Dr. Stefan Frank Großband 7 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank Großband 7 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

10 spannende Arztromane lesen, nur 7 bezahlen!

Dr. Stefan Frank - dieser Name bürgt für Arztromane der Sonderklasse: authentischer Praxis-Alltag, dramatische Operationen, Menschenschicksale um Liebe, Leid und Hoffnung. Dabei ist Dr. Stefan Frank nicht nur praktizierender Arzt und Geburtshelfer, sondern vor allem ein sozial engagierter Mensch. Mit großem Einfühlungsvermögen stellt er die Interessen und Bedürfnisse seiner Patienten stets höher als seine eigenen Wünsche - und das schon seit Jahrzehnten!

Eine eigene TV-Serie, über 2000 veröffentlichte Romane und Taschenbücher in über 11 Sprachen und eine Gesamtauflage von weit über 85 Millionen verkauften Exemplaren sprechen für sich:
Dr. Stefan Frank - Hier sind Sie in guten Händen!

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2260 bis 2269 und umfasst ca. 640 Seiten.

Zehn Geschichten, zehn Schicksale, zehn Happy Ends - und pure Lesefreude!

Jetzt herunterladen und sofort eintauchen in die Welt des Dr. Stefan Frank.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 1189

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Impressum

BASTEI LÜBBE AG Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Für die Originalausgaben: Copyright © 2014 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © shutterstock/Phovoir ISBN 978-3-7517-1122-7 www.bastei.de www.luebbe.de www.lesejury.de

Stefan Frank

Dr. Stefan Frank Großband 7

Inhalt

Stefan FrankDr. Stefan Frank - Folge 2260Henriette erwartet ein Baby, doch leider wird ihre Vorfreude auf die kleine Emma getrübt: Die werdende Mutter hat große Angst vor dem Vater des ungeborenen Kindes. Wenn Torsten wütend wird, neigt er seit einiger Zeit zu Gewaltausbrüchen. Immer öfter überlegt Henriette, ob sie ihre Tochter wirklich bei einem solchen Vater aufwachsen lassen darf. Und so sucht sie eines Tages, nach einem besonders schlimmen Wutausbruch, die Praxis von Dr. Frank auf und bittet ihn um seinen Rat. Der Grünwalder Arzt rät ihr, so schnell wie möglich den Kontakt zu Torsten abzubrechen und sich an "Starke Frauen" zu wenden. Die Organisation hilft Frauen, die Opfer ihrer gewalttätigen Partner werden. Was Stefan Frank nicht ahnt: Durch diesen Rat wird er selbst zur Zielscheibe von Torstens ungezügeltem Hass. Der brutale Unternehmer beschließt, Dr. Frank am eigenen Leib spüren zu lassen, wie es ist, wenn man seine Freundin verliert. Kurzentschlossen kidnappt er Alexandra Schubert...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2261Die sechsjährige Ramona Manstein ist furchtbar traurig, denn ihr Papa hat sich in letzter Zeit ziemlich verändert. Genau genommen ist mit ihm das Gleiche passiert wie mit den Papas von Schneewittchen und Aschenputtel im Märchen. Die sind nämlich auch von einer bösen Stiefmutter verhext worden, und die armen Kinder mussten das Ganze dann ausbaden. Früher hat sich Ramona immer darüber gewundert, was für dumme Papas es doch auf der Welt gibt. Und nun hat es ihren eigenen Papa auch erwischt! Ramona glaubt zwar nicht, dass Chantal sie davonjagen und einem Jäger befehlen wird, ihr das Herz herauszuschneiden, aber mit Sicherheit kann man das nicht wissen. Deswegen hat sie ihre Sachen gepackt und stiefelt nun durch den Wald. Irgendwo hier muss doch die Mühle sein, in der ihre Freundin Anne lebt. Und wenn sie die gefunden hat, wird sie nie wieder nach Hause zurückkehren...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2262Nachdem die hübsche Floristin Nadja von ihrem Freund verlassen wurde, zieht sie ihren kleinen Sohn Paul allein auf. Obwohl sie sehr enttäuscht ist, setzt sie alles daran, für sich und Paul ein neues, schöneres Leben aufzubauen. Zum Glück ist da ihr liebenswerter Nachbar Christopher, der ihr mit Rat und Tat zur Seite steht. Dass sie in letzter Zeit ständig müde ist, schiebt Nadja auf die große Belastung und kümmert sich nicht weiter darum. Christopher aber macht sich Sorgen um sie. Als sie schließlich sogar ohnmächtig wird, drängt er sie, Dr. Frank aufzusuchen. Der hat sofort einen furchtbaren Verdacht und schickt Nadja zu weiteren Untersuchungen in die Waldner-Klinik. Dort bestätigt sich Dr. Franks Befürchtung: Die junge Mutter leidet an Leukämie und muss sofort behandelt werden. Die Krankheit ist bereits weit fortgeschritten, und so gibt es für Nadja nur noch eine Hoffnung: Ein Knochenmarkspender muss gefunden werden. Doch leider sind die Chancen mehr als gering...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2263Nur einmal in ihrem Leben war Katja verliebt, dafür aber umso heftiger. Damals, in ihrem Italienurlaub, als sie den attraktiven Kunsthistoriker Jakob kennengelernt hat. Doch das ist vier Jahre her, und ihre Liebe hatte von vornherein keine Chance. Jakob hat ihr von Anfang an gesagt, dass er seine Freiheit liebt und sich nicht an eine Frau binden will. Und so haben sie sich getrennt, ohne einander auch nur eine Telefonnummer zu hinterlassen - ein Fehler, denn unmittelbar nach ihrem Urlaub musste Katja feststellen, dass sie schwanger ist. Inzwischen lebt sie mit ihrer bezaubernden dreijährigen Tochter Mia in München. Bisher waren die beiden sich selbst genug, doch in letzter Zeit fragt Mia immer wieder danach, wer ihr Papa ist. Der Wunsch nach einer männlichen Bezugsperson wird immer größer. Wie soll Katja der Kleinen nur erklären, dass sie nie einen Papa haben wird, weil ihre Mama ihr Herz vor vielen Jahren verschenkt und es nicht zurückbekommen hat?Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2264"Herr Dr. Frank, ich war ausnahmsweise bei ihrer neuen Kollegin, Frau Dr. Lindenau. Es war die schlechteste Idee, die ich seit Langem hatte. Diese Frau hat mich behandelt wie... wie den letzten Dreck. Sie... sie hat gesagt, dass ich zwar theoretisch ein neues Kniegelenk bräuchte, dass ich aber tatsächlich keins mehr bekommen würde - weil ich zu alt sei! So teure Operationen an alten Leuten seien reine Geldverschwendung." Voller Entsetzen mustert Dr. Frank seine Patientin Leni Windermann. Ob das stimmt, was die alte Dame ihm da gerade erzählt hat? Andererseits: Er hat noch von niemandem etwas Gutes über die neue Grünwalder Allgemeinmedizinerin Dr. Anna Lindenau gehört. Es sieht ganz danach aus, als hätte sie es ganz allein auf das Geld der reichen Privatpatienten abgesehen. Aber dass sie nicht einmal davor zurückschreckt, einen Patienten durch unterlassene Hilfeleistung zu töten, daran hätte er nie geglaubt. Und doch passiert genau das nur wenige Tage später...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2265Die junge Onkologin Hannah Clausen soll sich wegen eines Kunstfehlers vor Gericht verantworten. Dabei war es nicht sie, sondern ihr Chef, der durch seine falsche Behandlung den Tod des zwölfjährigen Benni mit zu verantworten hat! Zum Glück kann der Grünwalder Allgemeinmediziner Dr. Stefan Frank sie mit seiner Aussage vor Gericht rehabilitieren - zumindest vor den Augen des Gesetzes. Doch die Münchner Ärzte wollen der gebrandmarkten Jungmedizinerin, die sich noch in der Fachausbildung befindet, keine zweite Chance mehr geben. Als Hannah die folgende Anzeige im Grünwalder Wochenblatt entdeckt, sieht sie ihre Chance gekommen: "Lust auf ein unvergessliches Abenteuer mit wissenschaftlichem Hintergrund? Mediziner sucht noch eine Begleitung für eine mehrmonatige Expedition in den subarktischen Norden Kanadas, um die medizinischen Geheimnisse der Indianer zu erforschen."Erst später entdeckt sie den Zusatz: "Bitte ausschließlich Männer!" Doch das kann sie nun auch nicht mehr aufhalten. Sie wäre schließlich nicht die erste Frau in der Geschichte, die das Abenteuer ihres Lebens als Mann verkleidet erlebt. Erst als sie dem attraktiven Mediziner Paul Sanders gegenübersteht, der die Annonce aufgegeben hat, ahnt sie, dass ihr Plan Schwächen hat ...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2266Der Grünwalder Bäckermeister Horst Schröder traut seinen Ohren kaum, als er sich an diesem Morgen seiner Backstube nähert. "Backe, backe Kuchen...", tönt es - ziemlich schief - aus seinem Laden. Wer kann das nur sein? Vorsichtig öffnet er die Tür... und traut seinen Augen nicht! Vor ihm stehen drei kleine Mädchen, alle von oben bis unten mit Mehl verschmiert, und trällern das Kinderlied. Was nun tun? Soll er mit ihnen schimpfen? Nein, besser erst mal nachfragen, warum sie sich in die Bäckerei geschlichen haben. Als Nina, Ina und Kathrina ihm zaghaft beichten, warum sie hier sind, zieht sich Horst Schröders Herz vor Mitleid zusammen: Die Mutter der drei Mädchen liegt im Koma, und nun backen sie, um ihrer Mutti eine Freude zu machen. Denn Dr. Frank, ihr Arzt, hat gesagt, wenn ihre Mama sich ganz doll freut, dann wacht sie vielleicht wieder auf ...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2267Mit letzter Kraft schleppt sich Alissa Ermendorf in die Praxis von Dr. Frank. Noch nie in ihrem Leben hat sie sich so elend gefühlt! Jeder Knochen in ihrem Körper tut weh, ihr Kopf schmerzt unerträglich, und in ihrem Gesicht hat sich ein seltsamer Ausschlag ausgebreitet. Alissa ahnt: Sie muss sehr, sehr krank sein ... Ihre Befürchtung bestätigt sich nur wenige Minuten später. Mit dem Verdacht auf Denguefieber, eine tropische Viruserkrankung, lässt Dr. Frank seine junge Patientin in die Waldner-Klinik bringen. Der Grünwalder Arzt weiß: Vor ihr liegt eine sehr schwere Zeit. Es wird lange dauern, bis sie wieder gesund ist - wenn sie denn wieder gesund wird. Was er nicht ahnt: Alissa ist vor wenigen Tagen ihrer großen Liebe begegnet. Und für Jannik will sie kämpfen!Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2268Tessa Brandner es kaum fassen. Nach einer großen Enttäuschung hat sie alles verloren: ihre Heimat, ihre Liebe und ihre Arbeitsstelle. Nun jedoch lacht ihr das Glück! Im Skiurlaub hat sie Stefan Frank kennengelernt, und der hat ihre eine Anstellung als Hebamme an der Waldner-Klinik verschafft. Auf keinen Fall will sie den netten Arzt enttäuschen, deshalb arbeitet sie hart und findet sich schnell in ihre neuen Aufgaben hinein. Dank ihrer menschlichen Wärme und ihrer fachlichen Kompetenz vertrauen ihr die werdenden Mütter bald ebenso wie ihre Kollegen. Als sie dann auch noch ihren neuen Nachbarn Patrick Reuther kennenlernt, ist das Leben auf einmal wieder schön. Noch ahnt Tessa nicht, dass an ihrem Schicksalshimmel die nächsten Wolken aufziehen - und die sind tiefschwarz! Auf der Geburtsstation häufen sich rätselhafte Zwischenfälle. Offenbar wurden einige werdende Mütter mit einem Medikament behandelt, das lebensgefährliche Blutungen hervorrufen kann. Sofort fällt der Verdacht auf "die Neue", Tessa. Selbst Patrick zweifelt an seiner Liebsten. Soll ihr Glück schon wieder vorbei sein?Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2269Emmy und Nicole sind Freundinnen seit Kindertagen. Dabei sind sie so verschieden, wie zwei Frauen nur sein können! Emmy sei eine "Sommerfrau", behauptet Nicole immer, weil die Freundin die Sonne liebt und sehr impulsiv ist. Sich selbst hingegen bezeichnet sie als "Winterfrau". Nicole mag es ruhig und beschaulich, liebt gemütliche Abende vor dem Kamin. Nichts kann sie mehr begeistern als eine verschneite Landschaft! Doch Nicole teilt nicht nur ihre Freundinnen in Sommer- und Wintertypen ein, sondern auch die Männer. Wintermänner, so behauptet sie, seien die verlässlichen, vernünftigen; die Sommermänner jedoch seien mit Vorsicht zu genießen: zu unzuverlässig, zu unstet, zu sehr auf ihr Vergnügen bedacht. Und dann verliebt sie sich ausgerechnet in den strahlendsten aller Sommermänner. Ob das gut gehen kann?Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Alexandra in Gefahr

