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Nur gemeinsam haben sie eine Chance zu überleben ...
Avery Delaney hat immer versucht, die Vergangenheit weit hinter sich zu lassen. Als Kind wurde sie Zeugin des gewaltsamen Todes ihrer Großmutter, wobei sie selbst ebenfalls angeschossen wurde. Wie durch ein Wunder überlebte sie. Ihr Streben nach Recht und Ordnung sowie ihr messerscharfer Verstand haben sie seitdem zu einer Expertin für Verbrechensanalyse für das FBI gemacht. Doch als ihre geliebte Tante Carolyn von einem angeheuerten Killer entführt wird, holen die Schatten der Vergangenheit Avery wieder ein ...
John Paul Renard, der früher für die CIA tätig war, ist inzwischen seit einem Jahr auf der Jagd - auf der Jagd nach Rache. Er verfolgt den legendären Serienmörder Monk, der seine Schwester töten wollte. Dabei begegnet er Avery. Die beiden verbindet nicht nur die Suche nach demselben Killer, sondern auch eine leidenschaftliche Anziehungskraft ...
Spannung pur - die prickelnde Romantic Suspense Reihe um die Familie Buchanan und ihre Freunde von New York Times Bestsellerautorin Julie Garwood:
Band 1: Zum Sterben schön
Band 2: Gnade
Band 3: Ein mörderisches Geschäft
Band 4: Mord nach Liste
Band 5: Sanft sollst du brennen
Band 6: Schattentanz
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Seitenzahl: 618
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
Widmung
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Epilog
Über die Autorin
Weitere Titel der Autorin
Impressum
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Avery Delaney hat immer versucht, die Vergangenheit weit hinter sich zu lassen. Als Kind wurde sie Zeugin des gewaltsamen Todes ihrer Großmutter, wobei sie selbst ebenfalls angeschossen wurde. Wie durch ein Wunder überlebte sie. Ihr Streben nach Recht und Ordnung sowie ihr messerscharfer Verstand haben sie seitdem zu einer Expertin für Verbrechensanalyse für das FBI gemacht. Doch als ihre geliebte Tante Carolyn von einem angeheuerten Killer entführt wird, holen die Schatten der Vergangenheit Avery wieder ein ...
John Paul Renard, der früher für die CIA tätig war, ist inzwischen seit einem Jahr auf der Jagd – auf der Jagd nach Rache. Er verfolgt den legendären Serienmörder Monk, der seine Schwester töten wollte. Dabei begegnet er Avery. Die beiden verbindet nicht nur die Suche nach demselben Killer, sondern auch eine leidenschaftliche Anziehungskraft ...
Julie Garwood
Ein mörderisches Geschäft
Aus dem amerikanischen Englisch von Ursula Walther
Für Mary K. Wahlstedt Murphy, meine Schwester und Freundin
Mit deiner stetigen Kraft, deinem stillen Charme und deinem wunderbaren Humor machst du die Welt zu einem besseren Ort.
Avery Elizabeth Delaneys Mutter, Jilly, war wahnsinnig.
Zum Glück machte sie sich drei Tage nach Averys Geburt mit unbekanntem Ziel auf und davon.
Avery wuchs bei ihrer Großmutter Lola und ihrer Tante Carrie auf. Die drei Frauen aus drei verschiedenen Generationen lebten still und bescheiden in einem zweistöckigen Holzhaus in der Barnett Street, nur zwei Blocks vom Stadtplatz in Sheldon Beach, Florida, entfernt. Die Atmosphäre in der Barnett Street änderte sich von Grund auf, nachdem Jilly das Haus verlassen hatte. In dem Haushalt, der bis dahin ständig in Aufruhr gewesen war, ging es jetzt richtig friedlich zu. Carrie lernte sogar, wieder zu lachen, und fünf wunderbare Jahre lang war das Leben beinahe idyllisch.
Doch die Zeit mit Jilly hatte ihren Tribut von Grandma Lola gefordert. Sie hatte ihre Kinder erst kurz vor den Wechseljahren zur Welt gebracht und war jetzt eine alte, erschöpfte Frau. An dem Tag, an dem Avery fünf Jahre alt wurde, spürte Lola zum ersten Mal Schmerzen in der Brust. Sie war kaum noch im Stande, die Glasur auf die Geburtstagstorte zu streichen, ohne sich zwischendurch hinzusetzen und ein wenig auszuruhen.
Lola erzählte niemandem von ihren Beschwerden, und sie ging ohnehin nicht regelmäßig zum Arzt in Sheldon Beach, weil sie fürchtete, er würde das, was er herausfand, nicht für sich behalten. Ja, er könnte es geradezu als seine Pflicht ansehen, Carrie von ihrer Krankheit zu unterrichten. Deshalb vereinbarte sie einen Termin beim Kardiologen in Savannah und fuhr den weiten Weg allein dorthin. Nach einer gründlichen Untersuchung stellte der Arzt eine düstere Diagnose. Er verschrieb Lola Medikamente, die den Schmerz lindern und ihr Herz unterstützen sollten, riet ihr eindringlich, sich mehr zu schonen, und empfahl ihr so behutsam, wie es ihm möglich war, ihre Angelegenheiten zu ordnen.
Lola hielt sich nicht an seine Anweisungen. Was wusste dieser Quacksalber schon? Vielleicht stand sie bereits mit einem Bein im Grab, aber, bei Gott, sie würde niemanden wissen lassen, wie es um sie bestellt war. Sie musste ihre Enkelin großziehen, und sie würde nicht abtreten, bevor sie diese Aufgabe erledigt hatte.
Lola war eine Expertin, wenn es galt, so zu tun, als wäre alles in schönster Ordnung. Diese Kunst hatte sie in den turbulenten Jahren, in denen sie versucht hatte, Jilly im Zaum zu halten, perfektioniert. Während der ganzen Fahrt von Savannah nach Hause redete sie sich ein, gesund wie ein Fisch im Wasser zu sein, und als sie ankam, war sie davon überzeugt.
Grandma Lola weigerte sich kategorisch, über Jilly zu sprechen, aber Avery wollte so viel wie möglich über die Frau, die sie geboren hatte, erfahren. Wann immer sie eine Frage über ihre Mutter stellte, schürzte die Großmutter die Lippen und entgegnete stets: »Wir wünschen ihr alles Gute. Wir wünschen ihr viel Glück weit weg von hier.« Und ehe Avery noch einen Anlauf nehmen konnte, wechselte ihre Großmutter das Thema. Das war für eine neugierige Fünfjährige natürlich nicht besonders befriedigend.
Die einzige Möglichkeit für Avery, etwas über ihre Mutter herauszufinden, war, sich an ihre Tante zu wenden. Carrie liebte es, von Jilly zu erzählen, und sie vergaß nicht eine der bösen Taten, die ihre Schwester begangen hatte – und das waren, wie sich herausstellte, ziemlich viele.
Avery vergötterte ihre Tante. Ihrer Meinung nach war sie die schönste Frau der Welt, und sie wünschte sich nichts mehr, als ihr und nicht ihrer nichtsnutzigen Mama ähnlich zu sehen. Carries Haar hatte genau dieselbe Farbe wie Grandmas selbst gemachte Pfirsichmarmelade, und ihre Augen waren eher grau als blau wie die von der flauschigen weißen Katze, die Avery in einem ihrer Bilderbücher gesehen hatte. Carrie aß ständig Diät, da sie zwanzig Pfund loswerden wollte, aber Avery fand sie toll, so wie sie war. Mit knapp einssechzig war Carrie in ihren Augen groß und wunderschön, und wenn sie mit den glitzernden Spangen das Haar aus dem Gesicht hielt, während sie studierte oder im Haus arbeitete, sah sie aus wie eine echte Prinzessin. Avery liebte auch, wie ihre Tante roch – nach Gardenien. Carrie erklärte ihr, das sei ein Markenparfüm, und Avery wusste, dass es etwas ganz Besonderes sein musste. Wenn Carrie nicht zu Hause war und Avery sich einsam fühlte, schlich sie in ihr Zimmer und träufelte sich etwas von dem besonderen Parfüm auf die Arme und Beine und tat so, als wäre die Tante gleich nebenan.
Am meisten aber liebte Avery an Tante Carrie, dass sie mit ihr redete wie mit einer Erwachsenen. Sie behandelte sie nicht wie ein Baby, was Grandma Lola meistens tat. Wenn Carrie von Averys nichtsnutziger Mama Jilly erzählte, begann sie immer in sachlichem Ton: »Ich werde die Wahrheit nicht beschönigen, nur weil du noch klein bist. Du hast ein Recht, das alles zu erfahren.«
Eine Woche bevor Carrie nach Kalifornien zog, kam Avery in ihr Zimmer, um ihr beim Packen zu helfen. Allerdings stand sie nur im Weg herum, und als Carrie genug davon hatte, setzte sie ihre Nichte an ihren Toilettentisch und stellte eine Schuhschachtel mit billigem Modeschmuck vor sie hin. Sie hatte ihn auf Flohmärkten gekauft, da sie Avery vor ihrer Abreise damit eine Freude machen wollte. Das kleine Mädchen war begeistert von den funkelnden Schätzen und probierte die Schmuckstücke vor dem ovalen Spiegel an.
