ich ihn doch gern kennenlernen. Vielleicht sollte ich ihn zu meiner Restauranteröffnung einladen. Was meinen Sie? Wird er kommen?“

„Das kann ich nicht einschätzen.“ Der Journalist zuckte mit den Schultern. „Ich habe nur mitbekommen, dass er wahnsinnig viel arbeitet. Neben seinem normalen Praxisbetrieb hat er auch noch Belegbetten in der Waldner-Klinik … Nun aber wieder zu Ihnen. Wie steht es denn eigentlich mit der Liebe? Wenn ich den Recherchen der Konkurrenz glauben darf, sind Sie noch zu haben, oder?“

„Mein Privatleben möchte ich nicht in die Öffentlichkeit gezerrt wissen. Dazu werde ich keine Fragen beantworten.“

„Aber einen klitzekleinen Hinweis könnten Sie mir vielleicht doch geben?“

„Nein.“ Annika schüttelte ärgerlich mit dem Kopf. „Aber ich kann Ihnen gerne die Pläne für das Restaurant zeigen und Ihnen mein Konzept im Detail erläutern.“

Annika holte einen Ordner mit Plänen und Zeichnungen aus ihrer Umhängetasche und erklärte dem Reporter, wie es in drei Monaten hier aussehen würde.

Ein lautes Klopfen an der Tür ließ die beiden aufblicken.

„Das wird Franz sein, Franz Gerber, unser Fotograf“, sagte der Journalist und stand auf, um die Tür zu öffnen.

„Toller Raum“, lobte Franz, nachdem er sich umgesehen und seine Kamera aus der Tasche geholt hatte. „Eine schöne Frau in einer Abbruch-Halle. Ein wunderbarer Kontrast für meine Bilder. Für das erste Foto stellen Sie sich bitte mitten in den Raum.“

„Einfach so? Soll ich nicht etwas in die Hand nehmen? Vielleicht die Zeichnung vom Restaurant, wie es mal wird?“, schlug Annika vor.

„Nein, ich will nur Sie, ganz pur. Vertrauen Sie mir. Ich weiß, was ich tue“, antwortete der Fotograf und schob Annika an die Stelle, die er ausgesucht hatte.

Über eine Stunde dauerte die Fotosession. Annika wurde von Franz Gerber an die verschiedensten Punkte in der alten Werkstatt dirigiert. Sie musste sich drehen, lachen, ernst oder nachdenklich schauen, ihre langen blonden Haare mal nach hinten werfen und mal ins Gesicht fallen lassen.

Nach kurzer Zeit fand sie Gefallen daran, fotografiert zu werden. Ihre anfängliche Gehemmtheit schwand, und von dem Mann hinter der Kamera bekam sie anerkennende Grunzlaute zu hören.

„Vielen Dank. Ich habe jetzt genug Material im Kasten.“ Franz klopfte auf seine Kamera. „Sie sind sehr fotogen. Falls das mit dem Restaurant nicht klappt, sollten Sie mal über eine Modelkarriere nachdenken …“, ergänzte er anerkennend, nachdem er sich die Bilder auf seiner Digitalkamera angesehen hatte.

***

„Herzlich willkommen“, begrüßte Ulrich Waldner seine beiden Gäste. „Sprecht ihr überhaupt noch mit mir, jetzt, wo ihr ganz in der Nähe einer jungen Millionärin wohnt?“

Der Klinikchef grinste über das ganze Gesicht und schlug seinem Freund Dr. Stefan Frank kumpelhaft auf die Schulter.

„Du meinst diese Annika Sabirski, über die jetzt ständig was in der Zeitung steht?“, fragte die Augenärztin Alexandra Schubert.

Dr. Ulrich Waldner nickte.

„Ach, Ulrich, sie ist nicht die erste und bestimmt auch nicht die letzte Millionärin, die es nach Grünwald zieht. Es ist einfach so unschlagbar schön bei uns. Da könnt ihr mit eurer ach so bescheidenen Penthaus-Wohnung mit Blick auf den Englischen Garten nicht gegen anstinken“, scherzte Stefan Frank.

„Ich weiß auch nicht, was in meinen Mann gefahren ist“, mischte sich Ruth Waldner lachend ein. „Irgendwie fasziniert ihn diese Millionärin. Er liest mir sogar aus der Klatschpresse vor, wenn er einen Artikel über sie entdeckt.“

„Na ja, es ist doch auch eine interessante Geschichte. Aber kommt doch erst mal rein“, sagte Ulrich Waldner.

Die vier Ärzte setzten sich an den Esszimmertisch, auf dem schon die Spielkarten für den gemütlichen Doppelkopfabend lagen.

„Was ist denn eigentlich so interessant an der Frau?“, fragte Alexandra, die sich nicht so besonders für die Promiszene in München und Umgebung interessierte. „Es gibt doch viele reiche Menschen.“

„Es gibt viele, die Geld haben, aber nur wenige sind so attraktiv“, erklärte Ulrich Waldner. „Frau Sabirskis Großvater hat ihr und ihrem Bruder ein riesiges Vermögen hinterlassen, aber den eigenen Sohn hat der alte Herr enterbt. Die Enkel waren beide noch nicht einmal zehn Jahre alt, als der Großvater starb.“

Alexandra schaute ihn erwartungsvoll an, bisher fand sie die Geschichte noch nicht so besonders faszinierend.

„Als Treuhänder für das Vermögen wurde nicht etwa der Vater der Kinder eingesetzt, sondern ein Anwalt. Der alte Sabirski hat seinem Sohn wohl nicht für fünf Pfennig über den Weg getraut. Die Zeitungen schreiben, dass der Vater über Jahre gegen seine Kinder prozessiert hat.“

„Auch die Reichen haben es nicht leicht“, warf Ruth Waldner ein und machte eine wegwischende Handbewegung.

„Ich finde diese Annika eigentlich ganz sympathisch – zumindest nach dem, was ich über sie gelesen habe“, sagte Stefan. „Sie scheint relativ normal zu sein und ist sehr zurückhaltend mit Informationen aus ihrem Privatleben. Deshalb müssen die Reporter wahrscheinlich auch die alten Kamellen wieder ausgraben.“

„Mein Liebling, was muss ich da feststellen? Du liest die Klatschspalten?“, fragte Alexandra ihren Freund gespielt entgeistert.

„Nur manchmal. Das meiste erfahre ich von meinen Patienten.“

„Lass mich raten: Die Patienten, die mit dir darüber reden, sind alle weiblich und mindestens achtzig Jahre alt, oder?“, mutmaßte Alexandra.