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy/Bastei Verlag

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-0237-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Alexandra in Gefahr

Als Dr. Frank um seine Liebste bangen musste

Henriette erwartet ein Baby, doch leider wird ihre Vorfreude auf die kleine Emma getrübt: Die werdende Mutter hat große Angst vor dem Vater des ungeborenen Kindes. Wenn Torsten wütend wird, neigt er seit einiger Zeit zu Gewaltausbrüchen. Immer öfter überlegt Henriette, ob sie ihre Tochter wirklich bei einem solchen Vater aufwachsen lassen darf. Und so sucht sie eines Tages, nach einem besonders schlimmen Wutausbruch, die Praxis von Dr. Frank auf und bittet ihn um seinen Rat.

Der Grünwalder Arzt rät ihr, so schnell wie möglich den Kontakt zu Torsten abzubrechen und sich an „Starke Frauen“ zu wenden. Die Organisation hilft Frauen, die Opfer ihrer gewalttätigen Partner werden. Was Stefan Frank nicht ahnt: Durch diesen Rat wird er selbst zur Zielscheibe von Torstens ungezügeltem Hass. Der brutale Unternehmer beschließt, Dr. Frank am eigenen Leib spüren zu lassen, wie es ist, wenn man seine Freundin verliert. Kurzentschlossen kidnappt er Alexandra Schubert …

„Henriette, wie schön, dass wir uns endlich mal wieder sehen!“ Völlig außer Atem nahm Claudia Schreiber ihre Freundin in den Arm und küsste sie auf beide Wangen. „Da hat es so lange nicht geklappt, und jetzt komme ich auch noch zu spät! Tut mir leid, aber du weißt ja bestimmt noch, wie das ist; ich kam einfach nicht los aus unserem Kindergarten.“

„Ja, ja, ich erinnere mich“, bestätigte Henriette Siemsen etwas wehmütig. „Ich weiß noch gut, wie schwer es ist, pünktlich Feierabend zu machen. Aber nun bist du ja da.“

„Lass dich ansehen. Wie geht es dir? Oder besser: Wie geht es euch?“, fragte Claudia und richtete ihren Blick auf Henriettes gewölbten Bauch. „In den letzten zwei Monaten ist das Kleine ja anständig gewachsen. Was wird es denn? Mädchen oder Junge?“

„Ein Mädchen“, sagte Henriette stolz und strich sich lächelnd über die kleine Babykugel. Ihre grünen Augen strahlten vor Glück.

„Wie soll sie denn heißen?“

„Das wissen wir noch nicht. Torsten möchte eher einen französisch klingenden Namen, so wie Yvonne oder Jaqueline, aber ich finde etwas Einfacheres besser. Mein Favorit ist Emma.“

„Emma. Schöner Name. Gefällt mir auch besser.“

Eine Kellnerin kam an den Tisch und fragte Claudia nach ihrem Wunsch.

„Einen Cappuccino, bitte.“

„Kann ich Ihnen auch noch etwas bringen? Ein Stück Kuchen vielleicht?“, fragte die Kellnerin und sah Henriette freundlich-belustigt an, denn die junge Frau hatte in der letzten halben Stunde schon zwei Stücke Apfeltorte mit Sahne verspeist.

„Ich glaube, ich nehme noch ein Stück von dem köstlichen Apfelkuchen, aber diesmal ohne Sahne.“ Henriette sah lachend ihre Freundin an und zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Seit ein paar Tagen kann ich riesige Mengen Kuchen vertilgen. Die Kleine ist offensichtlich eine ganz Süße.“

„Und hast du auch Lust auf Schokoladenpudding mit Gewürzgurken?“

„Bisher zum Glück nicht“, antwortete Henriette lachend.

„Und sonst? Alles okay mit dir und Torsten?“, fragte Claudia vorsichtig.

„Alles wunderbar. Torsten hat sich wirklich geändert. Er ist ganz besorgt um mich und kümmert sich rührend“, antwortete Henriette schnell. Nervös strich sie sich das lange blonde Haar aus dem hübschen Gesicht und lächelte ein wenig aufgesetzt.

„Na, dann will ich hoffen, dass das so bleibt“, sagte Claudia. Ihrer Stimme konnte man anmerken, dass sie dem Frieden im Hause ihrer Freundin nicht traute.

Henriette hatte sich vor einem halben Jahr nach langem Hin und Her endlich von ihrem krankhaft eifersüchtigen Freund Torsten Schmidt getrennt. Claudia hatte sie darin bestärkt, denn sie wusste, dass Torsten, wenn er in Rage geriet, auch mal handgreiflich wurde.

Doch kaum waren die beiden auseinander gewesen, hatte Henriette festgestellt, dass sie schwanger war. Das hatte alles verändert.

Henriette hatte sich erneut auf Torsten eingelassen, weil sie glaubte, nicht das Recht zu haben, ihm sein Kind vorzuenthalten. Nachdem er ihr hoch und heilig versprochen hatte, sich zu ändern, war sie wieder in seine Wohnung gezogen.

„Wann ist der errechnete Geburtstermin?“

„In zwei Monaten und einundzwanzig Tagen“, antwortete Henriette, ohne nachzudenken.

„Ich verstehe bis heute nicht, warum du bei uns gekündigt hast. Du hättest doch in Elternzeit gehen können, dann wäre deine Stelle nicht weg. Willst du denn nicht irgendwann nach der Geburt wieder arbeiten?“

„Doch, eigentlich schon. Die Arbeit hat mir immer großen Spaß gemacht und fehlt mir auch. Aber Torsten meint, dass er finanziell allein für seine Familie sorgen kann. Ich soll mich nur um unser Kind und ihn kümmern. Er hält nichts von Müttern, die arbeiten. Er glaubt, dass es nicht gut für das Kind und die Familie ist“, sagte Henriette und schaute dabei intensiv auf ihren Kuchen.