»Warum musst du unbedingt so weit weg – nach Kalifornien, Carrie? Du solltest zu Hause bleiben, bei Grandma und mir.«
Carrie lachte. »›Ich sollte?‹«
»Das hat Peytons Mama gesagt. Peyton hat erzählt, dass ihre Mama sagt, du wärst schließlich schon im College gewesen, und jetzt müsstest du hier bleiben und helfen, auf mich aufzupassen, weil ich eine ganz schöne Plage bin.«
Peyton war Averys beste Freundin, und da sie ein Jahr älter war, glaubte Avery jedes Wort, das Peyton von sich gab. Carries Ansicht nach war Peytons Mutter Harriet eine Wichtigtuerin, aber sie war nett zu Avery; deshalb hatte sich Carrie damit abgefunden, dass sie sich hin und wieder in ihre Familienangelegenheiten einmischte.
Nachdem Carrie ihren hellblauen Angorapullover zusammengefaltet und in den Koffer gelegt hatte, versuchte sie Avery noch einmal klar zu machen, warum sie wegging.
»Ich habe dieses Stipendium bekommen, schon vergessen? Ich mache dort meinen Master, und ich habe dir mindestens schon fünfmal erklärt, warum dieses zusätzliche Studium so wichtig für mich ist. Ich muss nach Kalifornien, Avery. Es ist eine großartige Chance für mich, und wenn ich erst meine eigene Firma gegründet habe und reich und berühmt bin, dann ziehst du mit Grandma zu mir. Wir werden ein großes Haus in Beverly Hills haben – mit Dienstboten und einem Swimmingpool.«
»Aber dann kann ich keine Klavierstunden mehr nehmen, und Mrs. Burns sagt, ich muss Klavier spielen lernen, weil ich ein Ohr für Musik habe.«
Da ihre Nichte so ernst war, wagte Carrie nicht, laut zu lachen. »Sie sagte, du hast ein Ohr für Musik, und das bedeutet, dass du gut spielen könntest, wenn du fleißig übst, aber du kannst auch in Kalifornien Klavierstunden nehmen. Und dort auch den Karateunterricht fortsetzen.«
»Aber ich mag den Karateunterricht hier. Sammy sagt, dass ich bei der Fußarbeit schon viel stärker geworden bin. Aber weißt du was, Carrie? Ich hab gehört, wie Grandma zu Peytons Mama gesagt hat, dass sie es nicht mag, wenn ich Karate lerne. Sie sagt, das wäre nichts für ein Mädchen.«
»Zu schade«, entgegnete Carrie. »Aber ich bezahle für das Training, und ich möchte, dass du lernst, dich selbst zu verteidigen.«
»Aber wieso?«, wollte Avery wissen. »Peytons Mama hat das Grandma auch gefragt.«
»Weil ich nicht möchte, dass dich irgendjemand so herumschubst, wie Jilly mich früher herumgeschubst hat«, sagte sie. »Du sollst vor niemandem Angst haben müssen. Und ich bin sicher, dass es in Kalifornien großartige Selbstverteidigungsstudios gibt mit Lehrern, die genauso nett sind wie Sammy.«
»Peytons Mama sagt, Grandma hätte ihr verraten, dass Jilly weggegangen ist, um Filmstar zu werden. Willst du auch ein Filmstar werden, Carrie?«
»Nein, ich möchte eine Firma gründen und viel, viel Geld verdienen. In dieser Firma mache ich dann andere Leute zu Stars.«
Avery drehte sich wieder zum Spiegel um und steckte Ohrklipps mit dicken grünen Strasssteinen an ihre Ohrläppchen. Dann entwirrte sie die dazu passende Kette und legte sie sich um den Hals. »Weißt du, was Peyton sonst noch sagt?« Sie wartete nicht auf eine Antwort. »Sie hat mir erzählt, ihre Mama hätte mal gesagt, als Jilly mich bekommen hat, wäre sie eigentlich alt genug gewesen, um es besser zu wissen.«
»Das stimmt«, erwiderte Carrie. Sie zog ihre Sockenschublade auf, kippte den Inhalt aufs Bett und suchte die einzelnen Strumpfpaare zusammen. »Jilly war damals achtzehn.«
»Aber was hat Peytons Mama damit gemeint? Warum hätte sie es besser wissen müssen?«
»Sie meinte, dass Jilly Vorsichtsmaßnahmen hätte treffen müssen.«
Die Schublade fiel auf den Boden. Carrie hob sie auf und schob sie wieder in die Kommode; dann machte sie sich wieder daran, die Strümpfe zu sortieren.
»Aber was soll das heißen?«, fragte Avery. Sie schnitt Grimassen vor dem Spiegel, als sie sich eine zweite Kette umhängte.
Carrie ignorierte die Frage. Sie hatte keine Lust, sich auf eine langwierige Diskussion über Sex und Empfängnisverhütung einzulassen. Dafür war Avery noch zu jung. In der Hoffnung, ihre Nichte ablenken zu können, sagte sie: »Weißt du, dass du großes Glück hast?«
»Weil ich dich und Grandma habe und ihr euch um mich kümmert, obwohl ich eine Plage bin?«
»Ganz genau«, stimmte Carrie ihr zu. »Aber du hast auch Glück, weil Jilly nicht getrunken hat wie ein Schluckspecht und auch nicht Hände voll von diesen Wohlfühlpillen genommen hat, als sie mit dir schwanger war. Wenn sie all das Zeug geschluckt hätte, wärst du mit ernsthaften Schäden auf die Welt gekommen.«
»Peyton sagt, ihre Mama findet, dass ich Glück hatte, überhaupt geboren zu sein.«
»Peytons Mutter redet gern über Jilly, stimmt's?«, rief Carrie aufgebracht.
»Mhm«, bestätigte Avery. »Sind ›Wohlfühlpillen‹ was Schlechtes?«
»Ja«, antwortete Carrie. »Sie können einen sogar umbringen.«
»Warum nehmen die Leute dann so was?«
»Weil sie dumm sind. Jetzt leg den Schmuck weg und setz dich auf meinen Koffer, damit ich ihn zumachen kann.«
Avery legte sorgsam die Ohrklipps und die Ketten zurück in die Schuhschachtel und kletterte auf das Himmelbett.
»Kann ich das haben?«, fragte sie und nahm ein kleines Buch mit Vinyl-Einband in die Hand.
»Nein, kannst du nicht. Das ist mein Tagebuch«, gab Carrie zurück. Sie riss Avery das Buch aus der Hand und steckte es in eine Seitentasche ihres Koffers. Dann klappte sie den Deckel zu, und Avery hockte sich drauf. Carrie musste sich zusätzlich mit ihrem ganzen Gewicht auf den Koffer stützen, um die Schlösser zuzubekommen.
Sie half Avery vom Bett.
»Weshalb packst du jetzt schon und nicht erst nächste Woche?«, erkundigte sich ihre Nichte. »Grandma sagt, du machst das ganz falsch.«
»Weil ich packe, bevor ich das Zimmer für dich streiche? Aber so sind meine Sachen schon mal aus dem Weg, und wir können dein neues Zimmer schön herrichten, ehe ich wegfahre. Morgen gehen wir beide in den Malerladen und holen die Farbe.«
»Ich weiß. Du hast mir versprochen, dass ich sie aussuchen darf. Carrie?«
»Ja?« Carrie stellte den Koffer neben die Tür.
»Hat mich meine nichtsnutzige Mama gehasst, als sie mich sah?«
Carrie drehte sich um, und als sie die Besorgnis in Averys Augen entdeckte, wurde sie wütend. Jilly war zwar nicht mehr da, aber trotzdem konnte sie immer noch Schmerzen bereiten. Würde das denn niemals ein Ende haben?
Carrie erinnerte sich, als wäre es gestern gewesen, an den Abend, an dem sie erfahren hatte, dass ihre Schwester ein Kind erwartete.
An einem lauen Freitagabend im Mai hatte Jilly ihr Highschool-Abschlusszeugnis erhalten. Danach war sie nach Hause gekommen und hatte die Familienfeier verdorben, indem sie verkündete, sie sei im sechsten Monat schwanger. Man sah ihr kaum etwas an.
Lola war so schockiert, dass sie im ersten Moment nur daran dachte, wie peinlich das war und was für eine Schande für die Familie, aber dann fasste sie sich wieder. »Wir sind eine Familie«, sagte sie. »Wir finden schon eine Möglichkeit, damit zurechtzukommen. Stimmt's nicht, Carrie?«
Carrie stand am Esstisch, nahm das Messer in die Hand und schnitt sich ein Stück von der Torte ab, die Lola gebacken und fast den ganzen Vormittag verziert hatte. »Heutzutage und in deinem Alter muss man wirklich blöd sein, wenn man schwanger wird. Hast du noch nie etwas von Verhütung gehört, Jilly, oder bist du eine Vollidiotin?«
Jilly lehnte mit verschränkten Armen an der Wand und funkelte Carrie böse an. Lola, die hoffte, eine lautstarke Auseinandersetzung zwischen ihren Töchtern verhindern zu können, warf hastig ein: »Es ist nicht nötig, so bissig zu sein, Carrie. Wir wollen Jilly doch nicht aufregen.«
»Du meinst, du willst sie nicht aufregen«, verbesserte Carrie sie.