„Fast, manche sind auch etwas jünger“, bekannte Stefan grinsend.

„Ich finde am interessantesten an der Frau, dass sie ein thailändisches Restaurant eröffnen will.“ Ruth rieb sich den Bauch und leckte sich über die Lippen.

„Ja, das habe ich auch gelesen“, sagte Alexandra. „Allerdings mit etwas gewöhnungsbedürftigen Showeinlagen. Kellner, die Hühner fangen, und so was.“

„Schau an, meine Liebste liest auch die interessanten Seiten der Zeitung“, staunte Stefan und drückte Alexandra einen Kuss auf die Wange.

„Hauptsache, das Essen ist gut“, meinte Ulrich Waldner lakonisch.

„In ein paar Wochen ist Eröffnung. Wir sollten auf jeden Fall mal hingehen und es ausprobieren“, schlug Ruth vor. „Und jetzt wird gespielt. Wer gibt?“

Nach drei Runden führte Alexandra.

„Glück im Spiel, Pech in der Liebe“, unkte Ulrich.

„Wenn dieser Spruch stimmt, dann müssen bei dir heute Nacht mindestens drei Traumfrauen im Bett liegen“, gab Alexandra schlagfertig zurück. „Du bist mit Abstand der Letzte.“

„Die Traumfrauen werde ich hochkant rauswerfen“, warnte Ruth lachend.

„Habt ihr eigentlich die Stelle des Neurologen inzwischen neu besetzt?“, wechselte Stefan das Thema.

„Heute war der letzte Bewerber zum Gespräch bei mir. Aber unsere Entscheidung war eigentlich schon vorher gefallen“, verriet Ulrich. „Wir haben uns für Christian Beierlein entschieden. Er ist noch recht jung und hat bisher in Hamburg bei meinem alten Studienkollegen Prof. Klaus Kleiber gearbeitet. Beierlein hat mich im Gespräch schon überzeugt, aber nachdem ich mit Klaus gesprochen hatte, war endgültig klar, dass wir einen Fehler machen würden, wenn wir ihn nicht nähmen.“

„Das freut mich für Christian“, sagte Alexandra. „Ich bin sicher, er ist eine gute Wahl.“

Ulrich sah sie fragend an. „Du kennst ihn?“

„Ja, er ist ein guter Freund von mir. Karsten, sein älterer Bruder, hat mit mir zusammen studiert. Aber befreundet bin ich inzwischen eher mit Christian. Er hat mir erzählt, dass er gern nach München wechseln möchte. Und als ich dann von der freien Stelle bei euch in der Klinik hörte, da habe ich ihm den Tipp gegeben.“

Ulrich Waldner schaute immer noch erstaunt.

„Kennst du Christian Beierlein auch?“, fragte er seinen Freund Stefan.

„Ja, recht gut sogar; er hat uns schon häufiger besucht. Ich habe ihm auch dazu geraten, sich zu bewerben. Ich halte ihn für einen hervorragenden Neurologen.“

„Wie? Wieso habt ihr denn nichts davon gesagt? Herr Beierlein hat auch nicht gesagt, dass er euch kennt …“

„Christian hat uns das verboten“, erklärte Stefan. „Er wollte die Stelle nicht bekommen, weil er gute Beziehungen hat.“

„Ein bescheidener junger Mann“, meinte Ruth Waldner anerkennend. „Ich weiß nicht, ob ich an seiner Stelle auch Freunde verschwiegen hätte, die mir auf dem Weg zu meiner Wunschstelle behilflich sein könnten.“

„Na, er hat es ja auch so geschafft“, erinnerte Alexandra. „Womit hat er dich denn überzeugt?“

„Eigentlich mit allem. Seine fachliche Qualifikation, seine Weiterbildungen … Aber was ihn von allen anderen Bewerbern unterschieden hat, war sein Engagement.“

„Ja, so würde ich Christian auch beschreiben“, pflichtete Alexandra ihm bei. „Sein einziges Manko ist, dass er mit seiner Doktorarbeit noch nicht fertig ist. Habt ihr darüber gesprochen?“

„Ja, er hat ein sehr interessantes Thema gewählt. Gut, die Arbeit ist noch nicht fertig, aber das ist doch völlig unwichtig. Wir wissen doch alle, dass ein Titel keinen guten Arzt macht.“

„Worüber schreibt er denn seine Arbeit?“, fragte Ruth Waldner, die während des Vorstellungsgesprächs zu einem Notfall gerufen worden war und nicht alles gehört hatte, was Christian Beierlein vorzubringen hatte.

„Er schreibt über Gedächtnisverlust nach subduralem Hämatom. Sein Doktorvater ist mein alter Freund Klaus Kleiber.“

„Wir hatten neulich erst einen Fall von komplettem biografischem Gedächtnisverlust nach einem schweren Unfall“, sagte Ruth. „Der arme Mann konnte sich noch nicht einmal mehr an seinen Namen erinnern und hat seine Mutter gesiezt.“

„Wie furchtbar! Allein bei der Vorstellung, dass ich mich nicht mehr an mich selbst und meine Lieben erinnern kann, bekomme ich eine Gänsehaut“, sagte Alexandra und schüttelte sich leicht.

„Was ist denn aus dem Mann geworden? Ist sein Gedächtnis zurückgekommen?“, erkundigte sich Stefan.

„Ja, nach zwei Wochen begann er sich wieder zu erinnern; nur der Unfall selbst und die Tage danach sind wie ausgelöscht“, antwortete Ulrich.

„Das ist vielleicht ganz gut so“, überlegte Alexandra. „An einen furchtbaren Unfall muss man sich auch nicht unbedingt erinnern.“

„Wann fängt Christian denn bei euch an?“, fragte ihr Freund.

„Er will versuchen, schon übernächste Woche hier zu sein. Er nimmt seinen Resturlaub und verbringt den dann schon zur Einarbeitung bei uns in der Klinik. Alle Achtung. Ich sag ja, der Mann ist engagiert.“

„Was meinst du, Schatz, soll ich Christian anbieten, dass er bei mir wohnen kann, bis er eine Bleibe gefunden hat?“, fragte Alexandra.

„Klar, warum denn nicht?“

„Na ja, das würde bedeuten, dass ich für die Zeit überwiegend bei dir wäre. Ich habe schließlich nur ein Schlafzimmer …“

„Ich werde mir Mühe geben, dich für ein paar Wochen zu ertragen.“ Stefan grinste. „Es wird mir schwerfallen, aber was tut man nicht alles, um einen jungen Kollegen zu unterstützen.“

***

Als Jochen Kehler sein Büro betrat, fielen ihm sofort zwei gelbe Umschläge ins Auge, die jemand auf seinen Schreibtisch gelegt hatte.

