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Die Gefahr ist ebenso nah wie die Leidenschaft ...
Jordan Buchanan besucht den Historiker Professor MacKenna in einer Kleinstadt in Texas, um die Geschichte ihrer Familie zu erforschen. Kurz nach ihrer Ankunft findet sie jedoch seine Leiche im Kofferraum ihres Autos. Der Sheriff scheint Jordan für die Hauptverdächtige zu halten. Ihr Bruder Nick - Agent beim FBI - und sein attraktiver Kollege Noah eilen ihr zu Hilfe. Während sie versuchen, den wahren Mörder zu finden, muss Jordan sich eingestehen, dass sie bald mehr als nur Dankbarkeit für den notorischen Frauenheld Noah empfindet. Auch Noah fühlt sich zu Jordan hingezogen. Beide ahnen jedoch nicht, dass Jordans Leben in Gefahr ist ...
Spannung pur - die prickelnde Romantic Suspense Reihe um die Familie Buchanan und ihre Freunde von New York Times Bestsellerautorin Julie Garwood:
Band 1: Zum Sterben schön
Band 2: Gnade
Band 3: Ein mörderisches Geschäft
Band 4: Mord nach Liste
Band 5: Sanft sollst du brennen
Band 6: Schattentanz
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Seitenzahl: 406
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Über dieses Buch
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Über die Autorin
Weitere Titel der Autorin
Impressum
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Jordan Buchanan besucht den Historiker Professor MacKenna in einer Kleinstadt in Texas, um die Geschichte ihrer Familie zu erforschen. Kurz nach ihrer Ankunft findet sie jedoch seine Leiche im Kofferraum ihres Autos. Der Sheriff scheint Jordan für die Hauptverdächtige zu halten. Ihr Bruder Nick – Agent beim FBI - und sein attraktiver Kollege Noah eilen ihr zu Hilfe. Während sie versuchen, den wahren Mörder zu finden, muss Jordan sich eingestehen, dass sie bald mehr als nur Dankbarkeit für den notorischen Frauenheld Noah empfindet. Auch Noah fühlt sich zu Jordan hingezogen. Beide ahnen jedoch nicht, dass Jordans Leben in Gefahr ist ...
Julie Garwood
Schattentanz
Aus dem amerikanischen Englisch von Theda Krohm-Linke
Die Hochzeit war ein großes Ereignis: sieben Brautjungfern, sieben Trauzeugen, drei Platzanweiser, zwei Ministranten, drei Prediger und genügend Munition, um die halbe Gemeinde auszulöschen. Sogar die Trauzeugen waren bis auf zwei alle bewaffnet.
Das FBI war nicht gerade glücklich über die Menge der Gäste, aber die Beamten wussten natürlich, dass ihre Einwände nichts fruchten würden. Der Vater des Bräutigams, Richter Buchanan, würde diesem Fest nie fernbleiben, ganz gleich, wie viele Morddrohungen er erhielt. Er hatte zurzeit den Vorsitz in einem Prozess gegen das organisierte Verbrechen in Boston inne, und das FBI musste ihn bis zur Urteilsverkündung schützen.
Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt. Die Buchanans bildeten eine so große Familie, dass einige der Verwandten und Freunde des Bräutigams auf der Seite der Braut sitzen mussten. Die meisten waren aus Boston in den kleinen Ort Silver Springs, South Carolina, gekommen, aber einige Verwandte hatten sogar die weite Reise von Inverness in Schottland auf sich genommen, um die Hochzeit von Dylan Buchanan und Kate MacKenna zu feiern.
Braut und Bräutigam strahlten vor Glück und genossen den Augenblick. Ihre Hochzeit wäre allerdings ohne Dylans Schwester Jordan nie zustande gekommen. Kate war Jordans beste Freundin, und auf dem College waren sie Zimmergenossinnen gewesen. Jordan nahm Kate zum ersten Mal mit zu sich nach Hause, nach Nathan's Bay, als die ganze Familie den Geburtstag ihres Vaters feierte. Jordan hatte nicht die Absicht gehabt, Kate zu verkuppeln, und es war ihr damals verborgen geblieben, dass es zwischen Kate und Dylan schon bei diesem ersten Treffen gefunkt hatte. Als dann Jahre später aus dem Funken ein leidenschaftliches Feuer wurde, war niemand überraschter – und erfreuter – als Jordan.
Jedes winzige Detail des glücklichen Ereignisses war sorgfältig geplant worden. Wie Kate konnte auch Jordan sehr gut organisieren, und deshalb wurde ihr die Aufgabe übertragen, die Kirche festlich zu schmücken. Dabei hatte sie es allerdings ein bisschen zu gut gemeint. Überall in und außerhalb der Kirche standen und hingen Blumengebinde. Himbeerfarbene Rosen und cremeweiße Magnolien säumten den Mittelgang und empfingen die Gäste mit ihrem süßen Duft. Girlanden aus rosa und weißen Rosen, Schleierkraut und Satinbändern schmückten beide Seiten der alten, verwitterten Doppeltüren. Jordan hatte sogar überlegt, ob sie die Tür frisch streichen lassen sollte, nahm aber im letzten Moment Abstand davon.
Kate hatte Jordan zudem gebeten, sich um die Musik zu kümmern, und auch in dieser Hinsicht war Jordan ein wenig übers Ziel hinausgeschossen. Ursprünglich hatte sie einen Pianisten und eine Sängerin für die Trauung engagieren wollen, letztlich wurde aber ein ganzes Orchester daraus, mit Violinen, Klavier, Querflöte und zwei Trompeten. Die Musiker saßen auf einem Balkon und spielten zur Unterhaltung der Gäste Mozart. Wenn sich die Trauzeugen vor dem Altar aufstellten, sollte die Musik aufhören; eine Fanfare würde ertönen, die Gäste würden sich erheben, und die Zeremonie würde beginnen.
Die Braut und ihre Brautjungfern warteten in einem kleinen Vorraum. Es war so weit. Eigentlich sollten nun die Trompeten erschallen, doch es herrschte Stille. Kate schickte Jordan hinaus, um den Grund für die Verzögerung herauszufinden.
Leise Musik übertönte das Quietschen der Tür, als Jordan in die Kirche hineinspähte. Einer der FBI-Beamten stand in einem Alkoven auf der linken Seite der Kirche. Eigentlich sind so viele Personenschützer nicht wirklich notwendig, dachte sie, da es in ihrer Familie genügend Vertreter der Staatsgewalt gab. Von ihren sechs Brüdern waren zwei FBI-Agenten, einer war Bundesstaatsanwalt, einer bei einer Spezialeinheit der Marine und einer Polizist. Nur der Jüngste, Zachary, besuchte noch das College und wusste nicht genau, welche Seite des Gesetzes ihm attraktiver erschien. Außerdem würde Noah Clayborne am Altar stehen, ein enger Freund der Familie und ebenfalls FBI-Agent.
Den Bundesbeamten, die ihren Vater beschützten, war es egal, wie viele andere Polizisten sich im Raum befanden. Ihre Aufgabe schien klar definiert, und sie würden sich von den Feierlichkeiten in keiner Weise ablenken lassen. Eigentlich war ihre Anwesenheit ja tröstlich, dachte Jordan. Sie sollte sich besser auf die Hochzeit konzentrieren und sich keine Sorgen machen.
Einer ihrer Brüder kam langsam durch den Mittelgang nach hinten. Es war Alec, Dylans Trauzeuge. Sie lächelte, als sie ihn sah. Er arbeitete als verdeckter Ermittler und musste normalerweise ungepflegt herumlaufen. Für die Hochzeit jedoch hatte er sich die Haare schneiden lassen und sah beeindruckend gut aus. Sie hatte ihn kaum erkannt, als er am Abend zuvor zur Generalprobe gekommen war.