»Carrie, sprich nicht in diesem Ton mit mir!«
Zerknirscht senkte Carrie den Kopf und legte das Tortenstück auf einen Teller. »Ja, Ma'am.«
»Ich habe eben nicht an Verhütung gedacht«, fauchte Jilly. »Ich war beim Arzt in Jacksonville, um das Kind loszuwerden, aber er weigerte sich, es wegzumachen, weil die Schwangerschaft schon zu weit fortgeschritten war, wie er behauptete.«
Lola sank auf einen Stuhl und bedeckte ihr Gesicht mit einer Hand. »Du warst bei einem Arzt ...«
Doch Jilly hatte bereits das Interesse an diesem Thema verloren. Sie ging ins Wohnzimmer, ließ sich aufs Sofa fallen, langte nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein.
»Erst versetzt sie uns in Angst und Schrecken, dann haut sie einfach ab«, murrte Carrie. »Sie überlässt es uns, ganz allein mit dem Schlamassel fertig zu werden. Typisch.«
»Carrie, fang keinen Streit an«, flehte Lola. Sie rieb sich die Stirn, als müsste sie Kopfschmerzen vertreiben, dann fügte sie hinzu: »Jilly nimmt sich einfach nicht die Zeit, gründlich über alles nachzudenken.«
»Warum sollte sie auch? Sie hat ja dich, und du bügelst ihre Fehler immer wieder aus. Du lässt ihr alles durchgehen – abgesehen von einem Mord vielleicht –, nur weil du ihre Ausbrüche nicht erträgst. Ich glaube, du hast Angst vor ihr.«
»Das ist lächerlich«, protestierte Lola. Sie erhob sich und ging in die Küche, um den Abwasch zu machen. »Wir sind eine Familie, und wir werden das durchstehen«, rief sie. »Und du wirst dabei helfen, Carrie. Deine Schwester braucht unsere moralische Unterstützung.«
Carrie ballte wütend die Fäuste. Was war noch nötig, um ihrer Mutter endlich die Augen zu öffnen? Sie musste doch sehen, was für ein selbstsüchtiges Biest sie da großgezogen hatte! Warum wollte sie die Wahrheit nicht erkennen?
Der Rest des Sommers war alles andere als schön. Jilly benahm sich wie immer grässlich, und ihre Mutter war ständig auf dem Sprung, um sie von hinten und vorn zu bedienen. Zum Glück hatte Carrie einen Ferienjob in Sammys Bar, und sie gab sich alle Mühe, so viele Überstunden wie nur möglich zu machen, um nicht zu viel Zeit zu Hause verbringen zu müssen.
Die Wehen kamen Ende August. Nachdem Jilly ihr Kind im County Hospital geboren hatte, warf sie einen Blick auf das wimmernde, runzlige Baby, das ihr so viele Schmerzen bereitet hatte, und entschied, sie wolle keine Mutter sein. Nicht jetzt und auch nicht in Zukunft. Wenn die Ärzte dazu bereit gewesen wären, hätte sie sich noch am selben Tag die Gebärmutter herausnehmen oder die Eileiter zubinden lassen.
Lola schleppte Carrie ins Krankenhaus zu einem Besuch bei ihrer Schwester. Sie waren noch nicht einmal ganz ins Zimmer gekommen, als Jilly auch schon verkündete, sie sei zu jung und zu hübsch, um sich mit einem Baby zu belasten. Die große Welt außerhalb von Sheldon Beach warte auf sie, aber kein Mann mit Geld würde sie auch nur zur Kenntnis nehmen, wenn sie ein Baby mit sich herumtrage. Nein, Mutter sein, das war nichts für sie. Außerdem hatte sie sich in den Kopf gesetzt, ein berühmter Filmstar zu werden – das war ihr Herzenswunsch. Den Anfang würde sie machen, indem sie sich zur Miss America krönen ließe. Sie hätte alles schon geplant, erklärte sie. Sie prahlte, sie sei viel hübscher als die dummen Kühe, die sie letztes Jahr im Fernsehen in ihren Badeanzügen hatte aufmarschieren sehen, und sie war felsenfest davon überzeugt, dass die Jurymitglieder nur einen einzigen Blick auf sie werfen mussten, um sie als Siegerin zu erklären.
»Gott, bist du beschränkt«, schimpfte Carrie. »Sie machen keine Mädchen zur Miss America, die schon ein Kind haben.«
»Du bist die Beschränkte, Carrie.«
»Hört auf, alle beide«, befahl Lola. »Wollt ihr, dass die Krankenschwestern hören, wie ihr euch zankt?«
»Es ist mir egal, ob sie mich hören oder nicht«, gab Jilly zurück.
»Ich habe dir gesagt, du sollst aufhören«, fauchte Lola. »Werd endlich vernünftig, Jilly. Du bist jetzt Mutter.«
»Ich will aber keine Mutter sein. Ich möchte ein Star werden«, kreischte Jilly.
Entsetzt zog Lola Carrie ins Krankenzimmer und wies sie an, die Tür zuzumachen. Sie umklammerte mit einer Hand die Topfpflanze, die sie Jilly mitgebracht hatte, und hielt mit der anderen Carries Arm fest, so dass sie nicht davonlaufen konnte.
Carrie ärgerte sich, dass die Mutter sie zwang, Jilly Beistand zu leisten. Sie lehnte sich an die Tür und funkelte ihre Schwester an.
»Jilly, es ist mir gleichgültig, was du dir wünschst«, flüsterte Lola zornig.
Normalerweise sprach ihre Mutter nicht in diesem Ton mit Jilly. Carrie spitzte die Ohren.
»Du wirst die Verantwortung für dein Baby übernehmen«, sagte Lola ernst und ging auf das Bett zu. »Du wirst eine gute Mutter sein, und Carrie und ich helfen dir, dein Kind großzuziehen. Es wird sich alles einspielen. Du wirst schon sehen. Ich denke, du solltest den Vater des Kindes anrufen ...« Jillys Lachen unterbrach sie. »Was ist denn so komisch?«
»Du bist es«, erwiderte Jilly. »Du hast mein ganzes Leben vorausgeplant, ja? Du versuchst, mich immer dazu zu bringen, genauso zu denken und zu handeln, wie du es für richtig hältst. Aber ich bin inzwischen erwachsen, Mutter. Ich bin immerhin achtzehn«, rief sie Lola ins Gedächtnis. »Und ich werde genau das tun, was ich will.«
»Aber, Jilly, der Vater hat ein Recht darauf zu erfahren, dass er eine Tochter hat.«
Jilly klopfte das Kissen hinter sich auf und gähnte. »Ich weiß nicht, wer der Vater ist. Es könnte der Collegestudent aus Savannah sein, aber ich bin nicht sicher.«
Lola schnappte nach Luft. »Was soll das heißen, du bist nicht sicher? Du hast mir erzählt ...«
»Ich hab gelogen. Du willst, dass ich dir die Wahrheit sage? Gut, also: Ein Dutzend andere Männer kämen als Vater genauso in Frage.«
Lola schüttelte den Kopf. Sie weigerte sich, ihrer Tochter zu glauben. »Hör auf, solchen Unsinn zu reden. Sag mir die Wahrheit.«
Carries Kopf zuckte in die Höhe. »O mein Gott, Jilly«, rief sie entsetzt.
Jilly liebte es, Menschen zu schockieren und im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. »Ich sage die Wahrheit. Ehrlich, ich habe nicht gezählt, mit wie vielen Männern ich zusammen war. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wer der Vater sein könnte.« Sie sah den Abscheu im Gesicht ihrer Mutter. »Bist du jetzt schockiert?«, fragte sie mit ungebührlicher Schadenfreude. »Die Männer lieben mich nun einmal«, brüstete sie sich. »Sie würden alles tun, um mir zu gefallen. Sie machen mir teure Geschenke und geben mir auch Geld. Ich musste die Sachen vor dir und Carrie verstecken, damit ihr nicht neidisch werdet und euch aufführt wie jetzt – so verdammt tugendhaft. Du hättest mir das Geld und den Schmuck sofort weggenommen, hab ich recht? Aber dazu wollte ich dir nicht die Gelegenheit geben. Ich bin schlauer, als du denkst, Mutter.«
Lola schloss benommen die Augen. Sie hatte mit Übelkeit zu kämpfen. »Wie viele Männer waren es?«
»Woher soll ich das wissen? Hast du mir nicht zugehört? Ich hab doch gerade gesagt, dass ich sie nicht gezählt habe. Ich brauchte nichts anderes zu tun, als ihnen für eine Weile meinen Körper zu überlassen. Sie bewundern mich, und ich lasse sie gewähren. Ich bin viel schöner als sämtliche Schauspielerinnen in Hollywood zusammen, und ich werde berühmter und populärer als sie alle. Wartet's nur ab. Außerdem mag ich Sex. Es fühlt sich gut an, wenn die Männer es richtig machen. Du verstehst einfach die modernen Frauen nicht. Du bist alt, Mutter, und innerlich ganz vertrocknet. Wahrscheinlich kannst du dich gar nicht mehr erinnern, was Sex überhaupt ist.«
»Du hast Geld für Sex genommen? Weißt du, wozu dich das macht?«
»Es macht mich frei«, versetzte Jilly schneidend.