„Verflucht“, murmelte er. „Schon wieder Mahnbescheide.“

Jochen fingerte sein Schlüsselbund aus der Hosentasche und öffnete den Rollcontainer unter seinem Schreibtisch. Hinter einigen Ordnern stand seine Whiskeyflasche. Er füllte ein Wasserglas zur Hälfte mit der goldbraunen Flüssigkeit und leerte das Glas gierig in einem Zug. Dann atmete er tief durch und wartete darauf, dass der Alkohol zu wirken begann.

Das Telefon klingelte. Marita, seine Sekretärin, hatte heute ihren freien Tag, deshalb musste er selbst ans Telefon.

„Autohaus Kehler“, meldete sich Jochen.

„Herr Kehler?“, fragte eine gereizte Stimme zurück.

„Ja.“

„Matthiesen hier, endlich erwische ich Sie. Wir warten nun schon seit Wochen auf die Begleichung unserer Rechnung!“, polterte der Anrufer los. „Sie haben mir vor vierzehn Tagen gesagt, dass das Geld angewiesen wurde. Doch es ist nichts passiert, und erreichen kann ich Sie auch nicht!“

„Herr Matthiesen, ja, ich wollte Sie auch schon anrufen und Ihnen alles erklären. Wissen Sie, es ist so, ich warte selbst auf den Eingang einer größeren Summe“, behauptete Jochen und lachte bemüht. „Sie kennen das doch, heute bezahlt keiner mehr pünktlich.“

„Das ist mir ganz egal. Entweder das Geld ist bis übermorgen auf unserem Konto, oder ich sehe mich gezwungen, das Gericht zu bemühen. Meine Geduld ist am Ende, Herr Kehler.“

„Aber Herr Matthiesen, ich bitte Sie. Wir haben doch bisher immer sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet, da können Sie doch nicht …“

„Und ob ich kann“, unterbrach der aufgebrachte Herr Matthiesen seinen Schuldner. „Das ist mein letztes Wort. Das Geld ist bis übermorgen bei uns, oder wir sehen uns vor Gericht.“

Ehe Jochen noch etwas erwidern konnte, hatte sein Gesprächspartner aufgelegt.

Mit zitternden Fingern öffnete Jochen Kehler erneut die Whiskeyflasche und schenkte sich ein. Der Tag begann nicht gut.

Wütend wischte er mit dem Arm sämtliche Papiere vom Schreibtisch. Dann erhob er sich langsam und fischte aus den Papieren am Fußboden die beiden Mahnbescheide heraus. Genüsslich zerriss er die ungeöffneten Briefe und ließ die Schnipsel in den Papierkorb segeln.

„Ihr könnt mich alle mal“, schnaubte er und ging nach unten in den Verkaufsraum für die Luxuswagen. Vielleicht wurde heute endlich ein Wagen verkauft, dann könnte er Matthiesen wenigstens einen Teil der Schulden bezahlen.

„Guten Morgen Jochen. Schlechte Nachrichten?“, fragte sein Angestellter Peter König besorgt, als er die Miene seines Chefs sah.

„Nur das Übliche. Alle wollen Geld, das ich im Moment nicht habe“, knurrte Jochen.

„Jochen, es tut mir leid, aber ich wollte auch mit dir über Geld sprechen“, begann Peter König vorsichtig. „Diesen Monat ist mein Gehalt nicht überwiesen worden.“

„Was? Das kann gar nicht sein. Das muss ein Fehler der Bank sein“, behauptete Jochen schnell. „Ich kümmere mich darum.“

Auch das noch, dachte er bei sich. Sein Bankberater hatte ihm bereits angedroht, dass bald keine Überweisungen mehr ausgeführt würden, aber Jochen hatte nicht geglaubt, dass das so schnell passieren würde. Wie gut, dass er wenigstens für sich noch tausend Euro in seiner geheimen Kasse hatte.

Und jetzt würde er persönlich zur Bank fahren. Es wäre doch gelacht, wenn ein Jochen Kehler nicht einen weiteren Kredit bekommen würde!

„Ich muss etwas erledigen“, sagte er zu seinem Angestellten. „Ich nehme den Porsche, der vorgestern reingekommen ist. Den wollte ich sowieso mal Probe fahren, bevor wir ihn verkaufen.“

„Na, ich hoffe nur, dass wir den bald verkaufen“, murmelte Peter König, der sich über die finanzielle Lage des Autohauses keine Illusionen machte.

Jochen Kehler holte den Autoschlüssel und setzte sich in den Sportwagen. Was für ein herrliches Gefühl, einen solchen Wagen zu steuern! Jochens Laune hob sich.

Er drehte zuerst eine vorsichtige Runde um den Block, um sich an das Auto zu gewöhnen, dann trat er aufs Gas. Der Porsche reagierte sofort; fast unmerklich hatte er die erlaubte Geschwindigkeit schon um mehr als das Doppelte überschritten. Bis nach Grünwald zu seiner Bank würde er höchstens eine Viertelstunde brauchen, wenn es auf den Straßen nicht zu voll war.

Jochen griff in die Jackentasche und holte sein Handy heraus, um sich bei seinem Bankberater anzumelden.

„Kehler. Hallo Herr Walbaum, ich bin in ein paar Minuten bei Ihnen. Ich würde gerne einen neuen Kredit aufnehmen.“

Schweigen.

„Herr Walbaum, hören Sie mich? Ist die Verbindung schlecht?“

„Ich höre Sie gut, Herr Kehler. Sie brauchen sich nicht herzubemühen. Ich dachte, wir hätten geklärt, dass wir Ihnen keinen weiteren Kredit bewilligen können.“

„Aber man kann doch über alles reden.“

„Das ist zwecklos. Außerdem habe ich gleich ein wichtiges Meeting. Auf Wiederhören.“

Wütend warf Jochen sein Handy in den Fußraum und trat noch mehr aufs Gas. Er bog rechts ab, und der Porsche schoss in eine kleine Seitenstraße.

Als Jochen aus dem Augenwinkel sah, dass die Fußgängerampel Grün zeigte, war es schon geschehen. Er blickte in die entsetzt aufgerissenen Augen einer jungen Radfahrerin, und dann war ein furchtbares Knirschen zu hören. Der Porsche hatte das Hinterrad des Fahrrades erwischt.