Alec blieb stehen, um mit einem der Personenschützer zu sprechen. Jordan winkte ihn zu sich, und als er ins Vestibül trat, fragte sie flüsternd: »Warum fangen wir nicht an? Es ist Zeit.«
»Ich soll Kate von Dylan ausrichten, dass es in ein paar Minuten losgeht«, antwortete er.
Jordan richtete ihm den Kragen, der nach innen geschlagen war, und rückte seine Krawatte zurecht. Dann trat sie einen Schritt zurück und musterte ihren Bruder prüfend. Alec sah heute wirklich gut aus, dachte sie. Komisch, Regan, seine Frau, liebte ihn, auch wenn er ungepflegt herumlief. Liebe hat merkwürdige Auswirkungen auf die Menschen, dachte Jordan.
»Macht Kate sich Sorgen, dass Dylan abhaut?«, fragte Alec. Das Funkeln in seinen Augen sagte ihr, dass er einen Witz machte. Sie waren schließlich erst zwei Minuten in Verzug.
»Nein, nicht wirklich«, erwiderte Jordan. »Sie ist vor fünf Minuten gegangen.«
Alec schüttelte den Kopf. »Das ist nicht witzig«, sagte er grinsend. »Ich muss es ihm sagen.«
»Einen Moment. Du hast mir noch nicht erklärt, warum wir warten. Stimmt etwas nicht?«
»Mach dir keine Sorgen. Es ist alles in Ordnung.« Noah wandte sich zum Gehen, drehte sich dann aber noch einmal um. »Jordan?«
»Ja?«
»Du siehst hübsch aus.«
Alec machte normalerweise keine Komplimente, und er schien selbst ganz überrascht von sich zu sein. Sie wollte gerade etwas Nettes über sein Aussehen erwidern, als die Außentüren aufflogen und Noah Clayborne hereingestürmt kam.
Er war ein eindrucksvoller Mann. Das weibliche Geschlecht liebte ihn, und Jordan musste zugeben, dass sie das verstehen konnte. Er war groß, athletisch gebaut und gut aussehend – der Traum aller Frauen. Seine blonden Haare waren immer einen Tick zu lang, und seine blauen Augen funkelten mutwillig, wenn er grinste.
»Bin ich zu spät?«, fragte er.
»Nein, ist schon in Ordnung«, sagte Alec. »Jordan, wir können anfangen.«
»Wo warst du?«, fragte sie Noah aufgebracht.
Statt einer Antwort musterte er sie von Kopf bis Fuß, lächelte und folgte Alec in die Kirche. Jordan hob resigniert die Hände. Er war bestimmt bei einer Frau gewesen, dachte sie. Unverbesserlich, der Mann.
Sie hätte ihm eigentlich böse sein müssen, aber stattdessen lachte sie. Sich frei und ungezwungen zu benehmen – Jordan konnte sich kaum vorstellen, wie das wohl sein mochte. Aber Noah kannte das Gefühl zweifellos.
Jordan eilte wieder zum Warteraum, stieß die Tür auf und sagte: »Es ist so weit.«
Kate winkte Jordan zu sich. »Was hat die Verzögerung verursacht?«, fragte sie.
»Noah. Er ist gerade erst gekommen. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, er war bei einer Frau.«
»Ich glaube, da brauchst du nicht zu raten«, flüsterte Kate. »Das ist eine Tatsache. Ich hatte keine Ahnung, dass er so ein Playboy ist, aber gestern Abend habe ich es mit eigenen Augen gesehen. Er ist mit gleich drei meiner Brautjungfern von dem Probeessen verschwunden. Als sie heute Morgen zur Kirche kamen, haben sie alle drei ausgesehen, als hätten sie nicht genügend Schlaf bekommen.«
Jordan sah sich unauffällig im Raum um, als ob sie ergründen wollte, welche der anwesenden Brautjungfern es gewesen sein könnte.
»Er soll sich was schämen«, erklärte sie.
»Oh, das war nicht allein seine Schuld«, erwiderte Kate. »Sie sind alle bereitwillig mitgegangen.«
Kates Tante Nora, die ein bisschen schwerhörig war, verkündete, keiner würde irgendwo hingehen, bevor nicht die Fanfaren ertönten. Sie begannen sich schon einmal alle aufzustellen.
Kate beugte sich näher zu Jordan. »Ich muss dich um einen Gefallen bitten. Leider keinen einfachen.«
Aber damit hatte Jordan keine Probleme. Sie gingen füreinander durch dick und dünn. »Was soll ich denn machen?«, fragte sie. »Du weißt doch, ich tue alles für dich.«
»Würdest du bitte dafür sorgen, dass Noah sich benimmt?«
Na gut, vielleicht konnte sie nicht alles tun. Jordan holte tief Luft. »Das ist unmöglich«, flüsterte sie. »Man kann ihn nicht kontrollieren. Eher bringt man einem Bären bei, am Computer zu arbeiten. Gib mir irgendeine Aufgabe, und ich werde sie erfüllen. Aber Noah? Na, weißt du, Kate ...«
»Ich mache mir ja eigentlich nur Sorgen um Isabel. Hast du gesehen, wie sie bei der Probe förmlich an ihm geklebt hat?«
»Hast du mich deshalb neben ihm platziert? Damit ich deine kleine Schwester von ihm fernhalte?«
»Nein«, erwiderte Kate. »Aber nachdem ich gestern Abend Isabel in Aktion gesehen habe, bin ich froh darüber. Ich kann es ihr nicht verdenken, schließlich ist Noah hinreißend. Ich finde, er ist einer der anziehendsten Männer, die ich kenne, abgesehen von Dylan natürlich. Er hat Charisma, findest du nicht auch?«
Jordan nickte. »Oh ja.«
»Aber ich will einfach nicht, dass Isabel ein weiteres NCG wird«, fuhr Kate fort. »Und sie soll auf meinem Hochzeitsfest auf keinen Fall plötzlich mit ihm verschwinden.«
»Was ist ein NCG?«, fragte Jordan.
Kate grinste. »Ein Noah-Clayborne-Groupie.«
Jordan brach in Lachen aus.
»Du bist der einzige Mensch auf der Welt, der immun gegen seinen Charme ist. Er behandelt dich wie eine Schwester.«
Tante Nora klatschte in die Hände. »Okay, meine Lieben. Wir müssen hinausgehen.«
Kate packte Jordan am Arm. »Ich bewege mich nicht von der Stelle, bis du es mir versprichst.«
»Okay, in Ordnung. Ich tue es.«
Erneut erklangen die Trompeten. Jordan stand als Erste in der Reihe, und nervös umklammerte sie ihr Blumenbukett. Sie galt in ihrer Familie als Tollpatsch, aber heute wollte sie auf keinen Fall über ihre eigenen Füße stolpern. Sie würde aufpassen und sich darauf konzentrieren, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Sie wartete auf der Schwelle, bis Tante Nora flüsterte: »Los.«
Sie holte tief Luft und ging los. Der Mittelgang schien endlos lang zu sein. Vor dem Altar wartete Noah. Als sie auf ihn zutrat, wandte er sich zu ihr. Er sah großartig aus in seinem Smoking. Jordan entspannte sich. Niemand achtete auf sie. Alle – zumindest die Frauen – hatten nur Augen für Noah.
Sie erwiderte sein Lächeln und ergriff seinen Arm. Kurz blickte sie in seine Augen und sah das mutwillige Funkeln.
Oh Gott, das würde nicht einfach werden!
Die Trauung war wunderschön. Tränen rollten Jordan über die Wangen, als ihr Bruder und ihre beste Freundin sich die Ringe ansteckten. Sie dachte, niemand hätte es gesehen, aber als sie an Noahs Seite aus der Kirche ging, beugte er sich zu ihr und flüsterte: »Heulsuse!«
Natürlich hatte er es gemerkt. Ihm entging nie etwas.