Carrie ging von der Tür weg. »Nein, Jilly. Es macht dich zu einer dreckigen, kleinen Hure. Das ist alles, was du jemals sein wirst.«
»Du weißt nicht, wovon du sprichst«, schrie Jilly. »Die Männer wollen dich nicht, aber mich wollen sie! Ich kann sie in den Wahnsinn treiben und dir gönnen sie nicht mal einen zweiten Blick. Du bist ja nur neidisch, weil ich ein freies Leben führe.«
»Komm, Mutter, lass uns gehen.« Carrie legte die Hand auf Lolas Schulter.
Jilly drehte den Kopf zur Seite und brummte: »Ja, geht nur. Ich bin müde. Geht und lasst mich schlafen.«
Carrie musste Lola stützen und ihr in den Wagen helfen. Sie hatte ihre Mutter noch nie so verstört erlebt, und es machte ihr Angst.
Auf der Fahrt starrte Lola blicklos aus dem Fenster. »Du hast immer gewusst, wie sie ist, und du hast versucht, es mir zu sagen, aber ich wollte nichts davon hören. Ich hatte Scheuklappen, stimmt's?«
Carrie nickte. »Etwas stimmt nicht mit Jilly. Ihre Niedertracht übersteigt alles, was ... Es ist nicht normal.«
»Ist das meine Schuld?«, fragte Lola verwirrt. »Euer Vater hat sie verwöhnt, und nachdem er auf und davon war, habe ich sie auch verwöhnt, damit sie sich nicht im Stich gelassen fühlte. Habe ich sie zu dem Ungeheuer gemacht, das sie geworden ist?«
»Ich weiß es nicht.«
Danach schwiegen beide, bis sie zu Hause ankamen. Carrie bog in die Einfahrt und parkte das Auto vor der Garage, dann schaltete sie den Motor aus. Sie wollte gerade die Tür aufmachen, als Lola nach ihrem Arm griff.
»Es tut mir so Leid, dass ich dich so behandelt habe.« Jetzt fing sie an zu weinen. »Du bist so ein gutes Mädchen, und ich habe das all die Jahre als selbstverständlich hingenommen. Unser Leben hat sich nur um Jilly gedreht, nicht? Jetzt kommt es mir vor, als hätte ich mich fast die ganzen achtzehn Jahre nur darum bemüht, sie ruhig zu halten ... und sie glücklich zu machen. Ich möchte, dass du weißt, wie stolz ich auf dich bin. Das habe ich dir noch nie gesagt. Ich vermute, es brauchte diesen Alptraum, um mir vor Augen zu führen, was für ein Schatz du bist. Ich liebe dich, Carrie.«
Carrie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann oder ob überhaupt ihre Mutter ihr jemals gesagt hatte, dass sie sie liebte. Sie fühlte sich, als hätte sie gerade eine Art Wettbewerb gewonnen, aber nur, weil die Kontrahentin versagt hatte. Das Goldkind hatte seinen Glanz verloren, und weil Carrie die Einzige war, die übrig blieb, bekam sie den Preis.
Das genügte ihr nicht. »Was hast du jetzt mit Jilly vor?«, fragte sie.
»Ich werde sie natürlich dazu bringen, das Richtige zu tun.«
Carrie entzog sich ihrem Griff. »Du hast es immer noch nicht kapiert, oder? Sie wird nicht das Richtige tun. Vielleicht kann sie es gar nicht. Ich weiß es nicht. Sie ist krank, Mutter.«
Lola schüttelte den Kopf. »Sie ist verwöhnt, aber ich kann trotzdem ...«
Carrie unterbrach sie. »Du lebst im Wolkenkuckucksheim«, murrte sie. Sie stieg aus, schlug die Wagentür zu und ging ins Haus.
Lola folgte ihr in die Küche, nahm eine Schürze von dem Holzhaken an der Wand und band sie sich um.
»Erinnerst du dich noch, was an meinem achten Geburtstag passiert ist?«, fragte Carrie, als sie sich einen Stuhl zurechtrückte und hinsetzte.
In der Hoffnung, um das schmerzliche Thema herumzukommen, drehte sich Lola nicht zu ihrer Tochter um. »Nicht jetzt, Liebes. Warum deckst du nicht den Tisch, während ich das Abendessen mache?«
»Du hast mir die Barbiepuppe geschenkt, die ich mir gewünscht habe.«
»Carrie, ich möchte jetzt nicht darüber reden.«
»Setz dich. Wir müssen uns aussprechen.«
»Es ist schon so lange her. Wieso musst du wieder davon anfangen?«
Doch diesmal ließ sich Carrie nicht von ihrem Vorhaben abbringen. »Ich bin in dieser Nacht in euer Schlafzimmer gekommen.«
»Carrie, ich möchte nicht ...«
»Setz dich, verdammt noch mal. Du kannst nicht so weiterleben. Du musst endlich den Tatsachen ins Auge sehen. Setz dich hin, Mutter.« Am liebsten hätte sie Lola an den Schultern gepackt und sie so lange geschüttelt, bis sie zur Vernunft kam.
Lola gab nach. Sie nahm am Tisch gegenüber von Carrie Platz und faltete die Hände auf dem Schoß. »Ich erinnere mich, dass sich dein Vater über deine Anschuldigungen sehr aufgeregt hat«, sagte sie. »Und Jilly hat bitterlich geweint. Du hast in dieser Nacht das ganze Haus in Aufruhr gebracht.«
»Sie wollte meine Puppe haben«, sagte Carrie. »Und als ich sie ihr nicht freiwillig gegeben habe, drohte sie mir, mir die Augen mit der Schere auszustechen. Ich bin so gegen Mitternacht aufgewacht, und sie stand mit der Schere in der Hand neben meinem Bett. Sie hatte dieses irre Lächeln im Gesicht. Sie klimperte mit der Schere, klappte sie auf und zu und hielt meine Barbie in der Hand. Und da sah ich, was sie mit der Puppe gemacht hatte. Sie hatte ihr die Augen ausgestochen, Mutter, und dieses Lächeln auf ihrem Gesicht ... Es war grauenvoll. Als ich anfangen wollte zu schreien, beugte sie sich nah zu mir herunter und flüsterte: ›Und jetzt bist du dran.‹«
»Du warst damals noch so jung, du kannst dich bestimmt nicht mehr genau erinnern, was wirklich geschehen ist. Du hast den kleinen Zwischenfall viel zu ernst genommen und übertrieben.«
»O nein, das habe ich nicht«, widersprach Carrie. »Genauso ist es gewesen. Du hast ihren Blick nicht gesehen, aber ich sage dir, sie wollte mich umbringen. Wenn ich allein mit ihr im Haus gewesen wäre, hätte sie mich ohne mit der Wimper zu zucken getötet.«
»Nein, nein, sie wollte dir nur Angst einjagen«, beharrte Lola. »Sie hätte dir niemals etwas angetan. Jilly liebt dich.«
»Wenn ihr, du und Dad, nicht im Haus gewesen wärt, hätte sie mich verletzt. Sie ist verrückt, Mutter. Es ist mir egal, was aus ihr wird, aber jetzt ist da dieses unschuldige Baby.« Carrie holte tief Luft, dann platzte sie heraus: »Ich denke, wir sollten Jilly dazu ermutigen, das Kind zur Adoption freizugeben.«
Lola war entrüstet über diesen Vorschlag. »Auf keinen Fall«, sagte sie und schlug mit der Hand auf den Tisch. »Das Baby ist deine Nichte und meine Enkelin, und ich werde nicht zulassen, dass die Kleine bei fremden Menschen aufwächst.«
»Es ist ihre einzige Chance für eine anständige Zukunft«, argumentierte Carrie. »Die Kleine hat ohnehin schon eine schwere Hypothek zu tragen mit Jilly als leiblicher Mutter. Ich hoffe nur, dass Jillys fatale Anlagen nicht genetisch bedingt sind.«
»Oh, um Himmels willen. Das Einzige, was mit Jilly nicht stimmt, ist die Tatsache, dass sie früher immer bekam, was sie wollte. Eine Menge junger Frauen treibt sich heutzutage mit Männern herum. Es ist zwar nicht richtig«, fügte Lola hastig hinzu, »aber ich verstehe, warum Jilly sich wünscht, dass die Männer sie lieben. Ihr Vater hat sie verlassen und sie versucht nur ...«
»Sag mal, hörst du dir eigentlich manchmal selbst zu?«, schrie Carrie. »Ein paar Minuten lang dachte ich, du würdest Jilly endlich so sehen, wie sie wirklich ist, aber leider habe ich mich wohl geirrt. Du verschließt weiter die Augen. Du hast mich gefragt, ob du sie zu diesem Ungeheuer gemacht hast, schon vergessen?«
»Ich wollte damit sagen, dass ihr Benehmen schrecklich war, aber Jilly ist jetzt Mutter. Wenn ich wieder ins Krankenhaus fahre, um sie und das Baby heimzuholen, wirst du's schon sehen. Sie kommt ganz bestimmt zur Vernunft.«
Es war, als würde Carrie gegen eine Wand reden. »Du glaubst, ihre mütterlichen Instinkte werden noch wach?«
»Ja, das meine ich«, sagte Lola. »Du wirst es schon sehen«, wiederholte sie. »Jilly wird das Richtige tun.«
Carrie gab es auf. Verärgert ging sie in ihr Zimmer und blieb den ganzen Abend dort. Als sie am Morgen herunterkam, lag ein Zettel auf dem Küchentisch. Ihre Mutter war unterwegs, um ein Kinderbett, Babykleider und einen Kindersitz zu kaufen.