„Torsten meint, Torsten glaubt, Torsten will! Merkst du eigentlich, was du da sagst? Er will dich doch immer noch völlig unter Kontrolle haben! Unter ‚ändern‘ verstehe ich etwas anderes. Was willst du denn? Bist du wirklich glücklich bei dem Gedanken, immer nur zu Hause zu sitzen und völlig abhängig von Torsten zu sein?“

„Abhängig ist doch Quatsch“, behauptete Henriette mit leiser Stimme. „Ich will mich auch erst mal um meine Familie kümmern. Und in einem Jahr kann man dann ja weitersehen. Wenn alles gut läuft, hat Torsten bestimmt nichts dagegen, dass ich wieder arbeite. Ich finde dann schon eine neue Stelle.“

„Ach Henriettchen!“ Claudia seufzte. „Wenn das mal richtig war, sich wieder mit Torsten zusammenzutun.“

„Das war richtig und ist außerdem meine Sache. Misch dich da nicht ein“, sagte Henriette scharf.

„Entschuldigung. Ich wollte dir nicht zu nahe treten.“ Claudia griff über den Tisch nach der Hand ihrer Freundin. „Ich mache mir eben Sorgen um dich. Um dich und die kleine Emma.“

„Ist schon gut. Du hast ja immer noch den alten Torsten vor Augen, aber er hat sich wirklich geändert. Glaube mir!“

Claudia nickte und schluckte die bissige Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag, herunter.

„Nun erzähl aber mal etwas von dir und von unserem Kindergarten. Wie macht sich denn der Kollege, der für mich gekommen ist? Ist er nett?“, fragte Henriette betont fröhlich.

„Sehr nett.“ Claudia grinste. „Du hast ihn gar nicht mehr kennengelernt, oder?“

Henriette schüttelte den Kopf.

„Er heißt Niklas Raben, ist zweiunddreißig und sieht ziemlich bis sehr gut aus“, schwärmte Claudia. „Außerdem kann er richtig gut mit den Kleinen umgehen. Es ist wirklich toll, mal einen Mann als Erzieher zu haben. Irgendwie reagieren die Kinder anders auf ihn als auf Frauen.“

Claudia hielt inne und blickte ihre Freundin an.

„Damit will ich natürlich nicht sagen, dass es nicht auch ganz toll war, mit dir zu arbeiten. Versteh das bitte nicht falsch“, ergänzte sie schnell.

„Ich verstehe das schon richtig“, versicherte Henriette grinsend. „Gegen einen attraktiven Kerl kann ich nicht anstinken. Und? Läuft da was zwischen euch beiden?“

Claudia zuckte mit den Schultern und errötete leicht.

„Nee, das wäre bestimmt auch schwierig. Liebe am Arbeitsplatz ist immer kompliziert. Aber ein toller Typ ist er schon.“

„Hat er denn eine Freundin?“

„Ich glaube nicht, es ist jedenfalls noch keine aufgetaucht.“

„Dann sei nicht blöd. Lade ihn doch mal ein. Du bist jetzt schon wie lange allein?“

„Fast zwei Jahre. Ich bin völlig aus der Übung. Ich kann ihn doch nicht einfach fragen, ob er mein Freund werden will!“ Claudia sah Henriette hilfesuchend an.

„Na ja, du solltest vielleicht nicht mit der Tür ins Haus fallen. Geht doch erst mal zusammen ins Kino, und guckt dann, was passiert.“

„Ach, ich weiß nicht. Und wenn er Nein sagt? Dann stehe ich ganz schön dumm da.“

„Du bist mir ja eine! Mir hast du immer gesagt, dass ich selbstbewusst sein und Torsten endlich die Stirn bieten soll. Aber wenn es um dich geht, dann benimmst du dich wie ein scheues Reh.“

„Es ist immer leichter, anderen gute Ratschläge zu geben.“ Claudia grinste. „Du hast ja recht.“

„Also gut, dann machen wir jetzt einen Plan, wie du an Niklas herankommst.“

Die beiden Freundinnen begannen, sich verschiedene Szenarien auszumalen, und hatten viel Spaß dabei. Die Zeit verging wie im Fluge.

Irgendwann fiel Henriettes Blick auf ihre Armbanduhr, und sie erschrak.

„Oh, ich muss sofort los. Ich habe versprochen, dass das Essen fertig ist, wenn Torsten nach Hause kommt. Ich habe völlig die Zeit aus den Augen verloren!“ Sie war schon aufgestanden und kramte in ihrer Handtasche nach der Geldbörse.

„Wenn du es so eilig hast, dann geh nur. Ich bezahle“, bot Claudia an. „Und beim nächsten Mal bist du dann dran. Ich hoffe, dass es nicht wieder zwei Monate dauert, bis wir uns wiedersehen.“

„Ganz bestimmt nicht“, sagte Henriette. „Ich rufe dich an, ganz bald. Versprochen!“

„Denk dran, ich bin ab morgen für vier Tage auf einer Fortbildung.“

Henriette hauchte noch einen Abschiedskuss auf die Wange ihrer Freundin und verließ dann mit schnellen Schritten das Café.

***

Auf dem Weg zur U-Bahn überlegte Henriette, ob sie alles für das Abendessen im Haus hatte.

„Kartoffeln, Erbsen, Steaks, Butter, alles da“, murmelte sie vor sich hin.

Zum Glück musste sie nicht noch einkaufen, denn dann hätte sie es auf gar keinen Fall geschafft, rechtzeitig fertig zu werden.

Sie blickte wieder auf ihre Uhr und beschleunigte ihre Schritte. Hoffentlich erwischte sie die Bahn um zehn nach noch! Wenn sie die verpasste, würde sie zwanzig Minuten auf die nächste warten müssen.

Ihr wurde flau bei dem Gedanken, dass Torsten vor ihr zu Hause sein könnte. Wie sollte sie ihm nur erklären, dass sie so spät kam? Er hatte ihr eindeutig klargemacht, dass er es nicht gern sah, wenn sie sich mit Freunden traf. Er würde wütend sein. Sehr wütend.

„Aber Torsten hat sich geändert“, beruhigte sie sich selbst. „Henriette, jetzt reiß dich zusammen, du brauchst keine Angst vor ihm zu haben. In den letzten Monaten war doch alles gut. Selbst wenn er mal sauer war, hat er nicht zugeschlagen. Er liebt dich und das Kind. Er hat sich geändert. Er hat sich im Griff.“

Ihre eigene Stimme beruhigte sie etwas. Trotzdem war ihr tief in ihrem Innersten klar, dass die gute Stimmung zwischen ihr und Torsten sehr brüchig war.

Keuchend erreichte sie die Bahnstation und rannte die Treppe herunter. Sie hörte, dass ihre Bahn einfuhr.

„Zurückbleiben, bitte“, tönte es aus den Lautsprechern.

Die automatischen Türen schlossen sich bereits, als es Henriette gerade noch gelang, in die U-Bahn zu springen.

Sie war zwar im Wagen, aber bei dem hektischen Einstieg war der Riemen ihrer Handtasche von der Schulter gerutscht. Die Tasche lag auf dem Bahnsteig.

„Mist“, fluchte Henriette und versuchte vergeblich, die Tür der U-Bahn wieder zu öffnen.

Sie sah, dass ein junger Mann sich nach ihrer Tasche bückte. Er hob sie auf, hielt sie hoch und lächelte Henriette, die ihr Gesicht an die Scheibe der Tür gepresst hatte, bedauernd an.

Henriette gestikulierte wild. Sie zeigte auf die Tasche, machte eine Geste des Öffnens und hielt sich dann den Daumen der rechten Hand ans Ohr und den kleinen Finger vor den Mund.

„In der Tasche ist meine Adresse und Telefonnummer. Bitte rufen Sie mich an. Ich hole die Tasche dann ab“, sagte sie, obwohl ihr bewusst war, dass der Finder sie nicht hören konnte.

Aber der Mann schien trotzdem verstanden zu haben. Er nickte, und auch er telefonierte mit seiner Hand.

Die Bahn fuhr los, und kurze Zeit später verschwand der Zug im Tunnel.

Henriette blieb nervös an der Tür stehen. Sollte sie an der nächsten Station aussteigen und zurückfahren? Aber der Mann mit ihrer Tasche war dann bestimmt nicht mehr da.

Sie konnte nur hoffen, dass er ein ehrlicher Finder war und sie ihre Habseligkeiten zurückbekam. Ein sympathisches, offenes Gesicht hatte er ja gehabt. Hoffentlich täuschte das nicht.

Sie ließ sich auf einen freien Sitz fallen und griff in ihre Jackentasche. Das kalte Metall des Wohnungsschlüssels beruhigte sie. Zum Glück hatte sie den Schlüssel nicht in der Handtasche gehabt. Das wäre eine echte Katastrophe gewesen!

So würde sie Torsten gar nichts von dem Verlust der Tasche erzählen müssen. Er wäre bestimmt wütend, weil sie so schusselig gewesen war, ihre Tasche zu verlieren. Und außerdem hätte sie ihm dann beichten müssen, dass sie gegen seinen Willen ausgegangen war.

***

Auf dem Bahnsteig sah Adrian Vanderwelt dem abfahrenden Zug nach. Er öffnete die Handtasche und holte das Portemonnaie heraus. In einer Sichthülle steckte ein Personalausweis.

„Henriette Siemsen, Albert-Koch-Straße 27 in 82031 Grünwald“, las Adrian.

Er drehte den Ausweis um und sah sich das Foto von Henriette an. Eine wirklich attraktive Frau, aber in Wirklichkeit war sie noch schöner als auf dem Foto.

Adrian versuchte zu schätzen, wie alt sie war. Siebenundzwanzig, war sein Tipp.

Er verglich seine Schätzung mit den Angaben auf dem Ausweis. Er hatte sich nur um ein Jahr verschätzt, Henriette Siemsen war achtundzwanzig, zwei Jahre jünger als er selbst.

Adrian überlegte kurz, ob er nach der Telefonnummer von Henriette suchen sollte, entschied sich dann aber, nach Grünwald zu fahren, um ihr die Tasche persönlich zu bringen. Sie würde sich bestimmt freuen.