Fotos wurden gemacht, und anschließend fuhren die Gäste zum Empfang. Jordan begleitete Braut und Bräutigam, aber die beiden nahmen sie gar nicht wahr, sie hatten nur Augen füreinander.
Kate und Dylan hatten den Club als Erste betreten, und Jordan wartete draußen auf der Treppe auf den Rest der Hochzeitsgesellschaft.
Es war ein schöner Abend, aber es lag bereits eine leichte Kühle in der Luft, die um diese Jahreszeit für South Carolina ungewöhnlich war. Die Verandatüren des Ballsaals waren zur Seitenterrasse hin geöffnet worden, und man sah die Tische, die mit weißen Leinentischtüchern, silbernen Kerzenleuchtern und Blumenarrangements aus Rosen und Hortensien eingedeckt waren. Der Empfang würde sicher fabelhaft werden, das Essen schmeckte außergewöhnlich gut – sie hatte ein paar Gerichte bereits im Vorfeld probiert. Und die Band war großartig. Jordan hatte allerdings nicht vor, besonders viel zu tanzen. Es war ein langer Tag gewesen, und so langsam ging ihr die Luft aus. Eine kühle Brise wehte über die Veranda, und sie fröstelte. Ihr schulterfreies blassrosa Kleid sah wunderschön aus, aber es hielt sie nicht warm.
Und nicht nur die Kälte störte sie. Ihre Kontaktlinsen machten sie wahnsinnig. Zum Glück hatte sie ihr Brillenetui, ihr Döschen für die Linsen und ihren Lippenstift in die Tasche von Noahs Jackett gesteckt. Am besten hätte sie noch eine Strickjacke mitgenommen.
Sie hörte Lachen, und als sie sich umdrehte, sah sie Kates jüngere Schwester Isabel, die an Noahs Arm hing und sich an ihn schmiegte. Oh Mann, das hatte ihr gerade noch gefehlt.
Isabel war eine blonde, blauäugige Schönheit, und Noah sah ihr sehr ähnlich. Wüsste sie es nicht besser, hätte sie die beiden für miteinander verwandt gehalten. Igitt, was für ein unangenehmer Gedanke, dachte Jordan. Isabel flirtete unverblümt mit Noah. Sie war so naiv, gerade erst neunzehn, und den schmachtenden Blicken nach zu urteilen, mit denen sie Noah bedachte, schon völlig seinem Zauber erlegen. Jordan musste allerdings zugeben, dass er sie nicht ermutigte. Eigentlich schenkte er ihr kaum Beachtung. Stattdessen lauschte er aufmerksam dem jüngsten Buchanan, Zachary.
»Erwischt!«
Jordan hatte ihn gar nicht kommen hören und zuckte zusammen, als ihr Bruder Michael sie antippte. Er grinste fröhlich. Als Kind hatte er sich immer an sie und ihre Schwester Sidney herangeschlichen und sie damit zu Tode erschreckt. Je lauter sie aufschrien, desto mehr freute er sich. Sie hatte geglaubt, er sei aus diesem Verhalten herausgewachsen, aber anscheinend machte ihn ihre Nähe wieder zum Lausbuben. Wenn sie so darüber nachdachte, passierte das all ihren Brüdern.
»Was machst du hier draußen?«, fragte Michael.
»Ich warte.«
»Das sehe ich. Auf wen oder was denn?«
»Auf die anderen Brautjungfern, aber vor allem auf Isabel. Ich soll sie von Noah fernhalten.«
Michael drehte sich um und blickte zu Noah. Isabel klebte praktisch an ihm. Er grinste. »Und, klappt es?«
»Es geht so.«
Er lachte. Isabel war es endlich gelungen, Noahs Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ihr Gesicht war gerötet.
»Ein flotter Dreier«, murmelte Michael.
»Wie bitte?«
»Sieh sie dir doch an«, sagte er. »Isabel himmelt Noah an; Zachary ist völlig hingerissen von Isabel, und diese Frau da drüben, die Noah fixiert wie ein Löwe seine Beute, die finde ich sogar ein bisschen beängstigend.« Michael zuckte mit den Schultern. »Eigentlich ist es sogar ein Vierer.«
»Das ist weder ein Dreier noch ein Vierer oder ein Zehner«, widersprach Jordan.
»Ich dachte, Zehner nennt man Orgien, oder?«
Sie achtete nicht auf ihn, sondern beobachtete Zachary, der um Isabels Aufmerksamkeit buhlte. Es fehlte nicht viel, und er würde einen Salto rückwärts machen.
»Traurig, traurig.« Jordan schüttelte den Kopf.
»Zack?«
Sie nickte.
»Ich kann es ihm nicht verdenken«, sagte Michael. »Isabel hat wirklich Klasse. Die Figur, das Gesicht – sie ist zweifellos ...«
»Neunzehn, Michael, sie ist neunzehn.«
»Ja, ich weiß. Sie ist zu jung für Noah und mich, und sie glaubt, sie sei zu alt für Zachary.«
Das Auto mit ihren Eltern hielt vor dem Eingang zum Club. Jordan bemerkte, dass ein Personenschützer direkt hinter ihrem Vater die Treppe hinaufging. Ein weiterer Aufpasser lief voraus.
Michael stupste Jordan an und sagte: »Du brauchst dir wegen des Personenschutzes keine Sorgen zu machen.«
»Machst du dir denn auch keine?«
»Ein bisschen vielleicht. Aber der Prozess läuft jetzt schon so lange, dass ich mich daran gewöhnt habe, unseren Vater mit seinen Schatten zu sehen. Nach dem Urteil in ein paar Wochen wird alles vorbei sein.« Er stupste sie erneut an. »Denk heute Abend einfach nicht daran, okay?«
»Ja, okay«, versprach sie, auch wenn sie noch nicht ganz genau wusste, wie sie das bewerkstelligen sollte.
»Feiere ein bisschen«, meinte er. »Jetzt, wo du dein Unternehmen verkauft und uns Aktionäre reichgemacht hast, bist du frei und ungebunden. Du kannst tun und lassen, was du willst.«
»Und wenn ich gar nicht weiß, was ich will?«
»Mit der Zeit wirst du es schon herausfinden«, beruhigte er sie. »Du bleibst doch sicher in der Computerbranche, oder?«
Jordan wusste es noch nicht genau, aber wahrscheinlich war es das Sinnvollste, das zu tun, was sie am besten beherrschte. Sie war eine der wenigen Frauen, die die Entwicklung von neuen Computersystemen vorantrieben, und ihr Unternehmen war äußerst erfolgreich gewesen. In den letzten Jahren kannte sie nichts außer ihrer Arbeit, aber als ein attraktives Angebot eines anderen Unternehmens für ihre Firma kam, hatte sie sie ohne zu zögern verkauft. Nun war sie bereit für etwas Neues.
Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht arbeite ich als Beraterin«, sagte sie.
»Ich weiß, dass du viele Angebote hast«, sagte Michael, »aber lass dir Zeit, bevor du etwas Neues anfängst. Entspann dich erst einmal und genieß das Leben.«
Heute Abend ging es sowieso nur um Dylan und Kate, mahnte sie sich. Über ihre Zukunft konnte sie sich morgen Gedanken machen.
Noah brauchte eine Ewigkeit, um die Treppe hinaufzukommen. Ständig wurde er von Verwandten und Freunden aufgehalten.
»Warum gehst du nicht hinein?«, drängte Michael sie. »Und kümmere dich nicht um Noah. Er weiß, wie jung Isabel ist, und er wird schon nichts Ungehöriges tun.«
Was Noah anging, hatte Michael recht, aber Jordan wusste, dass für Isabel nicht das Gleiche galt.
