Eisen vom Himmel – Diamanten im Sand. Namibia bangt um seine Zukunft - Harald Stöber - E-Book

Eisen vom Himmel – Diamanten im Sand. Namibia bangt um seine Zukunft E-Book

Harald Stöber

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Beschreibung

Die gefährlichen Zeiten der politischen Umwälzungen in SWA/Namibia sechs Wochen lang als Freier Journalist »live« erlebt zu haben, gehört mit zu den riskantesten Unternehmungen unseres Autors. Insgesamt drei Jahre lang recherchierte Stöber in Afrika und kam zu dem Schluss, dass die Fakten oft entstellt oder sogar erlogen in die Welt gelangten. Mit Mut, Offenheit und stets der Wahrheit verpflichtet bereiste er das riesige Land kreuz und quer, erlebte Kaiser-Nostalgie, unzählige Begegnungen mit Menschen aller Schattierungen, Slums, lebensfeindliche und wunderschöne Natur, sowie eine UNO-gelenkte Politik, deren Wirklichkeitsferne für die Zukunft nicht viel Gutes erwarten lässt. Dies und viel mehr wurden ehrlich und schnörkellos zu Papier gebracht, und zwar unter dem Eindruck aktueller Geschehnisse.

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Seitenzahl: 205

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Harald Stöber

EISEN VOM HIMMEL – DIAMANTEN IM SAND

Eine Zeitdokumentation Namibias

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Copyright (2012) Engelsdorfer Verlag

Alle Rechte beim Autor

Titelfoto:

Begegnung mit einer freundlichen Herero-Frau

Coverrückseite:

Bayern unter der Sonne Namibias

www.engelsdorfer-verlag.de

eISBN: 978-3-86268-788-6

Man darf

Mehrheit

nicht mit

Wahrheit

verwechseln!

Anonymus

Gewidmet meiner

lieben Familie

und allen

Freunden Namibias.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Nostalgisches SWA – politisches Namibia

Mit Gott für Kaiser und Reich

Hitze, Kälte und viel Wind

Silvestermord?

Kapitel 2

Im Staate der Baster

Herero- und deutsche Helden

Gold, die neue Hoffnung?

Kapitel 3

Kaiser und suspekte UNTAG

Windhoek – Pracht und Pontoks

Im Norden: Gefahr und Paradies

Kapitel 4

Etosha-Pfanne

Kupfer, Eisen und SWAPO-Sieg

RSWA und »Ferner Osten«

Kapitel 1

Nostalgisches SWA – politisches Namibia

Südwestafrika (laut UNO: Namibia) ist außerordentlich komplex und verdient es, nicht nur beiläufig abgehandelt zu werden, obwohl es mit Blick auf seine Einwohnerzahl eher zu den Zwergen dieser Welt zählt: 1,2 Millionen Menschen – das ist alles! Aber Namibia entpuppt sich bei näherem Hinschauen als ein sehr interessantes Land von der dreieinhalbfachen Größe der Bundesrepublik Deutschland. Es faszinieren die großartigen Landschaften, die unterschiedlichen Volksgruppen und nicht zuletzt die aktuelle politische Entwicklung, die Südwestafrika beinahe zu einem Giganten gemacht hat: Hier konkurrieren auf offener Bühne die Weltmächte um die Vorherrschaft nach der Unabhängigkeit; dieses an Rohstoffen reiche Gebiet wurde zum Spielball fremder Einflüsse. Wir haben es heute mit einer verworrenen Situation zu tun, an der kein Besucher dieses Landes mehr vorbeikommt.

Die von Touristenorganisationen propagierte Idylle gibt es: Da geht die Sonne, die den Tag zum Glutofen gemacht hatte, schöner unter als anderswo; endlose Dünen und steinige Ebenen erinnern an Marslandschaften; die Küsten sind karg, trostlos und kalt; viele Riviere führen nur selten Wasser; die Pflanzen- und Tierwelt ist bizarr. – Ist Südwestafrika also ein menschenfeindliches Land, das aber dennoch das erhabene Gefühl individueller Freiheit vermittelt? Ist es ein schizophrenes Land, in welchem der Mensch die Weite des Horizonts, die klare Luft und das Schweigen der anscheinend leblosen Wüsten und Steppen genießt, aber andererseits bedrückt wird durch eben diese Größe der Natur und nicht zuletzt durch politischen Terror und Zukunftsängste?