***

Als Henriette in ihrer Wohnung ankam, musste sie sich erst mal aufs Sofa legen. Die Kleine schien die Aufregung ihrer Mutter gespürt zu haben und strampelte wild in ihrem Bauch.

„Emma, süße Emma, es ist alles wieder gut“, sagte Henriette und legte beruhigend ihre Hände auf den Bauch. „Deine Mama hätte auf den Papa hören und schön zu Hause bleiben sollen. Jetzt schlaf, meine Süße, die Mama muss doch Essen kochen, damit der Papa nicht böse wird.“

Nach einigen Minuten fühlte sich Henriette wieder fit, und auch die Kleine hatte sich beruhigt. Henriette stand auf und begann, die Vorbereitungen für das Essen zu treffen. In einer halben Stunde würde Torsten kommen. Wenn sie sich beeilte, konnte sie bis dahin fast fertig sein.

Sie setzte die Kartoffeln auf und deckte den Tisch, da klingelte es an der Tür.

Henriette erschrak. Ob Torsten seinen Schlüssel vergessen hatte?

Nein, das konnte nicht sein, er vergaß nie etwas.

Als sie die Tür öffnete, blickte sie in das lachende Gesicht des Fremden vom Bahnsteig, der ihr die verlorene Handtasche wie eine Eintrittskarte präsentierte.

„Hier“, sagte er und schüttelte etwas verlegen die dunklen Locken aus seinem Gesicht.

„Oh, vielen Dank“, rief Henriette erleichtert. „Aber Sie hätten sich nicht extra herbemühen müssen. Ich hätte die Tasche auch abgeholt.“

„Kein Problem. Ich habe heute meinen freien Tag und dachte, ich tue mal etwas Gutes“, erklärte er grinsend.

„Äh, möchten Sie kurz hereinkommen? Sie haben ja Anspruch auf Finderlohn.“

Er blickte sie irritiert an. Offenbar hatte er nicht einen Gedanken an einen möglichen Finderlohn verschwendet.

„Ich will für diese kleine Gefälligkeit keine Belohnung. Ich könnte allerdings einen Kaffee vertragen. Meinen Sie, das wäre möglich?“

Statt zu antworten, blickte Henriette auf ihre Uhr.

„Wenn Sie keine Zeit haben, ist das auch in Ordnung“, sagte er schnell. „Ich will mich nicht aufdrängen.“

„Doch, doch, ich habe Zeit. Zwar nicht sehr viel, aber für einen Kaffee reicht es.“

Henriette führte ihn in die Küche und füllte Wasser in den Kaffeeautomaten. Noch einmal blickte sie verstohlen auf die Uhr. Noch zwanzig Minuten, bis Torsten kam. Bis dahin sollte der junge Mann mit dem freundlichen Gesicht und den lustigen Locken seinen Kaffee ausgetrunken haben.

„Ich heiße übrigens Adrian Vanderwelt.“

„Ich bin Henriette Siemsen, aber das wissen Sie ja schon.“ Henriette lachte. „Trinken Sie Ihren Kaffee mit Milch und Zucker?“

„Schwarz, bitte.“

Während Henriette mit dem Kaffeegeschirr hantierte, beobachtete Adrian sie verstohlen. Er hatte durch die Tür der U-Bahn gar nicht gesehen, dass sie schwanger war. Deshalb leuchtete ihr Gesicht so geheimnisvoll! Adrian war immer wieder fasziniert, welche Ausstrahlung die meisten schwangeren Frauen hatten.

„Wann ist es denn so weit?“, fragte er.

„Keine drei Monate mehr.“ Henriette lächelte stolz. „Es wird ein Mädchen.“

„Herzlichen Glückwunsch. Haben Sie schon überlegt, in welcher Klinik Sie entbinden werden?“

Henriette kräuselte die Stirn. Was dieser Adrian für Fragen stellte!

„Wahrscheinlich gehen wir in die Waldner-Klink“, sagte sie. „Warum interessiert Sie das?“

„Die Waldner-Klinik ist eine gute Wahl. Dann werden wir uns bald wiedersehen. Ich arbeite dort als Pfleger auf der Säuglingsstation.“

„Oh, ich habe gedacht, dass auf Säuglingsstationen nur Frauen arbeiten“, sagte Henriette überrascht.

Adrian lachte. „Die meisten sind irritiert, wenn sie hören, wo ich arbeite. Aber für mich gibt es keinen schöneren Arbeitsplatz. Ich liebe Kinder. Wenn ich mal die richtige Frau finde, dann will ich eine ganze Fußballmannschaft.“ Er lächelte, dann fügte er augenzwinkernd hinzu: „Na ja, wenigstens eine Handballmannschaft.“

Henriette setzte sich zu ihm an den Tisch. Da hatte ihr ein glücklicher Zufall jemanden ins Haus geschickt, bei dem sie alle Fragen zur Geburtsabteilung der Waldner-Klinik loswerden konnte. Und Fragen hatte sie viele.

Henriette löcherte Adrian, der bereitwillig antwortete.

„Heutzutage sind die Väter fast immer bei der Geburt dabei“, sagte er gerade. „Aber es passiert immer wieder, dass mal jemand in Ohnmacht fällt. Neulich hatten wir einen, der hat vor der Geburt große Sprüche geklopft und wollte alles filmen. Das Köpfchen des Kindes war noch nicht ganz da, da fiel er um wie ein gefällter Baum. Und seine Frau hat gesagt: ‚Kümmern Sie sich bitte erst mal um meinen Mann, ich kriege ja nur ein Kind‘. Frauen sind echt hart im Nehmen.“

Henriette prustete los.

„Ich kriege ja nur ein Kind …“, wiederholte sie lachend.

Sie hatten nicht bemerkt, dass Torsten inzwischen in der Tür zur Küche stand. Sein Gesicht war rot angelaufen, seine Augen zu schmalen Schlitzen verengt, und auf seiner Stirn hatte sich eine tiefe Zornesfalte eingegraben.

„Was ist denn hier los? Wer ist der Kerl?“, schrie er wütend.

Henriette zuckte zusammen, und sämtliche Farbe wich aus ihrem Gesicht. Sie hatte so entspannt mit Adrian geplaudert, dass sie heute schon zum zweiten Mal die Zeit vergessen hatte.

„Schatz, äh … du bist schon da! Äh … das ist Adrian, er hat … ich meine, er ist … ich habe meine Tasche …“, stammelte sie und knetete nervös ihre Hände.

„Raus“, brüllte Torsten. Er packte den verdutzten Adrian am Kragen, zerrte ihn vom Stuhl hoch und schubste ihn unsanft vor sich her.

„Das ist ein Missverständnis. Lassen Sie mich doch erklären …“, versuchte Adrian, die Situation zu entschärfen.

Nur mühsam konnte er sich beherrschen. Was bildete sich dieser Mann ein? Er hatte doch nur ganz harmlos mit Henriette am Tisch gesessen!

„Raus, habe ich gesagt. Wenn ich noch ein Wort höre von dir, Bürschchen, dann prügel ich dich windelweich“, drohte Torsten.

Wieder griff er an Adrians Hemd, dann schob er ihn zur Wohnungstür. Mit einem kräftigen Stoß beförderte er ihn in den Hausflur.

„Wenn ich dich noch einmal hier sehe, dann gnade dir Gott!“ Torsten hob drohend seine Faust und schlug mit einer solchen Wucht die Tür zu, dass es im Treppenhaus widerhallte.

Adrian brauchte ein paar Sekunden, um zu verarbeiten, was gerade geschehen war. Er starrte auf die geschlossene Tür, unschlüssig, ob er noch einmal klingeln sollte. Sicher würde dieser Mann seine Wut nun an seiner schwangeren Frau auslassen.

Adrian sorgte sich um Henriette. Wieso war eine so sympathische und attraktive Frau mit einem solchen Mann liiert?

Aus der Wohnung dröhnte unverständliches, wütendes Geschrei und so etwas wie dumpfe Schläge. Schlug er Henriette etwa?

Adrian hatte gerade die Hand erhoben, um den Klingelknopf zu betätigen, als die Tür der Nachbarwohnung geöffnet wurde.

„Ich würde jetzt nicht klingeln, junger Mann“, sagte die ältere Dame, die aus der Tür getreten war.

„Ich glaube, da wird eine Frau misshandelt. Ich muss doch was tun“, empörte sich Adrian.

„Das hat keinen Zweck, glauben Sie mir. Früher ist das öfter vorgekommen, dass sich die beiden furchtbar gestritten und geprügelt haben. In ihrer Schwangerschaft war es eine Weile besser. War wohl nicht von langer Dauer“, sagte die Frau resigniert.

„Ich rufe jetzt die Polizei“, beschloss Adrian. „Man muss die Frau vor diesem Schläger schützen!“

„Wenn Sie wollen, rufen Sie die Polizei. Aber ich kann Ihnen sagen, was dann passiert.“

Adrian sah die Nachbarin aufmerksam an. Sie sprach nicht weiter.

„Was passiert denn dann?“, fragte er.

„Ich habe selbst schon zweimal die Polizei gerufen. Als die Beamten endlich kamen, war natürlich wieder Ruhe eingekehrt. Herr Schmidt hat die Tür geöffnet und ganz freundlich gesagt, dass es nur ein kleiner Ehekrach war. Und seine Frau hat behauptet, dass sie das blaue Auge hat, weil sie vor eine geöffnete Schranktür gelaufen ist.“ Die alte Dame zuckte mit den Schultern. „Wenn das so ist, dann kann auch der beste Polizist nichts machen.“

Unschlüssig spielte Adrian mit seinem Handy. Aus der Wohnung hörte man jetzt nichts mehr.