»Hol du sie, ja?«, bat sie ihren Bruder. »Und bring sie herein.«
Das ließ sich Michael nicht zweimal sagen. Jordan ging hinein. Sie brauchte schließlich nicht den Wachhund zu spielen. Noah war tatsächlich ein perfekter Gentleman. Allerdings konnten die meisten Frauen die Finger nicht von ihm lassen, und er ließ sich die Aufmerksamkeit nur zu gern gefallen. Aber da sie alle über einundzwanzig waren, war dagegen wohl nichts einzuwenden.
Noahs tadelloses Benehmen enthob Jordan ihrer Verantwortung, und so langsam begann sie, das Fest zu genießen. Gegen neun Uhr konnte sie es jedoch mit ihren Kontaktlinsen nicht mehr aushalten. Sie hielt Ausschau nach Noah, der immer noch ihr Brillenetui in der Tasche hatte. Er wiegte sich langsam auf der Tanzfläche mit einer platinblonden Frau. Jordan holte sich ihr Linsendöschen bei ihm ab und eilte zur Damentoilette.
Im Foyer herrschte Aufruhr. Ein merkwürdiger Typ stritt sich mit dem Wachpersonal des Clubs. Sie wollten ihn vor die Tür setzen, aber er reagierte nicht auf ihre Versuche. Einer der FBI-Beamten hatte ihn bereits nach Waffen abgetastet.
»Es ist unerhört, einen Gast so zu behandeln«, plusterte er sich auf. »Ich sage Ihnen doch, dass Miss Isabel MacKenna sich freuen wird, mich zu sehen. Ich habe meine Einladung verlegt, aber ich kann Ihnen versichern, dass ich tatsächlich eingeladen bin.«
Er sah, dass Jordan auf ihn zukam, und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. Einer seiner Schneidezähne stand über dem anderen, sodass beim Sprechen seine Oberlippe daran hängen blieb.
Jordan war sich nicht sicher, ob sie eingreifen sollte. Er benahm sich so seltsam. Er schnippte mit den Fingern und wackelte mit dem Kopf, obwohl im Moment gar keiner mit ihm redete. Auch seine Kleidung war bizarr. Unpassend zum sommerlich warmen Wetter trug er einen schweren Tweedblazer mit Lederflicken an den Ellbogen. Er schwitzte schrecklich, und trotz der grauen Strähnen in seinem ungepflegten Bart fiel es Jordan schwer, sein Alter zu schätzen. Er presste eine alte Ledermappe an seine Brust, aus der Papiere ragten.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie.
»Gehören Sie zur MacKenna-Hochzeitsgesellschaft?«
»Ja.«
Sein Lächeln wurde breiter, und er griff in die Tasche seiner karierten Wollweste. Er zog eine zerknitterte Visitenkarte heraus und reichte sie ihr.
»Ich bin Professor Horace Athens MacKenna«, verkündete er stolz. Er wartete, bis sie den Namen gelesen hatte, dann riss er ihr die Karte aus der Hand und steckte sie wieder ein.
Der Wachmann hatte sich ein wenig zurückgezogen, beobachtete ihn aber misstrauisch. Kein Wunder – Professor MacKenna machte einen recht ungewöhnlichen Eindruck.
»Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr ich mich freue, hier zu sein.« Er streckte die Hand aus und fügte hinzu: »Dies ist ein denkwürdiger Anlass. Eine MacKenna heiratet einen Buchanan. Es ist erstaunlich. Ja, erstaunlich.« Schmunzelnd fügte er hinzu: »Unsere MacKenna-Vorfahren drehen sich wahrscheinlich im Grabe um.«
»Ich bin keine MacKenna«, sagte Jordan. »Mein Name ist Jordan Buchanan.«
Beinahe hätte er ihre Hand losgelassen. Sein Lächeln verschwand, und er zuckte zurück. »Buchanan? Sie sind eine Buchanan?«
»Ja, genau.«
»Na gut«, sagte er. »Na gut. Es ist die Hochzeit einer MacKenna mit einem Buchanan. Natürlich begegnet man dabei auch Buchanans. Das war ja wohl zu erwarten, oder?«
Sie konnte ihm nicht so recht folgen. Professor MacKennas Akzent war schwer zu verstehen, eine ungewöhnliche Mischung aus schottischem Dialekt und Südstaaten-Slang.
»Es tut mir leid. Haben Sie gerade gesagt, die MacKenna-Vorfahren würden sich im Grabe umdrehen?«, fragte sie.
»Ja, genau das habe ich gesagt, Liebchen.«
Liebchen? Der Mann wurde immer merkwürdiger.
»Und ich nehme an, die Buchanans werden in ihren unheiligen Grabstätten auch nicht gerade ruhig bleiben«, fuhr er fort.
»Und warum meinen Sie das?«
»Wegen der Fehde natürlich.«
»Ich verstehe nicht ganz. Welche Fehde?«
Er zog sein Taschentuch hervor und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich vergesse mich. Sie müssen mich ja für verrückt halten.«
Ja, damit hatte er recht.
Glücklicherweise erwartete er keine Antwort. »Ich fühle mich ausgedörrt«, verkündete er. Er wies mit dem Kopf zum Ballsaal. »Ich könnte eine Erfrischung vertragen.«
»Ja, natürlich. Bitte kommen Sie mit.«
Er ergriff ihren Arm und blickte sich misstrauisch um, als sie zum Ballsaal gingen. »Ich bin Geschichtsprofessor am Franklin College in Texas. Haben Sie schon einmal vom Franklin gehört?«
»Nein«, gab Jordan zu.
»Es ist eine gute Universität. Sie liegt etwas außerhalb von Austin. Ich lehre mittelalterliche Geschichte, beziehungsweise lehrte, weil ich unerwartet zu Geld gekommen bin und beschlossen habe, eine Auszeit zu nehmen. Vor etwa fünfzehn Jahren«, fuhr er fort, »habe ich begonnen, die Geschichte meiner Familie zu erforschen. Es ist ein äußerst belebendes Hobby. Wussten Sie, dass es zwischen uns böses Blut gab?« Er wartete ihre Antwort gar nicht erst ab. »Böses Blut zwischen den Buchanans und den MacKennas, meine ich. Wenn wir aus der Geschichte lernen würden, hätte diese Hochzeit gar nicht erst stattfinden dürfen.«
»Wegen einer Fehde?«
»Ja, genau, Liebchen.«
Okay, dachte sie, damit war es offiziell. Der Mann ist ein Irrer. Plötzlich verspürte sie Dankbarkeit dafür, dass der FBI-Agent ihn auf Waffen überprüft hatte. Hoffentlich hatte er nicht vor, im Ballsaal eine Szene zu machen. Andererseits schien er harmlos zu sein, und er kannte Isabel – zumindest behauptete er das.
»Was Isabel angeht«, begann sie, aber er war zu sehr in seine eigene Geschichte vertieft, um ihr zuzuhören.
»Die Fehde zieht sich schon über Jahrhunderte hin, und jedes Mal, wenn ich glaube, am Ursprung angelangt zu sein, stoße ich auf eine neue Wendung.« Er nickte heftig und blickte sich erneut um, als ob er Angst hätte, es könne sich jemand an ihn heranschleichen. »Ich kann voller Stolz sagen, dass ich die Entwicklung der Fehde bis ins dreizehnte Jahrhundert zurückverfolgt habe«, brüstete er sich.
Als er eine Pause machte, um Luft zu holen, schlug Jordan vor, mit ihm Ausschau nach Isabel zu halten.
»Sie wird sich bestimmt freuen, Sie zu sehen«, sagte sie. Oder sie ist völlig entsetzt, dachte sie im Stillen.
Im Ballsaal lief ihnen ein Kellner mit einem Tablett voller Champagnerflöten über den Weg. Der Professor ergriff ein Glas, stürzte den Inhalt herunter und nahm sich eilig ein weiteres Glas.
»Ah, das ist erfrischend. Gibt es auch etwas zu essen?«, fragte er.