Die Zeit schien sich zu verlangsamen. In Zeitlupe sah Jochen die Radfahrerin durch die Luft fliegen. Hart schlug ihr Körper auf dem Boden auf, bäumte sich noch einmal kurz auf, um dann in grotesker Haltung liegen zu bleiben.

Erschrocken nahm Jochen den Fuß vom Gas und trat auf die Bremse. Als der Wagen zum Stehen kam, war er schon etliche Meter von der Unfallstelle entfernt. Im Rückspiegel sah Jochen das Unfallopfer auf der Straße liegen. Zwei Passanten rannten darauf zu.

Tausend Gedanken rasten Jochen durch den Kopf: Ich war zu schnell. Ich habe nicht aufgepasst. Hoffentlich ist der Schaden am Wagen nicht zu groß. Hoffentlich ist die Radfahrerin nicht schwer verletzt.

Dann: Ich habe getrunken. Ich werde meinen Führerschein verlieren. Ich muss helfen. Aber ich kann nichts tun! Außerdem sind schon Leute da, die werden sich kümmern. Ich muss hier weg, man darf mich nicht erwischen. Wenn ich jetzt noch den Führerschein abgeben muss, bin ich verloren!

Nach einem letzten Blick in den Rückspiegel gab Jochen Gas und raste davon.

***

Martha Giesecke, die Sprechstundenhilfe von Dr. Stefan Frank, eilte zum Fenster der Praxis, als sie ein lautes knirschendes Geräusch, gefolgt von Bremsenquietschen hörte.

Sie sah aus dem Augenwinkel einen dunklen Wagen davonrasen, doch ihr Blick fiel auf eine Person, die mitten auf der Straße lag. In einiger Entfernung sah sie ein Fahrrad, das mit verbogenem Hinterrad auf dem Bürgersteig lag, das Vorderrad drehte sich noch.

Schnell erfasste Martha Giesecke die Lage. Sie riss die Tür zum Sprechzimmer auf, in dem der Arzt gerade einen Patienten behandelte.

„Ein Unfall direkt vor unserer Tür“, rief sie aufgeregt. „Ein Radfahrer ist von einem Auto angefahren worden!“

Ohne zu zögern, stand Dr. Frank auf, entschuldigte sich kurz bei seinem Patienten und griff im Herauslaufen nach seiner Notfalltasche.

Kurze Zeit später war er auf der Straße bei dem Unfallopfer, um das sich schon ein Ring aus wild diskutierenden Passanten gebildet hatte. Zwei Zuschauer hatten ihre Handys gezückt und fotografierten.

„Ich bin Arzt, lassen Sie mich bitte durch“, sagte er und schob Schaulustige und Helfer beiseite.

„Rettungswagen und Polizei habe ich bereits alarmiert“, sagte ein älterer Mann, der als Erster an der Unfallstelle gewesen war. „Sie müssen gleich hier sein.“

Dr. Stefan Frank nickte ihm kurz zu und beugte sich dann zu der Radfahrerin herunter, die bewegungslos in gekrümmter Haltung auf der Straße lag. Ihr Kopf war nach hinten abgeknickt, und sie blutete aus einer Platzwunde über dem rechten Ohr.

„Ich bin Dr. Frank. Können Sie mich hören?“, fragte er und berührte die Frau sanft am Arm.

Keine Antwort. Offenbar war die junge Frau bewusstlos.

„Ist sie tot?“, fragte einer der Umstehenden.

Dr. Frank kniete sich neben das Unfallopfer und tastete nach dem Puls der Patientin. Er konnte fühlen, dass ihr Herz schlug, wenn auch nur schwach.

Er traute sich nicht, die Frau in eine andere Lage zu bringen. Immerhin war es möglich, dass sie an der Wirbelsäule verletzt war. Nein, er musste auf die Kollegen vom Rettungswagen warten, denn die hatten entsprechende Halsmanschetten dabei, um die Wirbelsäule zu stabilisieren.

„Ich habe genau gesehen, was passiert ist“, rief eine aufgeregte Frau. „Ein Sportwagen ist viel zu schnell um die Ecke gebogen und hat das Fahrrad der Frau am Hinterrad erwischt. Sie ist dann durch die Luft geflogen und auf die Straße geknallt.“

Die Frau schüttelte sich bei dem Gedanken an den furchtbaren Unfall.

Dr. Frank versorgte die blutende Kopfwunde, mehr konnte er im Augenblick nicht tun.

„Warum bist du bloß ohne Helm gefahren?“, murmelte er.

Dann holte er das Blutdruck-Messgerät aus seinem Arztkoffer und legte die Manschette vorsichtig um den Arm der Radfahrerin.

Die Sirenen des Krankenwagens waren schon zu hören, und kurze Zeit später waren der Notarzt und zwei Rettungssanitäter vor Ort.

Dr. Frank informierte den Kollegen über das, was er bereits unternommen hatte.

Der Notarzt legte der Frau eine Halsmanschette an und spritze ihr ein kreislaufstabilisierendes Medikament.

„Sie muss schnell ins Krankenhaus“, entschied er dann und blickte besorgt auf die immer noch bewusstlose Frau.

„Bringen Sie sie in die Waldner-Klinik“, bat Dr. Stefan Frank. „Ich melde die Patientin dort an.“

Der Notarzt nickte, dann hoben die Sanitäter das Unfallopfer behutsam auf eine Trage.

Kaum war der Krankenwagen aus dem Blickfeld verschwunden, wurde Dr. Frank von den Zuschauern bedrängt.

„Was ist mit der Frau?“, wollten sie wissen. „Ist sie schwer verletzt?“

„Das wird sich erst in der Klinik herausstellen“, sagte der Arzt.

„Wer von Ihnen hat den Unfall gesehen?“, fragte die laute Stimme eines Polizisten in Uniform.

„Ich habe den Aufprall gehört und dann einen großen dunklen Sportwagen davonbrausen sehen“, berichtete eine Frau. „Das Schwein ist noch nicht einmal ausgestiegen.“

„Können Sie den Wagen genauer beschreiben? Haben Sie eventuell sogar das Kennzeichen erkennen können?“, fragte der Polizeibeamte und zückte ein Notizbuch.

„Es ging alles so schnell. Das Kennzeichen habe ich nicht gesehen. Und mit Autos kenne ich mich nicht so aus. Es war ein großer, teurer Sportwagen. Er war dunkel, schwarz oder dunkelblau, kann auch ein dunkles Grau gewesen sein. Hoffentlich kriegen Sie den!“

„Hat jemand sonst noch etwas beobachtet?“, fragte der Polizist in die Runde.