Adrian legte sein Ohr an die Tür und hoffte, ein Lebenszeichen von Henriette zu hören. War es ein leises Weinen, was da zu ihm durchdrang, oder bildete er sich das ein?

„Sehen Sie, es ist schon vorbei“, sagte die alte Dame.

„Und wenn er sie ernsthaft verletzt hat? Henriette ist schwanger. Was ist, wenn dem Kind etwas passiert ist?“, fragte Adrian verzweifelt. „Nein, ich kann hier nicht tatenlos rumstehen. Ich muss etwas tun!“

Er klingelte. Als sich in der Wohnung nichts rührte, klopfte er energisch gegen die Tür.

Keine Reaktion. Adrian fühlte sich furchtbar hilflos.

„Jetzt wird niemand öffnen, junger Mann. Das kenne ich schon“, sagte die Nachbarin und fasste Adrian am Arm. „Wenn es Sie beruhigt, dann verspreche ich Ihnen, dass ich in einer halben Stunde mal klingle und nach einem Ei oder Zucker frage. Dann werde ich ja sehen, ob alles in Ordnung ist.“

Adrian nickte. Mit einem verzweifelten Blick auf die verschlossene Tür ging er langsam die Treppe hinunter. Sein Gewissen plagte ihn. Aber was hätte er tun können?

***

„Guten Morgen, Marie-Luise, det ist ja ein scheußliches Wetter heute“, begrüßte Martha Giesecke, die langjährige Sprechstundenhilfe von Dr. Frank, ihre jüngere Kollegin. „Trotz Schirm bin ich janz nass geworden.“

„Morgen, Schwester Martha. Ja, furchtbares Wetter. Ich hatte Glück, dass ich es zwischen zwei Schauern in die Praxis geschafft habe. Soll ich Ihnen ein Handtuch holen?“

„Nicht nötig. Bin ja nicht aus Zucker.“

„Werden Sie bloß nicht krank, Martha. Ich habe doch nächste Woche Urlaub und alles schon gebucht“, sagte Marie-Luise besorgt.

„Keine Sorge, det wird schon klappen. Wenn ein Schnupfen kommt, dann gehe ich schnell zum Arzt. Ick hab es ja nicht weit.“ Martha grinste. „Was erwartet uns denn heute Vormittag?“

„Sieht bisher sehr ruhig aus. Bis auf Frau Siemsen, die heute Morgen schon vor der Tür stand, ist noch kein Patient ohne Termin aufgetaucht. Wenn das so bleibt, können wir gleich mit der Quartalsabrechnung beginnen und brauchen das nicht nach Feierabend zu machen.“

„Det wäre ja mal was ganz Neues. Ne Quartalsabrechnung während der normalen Arbeitszeit … verrückt! Ist denn der Chef schon da?“

„Kurz vor Ihnen gekommen. Wir können pünktlich starten. Soll ich Frau Siemsen vorziehen? Sie ist die Treppe heruntergefallen und sieht ziemlich schlimm aus, ein blaues Auge und vermutlich ein gebrochener Arm. Herr Schönfelder, der um acht den ersten Termin hat, ist zwar auch schon da, aber der meckert ja nie, wenn er etwas warten muss.“

„Dann soll sich der Chef als Erstes Frau Siemsen ansehen“, entschied Martha Giesecke. „Det hört sich ja nicht gut an. Hoffentlich ist bei dem Sturz das Kind nicht zu Schaden gekommen.“

„Ich habe sie natürlich gefragt, ob sie auch auf den Bauch gefallen ist. Aber sie meinte, dem Kind sei nichts passiert.“

„Der Chef wird sich trotzdem vergewissern wollen, det mit dem Baby alles in Ordnung ist“, prophezeite Martha, dann ging sie ins Behandlungszimmer und begrüßte Dr. Frank. „Können wir loslegen, Chef? Ick würde Ihnen gern als Erstes Frau Siemsen schicken, sie ist gestern mal wieder gestürzt.“

Martha sah ihren Arbeitgeber vielsagend an, holte mit der Hand aus und ohrfeigte die Luft vor ihr.

„Sie glauben, dass sie geschlagen worden ist?“, fragte Dr. Frank.

„Als sie det letzte Mal hier war, hatte sie Hämatome an den Oberarmen und eine aufgeplatzte Oberlippe. Det Mal davor hatte sie ein blaues Auge und eine Platzwunde an der Augenbraue. Und jedes Mal ist sie angeblich gestürzt. Da liegt der Verdacht doch nahe, det sie geschlagen wird, oder?“

„Sie haben recht, Schwester Martha, ich sehe das genauso. Ich habe Frau Siemsen die beiden Male, als sie hier war, darauf angesprochen, aber sie hat steif und fest behauptet, sie sei gestürzt.“ Der Arzt seufzte resigniert. „Wie so vielen misshandelten Frauen ist es ihr vermutlich peinlich, darüber zu reden.“

Kurze Zeit später betrat Martha mit Henriette das Sprechzimmer. Ihre linke Hand hatte die junge Frau stützend unter den rechten Arm gelegt. Trotz des Regenwetters trug sie eine große Sonnenbrille, die die blau-rote Färbung um ihr linkes Auge aber nicht ganz verdecken konnte.

„Frau Siemsen, nehmen Sie doch Platz“, bat der Arzt freundlich. „Was ist passiert?“

„Ich bin gestern Abend die Treppe heruntergefallen und unglücklich auf meiner Hand gelandet. Außerdem bin ich ganz dumm mit dem Kopf auf eine Treppenstufe aufgeschlagen, sodass ich jetzt ein blaues Auge habe“, behauptete Henriette. „Zum Glück bin ich nicht auf den Bauch gefallen!“

Sie lachte unsicher und schob den Ärmel ihrer Bluse hoch, um den verletzten Arm zu zeigen. Ihr rechter Unterarm war dick geschwollenen und gerötet.

„Dann wollen wir mal sehen …“ Dr. Frank stand auf, ging um seinen Schreibtisch herum und bestastete die verletzte Hand.

Henriette unterdrückte einen Schmerzensschrei und zog mit verzerrtem Gesicht die Luft zwischen zusammengebissenen Zähnen ein.

„Ich weiß, das tut weh. Aber zum Untersuchen muss ich Ihnen leider kurz wehtun. Ich bin so vorsichtig, wie es geht“, versprach Dr. Frank mitfühlend. „Können Sie Ihre Finger bewegen?“

Henriette ballte langsam ihre Finger zu einer Faust und streckte sie dann vorsichtig wieder aus.

„Es geht, aber es ist sehr unangenehm.“

„Jetzt knicken Sie bitte mal das Handgelenk nach oben und nach unten ab“, bat der Arzt.

Bei dem Versuch, das Handgelenk zu bewegen, schossen Henriette Tränen in die Augen.

„Das geht nicht, es tut zu weh“, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. „Ist der Arm gebrochen?“

„Ich fürchte, ja. Es sieht nach einer Handgelenksfraktur aus. Leider kann ich ohne Röntgenbild keine eindeutige Diagnose stellen, weil Ihr Arm bereits sehr stark angeschwollen ist. Sehen Sie, dass Ihr Handgelenk leicht schief steht? Das deutet auf eine dislozierte Fraktur hin.“

Henriette sah Dr. Frank fragend an. „Was bedeutet das?“

„Das bedeutet, dass sich die gebrochenen Knochen gegeneinander verschoben haben. Um richtig zusammenwachsen zu können, müssen sie wieder in die richtige Position geschoben werden.“

„Und wie macht man das?“, wollte Henriette wissen.

„Das hängt davon ab, was es für ein Bruch ist: ein Trümmerbruch oder eher ein glatter Bruch. Um das festzustellen, benötigen wir ein Röntgenbild. Wenn Sie Glück haben, kann der Bruch ohne Operation gerichtet werden. Dazu spritzt man Ihnen ein Lokalanästhetikum in das Handgelenk und zieht dann an Fingern und Oberarm, bis die Knochen wieder richtig voreinander liegen. Dann wird das Handgelenk eingegipst.“

„Und wenn ich Pech habe, muss ich operiert werden, oder?“

„Ja, dann wird man vermutlich eine Platte zur Stabilisierung einsetzen. Aber das ist in der Regel keine besonders riskante Operation.“

„Aber ich bin schwanger! Ist es für das Kind nicht schädlich, wenn ich eine Narkose bekomme?“

„Natürlich muss man in der Schwangerschaft besonders aufpassen. Aber nach der sechzehnten Schwangerschaftswoche gilt das Risiko für das ungeborene Kind als sehr gering. Warten Sie erst einmal ab, was überhaupt für eine Therapie für Sie infrage kommt.“

„Ich muss jetzt also zum Röntgen, oder?“

„Ich melde Sie gleich in der Waldner-Klinik an. Die Ärzte dort werden mit Ihnen dann auch die weitere Behandlung des Handgelenks besprechen. Aber vorher würde ich mir gern Ihr Auge ansehen. Nehmen Sie bitte die Sonnenbrille ab.“

Zögernd nahm Henriette die Brille ab und drehte sie nervös in der gesunden Hand.

„Das ist gar nichts“, sagte sie leise.

Dr. Stefan Frank betastete das Jochbein und die Augenhöhle. Obwohl Henriette versucht hatte, mit Make-up die Verfärbungen zu kaschieren, schimmerte die dünne Haut um das Auge herum in allen Grün- und Blautönen.

„Scheint nur geprellt zu sein“, stellte er fest. „Sieht so aus, als wären Sie im wahrsten Sinne des Wortes mit einem blauen Auge davongekommen“, sagte er lächelnd, sah sie dabei aber sehr ernst an.

„Habe ich doch gesagt. Es ist alles in Ordnung“, murmelte Henriette. Sie vermied es, ihrem Arzt in die Augen zu sehen.