»Ja, natürlich. Kommen Sie, Sie können sich an einen der Tische setzen.«
»Danke«, sagte er, rührte sich aber nicht von der Stelle. »Was Miss MacKenna angeht ...« Sein Blick schweifte durch den Ballsaal. »Ich kenne die Frau eigentlich gar nicht persönlich. Sie müssen sie mir zeigen. Ich korrespondiere mit ihr schon seit einiger Zeit, aber ich habe keine Ahnung, wie sie aussieht. Ich weiß nur, dass sie noch jung ist und aufs College geht«, fügte er hinzu. Er warf Jordan einen Blick von der Seite zu und sagte: »Sie wundern sich sicher, wie ich sie überhaupt gefunden habe, oder?«
Er winkte dem Kellner, ihm noch etwas zu trinken zu bringen.
»Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, jede Zeitung zu lesen, derer ich habhaft werden kann«, erklärte er. »Ich bin gerne auf dem Laufenden. Natürlich lese ich die großen Blätter im Internet. Ich studiere alles, von politischen Ereignissen bis hin zu Todesanzeigen, und das meiste von dem, was ich lese, behalte ich auch«, rühmte er sich. »Das ist wahr. Ich vergesse nie etwas. Mein Gehirn funktioniert eben so. Mit der Geschichte meiner Familie eng verbunden ist der Besitz von Glen MacKenna. Ich habe herausgefunden, dass Miss MacKenna das prächtige Stück Land in wenigen Jahren erben wird.«
Jordan nickte. »Ich habe gehört, dass Isabels Großonkel ihr ein beachtliches Erbe in Schottland hinterlassen hat.«
»Nicht irgendein Erbe, Liebchen, sondern Glen MacKenna«, tadelte der Professor sie. Er klang jetzt so, als würde er eine Vorlesung halten. »Land und Fehde sind untrennbar miteinander verbunden. Die Buchanans und die MacKennas führen seit Jahrhunderten Krieg deswegen. Ich weiß nicht, was genau der Ursprung der Streitigkeiten war, aber es hat etwas zu tun mit einem Schatz, den die niederträchtigen Buchanans vom Glen gestohlen haben. Ich bin jedenfalls entschlossen herauszufinden, was es für ein Schatz war und wann er gestohlen wurde.«
Jordan ignorierte die Beschimpfung ihrer Vorfahren und zog dem Professor einen Stuhl an einen Tisch. Er legte seine Mappe ab und sagte: »Miss MacKenna hat so großes Interesse an meinen Forschungen gezeigt, dass ich sie eingeladen habe, mich zu besuchen. Sie werden verstehen, dass ich nicht alles mitbringen konnte, schließlich forsche ich schon seit Jahren zu diesem Thema.«
Erwartungsvoll blickte er sie an. Da sie annahm, er wolle eine Antwort von ihr hören, nickte sie und fragte: »Wo wohnen Sie, Professor?«
»Äußerst abgelegen.« Grinsend erklärte er: »Wegen meiner finanziellen Situation ... meiner Erbschaft«, korrigierte er sich, »konnte ich in einen friedlichen kleinen Ort namens Serenity ziehen. Dort in Texas auf dem Land verbringe ich meine Tage mit Lesen und Forschen. Ich genieße die Einsamkeit, und der Ort ist wirklich eine Oase. Es wäre ein reizendes Fleckchen, um sich dort zur Ruhe zu setzen, aber ich werde wahrscheinlich wieder in meinen Geburtsort nach Schottland zurückkehren.«
»Oh? Sie gehen wieder nach Schottland zurück?« Jordan blickte sich nach Isabel um.
»Ja, genau. Ich will alle die Orte besuchen, von denen ich bisher nur gelesen habe.« Er wies auf den Ordner. »Ich habe für Miss MacKenna einiges von unserer Geschichte aufgeschrieben. Den meisten Kummer haben die Buchanans dem Clan der MacKennas bereitet«, sagte er und wackelte mit seinem Zeigefinger vor Jordans Gesicht herum. »Vielleicht schauen Sie sich meine Forschungsergebnisse auch einmal an, aber ich warne Sie, es kann zur Besessenheit werden, diesen Legenden auf den Grund gehen zu wollen. Andererseits ist es aber auch eine nette Ablenkung vom täglichen Einerlei. Ja, es kann sogar eine Leidenschaft werden.«
Ach, du liebe Güte, Leidenschaft. Als Mathematikerin und Informatikerin hatte Jordan mit Fantasie nichts am Hut. Sie konnte für jedes Unternehmen einen Businessplan und die passende Software dazu liefern, und sie liebte es, Puzzleteile zusammenzusetzen. Aber Legenden nachzujagen war für sie reine Zeitverschwendung. Allerdings würde sie sich im Augenblick bestimmt nicht auf eine ausführliche Diskussion mit dem Professor einlassen. Sie würde zusehen, dass sie so schnell wie möglich Isabel fand. Kaum hatte sie dafür gesorgt, dass man dem Professor einen Teller mit Essen vorsetzte, machte sie sich auf die Suche nach ihr.
Isabel wollte sich gerade draußen hinsetzen, als Jordan sie am Arm packte.
»Komm mit«, sagte sie. »Dein Freund Professor MacKenna ist da. Du musst dich um ihn kümmern.«
»Er ist hergekommen?« Isabel blickte sie erstaunt an.
»Hast du ihn denn nicht eingeladen?«
Isabel schüttelte den Kopf, aber dann besann sie sich. »Doch, es könnte sein, allerdings nicht formell. Ich meine, er stand auf keinen Fall auf der Liste. Wir haben miteinander korrespondiert, und ich erwähnte, wo die Hochzeit und der Empfang stattfinden würden. Er hatte mir geschrieben, er wolle nach Carolina reisen und sei etwa um diese Zeit hier in der Gegend. Er ist tatsächlich gekommen? Wie findest du ihn?«
Jordan lächelte. »Schwer zu beschreiben. Du musst ihn dir schon selbst anschauen.«
Isabel folgte Jordan nach drinnen. »Hat er dir von dem Schatz erzählt?«
»Ein wenig«, antwortete Jordan.
»Was ist mit der Fehde? Hat er dir erzählt, dass sich die Buchanans und die MacKennas die ganze Zeit über bekriegt haben? Diese Familienfehde dauert schon Jahrhunderte. Da ich Glen MacKenna erbe, wollte ich so viel wie möglich über die Geschichte wissen.«
»Du klingst ja richtig begeistert«, sagte Jordan.
»Das bin ich auch. Ich habe schon beschlossen, dass ich als Hauptfach Geschichte und als zweites Fach Musik belege. Hat der Professor seine Forschungsergebnisse mitgebracht? Er schrieb, er habe Kisten über Kisten ...«
»Er hat eine Aktenmappe dabei.«
»Und die Kisten?«
»Ich weiß nicht. Das musst du ihn schon selbst fragen.«
Bei Isabel zeigte der Professor bessere Manieren. Er stand auf und schüttelte ihr die Hand.
»Es ist mir eine große Ehre, die neue Eigentümerin von Glen MacKenna kennenzulernen. Ich werde in Schottland meinem Clan berichten, dass ich Ihnen begegnet bin, und dass Sie genauso ein hübsches Mädchen sind, wie ich es mir vorgestellt habe.«
Er wandte sich an Jordan und fügte hinzu: »Auch von Ihnen werde ich ihnen erzählen.«
Neugierig blickte sie ihn an. »Von mir?«
»Von den Buchanans«, korrigierte er sie. »Sie wissen doch hoffentlich, dass Kate MacKenna unter ihrem Stand geheiratet hat?«
Zornig erwiderte sie: »Und warum das?«
»Nun ja, die Buchanans sind unzivilisierte Wilde.« Er wies auf seine Aktenmappe und sagte: »Ich habe hier nur eine kleine Auswahl von Berichten über ihre Grausamkeiten gegen die friedliebenden MacKennas. Das sollten Sie einmal lesen, dann würden Sie verstehen, wie glücklich sich Ihr Verwandter schätzen kann, mit einer MacKenna verheiratet zu sein.«
»Professor, beleidigen Sie Jordan absichtlich?«, fragte Isabel schockiert.