Ein weiterer Zeuge meldete sich, aber leider hatte auch er dem Wagen des Unfallverursachers keine weitere Beachtung geschenkt. Allerdings meinte er, es könne auch ein dunkelgrünes Fahrzeug gewesen sein.

„Aber ich habe gesehen, dass die Ampel für die Radfahrerin grün war“, sagte ein anderer Zeuge.

„Ich bin erst dazugekommen, als der Unfall schon passiert war. Aber ich weiß, wer die junge Frau ist. Ich kenne ihr Foto aus der Zeitung. Das ist Annika Sabirski, die Millionärin“, teilte eine Frau dem Polizisten eilfertig mit.

Durch die kleine Gruppe der Neugierigen ging ein Raunen.

„Jetzt, wo Sie es sagen … Mir kam die Frau auch gleich bekannt vor, aber ich bin nicht darauf gekommen, wer sie ist“, bestätigte eine andere Frau.

Natürlich, das war Annika Sabirski, dachte auch Dr. Frank.

„Oh, dann kann ich meine Fotos bestimmt gut verkaufen“, freute sich eine der jungen Frauen, die fotografiert hatten.

„Das sollten Sie nicht tun.“ Dr. Frank blickte die Sprecherin streng an. „Bitte achten Sie die Privatsphäre des Opfers.“

„Ich dachte ja nur“, sagte die Frau uneinsichtig. „Was ist denn so schlimm daran? Das sind doch keine unanständigen Bilder.“

Kopfschüttelnd wandte sich Dr. Frank ab.

„Ich muss Ihnen auch noch ein paar Fragen stellen“, wandte sich der Polizist an den Arzt.

„Das muss warten. Geben Sie mir Ihre Nummer, ich rufe Sie später an. Jetzt muss ich dringend die Patientin in der Waldner-Klinik anmelden“, sagte Dr. Frank.

Er eilte zurück in seine Praxis und griff sofort nach dem Telefon.

„Ulrich, gut, dass ich dich gleich erwischt habe. Ein Rettungswagen mit einer verunfallten Patientin ist zu euch unterwegs. Sie ist ohne Bewusstsein und hat vermutlich schwere Kopfverletzungen. Kannst du alles vorbereiten lassen?“

„Klar, ich sage sofort in der Notaufnahme Bescheid“, antworte Ulrich Waldner.

„Noch eins, Uli. Die Patientin ist Annika Sabirski. Ich weiß nicht, wie schnell die Presse davon Wind bekommt, aber macht euch schon mal auf eine Belagerung durch die Damen und Herren der Journaille gefasst.“

***

„Servus, Frau Möhnhaus, wie geht es Ihnen heute?“, fragte Dr. Stefan Frank seine Patientin, die im Krankenhausbett lag und in einer Zeitschrift las.

„Prima. Wenn ich gewusst hätte, dass ich die Gallensteinoperation so gut verkrafte, hätte ich mich schon viel früher dazu durchgerungen“, sagte die alte Dame.

„Sie wollten ja nicht auf mich hören“, entgegnete Dr. Frank mit gespielter Strenge und drohte ihr mit dem Finger.

Frau Möhnhaus war seit vielen Jahren Patientin in der Praxis von Dr. Stefan Frank. Trotz immer wiederkehrender Koliken hatte sie sich lange nicht für eine Operation entscheiden können. Nun war ihr vor zwei Tagen in der Waldner-Klinik erfolgreich die Gallenblase entfernt worden.

„Ich muss Ihnen das mal sagen, Herr Doktor: Ich finde das sehr gut, wie Sie sich um Ihre Patienten kümmern. Ist es für Sie nicht anstrengend, nach der Praxis noch Besuche in der Klinik zu machen?“

„Nein, das tue ich gern. Und besonders gern, wenn ich sehe, dass es meinen Patienten wirklich besser geht. Außerdem bin ich gut mit dem Klinikchef und seiner Frau befreundet, so sieht man sich wenigstens regelmäßig.“

„Der nette Herr Dr. Waldner ist Ihr Freund? Und seine Frau, die ist doch Anästhesistin, oder?“

„Ja, Ruth Waldner ist Anästhesistin. Hat sie nicht das Aufklärungsgespräch mit Ihnen geführt?“

„Das weiß ich nicht mehr. Ich war vor der Operation so aufgeregt, dass ich mich an nichts mehr so richtig erinnern kann.“

Dr. Stefan Frank lächelte. „Sie haben mir also bis zum Schluss nicht geglaubt, dass ich Sie nur in die allerbesten Hände gebe, oder?“

„Doch schon, aber Angst hatte ich trotzdem“, gestand Frau Möhnhaus. „Aber sagen Sie mal, Herr Doktor: Man munkelt hier auf dem Flur so einige Sachen …“ Verschwörerisch beugte sie sich zu dem Arzt vor, der auf einem Stuhl neben ihrem Bett saß. „Wissen Sie was über diese Millionärin, die angeblich heute hier eingeliefert wurde? Es soll die Sabirski sein, hat man mir erzählt. Stimmt das?“

Dr. Frank runzelte die Stirn. Genau das hatte er befürchtet. Ein prominenter Patient war immer eine große Belastung für jede Klinik. Aber dass die Aufnahme von Annika Sabirski so schnell die Runde machte, wunderte ihn doch.

„Ich habe auch nur Gerüchte gehört“, sagte der Arzt zurückhaltend.

„Was sagen denn Ihre Quellen so?“, bohrte Frau Möhnhaus neugierig nach.

„Ich halte mich da lieber raus, Frau Möhnhaus, außerdem muss ich mich jetzt auch leider verabschieden. Ein anderer Patient wartet noch auf meinen Besuch. Weiterhin gute Besserung. Ich schaue morgen wieder vorbei.“

„Morgen werde ich wahrscheinlich schon entlassen, Herr Doktor.“

„Das ist ja wunderbar! Dann schlage ich vor, dass Sie nächste Woche mal in meine Praxis kommen. Dann schauen wir, ob Sie noch eine Nachbehandlung brauchen.“

„Das tue ich.“ Frau Möhnhaus nickte eifrig. „Vielleicht habe ich bis dahin ja auch schon ein paar Fakten über die Millionärin gesammelt …“

***

Nachdem Dr. Stefan Frank seinen zweiten Patienten besucht hatte, machte er sich auf den Weg zum Büro seines Freundes. Um diese Uhrzeit traf er Ulrich meist hinter seinem Schreibtisch an.