„Frau Siemsen, um ganz ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass bei Ihnen alles in Ordnung ist“, eröffnete Dr. Frank vorsichtig, aber doch eindringlich das schwierige Gespräch. „Sie sind nicht einfach nur die Treppe heruntergefallen, nicht wahr? Sie sind geschlagen und gestoßen worden.“

„Wie kommen Sie denn darauf?“

„Sie sind jetzt das dritte Mal mit Verletzungen bei mir, wie sie auch durch massive Schläge entstehen. Und vermutlich sind Sie noch viel häufiger misshandelt worden, denn ich nehme nicht an, dass Sie jedes Mal einen Arzt aufgesucht haben.“

Henriette schwieg. Ihre Kiefermuskeln verspannten sich, und die Lippen hielt sie fest zusammengepresst.

„Frau Siemsen, bitte sprechen Sie mit mir. Vielleicht kann ich Ihnen helfen. Denken Sie daran, jetzt geht es nicht mehr nur um Sie und Ihre Gesundheit, sondern auch um Ihr Kind. Wollen Sie riskieren, dass Ihre Tochter Opfer von Misshandlungen wird?“

Henriette schüttelte den Kopf. Ihre Schultern bebten, und sie begann zu schluchzen. Dicke Tränen liefen ihr über das Gesicht und zogen eine braune Spur über die blassen Wangen, da sie das Make-up herunterspülten.

Dr. Frank legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter, bedrängte sie aber nicht weiter. Der Panzer war geknackt; jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis Henriette zu sprechen beginnen würde.

„Ich hatte mich ja schon von ihm getrennt. Aber dann war ich schwanger. Torsten hat versprochen, sich zu ändern. Und das hat er auch. Seit ich wieder mit ihm zusammen bin, hat er mich nicht mehr geschlagen – bis gestern.“

Sie schluchzte auf, bevor sie fortfuhr:

„Ich habe wirklich geglaubt, dass alles besser wird. Aber gestern ist er völlig ausgerastet, nur weil ich Besuch hatte. Aber ich bin doch auch selbst schuld daran! Ich weiß doch, wie eifersüchtig Torsten ist. Ich hätte Adrian nie in unsere Wohnung lassen dürfen, dann wäre gar nichts passiert!“

„Sie trifft keine Schuld. Wer schlägt, hat immer unrecht. Ihr Lebensgefährte kann Ihnen doch nicht verbieten, sich mit Freunden zu treffen!“, empörte sich Dr. Frank. „Sie sind doch nicht sein Eigentum!“

„Heute Morgen tat es Torsten auch schon wieder leid. Er hat sich entschuldigt und gesagt, dass es nie wieder vorkommt.“

„Und? Glauben Sie ihm das?“

„Nein, nicht mehr.“ Henriette schüttelte den Kopf. „Das hat er mir schon zu oft versprochen. Wie soll denn das nur werden mit dem Kind?“, fragte sie verzweifelt. „Was ist, wenn es mir nicht gelingt, meine Kleine vor Torsten zu beschützen?“

„Es gibt nur einen Weg, Frau Siemsen, allerdings wird der für Sie nicht einfach sein. Aber zu Ihrem Wohle und dem Ihres Kindes sollten Sie ihn dennoch gehen“, sagte der Arzt sanft. „Sie müssen sich von Ihrem Freund trennen und von ihm verlangen, dass er sich in Therapie begibt. Nach einer erfolgreichen Therapie müssen Sie beide dann weitersehen.“

„Das wird Torsten niemals mitmachen!“, sagte Henriette mit erstickter Stimme. „Niemals!“

„Sie müssen es trotzdem versuchen. Denken Sie an Ihre Kleine.“

„Für meine kleine Emma würde ich alles tun!“

„Sehen Sie, das ist genau die richtige Einstellung. Ich mache Ihnen folgenden Vorschlag: Ich weise Sie in die Waldner-Klinik ein. Einmal natürlich, damit Ihr Handgelenk dort fachgerecht behandelt wird, und zum anderen, damit die Kollegen dort gründlich untersuchen, ob Ihr Kind durch die Schläge zu Schaden gekommen ist. So gewinnen Sie zwei bis drei Tage, um in Ruhe nachzudenken. Was halten Sie davon?“

„Was soll sich denn in drei Tagen ändern?“, fragte Henriette mutlos.

„Ich werde Ihnen morgen meine Freundin Alexandra Schubert vorstellen. Sie arbeitet ehrenamtlich bei StarkeFrauen. Das ist eine Organisation, die sich um Frauen kümmert, die von ihren Partnern misshandelt werden. Sie werden sehen, Sie sind nicht alleine mit dem Problem. Viele andere Frauen haben es auch geschafft, sich von ihren prügelnden Männern zu befreien. Alexandra kann Sie beraten und mit Ihnen gemeinsam nach einer Lösung suchen. Einverstanden?“

Henriette nickte und wischte sich mit einem Papiertaschentuch die Tränen ab.

„Es war gut, dass ich mit Ihnen gesprochen habe.“ Etwas zuversichtlicher sah sie Dr. Frank in die Augen. „Danke für Ihre Hilfe.“

„Nichts zu danken.“

***

„Was meinst du, mein Schatz, kochen wir, oder gehen wir eine Kleinigkeit essen?“, fragte Alexandra Schubert.

„Ich habe keinen großen Hunger, ich würde lieber hier bleiben“, antwortete Stefan Frank.

„Das Wetter ist ja auch nicht gerade so, dass man Lust hat, vor die Tür zu gehen“, meinte Alexandra. „Hat es heute überhaupt mal aufgehört zu regnen?“

„Ich glaube nicht. Was hältst du davon, wenn ich uns einen kleinen Salat mache und ein Spiegelei brate?“

„Hört sich gut an.“

Die beiden begaben sich gerade in die gemütliche Küche von Alexandras Wohnung, als das Telefon klingelte.

„Hallo, schön, dass du zurückrufst“, hörte der Grünwalder Arzt seine Freundin sagen. „Moment, ich gehe eben ins andere Zimmer, dann können wir in Ruhe sprechen.“

Dr. Stefan Frank wunderte sich. Was hatte seine Freundin denn so Geheimes zu besprechen? Er zuckte mit den Schultern und beschäftigte sich mit der Vorbereitung des Abendessens.

Die Eier brutzelten bereits in der Pfanne, als Alexandra wieder zu ihm kam.

„Mit wem hast du denn so lange telefoniert?“

„Ach, das war nur ein alter Studienkollege. Wir haben uns neulich zufällig getroffen und uns vorgenommen, den Kontakt nicht wieder abbrechen zu lassen.“

„Und deshalb musst du mit ihm im Schlafzimmer telefonieren? Wer ist es denn? Kenne ich ihn?“

„Nein, ich habe ihn selbst mehr als sechs Jahre nicht gesehen.“ Alexandra grinste und küsste ihren Freund zärtlich auf die Wange. „Sei nicht so neugierig!“

„Man wird doch wohl mal fragen dürfen“, murmelte Dr. Frank.

„Du musst nicht alles wissen, mein Liebling. Lass mir meine kleinen Geheimnisse. Das macht mich doch erst interessant, oder?“, fragte Alexandra kokett. Sie genoss es, dass ihr Lebensgefährte ein ganz klein wenig eifersüchtig war.

Alexandra und das Ehepaar Waldner hatten beschlossen, zu Stefans Geburtstag eine Überraschungsparty zu organisieren. Alexandra war nun dabei, alte Freunde und Weggefährten zu kontaktieren, um mit ihnen den Beitrag zur Party zu besprechen. Natürlich musste sie alles vor Stefan geheim halten.

„Setz dich, Alexa, das Essen ist fertig.“

„Ich hätte Lust auf ein Glas Wein. Weiß oder rot?“, fragte sie.

„Ist mir egal. Mach auf, worauf du Appetit hast.“

Die beiden setzten sich an den kleinen Küchentisch und aßen.

„Wie war dein Tag heute?“, erkundigte sich Alexandra.

„Ach, eigentlich ganz normal. Aber über eine Sache muss ich mit dir reden. Ich habe einer Patientin versprochen, dass du dich ein bisschen um sie kümmerst – in deiner Funktion als Mitglied von Starke Frauen.“

„Du hast eine Patientin, die misshandelt wird?“

Dr. Stefan Frank nickte, dann erzählte er ihr von Henriette.

„Du hast gesagt, Frau Siemsen ist schwanger?“

„Ja.“

„Weißt du, es ist ja schon schlimm genug, wenn Männer ihre Frauen schlagen. Aber wenn auch noch unschuldige Kinder davon betroffen sind, dann läuft mir echt die Galle über“, knurrte Alexandra wütend. „Was ist denn das für ein Kerl? Kennst du ihn?“

„Nein“, antwortete der Arzt. „Ich weiß nur, dass er Torsten heißt und die beiden nicht verheiratet sind.“

„Ruf doch mal in der Klinik an, und frag, wie es ihr geht. Wenn sie so weit ansprechbar ist, dann sollten wir gleich noch hinfahren.“

„Das kann ich machen, aber hat das nicht Zeit bis morgen? In der Waldner-Klinik ist sie doch sicher, heute kann ihr nichts passieren.“

„Das sagst du so. Wir von den Starken Frauen erleben da ganz andere Sachen. Frau Siemsen wäre nicht die Erste, die von ihrem Mann gegen medizinischen Rat aus dem Krankenhaus geholt wird. Die Frauen sind oft so eingeschüchtert, dass sie sich nicht zu wehren wagen, wenn der Kerl etwas von ihnen verlangt.“

„Daran habe ich gar nicht gedacht! Ich rufe sofort an“, rief Stefan erschrocken und war schon auf dem Weg zum Telefon.