»Wolkenkuckucksheim«, murmelte Carrie.
Am Montagmorgen fuhr Lola ins Krankenhaus, um Jilly und das noch immer namenlose Baby abzuholen. Carrie weigerte sich, ihre Mutter zu begleiten. Sie gab vor, sie hätte die Frühschicht in Sammys Bar übernommen, und verließ das Haus, ehe Lola weitere Fragen stellen konnte.
Jilly erwartete ihre Mutter. Sie war angezogen, stand vor dem Spiegel im Bad und bürstete sich die Haare. Sie deutete mit der Hand auf das schreiende Baby, das sie auf das ungemachte Bett gelegt hatte, sobald die Kinderschwester das Zimmer verlassen hatte, und erklärte Lola, sie könne die Kleine entweder behalten, verkaufen oder weggeben – ihr sei es gleichgültig, was mit ihr geschehe. Dann nahm Jilly ihre kleine Reisetasche an sich und marschierte aus der Klinik. In ihrem Büstenhalter steckte das Geld, das sie von den Ersparnissen, mit denen das College für ihre Schwester bezahlt werden sollte, gestohlen hatte.
Die Abhebung war erst zwei Wochen später auf dem Kontoauszug ersichtlich. Carrie war außer sich. Sie hatte schwer gearbeitet, um das Geld zu verdienen, und sie war fest entschlossen, es sich zurückzuholen. Sie wollte der Polizei den Diebstahl melden, aber Lola ließ das nicht zu.
»Familienangelegenheiten bleiben in der Familie«, erklärte sie.
Carrie machte im folgenden Frühjahr ihren Highschoolabschluss und suchte sich für den Sommer zwei Jobs. Lola nahm einiges von dem, was sie selbst für schlechte Zeiten auf die hohe Kante gelegt hatte, um etwas zu Carries Studiengebühren beizusteuern, und Carrie fand eine Teilzeitarbeit auf dem Campus, so dass sie die laufenden Ausgaben bestreiten konnte. Als sie in den Weihnachtsferien nach Hause kam, brachte sie es kaum fertig, Jillys Baby anzusehen.
Aber Avery gehörte nicht zu den Kindern, die sich damit abfinden, nicht beachtet zu werden. Sie musste nur ein paarmal lächeln und Carrie lächelte zurück. Jedes Mal, wenn sie heimkam, wurde das Band zwischen Tante und Nichte stärker. Das Kind bewunderte sie, und dieses Gefühl wurde erwidert – auch wenn Carrie es nie offen aussprach.
Avery war das süßeste, intelligenteste kleine Mädchen der Welt, und Carrie wurde zu ihrer Ersatzmutter. Und ganz entschieden hatte sie die Beschützerinstinkte einer Mutter. Sie hätte alles getan, um Avery vor Schaden zu bewahren.
Und jetzt, fünf Jahre später, war Jilly immer noch im Stande, ihrer Familie Schmerzen zuzufügen.
»Hat sie mich gehasst, Carrie?«
Carrie zwang sich, sich auf die Frage zu konzentrieren. Sie stemmte die Hände in die Hüften, atmete tief durch und fragte zurück: »Wieso kümmert es dich, was Jilly über dich dachte?«
Avery hob die Schultern. »Ich weiß nicht.«
»Jetzt hör mir mal gut zu, Avery. Deine nichtsnutzige Mama hat dich vielleicht gehasst, aber nicht, weil du so bist, wie du bist, oder weil ihr etwas an deinem Aussehen nicht gefallen hat. Du warst ein wunderschönes Baby. Jilly wollte einfach die Verantwortung für dich nicht übernehmen.« Sie deutete auf den Stuhl, der neben dem Bett stand. »Ich werde dir jetzt etwas sehr Wichtiges erzählen, und ich möchte, dass du gut aufpasst. Also setz dich hin.«
Avery beeilte sich, der Aufforderung nachzukommen.
»Du bist wahrscheinlich noch zu jung dafür, aber ich erzähle es dir trotzdem. Deine Mutter ist wahnsinnig.«
Avery war enttäuscht. Sie hatte geglaubt, etwas ganz Neues zu erfahren. »Das hast du mir schon erzählt, Carrie. Ganz oft sogar.«
»Das war nur zur Erinnerung«, sagte Carrie. »Jilly war nie normal. Tatsache ist, dass man sie schon vor langer Zeit in eine Klapsmühle hätte einsperren müssen.«
Avery war fasziniert von dem Gedanken, dass sie eine Mutter haben könnte, die irgendwo eingesperrt war. »Was ist eine Klapsmühle?«
»Das ist ein Haus, in das man kranke Menschen bringt.«
»Ist Jilly krank?«
»Ja«, antwortete Carrie. »Aber nicht krank auf eine Weise, dass wir Mitleid mit ihr haben müssten. Sie ist gemein, gehässig und schlichtweg verrückt. Sie muss verrückt sein, wenn sie so ein wunderbares Kind wie dich einfach im Stich gelassen hat«, fügte sie hinzu. Sie beugte sich vor und strich Avery das Haar aus den Augen. »Deine Mutter war schon als Kind nicht ganz richtig im Kopf – ihr hat immer etwas gefehlt. Sie ist vielleicht keine echte Soziopathin, aber verdammt nah dran.«
Avery riss die Augen auf. Erschrocken sagte sie: »Carrie, du hast ›verdammt‹ gesagt.«
»Ich weiß, was ich gesagt habe, und ich weiß auch, wovon ich spreche.«
Avery stand auf und ging zum Bett, um sich neben Carrie zu setzen. Sie nahm ihre Hand und sagte: »Aber ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
»Ich werd's dir erklären. Ein Soziopath ist ein Mensch der kein Gewissen hat, und ehe du fragst, sage ich dir auch gleich, was ein Gewissen ist. Das ist etwas im Kopf, das einem Bescheid sagt, wenn man etwas Falsches getan hat. Dann sorgt das Gewissen dafür, dass man sich ... schlecht fühlt.«
»So wie ich mich fühle, wenn ich Grandma sage, ich hätte Klavier geübt, obwohl es gar nicht stimmt, und sie mir dann sagt, ich wäre ein braves Mädchen, aber ich war es gar nicht, weil ich sie angelogen hab?«
»Ja, genau so«, erwiderte Carrie. »Deine Mutter hat kein Herz und keine Seele, das ist die Wahrheit.«
»Wie in dem Lied, das du so gern singst? Ist das so was wie ein Herz und eine Seele?«
»Ja, wie in dem Lied«, bestätigte Carrie. »Jilly hat in ihrem Herzen keinen Platz für Gefühle, die nicht direkt mit ihr oder ihrem Wohlergehen zu tun haben.«
Avery schmiegte sich an sie und sah mit ihren schönen veilchenblauen Augen, die um so vieles schöner waren als die ihrer Mutter, zu ihr auf. Carrie konnte fast die Lauterkeit und die Güte dahinter sehen. »Jilly hat zu viel damit zu tun, sich selbst zu lieben, um auch noch andere Menschen lieben zu können, aber du solltest dir deswegen keine Gedanken machen. Nichts davon ist deine Schuld. Du glaubst mir doch, oder?«
Avery nickte feierlich. »Es ist die Schuld meiner nichtsnutzigen Mama.«
Carrie lächelte. »Ganz recht.«
»Habe ich eine Seele?«
»Ja, die hast du. Jeder außer deiner nichtsnutzigen Mama hat eine Seele.«
»Hatte Whiskers eine Seele, bevor Jilly ihn verletzt hat und er starb?«
»Vielleicht«, räumte Carrie ein und dachte an das Kätzchen, das Jilly ihr so grausam genommen hatte.
»Wo ist sie?«
»Deine Seele?« Carrie musste erst nachdenken, ehe sie darauf antwortete. »Sie ist in dir, um dein Herz gewickelt. Deine Seele ist so rein wie die eines Engels, und ich möchte dir dabei helfen, dass sie so bleibt. Du bist Jilly überhaupt nicht ähnlich, Avery.«
»Aber ich sehe aus wie sie. Das hast du selbst gesagt.«
»Es kommt nicht darauf an, wie du aussiehst. Das, was du bist, ist wichtig.«
»Hat Jilly dich und Grandma geliebt, und nur mich nicht?«
Carrie wurde ärgerlich. »Ich dachte, du hättest verstanden, was ich gesagt habe. Jilly liebt niemanden außer sich selbst. Sie liebt Grandma nicht, sie liebt mich nicht und dich liebt sie auch nicht. Hast du jetzt verstanden?«
Avery nickte. »Darf ich jetzt wieder mit dem Schmuck spielen, Carrie?«
Carrie lächelte. Wie es schien, hatte das Kind Wichtigeres im Sinn. Sie sah der Kleinen zu, wie sie sich wieder an den Toilettentisch setzte und in der Schuhschachtel kramte. »Weißt du, was das Beste ist, was dir jemals passiert ist?«
Avery wandte sich ihr nicht zu, als sie antwortete. »Dass ich dich als Tante habe?«
»Findest du, das ist das Beste?«, fragte Carrie überrascht und erfreut. »Warum?«
»Weil du mir gesagt hast, dass es das Beste ist.«
Carrie lachte. »Ja, aber es gibt sogar noch was Besseres.«
»Was?«
»Du wächst nicht in ständiger Angst auf wie ich. Jilly wird nie wieder zurückkommen. Du brauchst sie niemals zu sehen ... nie. Das ist eindeutig das Beste.«
Ein Schauer lief Carrie über den Rücken, sobald sie die Worte ausgesprochen hatte. Forderte sie das Schicksal heraus, wenn sie solche Sachen sagte? Konnte man einen Dämon heraufbeschwören, indem man behauptete, dass er nicht existierte? Das Frösteln fühlte sich an wie eine böse Vorahnung. Aber das war es natürlich nicht. Sie war nur eine Schwarzseherin. Sie schüttelte das ungute Gefühl ab und machte sich wieder an die Arbeit.