„Herein“, rief die Stimme von Dr. Waldner ziemlich ungehalten. „Ach, du bist es“, sagte er erleichtert, als er Dr. Frank sah. „Ich habe gedacht, es ist schon wieder so ein Presseheini, der etwas über Frau Sabirski wissen will.“

„So schlimm?“, fragte Dr. Frank.

„Es geht. Aber ich bin es leid, immer wieder zu erzählen, dass ich keine Auskünfte geben darf. Die Journalisten wissen das doch, und trotzdem nerven sie mit ihren Fragen. Ein Fotograf hat es sogar irgendwie bis auf die Intensivstation geschafft. Zum Glück wurde er von einer fitten Schwester erwischt und vor die Tür gesetzt.“

„Darf ich denn erfahren, wie es der Patientin geht?“, fragte Dr. Frank.

„Wie du schon vermutet hattest, haben wir beim CT ein subdurales Hämatom festgestellt. Im Augenblick sehen die Neurologen noch keine Notwendigkeit zu operieren. Aber du weißt ja selbst, dass wir so kurz nach dem Unfall noch nicht endgültig einschätzen können, ob ein operativer Eingriff nicht doch nötig wird. Sie liegt im künstlichen Koma, und alle hoffen auf die Selbstheilungskräfte ihres Körpers. Zum Glück ist sie jung und auch sonst offensichtlich gesund.“

„Habt ihr noch weitere Verletzungen festgestellt?“

„Eine Platzwunde am Kopf, aber die ist nicht besonders tief.“

„Ja, das habe ich schon bei der Erstversorgung gesehen“, stimmte Dr. Frank zu. „Was sonst noch? Irgendetwas gebrochen? Innere Verletzungen?“

„Zum Glück nichts Gravierendes. Einige Schürfwunden an Ellenbogen und Händen, eine Prellung am linken Knie, aber keine Brüche und keine inneren Verletzungen.“

„Wenn sie einen Helm getragen hätte, dann hätte sie vielleicht noch nicht einmal im Krankenhaus bleiben müssen“, sagte Stefan nachdenklich.

„Vermutlich nicht“, bestätigte Ulrich Waldner.

„Ich versuche immer, Alexandra dazu zu bringen, beim Radfahren einen Helm zu tragen. Ohne Erfolg. Sie sagt, das zerstöre ihre Frisur. Ich sollte ihr die CT-Aufnahmen von Frau Sabirski zeigen, vielleicht überzeugt sie das.“

Ulrich Waldner nickte wissend.

„Bei Ruth ist das genauso. Sie sagt, wenn die Helmpflicht für Radfahrer kommt, verkauft sie ihr Fahrrad. Was haben wir doch für unvernünftige Frauen!“

„Trägst du denn einen Helm?“, fragte Dr. Frank seinen Freund.

„Nein.“ Ulrich schüttelte den Kopf. „Und du?“

„Selten“, gestand Stefan. „Unvernünftige Frauen haben eben auch unvernünftige Männer, oder?“

„Der behandelnde Arzt von Frau Sabirski ist übrigens euer Freund Beierlein. Ist er denn bei Alexandra untergekommen?“

„Ja, er wohnt bei Alexa, und sie ist vorübergehend zu mir gezogen. Aber wie ich Christian kenne, wird er schon bald eine eigene Wohnung gefunden haben.“

„Bist du das Zusammenleben mit deiner Liebsten schon leid?“, fragte Ulrich Waldner grinsend.

„Ach was, es sind ja auch erst vier Tage. Wenn es nach mir ginge, dann würden wir sowieso zusammen wohnen, aber Alexandra ist noch nicht ganz überzeugt.“

„Hm“, überlegte Ulrich. „Getrennte Wohnungen haben auch Vorteile.“

„Ich würde jetzt gern Frau Sabirski einen Besuch abstatten und kurz mit Christan sprechen. Ist das möglich?“

„Der Kollege Beierlein ist vermutlich sowieso auf der Intensivstation. Wenn nicht, dann lass ihn doch von der Schwester anpiepsen. Ich kann leider nicht mitkommen.“ Ulrich deutete resigniert auf den Stapel unbearbeiteter Papiere. „Ich ersticke im Papierkram.“

***

Dr. Stefan Frank machte sich auf den kurzen Weg zur Intensivstation.

Am Bett von Annika Sabirski stand ein Arzt mit dem Rücken zur Tür. An der hochgewachsenen, schlanken Gestalt und an den schwarzen Locken erkannte Dr. Frank Christian Beierlein. Konzentriert kontrollierte der junge Kollege die Werte seiner Patientin.

„Christian, wie geht es ihr?“

„Hallo Stefan“, grüßte Christian und drehte sich um. „Im Augenblick sieht alles gut aus. Aber wir müssen abwarten. Morgen früh wird ein zweites CT gemacht, um zu sehen, ob sich das Hämatom weiter ausgebreitet hat. Bisher scheint alles unverändert zu sein, keine Vergrößerung der Pupillen und stabile Vitalwerte. Ich hoffe, dass wir nicht operieren müssen. Du hast die Erstversorgung am Unfallort gemacht?“

„Ja.“ Dr. Frank nickte und trat näher ans Krankenbett. „Hast du etwas von der Polizei gehört? Hat man den Unfallfahrer gefunden?“

„Die Polizei war hier, weil man Frau Sabirski vernehmen wollte. Aber das geht ja leider im Moment nicht. Wenn ich das richtig verstanden habe, sind sie bei der Suche nach dem Unfallverursacher noch nicht weitergekommen. Was muss das für ein Mensch sein, der jemanden anfährt und ihn dann einfach liegen lässt?“

„Dafür habe ich auch absolut kein Verständnis“, sagte Dr. Frank bitter. „Man kann nur hoffen, dass den Fahrer das schlechte Gewissen überkommt und er sich stellt. Aber heutzutage stehen leider viele nicht mehr dazu, wenn sie einen Fehler begangen haben.“

„Eine so junge und schöne Frau … Hoffentlich behält sie keine bleibenden Schäden zurück.“

„Du weißt, wer sie ist, oder?“, fragte Dr. Frank.