„Man hat ihr Handgelenk operieren müssen, aber sie ist wach und ansprechbar, hat mir die Stationsschwester gesagt“, berichtete er, als er in die Küche zurückkam.

„Dann lass uns los.“

Eine gute halbe Stunde später erreichten die beiden Ärzte die Klinik. Henriette Siemsen war allein auf dem Zimmer.

Sie blickte erstaunt und matt auf die späten Besucher.

„Dr. Frank, was machen Sie denn hier?“, fragte sie überrascht. „Sie wollten doch morgen kommen.“

„Wir waren sowieso unterwegs, und da dachte ich, wir können auch mal sehen, wie es Ihnen geht. Das ist übrigens meine Lebensgefährtin Alexandra Schubert.“

„Hallo Frau Schubert“, sagte Henriette etwas befangen. „Ich kann Ihnen leider nur die linke Hand geben.“ Sie deutete mit dem Kopf auf die bandagierte Rechte, die auf einem dicken Kissen lag.

„Ich habe schon gehört, dass es leider doch ein komplizierter Bruch war“, sagte Dr. Frank.

Henriette nickte. „Ich habe jetzt eine Metallplatte im Handgelenk, aber das hat auch sein Gutes: Ich brauche keinen Gips und kann die Hand schon bald wieder benutzen.“

„Waren Sie auch schon zur gynäkologischen Untersuchung?“, fragte der Arzt.

„Es wurde bisher nur ein Ultraschall gemacht. Da war zum Glück alles so, wie es sein soll. Morgen werde ich ausführlicher untersucht.“

„War Ihr Lebensgefährte denn schon hier?“, schaltete sich Alexandra in das Gespräch ein.

Über Henriettes bleiches Gesicht huschte ein Schatten, verlegen blickte sie zur Seite.

„Sie haben ihn gerade verpasst. Torsten ist ehrlich besorgt um mich, er wollte mich unbedingt mit nach Hause nehmen. Aber die Ärzte haben ihn davon überzeugt, dass es besser ist, wenn ich noch hier bleibe.“

„Wollen Sie denn wieder zu ihm zurück?“, fragte Dr. Frank.

„Ich weiß nicht. Er ist doch der Vater meines Kindes! Und es tut ihm ja auch leid“, sagte Henriette und blickte hilfesuchend zu Alexandra.

„Ich glaube, mein Schatz, du lässt uns am besten mal für eine Stunde allein“, meinte Alexandra und nickte Stefan auffordernd zu.

„Ist gut. Ich schaue mal, ob ich Uli erwische. Bis später.“

„Ulrich Waldner, der Klinikchef, ist ein guter Freund von uns“, erklärte Alexandra, als Stefan das Zimmer verlassen hatte. „Ich glaube, wir brauchen nicht lange drumherum zu reden: Sie wissen, warum ich hier bin?“

Henriette nickte schüchtern und strich sich über den gewölbten Bauch.

„Ich erzähle Ihnen erst mal ein bisschen von Starke Frauen, damit Sie wissen, was wir so tun. Für mich wäre es einfacher, wenn wir uns duzen. Ist das okay?“

„Gerne“, sagte Henriette und lächelte Alexandra an. Die hübsche Freundin ihres Arztes war ihr auf den ersten Blick sympathisch gewesen.

Das Gespräch dauerte länger als eine Stunde. Zweimal schon hatte Dr. Stefan Frank den Kopf durch die Tür gesteckt, war aber jedes Mal wieder herauskomplimentiert worden.

Als er zum dritten Mal klopfte, nickten ihm die beiden Frauen zu. Jetzt durfte er hereinkommen.

„Wir haben eine gemeinsame Lösung gefunden“, begann Alexandra. „Aber wir brauchen deine Hilfe.“

„Gerne. Was soll ich tun?“, fragte der Arzt.

Alexandra blickte auffordernd zu Henriette.

„Ich habe eingesehen, dass ich mich von Torsten fernhalten muss – auch meiner kleinen Emma wegen“, sagte sie mit fester Stimme, doch die Tränen in ihren Augen verrieten, dass ihr das alles sehr schwerfiel. „Ich will, dass er eine Therapie macht, bevor er sich mir und der Kleinen wieder nähern darf.“

„Ich bin sicher, dass ist die richtige Entscheidung“, sagte Dr. Frank. Alexandra hatte gute Arbeit geleistet, er war stolz auf sie. „Aber ich sehe noch nicht, wie ich dabei helfen kann.“

„Das kommt auch erst jetzt“, erklärte Alexandra. „Zwei Dinge sind es, für die wir deine Unterstützung gebrauchen könnten. Zum einen wollten wir dich fragen, ob du mit Torsten sprechen kannst, um ihm Henriettes Entscheidung mitzuteilen. In solchen Fällen ist es immer besser, wenn das ein Mann macht. Kannst du dir vorstellen, mit ihm zu reden?“

„Hm, ja sicher. Aber wäre es nicht klüger, Frau Siemsen sagt es ihm selbst, und wir sind dabei?“

„Nein, das will ich nicht“, rief Henriette ängstlich. „Das traue ich mir nicht zu. Ich weiß nicht, ob ich nicht doch wieder weichwerde, wenn er auf mich einredet. Torsten kann sehr überzeugend und auch charmant sein, wenn er was will.“

„Ich glaube auch, dass es besser ist, wenn Henriette im Moment keinen Kontakt zu ihrem Lebensgefährten hat“, mischte sich Alexandra ein.

„Gut, dann spreche ich mit ihm. Und was ist die zweite Sache?“, fragte Dr. Stefan Frank.

„Das ist ein bisschen komplizierter. Wenn Henriette in drei Tagen aus der Klinik entlassen wird, kann sie zu einer Freundin ziehen. Das ist also schon geklärt. Aber bis dahin muss sie auf eine andere Station verlegt werden. Wir müssen sicherstellen, dass Torsten keinen Zugriff auf sie hat, wenn er weiß, was Henriette von ihm fordert. Und da kommst du ins Spiel. Du sollst bitte mit Ulrich sprechen und klären, wie man das organisieren kann.“

Dr. Frank überlegte.

„Ich habe da schon eine Idee“, sagte er dann. „Ulrich sitzt noch in seinem Büro und brütet über Papierkram. Ich gehe gleich noch mal zu ihm.“

***

„Es war ja recht ruhig heute Nacht“, sagte Adrian Vanderwelt, nachdem er das Übergabeprotokoll des Nachtdienstes auf der Säuglingsstation studiert hatte.

„Eine Geburt, aber völlig problemlos. Ein süßes kleines Mädchen mit schwarzen Löckchen“, sagte Nachtschwester Gisela lächelnd. „Mutter und Tochter sind wohlauf.“

„Und? Hat auch der Vater die Geburt gut überstanden?“, fragte Adrian grinsend.

„Nun ja, er ist nicht zusammengeklappt, war aber kurz davor. Die Natur hat sich schon was dabei gedacht, dass die Frauen die Kinder bekommen.“

„Was liegt für heute an?“, wollte Adrian wissen.

„Eventuell ein Kaiserschnitt bei Frau Glaser. Sie ist jetzt schon mehr als eine Woche überfällig. Dr. Heine wird nach der Untersuchung entscheiden, ob wir das Kind holen. Außerdem müssen die Entlassungspapiere für zwei Patientinnen fertig gemacht werden. Frau Johannsen und Frau Spörli gehen heute nach Hause.“

„Dann fange ich am besten gleich damit an, ehe wieder etwas dazwischenkommt“, sagte Adrian.

„Ach, noch etwas“, ergänzte Schwester Gisela. „Wir haben einen geheimen Neuzugang.“ Sie machte eine Pause und sah Adrian an.

„Geheim? Was bedeutet das?“

„Frau Siemsen, Zimmer fünf. Sie ist – von Dr. Waldner persönlich angeordnet – hierher verlegt worden.“

„Frau Siemsen? Henriette Siemsen?“, fragte Adrian überrascht.

„Ja. Kennst du sie?“

Adrian nickte. „Sie hat doch noch fast drei Monate bis zur Geburt. Hatte sie vorzeitige Wehen?“

„Nein. Eine medizinische Indikation, sie zu uns zu legen, gibt es nicht. Mit dem Kind ist jedenfalls alles in Ordnung. Sie hat vorher wegen eines gebrochenen Handgelenks auf der Chirurgie gelegen. Jetzt ist sie bei uns, um sie vor ihrem Mann zu verstecken. Er ist wohl ein Schläger, und die Ärzte haben Angst, dass er sie aus der Klinik holt.“

„Ich habe es geahnt“, murmelte Adrian entsetzt. „Wie geht es ihr?“

„Soweit ganz gut. Die Hand ist operiert. Sie soll noch zwei oder drei Tage bei uns bleiben.“

„Aber ihr Lebensgefährte wird doch am Empfang erfahren, auf welcher Station sie jetzt ist!“ Adrian schüttelte den Kopf. „Ich verstehe das nicht.“

„Es gibt einen Sperrvermerk. Wenn jemand unten nach ihr fragt, dann gilt sie offiziell als entlassen. Natürlich dürfen auch wir nicht rumtratschen, dass sie bei uns liegt.“

„Na, hoffentlich funktioniert das. Ich habe ihren Freund kennengelernt. Er ist ein unberechenbarer Choleriker. Wenn der hier auf der Station auftaucht, dann gute Nacht.“

„Woher kennst du denn Frau Siemsen und ihren Freund?“, fragte Schwester Gisela neugierig.

„Kennen ist nicht ganz richtig. Ich habe sie einmal getroffen, weil ich ihre Handtasche gefunden und zurückgebracht habe. Und als Dank hat mich ihr Kerl mehr oder weniger aus der Wohnung geprügelt.“

Schwester Gisela schüttelte den Kopf.