»Sie ist eine Buchanan«, sagte er. »Ich halte mich nur an die Fakten.«
»Wie belegbar sind Ihre Forschungsergebnisse eigentlich?« Jordan verschränkte die Arme vor der Brust und blickte den unhöflichen Mann stirnrunzelnd an.
»Ich bin Historiker«, fuhr er sie an. »Ich arbeite nur mit Fakten. Sicher könnten einige der Geschichten Legenden sein, aber sie sind trotzdem glaubhaft.«
»Als Historiker glauben Sie, den Beweis dafür zu haben, dass alle MacKennas Heilige und alle Buchanans Schurken sind?«
»Ich weiß, es klingt parteiisch, aber die Beweise sind nicht zu widerlegen. Lesen Sie«, forderte er sie erneut auf, »und Sie werden ebenfalls zu diesem Schluss kommen.«
»Dass die Buchanans unzivilisierte Wilde sind?«
»Leider ja«, erwiderte er fröhlich. »Und Diebe«, fügte er hinzu. »Sie haben sich so viel von dem Land der MacKennas angeeignet, bis Glen MacKenna nur noch halb so groß war wie ursprünglich. Und sie haben natürlich den Schatz gestohlen.«
»Der Schatz, mit dem die Fehde begann«, sagte Jordan gereizt.
Er grinste nur und ließ sie einfach stehen, um sich Isabel zuzuwenden. »Ich konnte nicht mit all den Kartons reisen, und ich muss sie einlagern, wenn ich nach Schottland fahre. Wenn Sie das Material sehen möchten, kommen Sie am besten in den nächsten zwei Wochen nach Texas.«
»Sie reisen bereits in zwei Wochen ab? Aber ich muss in die Schule, und ich ...« Isabel holte tief Luft und sprudelte hervor: »Ich kann ja die erste Woche schwänzen.«
Jordan unterbrach sie. »Isabel, du kannst nicht eine ganze Woche versäumen. Du musst deinen Stundenplan einhalten und deine Bücher durcharbeiten. Du kannst nicht einfach nach Texas fahren. Warum kann der Professor dir denn die Forschungsergebnisse nicht mailen?«
»Das meiste Material ist handschriftlich, und ich habe nur ein paar Namen und Daten in den Computer eingegeben. Das könnte ich natürlich per E-Mail schicken, aber ohne die handschriftlichen Unterlagen können Sie nicht viel damit anfangen.«
»Und wenn Sie die Kartons per Post schicken?«, schlug Jordan vor.
»Oh nein, das geht nicht«, wehrte er ab. »Die Kosten ...«
»Die übernehmen wir«, bot Jordan an.
»Ich traue der Post nicht. Die Kartons könnten verloren gehen, und es steckt jahrelange Forschungsarbeit darin. Nein, nein, das will ich nicht riskieren. Sie müssen schon nach Texas kommen, Isabel. Vielleicht erst, wenn ich zurückkomme. Obwohl ...«
»Ja?«, fragte Isabel.
»Unter Umständen bleibe ich in Schottland. Das hängt von meinen Finanzen ab, und dann bleiben eben auch meine Forschungsergebnisse eingelagert. Also, wenn Sie sie lesen wollen, dann geht es nur jetzt«, schloss er.
»Könnte nicht jemand die Akten fotokopieren?«, fragte Isabel.
»Ich wüsste niemanden, der das tun könnte, und ich habe einfach nicht die Zeit dazu, weil ich mich auf meine Reise vorbereiten muss. Sie müssen selbst Kopien machen, wenn Sie kommen.«
Isabel stieß einen frustrierten Seufzer aus, und Jordan, die ihr ansah, wie wichtig ihr diese Angelegenheit war, hatte Mitleid mit ihr. So irritiert sie über die einseitige Sichtweise des Professors war, so leid tat es ihr doch, dass Isabel keine Möglichkeit hatte, etwas über die Geschichte ihrer Vorfahren zu erfahren.
»Vielleicht forsche ich ja selbst ein bisschen«, meinte Jordan, als sie aufstand, um den Professor und Isabel allein zu lassen.
Der unverschämte Mann hatte sie ärgerlich gemacht, und sie war auf einmal entschlossen, selbst ein paar Fakten auszugraben, um ihm zu beweisen, dass er unrecht hatte. Die Buchanans waren unzivilisierte Wilde? Was für ein Geschichtsprofessor stellte solche Thesen auf? Wie glaubwürdig war er überhaupt? War er wirklich Geschichtsprofessor? Das würde sie überprüfen.
»Unter Umständen kommt dann heraus, dass die Buchanans die Heiligen waren«, erklärte sie.
»Das ist kaum möglich, Liebchen. Meine Forschungsergebnisse sind unangreifbar.«
Sie warf ihm einen Blick über die Schulter zu, als sie ging. »Das werden wir noch sehen.«
Es war schon nach zehn Uhr, als Jordan endlich Gelegenheit hatte, ihre Kontaktlinsen herauszunehmen. Dann eilte sie zurück in den Ballsaal, um Noah zu suchen. Er hatte ihr Brillenetui in der Tasche.
Professor MacKenna hatte den Empfang bereits verlassen, und Isabel hatte sich für sein ungehobeltes Benehmen entschuldigt. Jordan erwiderte, sie bräuchte sich keine Sorgen zu machen, sie fühle sich nicht beleidigt. Da Isabel immer noch darüber nachgrübelte, wie sie am besten an die Kisten kommen sollte, überlegte sie kurz, ob sie ihre Hilfe anbieten sollte, besann sich jedoch eines Besseren. Zwar hatte sie Zeit und hätte eigentlich auch gern mehr von diesem Unsinn gelesen, aber dann wäre sie der Gesellschaft des Professors ausgesetzt gewesen. Nein, vielen Dank, dachte sie, nichts war es wert, auch nur noch eine Stunde mit diesem Mann zu verbringen.
»Warum runzelst du die Stirn?«
Ihr Bruder Nick trat zu ihr.
»Ich runzele nicht die Stirn, ich blinzele. Noah hat meine Brille. Siehst du ihn?«
»Ja. Er steht direkt vor dir.«
Jordan kniff die Augen zusammen, und dann sah sie ihn. »Sieh dir nur an, wie all diese albernen Frauen hinter deinem Partner herhecheln. Das ist widerwärtig.«
»Findest du?«
»Ja«, erwiderte sie. »Du musst mir etwas versprechen.«
»Ja?«
»Sollte ich mich jemals so benehmen, musst du mich erschießen.«
»Gerne«, erwiderte Nick lachend.
Noah löste sich von seinem Fanclub und kam zu ihnen.
»Was ist so lustig?«
»Jordan will, dass ich sie erschieße.«
Noah blickte sie an, und für ein oder zwei Sekunden hatte sie seine volle, ungeteilte Aufmerksamkeit.
»Das mache ich schon«, bot er an.
Sie fand, er klang entschieden zu bereitwillig. Gerade wollte sie den beiden Männern den Rücken zuwenden, als sie sah, dass Dan Robbins auf sie zukam. Zumindest glaubte sie das, weil sie ohne ihre Brille alles nur verschwommen wahrnahm. Sie hatte früher am Abend mit Dan getanzt, und ganz gleich, welche Musik gespielt wurde, Dan tanzte immer seine eigene Schrittfolge darauf, die einer verkrampften Polka glich. Das brauchte sie jetzt wahrhaftig nicht. Rasch änderte sie ihre Taktik, trat näher an Noah heran und lächelte ihn an. Die Strategie schien zu funktionieren. Dan zögerte und trat den Rückzug an.