In der nächsten Woche hatten sie viel zu tun. Avery wollte ihre Wände rosa haben und Carrie setzte sie weiß ab. Sie fand, dass ihr ehemaliges Zimmer aussah, als wäre eine Flasche Pepto-Bismol darin explodiert, aber Avery gefiel es. Am Sonntagnachmittag hatten sie Carries großes Schlafzimmer für sie eingerichtet und all ihre Sachen eingeräumt. Carries Gepäck war schon im Kofferraum des Autos verstaut. Ihre letzte Nacht verbrachte sie auf der furchtbar unbequemen Bettcouch in Averys altem Zimmer.
Zum Abendessen gab es nur Carries Lieblingsspeisen – Sachen, die laut Diätplan verboten waren: gebratenes Hühnchen, Kartoffelbrei mit Sauce, grüne Bohnen mit ausgelassenem Speck. Lola hatte auch einen frischen Salat zubereitet, den sie im eigenen Gemüsegarten geerntet hatte, aber den rührte Carrie kaum an. Da sie sich schon dazu durchgerungen hatte, einen Tag lang zu sündigen – einen wundervollen Tag ohne Schuldgefühle –, nahm sie sich von allem anderen gleich zweimal und aß mit uneingeschränktem Genuss.
Nachdem Grandma Lola Avery ins Bett gebracht und ihr eine Geschichte vorgelesen hatte, ging Carrie zu der Kleinen, um ihr einen Gutenachtkuss zu geben. Sie schaltete das Nachtlicht ein, machte die Tür zu und ging hinunter, um noch den letzten Papierkram zu erledigen.
Eines führte zum anderen, und es war schon nach elf, als sie ans Zubettgehen dachte. Lola schlief bereits in ihrem Zimmer auf der Rückseite des Hauses. Carrie schaute noch einmal nach Avery – oh, das Würmchen würde ihr fehlen! – und wäre fast in schallendes Gelächter ausgebrochen, als sie ihre Nichte in dem großen Bett sah. Das Kind hatte sich mit mindestens fünf Halsketten und vier Armbändern behängt. Das angelaufene Diadem, bei dem die meisten Strasssteinchen fehlten, saß schief auf dem Kopf und hatte sich in einigen Haarsträhnen verheddert. Avery lag auf dem Rücken und hielt einen abgenutzten Teddy im Arm. Carrie setzte sich auf die Bettkante und nahm Avery vorsichtig, um sie nicht zu wecken, den Schmuck ab, legte ihn in die Schachtel und schlich dann wieder zur Tür. Sie zog sie eben leise zu, als Avery flüsterte: »Gute Nacht, Carrie.«
Carrie drehte sich zu ihr um. Das kleine Mädchen hatte die Augen geschlossen und sah im sanften Schein der Straßenlaterne aus wie ein Engel. Carrie war überzeugt, dass sie Avery nicht mehr lieben könnte, wenn sie ihr eigenes Kind wäre. Der Wunsch, sie zu beschützen, war überwältigend. Sie hasste den Gedanken, von ihr wegzumüssen, und kam sich vor, als würde sie sie im Stich lassen.
Aber ich muss weg, rief sie sich ins Gedächtnis. Averys Zukunft hing von ihr ab. Wenn Carrie finanziell abgesichert war, konnte sie ihre Mutter und ihre Nichte in dem Stil unterstützen, den sie beide verdienten. Schuldgefühle waren ein wirksamer Hemmschuh, aber Carrie ließ nicht zu, dass sie ihre Pläne durchkreuzten. Sie hatte ihre Ziele und Träume, und Avery und Lola waren fest in ihre Zukunft eingebunden.
»Ich tue das Richtige«, flüsterte sie, während sie durch den Flur zum Badezimmer ging. Und sie versuchte immer noch, sich davon zu überzeugen, als sie unter die Dusche trat.
Carrie hatte gerade das Wasser voll aufgedreht, als Avery von zuschlagenden Wagentüren geweckt wurde. Sie hörte ein tiefes Lachen und stand auf, um nachzusehen, wer da draußen so einen Lärm machte. Sie sah einen Mann und eine Frau. Sie standen neben einem alten, verbeulten Auto, steckten die Köpfe zusammen und redeten und lachten.
Die Frau hatte goldenes Haar. Der Mann war dunkel. Er hielt etwas in der Hand. Avery spähte durch einen Spalt in der Gardine, damit die beiden sie nicht entdeckten und möglicherweise ausschimpften, weil sie so neugierig war. Der Mann hob eine Flasche an die Lippen und trank einen großen Schluck. Dann hielt er der Frau die Flasche hin, und sie legte den Kopf zurück und trank auch.
Was hatten sie vor Grandmas Haus zu suchen? Avery kauerte sich hin und versteckte sich hinter der Gardine. Sie duckte sich, als die Frau sich jetzt umdrehte und den Bürgersteig entlangging. Der Mann mit dem gemeinen Gesicht folgte ihr nicht. Er lehnte sich an den Kotflügel des Wagens und schlug ein Bein über das andere. Er trank erneut, dann warf er die leere Flasche auf die Straße. Das Klirren des zersplitternden Glases war so laut, dass Avery erschrocken nach Luft schnappte. Es war nicht richtig, Abfall in die Gegend zu werfen. Das sagte Grandma Lola immer wieder.
Der Mann betrachtete das Haus. Dann sah er die Straße hinauf und hinunter, und Avery dachte, sie könnte gefahrlos aufstehen, um ihn ein wenig genauer in Augenschein zu nehmen. Als er sich zur Fahrertür umdrehte, sah sie, dass etwas in seiner Gesäßtasche steckte. Was war das? Noch eine Flasche?
Der Mann mit dem gemeinen Gesicht und dem schmutzigen T-Shirt musste unglaublich durstig sein, denn er fasste nach hinten und zog die Flasche aus der Tasche. Aber es war gar keine Flasche! Wieder musste Avery nach Luft schnappen. Der böse Mann hielt eine schimmernde schwarze Pistole in der Hand. Genau so eine, wie sie sie im Fernsehen schon oft gesehen hatte.
Sie war viel zu aufgeregt, um Angst zu haben. Sie konnte es kaum erwarten, Peyton zu erzählen, was sie beobachtet hatte. Sollte sie Grandma und Carrie wecken und ihnen sagen, dass ein Mann mit einer Pistole vor dem Haus stand? Vielleicht würden sie auf der Polizeiwache anrufen und Officer Friendly würde herkommen und den bösen Mann abführen.
Avery zuckte erschrocken zusammen, als plötzlich jemand an die Haustür hämmerte. Das muss die Frau sein, dachte sie. Wieso will sie Grandma mitten in der Nacht besuchen?
Die Frau schrie furchtbare Worte. Avery lief zurück zum Bett und versteckte sich unter der Decke, für den Fall, dass ihre Großmutter nach ihr sah, bevor sie hinunterging, um der Frau klar zu machen, dass sie nicht so einen Lärm machen durfte. Großmutter würde bestimmt sagen: »Wollen Sie Tote aufwecken?«, denn das sagte sie auch immer zu Carrie, wenn sie den Fernseher oder die Musik zu laut aufgedreht hatte. Aber wenn Großmutter erst in ihr Zimmer schaute und sah, dass sie nicht im Bett lag, würde Avery nie erfahren, was vor sich ging.
Manchmal musste man eben ein bisschen ungezogen sein, um wichtige Dinge herauszufinden. Peyton hatte gesagt, dass es gar nicht so schlimm wäre, wenn man andere Leute belauschte, solange man niemandem weitererzählte, was man gehört hatte.
Das Hämmern wurde immer lauter, und die Frau verlangte, dass Grandma sie ins Haus ließ.
Grandma machte die Tür auf, und Avery hörte, dass die Frau weiterschrie. Sie verstand jedes Wort. Mit einem Mal war Avery gar nicht mehr neugierig. Sie hatte höllische Angst. Sie schleuderte die Decke von sich und sprang auf, dann ließ sie sich auf den Bauch fallen und kroch unter das Bett. Sie rutschte ganz hinauf zum Kopfteil und zog die Knie bis zum Kinn hoch. Sie war schon ein großes Mädchen, zu groß, um zu weinen. Und die Tränen, die ihr über die Wangen liefen, waren nur da, weil sie die Augen zu fest zusammenkniff. Sie presste die Hände auf die Ohren, um das fürchterliche Geschrei nicht zu hören.
Avery wusste, wer die Frau war: Ihre nichtsnutzige Mama Jilly, und sie war hier, um sie mitzunehmen.