„Als die Intensivschwester einen Fotografen unsanft vor die Tür gesetzt hat, habe ich erfahren, dass sie Millionärin ist und eine kleine Berühmtheit in der Münchner Promiszene. Aber hier ist sie nur meine Patientin, alles andere interessiert mich nicht.“

„Das habe ich auch nicht anders erwartet. Ich wollte dich nur vorwarnen, falls die Presse auch an dich herantritt.“

„Die sollen nur kommen“, knurrte Christian Beierlein. „Von mir erfahren sie nur die Uhrzeit, mehr nicht.“

„Herr Beierlein, eine Frau Karolina Wollweber steht draußen. Sie sagt, sie sei eine gute Freundin von Frau Sabirski und hätte gerade erfahren, dass sie einen Unfall hatte. Sie will wissen, wie es ihr geht“, sagte die Intensivschwester, die von den beiden Ärzten unbemerkt in das Zimmer getreten war.

„Presse?“, fragten Christian Beierlein und Dr. Stefan Frank wie aus einem Mund.

„Also beschwören kann ich das nicht, aber ich bin ziemlich sicher, dass sie keine Journalistin ist.“

„Dann bitten Sie sie, sich vorn in den Aufenthaltsraum zu setzen, Schwester Ursula. Ich komme gleich.“

„Ist ihre Familie schon benachrichtigt worden?“, fragte Dr. Frank.

„Keine Ahnung. Die Polizei hat das in die Hand genommen. Hier in der Klinik hat sich, soweit ich weiß, noch keiner gemeldet.“

„Wenn es dir recht ist, komme ich mit zu dem Gespräch. Vielleicht hat die Freundin ja auch Kontakt zu Frau Sabirskis Familie. Dann können wir die Verwandten benachrichtigen.“

Im Herausgehen warf Christian Beierlein noch einen Blick auf Annika.

„Benimm dich anständig, ich bin gleich wieder da“, sagte er lächelnd zu ihr.

„Oh, ihr seid schon beim Du?“, fragte Stefan flapsig, und Christian Beierlein errötete.

Er sprach immer mit seinen Patienten, die im Koma lagen, obwohl sie wahrscheinlich nichts hörten. Aber bisher hatte das noch nie jemand kommentiert. Jetzt kam er sich ein bisschen albern vor.

Dr. Frank, dem die Reaktion des jungen Kollegen nicht entgangen war, überlegte kurz, ob er sich entschuldigen sollte. Doch dann beließ er es bei einem freundlichen Lächeln und einem aufmunternden Schulterklopfen.

Im Aufenthaltsraum fanden sie Annikas Mitarbeiterin vor, die aufgeregt durch den kleinen Raum schritt und an ihren Fingernägeln kaute.

„Sind Sie Annikas Ärzte? Wie geht es ihr? Was ist passiert?“, fragte sie mit zitternder Stimme.

„Sie sind eine Freundin von Frau Sabirski, ja?“, fragte Dr. Frank zurück.

„Ja.“ Karolina nickte. „Ich bin ihre Freundin und Mitarbeiterin. Wir wollen in zwei Monaten unser Restaurant eröffnen. Vielleicht haben Sie schon davon gehört. Aber was ist denn mit Annika? Kann ich zu ihr?“

„Im Augenblick leider nicht. Frau Sabirski ist von einem Auto angefahren worden“, erklärte Christian Beierlein.

„Was hat sie denn? Ist es schlimm? Warum kann ich nicht zu ihr?“, fragte Karolina mit Tränen in den Augen.

Die beiden Ärzte sahen sich kurz an. Die Schwester hatte richtig gelegen, Frau Wollweber war sicher nicht von der Presse, so ehrlich besorgt, wie sie war.

„Wir dürfen Ihnen leider keine umfassende Auskunft über den Gesundheitszustand Ihrer Freundin geben. Dazu müssten Sie mit ihr verwandt sein. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ihr Zustand im Augenblick stabil ist und es ihr, den Umständen entsprechend, gut geht“, sagte Christian Beierlein.

„Was soll ich denn damit anfangen? Hinter diesen Sprüchen kann sich alles verbergen. Bitte, sagen Sie mir, was mit Annika los ist. Bitte“, flehte Karolina.

„Versprechen Sie uns, dass Sie kein Wort an die Presse weitergeben?“, fragte Dr. Frank, dessen Menschenkenntnis ihm sagte, dass er Karolina vertrauen konnte.

„Natürlich. Was ist mit ihr?“

„Frau Sabirski ist bei dem Unfall mit dem Kopf auf die Straße aufgeschlagen und hat ein subdurales Hämatom. Das bedeutet, sie hat eine Blutung zwischen Hirnhaut und Gehirn. Durch die harte Schädeldecke kann das Hämatom nicht nach außen drücken, sondern nur nach innen, auf das Gehirn. Und wenn der Druck zu groß wird …“

„… dann funktioniert ihr Kopf nicht mehr?“, vervollständigte Karolina entsetzt.

„Nun, an so etwas müssen wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht denken“, beruhigte sie Dr. Stefan Frank. „Das Hämatom wird sich vermutlich zurückbilden, ohne einen Schaden zu verursachen. Bis dahin liegt Ihre Freundin im künstlichen Koma, so kann sich der Körper schneller erholen.“

„Hat man ihr den Kopf aufgeschnitten? Das macht man doch so bei Hirnblutungen, oder?“, fragte Karolina leise und ängstlich.

„Nicht immer. Das hängt von der Größe und Lage des Hämatoms ab. Ihre Freundin hatte Glück im Unglück. Wir brauchten sie nicht zu operieren“, sagte Christian Beierlein.

Er hatte sich entschieden, lieber zu verschweigen, dass erst das zweite CT endgültig zeigen würde, ob auf eine Operation verzichtet werden konnte.

„Dann dauert es jetzt nur ein paar Tage, und dann ist alles wieder okay?“, fragte Karolina, und es kam wieder Leben in ihre blassen Wangen.

„Wenn alles weiter so gut läuft, dann holen wir sie in drei oder vier Tagen aus dem künstlichen Koma“, sagte Christian.

„Wann kann ich denn zu ihr?“

„Vielleicht morgen, aber da werden Sie noch nicht mit ihr sprechen können.“

„Das ist egal, ich will sie nur sehen. Ich habe einen solchen Schreck bekommen, als die Polizei anrief. Ich habe gedacht … sie sei … sie sei …“

„Wissen Sie, ob die Polizei die Familie von Frau Sabirski informiert hat?“, fragte Dr. Frank.