»Willst du nicht wissen, warum ich sie erschießen soll?«, fragte Nick.
»Ich weiß es schon«, erwiderte Noah. »Sie langweilt sich.«
Sie fasste in seine Jackentasche und holte ihr Brillenetui heraus. Rasch setzte sie die Brille auf die Nase.
»Ich langweile mich gar nicht.«
»Doch, das tust du«, sagte Noah.
Während er redete, blickte er über ihren Kopf hinweg. Wahrscheinlich machte er das absichtlich, um sie zu ärgern.
»Er hat recht«, warf Nick ein. »Du musst dich langweilen. Du hattest doch nur dein Unternehmen, und da du alles verkauft hast ...«
»Nur weil ich mich nicht so verhalte wie ihr beide, brauche ich noch lange nicht gelangweilt oder unglücklich zu sein. Ich bin sehr mit meinen Freunden und Bekannten beschäftigt.«
Noah unterbrach sie. »Ich glaube, auf dem Friedhof ist mehr los.«
Nick stimmte ihm zu. »Na, viel Spaß hast du nicht gerade, oder?«
»Doch, sicher. Ich lese gerne, und ...«
Die beiden grinsten sie an. Nick sagte: »Ach, du schätzt also ein gutes Buch. Was hast du denn zuletzt gelesen?«
»Das weiß ich nicht mehr. Ich lese viele Bücher.«
»Ja, das stimmt«, erwiderte Noah fröhlich. »Als Nick und ich vom Angeln gekommen sind, hast du auf der Terrasse gesessen und das komplette Werk von Stephen Hawking durchgearbeitet.«
»Es war äußerst fesselnd.« Die beiden Männer lachten sich kaputt. »Hört auf, euch über mich lustig zu machen und verschwindet. Beide!«
Dafür hätte sie sich einen besseren Zeitpunkt aussuchen können, denn kaum hatte sie den Satz beendet, näherte sich Dan schon wieder. Sofort packte sie Noah am Arm. Er wusste sicher, warum sie das tat – er hätte blind sein müssen, um Dan nicht zu bemerken –, aber er sagte nichts.
»Deine Schwester führt ein sehr eintöniges Leben«, stellte Noah fest.
Nick stimmte ihm zu. »Wann hast du eigentlich das letzte Mal etwas nur zum Spaß gemacht, Jordan?«, fragte er.
»Ich tue viele Dinge, die mir Spaß machen.«
»Na gut, ich will die Frage ein bisschen genauer formulieren. Wann hast du das letzte Mal etwas zum Spaß gemacht, das nichts mit Computern oder Software zu tun hatte?«
Jordan öffnete den Mund, um ihm zu antworten, machte ihn aber dann wieder zu. Ihr fiel gerade nichts ein, aber das lag sicherlich daran, dass die beiden sie so unter Druck setzten.
»Hast du jemals etwas Spontanes getan?«, fragte Noah.
»Wieso das denn?«, erwiderte sie.
Noah wandte sich zu Nick. »Meint sie das ernst?«
»Leider ja«, erwiderte Nick. »Bevor meine Schwester etwas anfängt, muss sie zuerst alle verfügbaren Daten analysieren und ausrechnen, wie groß die Erfolgsaussichten statistisch gesehen sind.«
Die beiden Männer amüsierten sich königlich und hätten sicher weitergemacht, wenn nicht ihr Arbeitgeber, Dr. Peter Morganstern, sich zu ihnen gesellt hätte. Er hielt einen Teller mit zwei Stücken Hochzeitskuchen in der Hand.
Morganstern war ein guter Freund der Familie geworden und selbstverständlich auch zur Hochzeit eingeladen. Jordan mochte und bewunderte ihn sehr. Er war ein großartiger Gerichtspsychiater, der eine Spezialeinheit innerhalb des FBI leitete. Intern wurde sie das »Fundbüro« genannt. Ihr Bruder Nick und Noah arbeiteten für Morganstern. Zu ihren Aufgaben gehörte es, vermisste und missbrauchte Kinder wiederzufinden, und Jordan fand, sie arbeiteten erfolgreich.
»Ihr drei scheint euch prächtig zu amüsieren.«
»Wie halten Sie es nur aus, mit den beiden zu arbeiten?«, fragte Jordan.
»Es gibt schon Momente, da glaube ich, den Verstand zu verlieren. Vor allem wegen dem da«, antwortete er und wies mit dem Kopf auf Noah.
»Sir, es tut mir leid, dass Sie und Ihre Frau am gleichen Tisch wie meine Tante Iris sitzen«, warf Nick ein. »Hat Sie schon herausgefunden, dass Sie Arzt sind?«
»Leider ja.«
»Iris ist ein schrecklicher Hypochonder«, erklärte er Noah.
»Warum sitzt dann ausgerechnet der Doktor neben ihr?«, fragte Noah.
Alle schauten zu dem Tisch, an dem Tante Iris saß.
»Die Wahrscheinlichkeit lag bei eins zu hundertsiebenundneunzigtausendsiebenhundert«, antwortete Jordan unwillkürlich.
Erstaunt fragte Morganstern: »Ist das die exakte Zahl oder nur eine Vermutung?«
»Die exakte Zahl auf der Basis von sechshundert Gästen«, erwiderte Jordan. »Mit Vermutungen gebe ich mich nicht ab.«
»Ist sie immer so?«, staunte Noah.
»Meistens«, antwortete Nick.
»Nur weil ich Sinn für mathematische ...«
»Aber keinen gesunden Menschenverstand«, warf Nick ein.
»Sie könnte ich in meinem Team gut gebrauchen«, sagte Morganstern. »Wenn Sie etwas Neues machen möchten, kommen Sie zu mir.«
»Nein«, sagte Nick mit Nachdruck.
»Auf gar keinen Fall«, erklärte Noah.
Der Arzt zwinkerte Jordan verschwörerisch zu. »Ich würde sie nicht direkt auf einen Fall ansetzen. Sie bräuchte ja erst ein ausgiebiges Training, wie ihr beide.« Nachdenklich schwieg er einen Moment. »Bei Jordan habe ich ein gutes Gefühl«, fuhr er dann fort. »Sie wäre sicherlich eine Bereicherung für die Einheit.«
»Sir, verstößt es nicht gegen die Regeln, wenn zwei Mitglieder der gleichen Familie zusammenarbeiten?«
»Eine solche Regel kenne ich nicht«, erwiderte Morganstern. »Ich würde sie allerdings nicht auf die Akademie schicken, sondern sie selbst ausbilden.«
Noah blickte ihn entsetzt an. »Sir, ich halte das für keine gute Idee«, sagte er. Nick nickte heftig.
Empört wandte sich Jordan an Noah. »Hör mal, Mister, das ist immer noch meine Entscheidung.« Dann wandte sie sich an Morganstern. »Müsste ich dann eine Waffe tragen?«, fragte sie ihn.
»Eine Pistole kommt nicht infrage«, erklärte Nick.
»Du bist viel zu grobmotorisch und außerdem blind wie eine Fledermaus«, warf Noah ein. »Du würdest dich am Ende noch selbst erschießen.«
Sie lächelte Morganstern an. »Es war reizend, mit Ihnen zu plaudern. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, ich möchte gerne von diesen zwei Kretins wegkommen.«
Noah packte sie am Arm. »Komm. Tanz mit mir.«
Da er sie bereits in Richtung Tanzfläche zog, hatte es wohl keinen Zweck zu widersprechen. Die Braut hatte ihre Schwester zu einem Lied überredet. Isabel hatte eine wundervolle Stimme, und als sie Kates Lieblingsballade zu singen begann, wurde es still im Saal. Jung und Alt, alle lauschten ihr wie hypnotisiert.