Das Warten machte Avery verrückt. Sie saß in ihrem kleinen Kabuff, lehnte mit dem Rücken an der Wand, hatte ein Bein über das andere geschlagen und hielt einen Eisbeutel an ihr verletztes Knie. Mit den Fingern der anderen Hand trommelte sie auf die Schreibtischplatte. Was dauerte so lange? Warum hatte Andrews nicht angerufen? Sie starrte aufs Telefon, als könnte sie es mit reiner Willenskraft zum Klingeln bringen. Nichts. Nicht ein einziger Laut. Sie drehte sich mit ihrem Schreibtischstuhl, um zum hundertsten Mal auf die Digitaluhr zu schauen: Es war 10:05 Uhr – wie zehn Sekunden zuvor. Um Himmels willen, sie müsste längst etwas gehört haben.
Mel Gibson stand auf und beugte sich über die Wand, die seinen Arbeitsplatz von Averys trennte, und sah sie voller Mitgefühl an. Mel hieß wirklich so, es war sein echter Name, aber er hielt ihn für ein Hindernis, weil ihn kein Mensch in der ganzen Behörde ernst nahm. Trotzdem weigerte er sich, sich offiziell in »Brad Pitt« umzubenennen, wie es seine Kollegen vorgeschlagen hatten.
»Hi, Brad«, sagte Avery. Sie und die anderen Kollegen probierten immer noch aus, ob der neue Name passen würde. Letzte Woche war es »George Clooney« gewesen, aber das hatte in etwa dieselbe Reaktion hervorgerufen wie »Brad« jetzt – einen bösen Blick und den Hinweis, dass er weder »George« noch »Brad« noch »Mel« hieß, sondern »Melvin«.
»Du hättest inzwischen etwas von ihnen hören müssen«, sagte Mel.
Sie ließ sich nicht von ihm provozieren. Der große, trottelig aussehende Mel mit dem ausgeprägten Adamsapfel hatte die lästige Angewohnheit, seine dicke Nickelbrille mit dem Mittelfinger höher auf die Nase zu schieben. Margo, eine andere Kollegin, hatte Avery erklärt, dass Mel das mit Absicht tat. Es war seine Art, die anderen drei wissen zu lassen, wie überlegen er sich ihnen fühlte.
Avery war anderer Ansicht. Mel würde nie etwas Unanständiges tun. Er lebte nach dem Sittenkodex, den das FBI seiner Meinung nach personifizierte. Er war engagiert, verantwortungsbewusst, fleißig, ehrgeizig und hatte den Job, den er wollte ... Aber einen Mangel hatte er doch. Obwohl er erst siebenundzwanzig Jahre alt war, erinnerte seine Kleidung stark an die Aufmachung der Agenten aus den fünfziger Jahren: schwarze Anzüge, weiße, langärmelige Hemden mit Button-down-Krägen, dünne schwarze Krawatten, schwarze glänzend gewienerte Schnürschuhe und dazu eine Bürstenfrisur, die alle zwei Wochen nachgeschnitten werden musste.
Trotz aller Eigenheiten – er konnte den gesamten Text der FBI Story zitieren, in der Jimmy Stewart die Hauptrolle gespielt hatte – besaß er einen unglaublich scharfen Verstand und war ein ausgezeichneter Teamplayer. Er sollte die Dinge nur ein wenig leichter nehmen, fand sie. Das war alles.
»Meinst du nicht auch, dass du mittlerweile Bescheid wissen müsstest?« Er klang so besorgt, wie sie sich fühlte.
»Es ist noch früh.« Aber keine fünf Sekunden später sagte sie: »Du hast recht. Wir hätten längst etwas hören müssen.«
»Nein«, korrigierte er sie. »Ich sagte, du hättest eine Nachricht erhalten sollen. Lou, Margo und ich haben nichts mit der Entscheidung, das SWAT-Team einzuschalten, zu tun.«
O Gott, was hatte sie gedacht? »Mit anderen Worten, ihr hört euch den Anschiss nicht an, wenn ich mich geirrt habe?«
»Es geht nicht nur um einen Anschiss«, erwiderte er, »sondern um mehr. Ich brauche diesen Job. Ich wollte immer Agent werden, und näher komme ich nicht mehr dran. Bei meiner Kurzsichtigkeit ...«
»Ich weiß, Mel.«
»Melvin«, verbesserte er sie automatisch. »Und die Vorteile sind immens.«
Margo stand auf, um an der Unterhaltung teilzunehmen. »Die Bezahlung ist beschissen.«
Mel zuckte mit den Schultern. »Genau wie der Arbeitsplatz an sich«, sagte er. »Aber trotzdem ... es ist das FBI.«
»Was ist nicht in Ordnung mit unseren Arbeitsplätzen?«, fragte Lou, der ebenfalls aufstand. Sein Kabuff befand sich links von Averys. Mels war direkt davor und Margos grenzte an das von Lou. Der Verschlag, wie sie ihr scheußliches Büro liebevoll nannten, lag hinter dem Heizungsraum mit den lauten Warmwasserkesseln und Kompressoren. »Was gibt's daran auszusetzen?«, fragte er in verständnislosem Ton.
Lou war arglos wie immer, aber liebenswert, fand Avery. Wann immer sie ihn ansah, musste sie an Pig-Pen aus den alten Peanuts-Heften denken. Lou war immer zerzaust und schmuddelig. Er war absolut brillant, aber er schien beim Essen nur mit Mühe seinen Mund zu finden, und auf seinen kurzärmeligen Hemden war immer mindestens ein Fleck. Heute Morgen waren es zwei – einmal Himbeermarmelade von den gefüllten Doughnuts, die Margo mitgebracht hatte. Der große rote Fleck saß genau über dem schwarzen Tintenklecks, den sein Füller in der Brusttasche verursacht hatte.
Lou steckte sich zum dritten Mal an diesem Morgen das Hemd in die Hose und sagte: »Ich bin gern hier unten. Es ist gemütlich.«
»Wir arbeiten in einem Kellerloch ohne Fenster«, wandte Margo ein.
»Ja und?«, gab Lou zurück. »Deshalb ist unsere Arbeit nicht weniger wichtig. Wir alle sind Teil des Teams.«
»Ich würde gern zu dem Teil des Teams gehören, der Fenster hat«, sagte Margo.
»Man kann nicht alles haben. Avery, wie geht's deinem Knie?«, wechselte Lou unvermittelt das Thema.
Sie hob den Eisbeutel hoch und begutachtete die Verletzung. »Die Schwellung geht zurück.«
»Wie ist das passiert?«, wollte Mel wissen. Er war der Einzige, der die schauerlichen Details noch nicht kannte.
Margo fuhr sich mit den Fingern durch die dunklen, kurzen Locken und sagte: »Eine alte Lady hätte sie fast umgebracht.«
»Mit ihrem Cadillac«, ergänzte Lou. »Es war in ihrer Parkgarage. Die Frau hat sie offenbar nicht gesehen. Man sollte wirklich eine Altersgrenze bei der Verlängerung von Führerscheinen einführen.«
»Hat sie dich angefahren?«, fragte Mel.
»Nein«, antwortete Avery. »Ich bin zur Seite gesprungen, als sie um die Ecke raste. Ich bin auf der Motorhaube eines Mercedes gelandet und hab mir das Knie am Stern angeschlagen. Ich habe den Cadillac erkannt. Er gehört Mrs. Speigel, die in meinem Haus wohnt. Ich glaube, sie ist an die neunzig. Sie dürfte eigentlich gar nicht mehr fahren, aber hin und wieder sehe ich, wie sie mit dem Wagen Besorgungen macht.«
»Hat sie angehalten?«, bohrte Mel weiter.
Avery schüttelte den Kopf. »Ich glaube, sie hat überhaupt nicht gemerkt, dass ich da war. Sie hat richtig auf die Tube gedrückt, und ich war nur froh, dass ihr sonst niemand im Weg stand.«
»Du hast recht, Lou«, sagte Margo. Sie verschwand hinter ihrer Trennwand und bückte sich, um eine Schachtel mit Kopierpapier in die Ecke zu schieben, dann stellte sie sich drauf. Jetzt war sie so groß wie Mel. »Es sollte wirklich eine Altersbegrenzung geben. Avery hat erzählt, die Frau ist so klein, dass man ihren Kopf über der Rückenlehne des Sitzes gar nicht sieht. Nur ein paar graue Haare.«
»Wir schrumpfen alle, wenn wir alt werden«, stellte Mel fest. »Denk nur, Margo, wenn du mal neunzig bist, wird dich kein Mensch mehr sehen können.«
Margo, die gerade mal einsfünfundfünfzig war, konnte er damit nicht beleidigen. »Dann trage ich einfach höhere Absätze.«
Das Telefon unterbrach ihr Gespräch. Avery zuckte zusammen, als es klingelte, dann sah sie auf die Uhr: 10:14.
»Das ist es«, flüsterte sie beim zweiten Klingelton.
»Geh dran«, forderte Margo nervös.
Avery nahm den Hörer beim dritten Klingeln ab. »Avery Delaney.«
»Mr. Carter möchte Sie um halb elf in seinem Büro sprechen, Miss Delaney.«
Sie erkannte die Stimme. Carters Sekretärin hatte einen deutlichen Maine-Akzent. »Ich werde da sein.«
Drei Augenpaare hingen an ihr, als sie auflegte. »O Mann«, hauchte sie.