„Viel Familie gibt es nicht mehr. Die Mutter ist vor drei Jahren gestorben, und mit dem Vater wollen Annika und ihr Bruder seit Jahren keinen Kontakt mehr haben. Bleibt also nur ihr Bruder, er wohnt in Hannover. Ich habe es übernommen, ihn zu benachrichtigen. Bisher habe ich ihn leider nicht persönlich erreicht. Aber ich habe eine Nachricht hinterlassen; ich denke, er wird sich bald melden.“

„Gibt es denn keinen Ehemann oder Freund?“, fragte Christian Beierlein, der sich kaum vorstellen konnte, dass eine so schöne Frau nicht vergeben war.

„Annika hat viele Verehrer, und ab und zu ist sie auch mal mit jemandem ausgegangen. Aber ich glaube, einen festen Freund hat sie nicht.“

Um die vollen Lippen von Christian Beierlein spielte fast unmerklich ein zufriedenes Lächeln. Seine hübsche Patientin war also noch zu haben.

***

Erst als es bereits dunkel war, kehrte Jochen Kehler mit dem Porsche zu seinem Autohaus zurück.

Nach dem Unfall war er einfach immer weiter gefahren. Erst als er nur noch Felder, Bäume und Wiesen gesehen hatte, war er an den Straßenrand gefahren, um den Schaden am Wagen zu begutachten. Zu sehen war ein dicker Kratzer und eine tiefe Delle; allerdings beschränkte sich der Schaden auf den linken Kotflügel. Die Reparatur würde nicht besonders teuer werden, wenn sich nicht noch der Rahmen verzogen hatte.

Jochen suchte fluchend nach seinem Handy. Endlich fiel ihm wieder ein, dass er es in den Fußraum geworfen hatte.

Sein Anruf galt einem alten Kumpel, der außerhalb von München eine kleine Autowerkstatt betrieb.

„Max, ich bin’s. Ich brauche deine Hilfe. Du musst unbedingt heute einen Kotflügel ausbeulen und neu spritzen“, sagte Jochen.

„Hi Jochen, altes Haus. Warum muss es bei dir immer schnell gehen? Ich habe heute volles Programm. Bring mir die Karre morgen, ja?“

„Nein, das geht nicht. Bitte, Max, das muss heute sein.“

„Dann komm vorbei, ich kann aber nichts versprechen.“

Erleichtert atmete Jochen auf. Ein Freund wie Max war in einer solchen Situation Gold wert. Max Niebel hielt sich nicht mit vielen Nachfragen auf. Er spritze schon mal einen Wagen zweifelhafter Herkunft um und reparierte diskret Unfallschäden.

Auf dem Weg zur Werkstatt zerbrach Jochen sich den Kopf darüber, ob sich einer der Passanten wohl das Auto und das Nummernschild gemerkt haben konnte.

Das ging doch alles so schnell, wahrscheinlich hat keiner so richtig etwas gesehen, beruhigte er sich selbst.

„Du hattest einen Unfall, nicht?“, fragte Max, als er den Schaden an dem Porsche begutachtet hatte. „Da hast du aber jemandem anständig eine verpasst, alter Freund“, ergänzte er grinsend.

„Beim Parken habe ich ein anderes Auto mitgenommen“, murmelte Jochen. „Den Porsche will ich verkaufen, deshalb kann ich den nicht offiziell reparieren lassen. Ich will nicht, dass ein Unfallschaden in den Papieren vermerkt ist. Das senkt den Preis. Und wegen so einer Kleinigkeit wäre das sehr ärgerlich“, ergänzte Jochen und schlug Max kumpelhaft mit der Faust gegen die Schulter.

Max fragte nicht weiter nach, aber an seinem Blick konnte Jochen ablesen, dass er ihm den „kleinen Einparkunfall“ nicht glaubte. Aber auf Max war Verlass, er würde schweigen. Sollte er doch denken, was er wollte.

„Geht mich ja auch nichts an“, sagte Max achselzuckend. „Wird aber bis heute Abend dauern. Geh spazieren, oder mach sonst was, aber steh mir hier nicht im Weg.“ Er grinste unverschämt. „Ich nehme an, du willst keine Rechnung? Achthundert bar auf die Kralle, sonst rühre ich keinen Finger.“

Jochen zog seine Brieftasche aus dem Sakko und zählte Max acht Scheine in die Hand. Jetzt besaß er nur noch zweihundert Euro. Er musste dringend Geld auftreiben.

Am frühen Abend kehrte Jochen in die Autowerkstatt zurück. Max hatte seinem Namen als Künstler unter den Automechanikern alle Ehre gemacht. Auf den ersten Blick sah der Porsche völlig unversehrt aus. Doch je nach Lichteinfall konnte man erkennen, dass die Farbe am Kotflügel ganz wenig von der des übrigen Autos abwich.

Als Jochen wieder am Steuer saß, fühlte er sich unwohl. Den Nachmittag über war es ihm einigermaßen gelungen, die Gedanken an den Unfall zu verdrängen, aber jetzt kamen sie wieder an die Oberfläche.

Jochen neigte zwar dazu, gesellschaftliche Regeln und Gesetze eher großzügig und zu seinen Gunsten auszulegen, aber seine Fahrerflucht lag ihm doch schwer im Magen. Immer wieder verfolgte ihn der entsetzte Blick der Radfahrerin. In seinem Kopf dröhnte der Aufprall, er sah die Frau durch die Luft fliegen und hart auf der Straße aufschlagen.

Andererseits hatten ja sofort ein paar Leute Erste Hilfe gleistet, da hätte er gar nichts tun können, beruhigte sich Jochen. Und wem wäre damit geholfen, wenn er sich stellen würde?

Was passiert ist, ist passiert. Es wird nicht besser und nicht schlechter, wenn nicht herauskommt, dass ich damit etwas zu tun habe.

Jochen schwitzte. Und wenn doch jemand das Auto und das Nummernschild genau gesehen hatte? Wenn die Radfahrerin sich an ihn erinnerte? Sollte er sich doch lieber stellen? Er könnte ja behaupten, er hätte so unter Schock gestanden, dass er nicht mehr wusste, was er tat.

Aber wie sollte er dann erklären, dass er sofort die Unfallschäden am Porsche hatte beseitigen lassen?

Er schaltete das Autoradio ein. Wenn die Radfahrerin bei dem Unfall schwer verletzt worden war oder gar tot, dann würde bestimmt in den Bayern-Nachrichten darüber berichtet werden.

„… und nun kommen wir zum Wetter für morgen. In ganz Bayern …“

Mit einem erleichterten Seufzer stellte Jochen das Radio aus. Nichts. Kein Wort über den Unfall. Dann konnte es nicht so schlimm gewesen sein …

***