„Ich kann einfach nicht verstehen, wieso Frauen sich so etwas gefallen lassen. Ich würde einen prügelnden Mann schneller in die Wüste schicken, als er gucken kann!“, empörte sich die resolute Nachtschwester.

„Verstehen kann ich das auch nicht“, bestätigte Adrian. „Aber man hört doch immer wieder, dass zwischen misshandelten Frauen und ihren Männer ein ganz perfides Abhängigkeitsverhältnis besteht, das nur schwer zu durchbrechen ist.“

„So muss es wohl sein. Aber Frau Siemsen scheint es zumindest durchbrechen zu wollen. Dr. Waldner hat mir gesagt, dass sich die Organisation Starke Frauen um sie kümmert und ihr helfen will, von ihrem Mann loszukommen.“

„Gut“, sagte Adrian erleichtert. „Ich werde gleich mal nach ihr sehen.“

„Ich verschwinde jetzt. Bis morgen, Adrian. Ich hoffe, ihr habt einen ruhigen Dienst“, sagte Schwester Gisela und gähnte herzhaft.

Adrian heftete das Protokoll ab und ging dann ins Zimmer fünf. Ob Henriette ihn wiedererkennen würde?

„Guten Morgen“, rief er fröhlich, als er das Zimmer betrat.

„Morgen“, kam eine verschlafene Stimme aus dem Bett vorm Fenster.

Adrian zog die Vorhänge auf, und das gleißende Licht des Spätsommertages erhellte den Raum.

Henriette blinzelte.

„Adrian, was machen Sie denn hier?“, fragte sie überrascht. „Ach ja, Sie arbeiten ja auf der Säuglingsstation. Wie schön, Sie zu sehen.“

„Ich freue mich auch, Sie zu sehen. Ich hätte aber nicht gedacht, dass wir uns so schnell wieder begegnen. Wie geht es Ihnen?“

Adrian lächelte Henriette an.

„Sie wissen, warum ich hier liege, nicht?“, fragte sie leise.

Es war ihr peinlich, dass das ganze Personal wusste, dass sie von ihrem Mann geschlagen wurde. Was mussten die nur von ihr denken?

„Ja, Schwester Gisela hat mich informiert. Sie können ganz beruhigt sein, wir passen hier gut auf Sie auf“, versprach Adrian.

Mit Schrecken registrierte er ihr blaues Auge. Ihr Lebensgefährte hatte sie wirklich übel zugerichtet.

Wieder überkam Adrian das schlechte Gewissen. Er hätte nicht gehen sollen. Vielleicht hätte er das Schlimmste verhindern können, wenn er nicht so schnell aufgegeben hätte.

„Es tut mir so leid, was mit Ihnen passiert ist. Ich hätte nicht einfach gehen dürfen.“

Henriette sah ihn erstaunt an. „Aber es ist doch nicht Ihre Schuld! Wenn Torsten in Wut gerät, dann kann ihn keiner aufhalten.“

„Trotzdem“, murmelte Adrian und begann damit, das Bett neben Henriettes zu richten. „Wo ist denn Ihre Nachbarin?“, erkundigte er sich.

„Frau Johannsen wird heute entlassen und ist schon zur Abschlussuntersuchung abgeholt worden. Sie hat einen so niedlichen kleinen Sohn! Wenn ich den Kleinen sehe, kann ich es kaum erwarten, dass Emma endlich in meinen Armen liegt.“

„Ein paar Wochen sollten Sie Ihrem Kind aber noch im Bauch gönnen“, meinte Adrian lächelnd.

„Es werden wohl sehr anstrengende Wochen“, meinte Henriette mehr zu sich selbst.

„Sie schaffen das schon. Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann …“

„Danke, Adrian. Es ist gut zu wissen, dass sich so viele Menschen um mich sorgen. Alexandra – ich meine natürlich Frau Dr. Schubert – von Starke Frauen kümmert sich bereits um mich. Ich fühle mich gut aufgehoben.“

„Darf ich Sie fragen, warum Sie nicht schon eher Ihre Konsequenzen gezogen haben? Ich meine, warum haben Sie Ihren Freund nicht schon früher verlassen?“

Adrian hatte die Frage noch nicht ganz ausgesprochen, da hätte er sich schon auf die Zunge beißen können. Er kannte die hübsche Frau doch gar nicht! Wie kam er dazu, ihr solch intime Fragen zu stellen?

In Henriettes Gesicht spiegelten sich widerstreitende Gefühle. Sollte sie dem jungen Pfleger von ihren innersten Konflikten erzählen?

Gestern hatte sie gemerkt, wie gut es tat, über alles zu sprechen. Die ganzen aufgestauten Ängste der letzten Monate wollten heraus.

„Ach, Adrian, ich hatte ihn ja schon einmal verlassen! Aber dann habe ich festgestellt, dass ich schwanger bin, und wollte mein Kind nicht ohne Vater aufwachsen lassen. Ich habe doch nicht das Recht, meiner kleinen Emma den Vater zu nehmen, oder?“

„Sie nehmen ihr doch nicht den Vater! Sie schützen sie vor einem jähzornigen Mann!“

„Das hat Alexandra gestern Abend auch gesagt. Ich habe immer gedacht, dass es an mir liegt, wenn Torsten zuschlägt. Wenn ich mich so verhalte, wie er es möchte, dann ist er ganz lieb. Meine Mutter hat mir auch ins Gewissen geredet. Sie meinte, dass ich schon früher immer mit dem Kopf durch die Wand wollte und dass es gut ist, dass mir jetzt mein Freund mal Grenzen aufzeigt.“

„Wirklich? Ihre eigene Mutter hat das gesagt?“, fragte Adrian ungläubig.

„Ja. Aber sie kennt es selbst nicht anders. Meinem Stiefvater rutscht auch schon mal die Hand aus. Ich glaube, meine Mutter findet es normal, dass Männer schlagen.“

„Wie furchtbar“, sagte Adrian mitfühlend. „Es muss schlimm sein, wenn einem die eigene Mutter in den Rücken fällt.“

Henriette schwieg, ihre Augen füllten sich mit Tränen.

„Wie soll es denn nun weitergehen?“, erkundigte sich Adrian. Er war an ihr Bett getreten und hatte nach ihrer unverletzten Hand gegriffen. Er drückte sie zärtlich und sah Henriette in die Augen.

„Dr. Frank, mein Hausarzt, spricht mit Torsten. Er wird ihm sagen, dass ich mich von ihm trenne. Torsten soll sich in Behandlung begeben. Erst, wenn er eine Therapie gemacht hat, darf er mich und Emma sehen. Ich ziehe dann erst mal zu meiner Freundin. So ist jedenfalls der Plan.“

„Sie glauben nicht, dass Torsten sich darauf einlässt, oder?“

„Um ehrlich zu sein, kann ich mir das kaum vorstellen. Er wird leugnen, dass er krank ist und Hilfe braucht. Er wird wahrscheinlich alles daran setzten, mich und sein Kind zurückzuholen“, sagte Henriette düster. „Aber wer weiß, vielleicht vollbringt Dr. Frank ja ein Wunder“, ergänzte sie vorsichtig optimistisch.

„Ich kenne Dr. Frank gut. Als Geburtshelfer ist er oft auf unserer Station. Wenn es einer schafft, Ihren Torsten zu überzeugen, dann Dr. Frank. Nur Mut. Es wird bestimmt alles gut.“

„Hoffentlich.“

Die Tür zum Krankenzimmer öffnete sich, und Frau Johannsen betrat mit ihrem Säugling auf dem Arm den Raum.

„Alles bestens“, sagte sie fröhlich. „Wir beide sind gesund und fit. In einer halben Stunde kommt mein Mann und holt mich ab, dann wird Aaron zum ersten Mal sein Kinderzimmer sehen.“

„Wie schön, dass Sie nach Hause dürfen“, freute sich Henriette mit ihr. „Obwohl ich es natürlich schade finde, dass Aaron dann nicht mehr da ist.“

„Den werde ich Ihnen auf gar keinen Fall hierlassen!“ Frau Johannsen lachte. „Aber wenn Sie mögen, können Sie Aaron kurz zu sich nehmen, bis ich meine Sachen gepackt habe. Wollen Sie?“

„Natürlich will ich! Komm her, Aaron“, sagte Henriette zärtlich und strahlte über das ganze Gesicht.

Vorsichtig legte die Mutter ihren Sohn der Bettnachbarin in den gesunden Arm.

Sofort vergrub Henriette ihre Nase in der Kuhle am Hals des Kindes.

Wie gut sie riechen, die Kleinen!, dachte sie und drückte zärtlich einen Kuss auf die pralle Wange des Babys. Sie war glücklich, als Aaron kurz die Augen öffnete – allerdings nur, um sofort wieder einzuschlafen.

Adrian hatte lächelnd die Szene verfolgt. Henriette würde bestimmt eine gute Mutter werden. Wann er wohl sein erstes Kind im Arm halten würde?

„Ich gehe dann mal Ihre Papiere fertig machen, Frau Johannsen“, sagte er. „Ich bringe sie Ihnen gleich.“

***

„So, Chef, noch Frau Heberer, und dann ist Mittagspause. Gehen Sie nach oben, um etwas zu essen?“, erkundigte sich Martha Giesecke. „Oder soll ick Ihnen eine leckere Semmel vom Bäcker holen?“

„Danke, Schwester Martha, aber heute Mittag habe ich etwas anderes vor.“ Dr. Frank seufzte. „Das Essen wird wohl auf der Strecke bleiben.“

„Was haben Sie denn vor?“, fragte die Sprechstundenhilfe neugierig.