»Was?«, rief Margo; sie war die Ungeduldigste in der Gruppe.
»Carter möchte mich sprechen.«
»Auweia. Das verheißt nichts Gutes«, bemerkte Mel und setzte, als wäre ihm gerade erst klar geworden, dass er das nicht hätte sagen sollen, hinzu: »Willst du, dass wir mitkommen?«
»Das würdest du tun?«, fragte Avery überrascht.
»Nicht gern, aber ja, würde ich.«
»Ist schon gut. Es reicht, wenn ich gefeuert werde.«
»Ich finde, wir sollten alle zu ihm gehen«, sagte Margo. »Eine Massenkündigung. Ich meine, wir stecken doch alle mit drin, oder nicht?«
»Ja«, stimmte Avery ihr zu. »Aber ihr drei habt versucht, mir auszureden, mich mit Andrews in Verbindung zu setzen. Schon vergessen? Ich bin diejenige, die es vermasselt hat.« Sie stand auf, legte den Eisbeutel auf den Karteischrank und nahm ihr Jackett von der Stuhllehne.
»Das verheißt nichts Gutes«, wiederholte Mel. »Sie umgehen den normalen Dienstweg. Es muss was wirklich Schlimmes sein, wenn man zum Boss des Bosses zitiert wird. Carter wurde gerade zum Leiter der internen Angelegenheiten befördert.«
»Was bedeutet, dass er jetzt der Boss vom Boss unseres Bosses ist«, machte Margo deutlich.
»Ich frage mich, ob all die Bosse anwesend sind«, sagte Lou.
»Ich auch«, brummte Avery. »Vielleicht wollen mir alle drei sagen, dass ich gefeuert bin.« Sie knöpfte ihr Jackett zu und fragte: »Wie sehe ich aus?«
»Als ob jemand versucht hätte, dich zu überfahren«, sagte Mel.
»Du hast Laufmaschen«, informierte Margo sie.
»Ich weiß. Ich dachte, ich hätte noch eine Ersatzstrumpfhose in der Schublade, aber da ist keine mehr.«
»Ich habe eine.«
»Danke, Margo. Aber die wäre mir zu klein. Mel, Lou, dreht euch um oder setzt euch hin.«
Sobald sie ihr den Rücken zugekehrt hatten, fasste Avery unter ihren Rock und zog sich die kaputte Strumpfhose aus. Dann stieg sie barfuß in ihre Pumps.
Jetzt tat es ihr Leid, dass sie sich am Morgen für das Kostüm entschieden hatte. Normalerweise trug sie Hose und Bluse, aber sie wollte heute zum Mittagessen ausgehen, deshalb hatte sie sich herausgeputzt und das wunderschöne graubraune Armani-Kostüm angezogen, das ihr ihre Tante Carrie vor zwei Jahren geschenkt hatte. Ursprünglich hatte der Rock einen unzüchtigen Schlitz an der Seite gehabt, aber den hatte Avery zugenäht. Es war ein tolles Kostüm, aber ab heute würde es das Kostüm sein, das sie an dem Tag getragen hatte, an dem sie gefeuert worden war.
»Fang auf«, rief Margo und warf ihr eine originalverpackte Strumpfhose zu. »Das ist eine Einheitsgröße. Sie passt jedem. Du musst Strümpfe anhaben. Du kennst die Kleiderordnung.«
Avery las das Etikett. Da stand tatsächlich, dass die Strümpfe für jede Größe geeignet waren. »Danke«, sagte sie und setzte sich wieder. Ihre Beine waren lang, und sie fürchtete, die Strumpfhose zu zerreißen, als sie sie über die Hüften zog, aber sie passte tatsächlich.
»Du kommst zu spät«, mahnte Mel, als sie aufstand und den Rock zurechtzupfte. Warum war ihr bisher noch nicht aufgefallen, wie kurz er war? Der Saum reichte kaum bis zu den Knien.
»Ich hab noch fünf Minuten.« Sie legte Lipgloss auf und fasste ihr Haar im Nacken mit einer Spange zusammen, dann schlüpfte sie wieder in ihre Pumps. Erst jetzt merkte sie, dass der rechte Absatz ziemlich locker war. Offenbar war er bei dem Sprung auf die Motorhaube gebrochen.
Das kann ich jetzt auch nicht ändern, dachte sie. Sie holte tief Luft, straffte die Schultern und hinkte durch den Mittelgang. Das Knie tat bei jedem Schritt weh.
»Wünscht mir Glück.«
»Avery«, schrie Mel. Er wartete, bis sie sich zu ihm umdrehte, dann warf er ihr ihre ID-Karte zum Anstecken zu. »Vielleicht solltest du das besser dabeihaben.«
»Stimmt. Sie werden sie mir wegnehmen wollen, bevor sie mich aus dem Gebäude eskortieren.«
Margo rief ihr nach: »Hey, Avery, sieh's mal so: Wenn du gefeuert wirst, brauchst du dir keine Gedanken über die Arbeit machen, die sich hier anhäuft, während du dich mit deiner Tante in der schicken Wellnessfarm entspannst.«
»Ich weiß noch gar nicht, ob ich hinfahre. Meine Tante denkt, ich begleite die Kids durch D. C.«
»Aber jetzt, wo das gestrichen ist, solltest du dich ein bisschen verwöhnen lassen«, wandte Margo ein.
»Stimmt, du solltest hinfahren«, bekräftigte Lou. »Du könntest einen ganzen Monat in Utopia bleiben und deinen Lebenslauf verfassen.«
»Ihr seid mir wirklich eine große Hilfe, Leute«, sagte Avery ohne einen Blick zurück.
Carters Büro war im dritten Stock. An jedem anderen Tag hätte Avery die Treppe genommen, um sich körperlich zu betätigen, aber ihr linkes Knie schmerzte zu sehr und der rechte Absatz war zu wackelig. Als sie vor dem Aufzug ankam, war sie schon fast am Ende ihrer Kräfte. Während sie darauf wartete, dass der Lift herunterkam, überlegte sie, was sie zu Carter sagen würde, wenn er sie fragte, was sie sich in Gottes Namen bei ihrer Entscheidung gedacht hatte.
Die Türen glitten auf. Avery trat einen Schritt vor und spürte, wie etwas knackte. Sie senkte den Blick und sah, dass der Absatz in dem Spalt der Aufzugtür stecken geblieben war. Da sie allein auf weiter Flur war, zog sie den Rock hoch und ließ sich auf das gesunde Knie nieder, um das vermaledeite Ding herauszuziehen. Die Lifttüren schlossen sich und knallten ihr an den Kopf.
Avery fluchte ausgiebig und fiel zurück. Der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung, und sie grabschte nach der Haltestange. Sie hielt den abgebrochenen Absatz fest in einer Hand und zog sich in dem Moment mit der anderen auf die Füße, als der Lift im Erdgeschoss stoppte. Als der Aufzug in der dritten Etage anhielt, war er voll mit Leuten, und Avery stand in der hintersten Ecke. Sie kam sich idiotisch vor, als sie sich nach vorn drängelte und davonhumpelte.
Zu ihrem Pech war Carters Büro am Ende eines langen Flurs. Die Glastüren waren so weit weg, dass Avery nicht einmal den Namen über der Messingklinke lesen konnte.
Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich und ging los. Sie hatte die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht, als sie stehen blieb, um ihrem Knie eine Ruhepause zu gönnen und auf die Uhr zu schauen. Sie hatte noch eine Minute. Das schaffe ich, dachte sie und trottete weiter. Die Spange fiel ihr aus dem Haar, aber sie konnte sie gerade noch auffangen und wieder feststecken. Allmählich wünschte sie, Mrs. Speigels Cadillac hätte sie tatsächlich erwischt. Dann müsste sie sich nicht alle möglichen Ausreden einfallen lassen, und Carter könnte sie im Krankenhaus anrufen und sie per Telefon feuern.
Reiß dich zusammen, wiederholte sie in Gedanken. Konnte es jetzt noch schlimmer kommen?
Ja, leider. Genau in der Sekunde, in der sie die Tür aufzog, fing die Strumpfhose an zu rutschen. Als sie zur Empfangsdame hinkte, hing ihr das Taillenband an der Hüfte.
Die stattliche Brünette in dem umwerfenden Chanel-Kostüm sah erschrocken auf, als Avery auf sie zukam.
»Miss Delaney?«
»Ja«, antwortete sie.
Die Frau lächelte. »Sie sind pünktlich auf die Minute. Das wird Mr. Carter zu schätzen wissen. Er hat einen vollen Terminkalender.«
Avery beugte sich über den Empfangstresen, als die Frau den Hörer in die Hand nahm, um sie anzumelden. »Gibt es hier in der Nähe eine Damentoilette?«
»Den Flur entlang, an den Aufzügen vorbei und dann links.«
Avery schaute zurück und überdachte ihre Möglichkeiten. Sie konnte den endlos langen Flur zurückrennen, sich die verdammte Strumpfhose vom Leib reißen und zu spät zu dem Termin kommen oder ...
Die Empfangsdame unterbrach ihren Gedankengang. »Mr. Carter empfängt Sie sofort.«
Avery rührte sich nicht von der Stelle.
»Sie können hineingehen«, fügte die Empfangsdame hinzu.
»Die Sache ist die ...«
»Ja?«