Noah zog Jordan in die Arme und drückte sie eng an sich. Sie musste zugeben, dass das keineswegs unangenehm war. Ihr gefiel es, wie sich sein harter Körper an sie presste. Auch seinen Duft mochte sie. Sie fand ihn sehr männlich und sexy.
Er blickte sie nicht an, als er fragte: »Du würdest nicht wirklich in Betracht ziehen, für den Doktor zu arbeiten, stimmt's?«
Er klang tatsächlich ein bisschen besorgt, und sie konnte es nicht lassen, ihn ein wenig zu provozieren. »Nur, wenn ich dann mit dir zusammenarbeiten dürfte.«
Lächelnd schüttelte er den Kopf. »Auf gar keinen Fall. Und du meinst das doch nicht ernst, oder?«
»Nein, natürlich nicht«, gab sie zu. »Ich würde nie auf die Idee kommen, für Doktor Morganstern zu arbeiten. Bist du jetzt glücklich?«
»Ich bin immer glücklich.«
Sie verdrehte die Augen. Oh Mann! Dieses Selbstbewusstsein. »Ach, übrigens«, sagte sie, »Morganstern hat es nicht ernst gemeint. Er wollte Nick und dich nur ein wenig ärgern, und das hat ja auch funktioniert. Du warst ganz aufgebracht.«
»Der Doktor macht keine Scherze, und ich bin nie aufgebracht.«
»Okay, aber selbst wenn er es ernst gemeint hat, würde ich nicht für ihn arbeiten wollen.«
Er lächelte sie strahlend an, und eine flüchtige Sekunde lang vergaß sie, wie aufreizend er wirken konnte.
»Ich habe auch nicht wirklich geglaubt, dass du interessiert wärst.«
Verärgert fragte sie: »Warum unterhalten wir uns dann darüber? Wenn du die Antwort schon wusstest, warum hast du überhaupt gefragt?«
»Ich wollte nur sichergehen.«
Schweigend tanzten sie eine Weile, und gerade fing sie an, sich zu entspannen, als er alles verdarb.
»Du wärst auch schrecklich darin.«
»Worin?«
»In dem Job.«
»Woher willst du das denn wissen?«
»Du bist einfach ein bequemes Leben gewöhnt.«
»Was verstehst du denn unter einem bequemen Leben?«
»Das Leben, das du führst. Du verlässt nie deine gewohnte Umgebung«, erklärte er. »Du bleibst lieber in Deckung.« Bevor sie widersprechen konnte, fuhr er fort: »Ich wette, du hast noch niemals etwas Spontanes oder Riskantes getan.«
»Ich habe allein im vergangenen Jahr jede Menge Risiken auf mich genommen.«
»Ja? Nenn mir ein einziges.«
»Ich habe mein Unternehmen verkauft.«
»Das war eine kalkulierte Entscheidung, die dir einen Riesenprofit eingebracht hat«, entgegnete er. »Was noch?«
»Ich bin viel gelaufen. Ich wollte mich nächstes Jahr beim Marathonlauf in Boston anmelden«, sagte sie.
»Das erfordert Disziplin. Außerdem tust du es, um fit zu bleiben«, widersprach er.
Er blickte ihr direkt in die Augen, was ihr unangenehm war, da ihr tatsächlich keine einzige spontane Aktion einfiel. Alles, was sie tat, war wohlüberlegt und bis ins letzte Detail geplant. War ihr Leben wirklich so langweilig? War sie so langweilig?
»Na, fällt dir nichts ein?«
»Es ist nichts Schlimmes dabei, vorsichtig zu sein.« Na toll, sie klang wie eine Neunzigjährige.
Er sah aus, als müsse er sich das Lachen verkneifen. »Du hast recht«, sagte er. »Schlimm ist das nicht.«
Verlegen wechselte sie überstürzt das Thema und sprudelte den ersten Gedanken heraus, der ihr in den Sinn kam.
»Isabel hat wirklich eine schöne Stimme, nicht wahr? Ich könnte ihr die ganze Nacht lang zuhören. Wusstest du, dass schon Künstleragenturen hinter ihr her waren, um einen Star aus ihr zu machen? Aber sie ist nicht daran interessiert. Sie ist erst im ersten Jahr auf dem College. Allerdings hat sie schon beschlossen, ihren Abschluss in Geschichte zu machen. Sie will später unterrichten. Interessant, oder? Ruhm und Reichtum bedeuten ihr nichts. Ich finde das erstaunlich, du nicht?«
Noah lächelte sie an. Er wirkte ein wenig verwirrt, aber das war wohl kein Wunder. Sie plapperte Unsinn, aber sie konnte einfach nicht den Mund halten. Sein durchdringender Blick machte sie nervös.
»Und wusstest du, dass Isabel in ein paar Jahren ein Landgut in Schottland erbt? Es heißt Glen MacKenna«, fuhr sie fort. »Sie hat einen merkwürdigen kleinen Mann zum Hochzeitsempfang eingeladen. Ich habe ihn eben kennengelernt. Er bewahrt alle gesammelten Informationen in Kartons in Texas auf. Er ist nämlich Professor, weißt du, und er erforscht die Ursachen einer Fehde, die angeblich seit Jahrhunderten zwischen den Buchanans und den MacKennas herrscht. Der Professor meint sogar, Dylan und Kate hätten gar nicht heiraten dürfen. Es gibt auch eine Legende über einen Schatz. Wirklich faszinierend.«
Sie holte tief Luft.
Noah hörte auf zu tanzen und fragte: »Mache ich dich nervös?«
Oha.
»Ja, wenn du mich so anstarrst. Mir wäre es lieber, du wärst wieder unhöflich und würdest an mir vorbeischauen, wenn du mit mir sprichst. Deshalb machst du das doch, oder? Um unhöflich zu sein.«
Sein Gesicht hellte sich auf. »Das stimmt – und um dich zu irritieren.«
»Es funktioniert. Du irritierst mich tatsächlich.«
Hörte Isabel denn gar nicht mehr auf zu singen? Das dauerte ja ewig. Jordan lächelte den anderen tanzenden Paaren zu, aber ihr wäre es am liebsten gewesen, das Lied wäre endlich vorbei. Andererseits wäre es natürlich ungezogen, einfach wegzugehen, oder?
Noah hob ihr Kinn mit seinem Zeigefinger an und blickte ihr in die Augen. »Darf ich einen Vorschlag machen?«, fragte er.
»Sicher«, erwiderte sie. »Nur zu.«
»Du solltest langsam mal am Spiel teilnehmen.«
Sie seufzte. »An welchem Spiel?«
»Am Spiel des Lebens.«
Anscheinend lag es ihm immer noch am Herzen, ihr langweiliges Dasein etwas aufregender zu gestalten.
»Weißt du, was der Unterschied zwischen dir und mir ist?«, fragte er.
»Da fallen mir mindestens tausend Unterschiede ein.«
»Ich esse das Dessert.«
»Und was soll das heißen?«, fragte sie.
»Dass das Leben viel zu kurz ist. Manchmal muss man das Dessert zuerst essen.«
Sie wusste, worauf das hinauslief. »Ich habe verstanden. Ich beobachte das Leben, während du es lebst. Ich weiß, du findest, ich sollte einmal etwas Spontanes machen, statt immer alles zu planen, aber zu deiner Information: Ich mache bereits etwas Spontanes.«
»Ach ja?«, fragte er herausfordernd. »Was denn?«
»Eine bestimmte Sache«, wich sie aus.
»Und das wäre?«
Sie wusste, dass er ihr nicht glaubte. Aber zum Teufel, irgendetwas Spontanes würde sie machen, und wenn es sie umbrachte. Die Befriedigung, ihm sein arrogantes Lächeln vom Gesicht zu wischen, war jedes Opfer wert, auch wenn es nicht logisch war.
»Ich fahre nach Texas«, sagte sie und bekräftigte ihren Entschluss mit einem Nicken.
»Wozu?«, fragte er.