Aber in dem Maße, wie das aufmerksame Auge selbst in den weiten Wüstenregionen ein mannigfaltiges Tierleben entdecken kann, vermag es auch Anthropologisches in größter Vielfalt auszumachen: Steinzeit und Moderne liegen dicht beieinander! Und man trifft immer wieder auf Spuren der dramatischen Geschichte Südwests: blutige Stammeskriege zur Verteidigung von Volksidentität; deutsche Missionare, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Grundlagen zur Erschließung des Landesinnern gelegt haben; Übernahme des Gebietes durch das Deutsche Reich gegen Ende des 19. Jahrhunderts; Eroberung durch südafrikanische Streitkräfte Mitte 1915, der sich ein jahrzehntelanger Streit um den Status Südwestafrikas anschloss.

Licht, Weite, Pflanzen, Menschen, Tiere, Dünen, Atlantik, Politik, Terror und Zukunftsangst – all das gehört zum Kaleidoskop dieses »Kleinods Afrikas«, eines Landes, das mit einführenden Worten allein nicht zu charakterisieren ist, so dass an dieser Stelle der Südwester selbst zu Wort kommen soll, der die Dinge gern auf den Punkt bringt: »Ich liebe Südwest – das ist alles!« Und so entstand schon 1937 das Südwestlied, von vielen auch als »Nationalhymne« bezeichnet, das allerdings erst anlässlich der 100-Jahr-Feier von Lüderitz 1983 intoniert wurde. H. Klein-Werner dichtete diese einfachen, aber charakteristischen Zeilen:

»Hart wie Kameldornholz ist unser Land,

und trocken sind seine Riviere.

Die Klippen, die sind von der Sonne verbrannt,

und scheu sind im Busch die Tiere.

Und sollte man uns fragen:

‚Was hält euch denn hier fest?’

Wir könnten nur sagen:

Wir lieben Südwest!«

Ein Blick auf das Spektrum der Bevölkerung: Nach dem letzten Zensus bewohnten Ende 1981 insgesamt 1.033.196 Menschen (heute zirka 1,2 Millionen) das Gebiet von SWA, das eine Größe von 823.144 Quadratkilometern hat; somit liegt die Bevölkerungsdichte bei 1,3 Einwohnern pro Quadratkilometer. Die Wachstumsraten sind auch hier – wie überall in der Dritten Welt – erschreckend, denn die Einwohnerzahl lag 1960 noch bei 525.000, hat sich in 20 Jahren also mehr als verdoppelt! Wie abwegig es ist, wenn die Politik vom »Volk von Namibia« spricht, wird deutlich, wenn man sich die ethnische Zusammensetzung betrachtet. Es gibt folgende Bevölkerungsgruppen: Bushman (29.000), Kavango (95.100), Damara (76.180), Nama (48.550), Herero (76.300), Wambo (510.110), Caprivi (38.600), Tswana (6.700), Rehoboth/Baster (25.200), Coloureds (42.250) und Weiße (76.400); außerdem leben noch 12.500 »Andere« auf dem Gebiet Südwestafrikas.

Dieses Bild wäre unvollständig, würde es nicht durch die jährlichen Wachstumsraten ergänzt werden: Im Schnitt wächst die Bevölkerung um drei Prozent p. a., doch das ist eben nur der Durchschnitt, denn während die Kavangos mit plus 5,8 Prozent p. a. Spitzenreiter sind, liegen die Weißen mit minus 0,7 Prozent am untersten Ende der Skala. Mit ganz oben findet man die Basters und Coloureds mit jeweils mehr als vier Prozent p. a. sowie die Wambos (Bevölkerung des Ovambo-Landes) mit 3,4 Prozent p. a.

Die Altgeschichte Südwestafrikas reicht bis in die Zeit vor 28.000 Jahren zurück (Datierung der ältesten Buschmannzeichnungen), während die Neuzeit mit der sogenannten Entkolonialisierung ihr vorläufiges Ende fand. Der erste Weiße, der ins Landesinnere gezogen war, soll der holländische Elefantenjäger Jacobus Coetsé gewesen sein, der 1760 aus der Kapkolonie nach SWA gekommen war. Nach Auffassung von Historikern hat die nachweisbare Geschichte des Landes 1485 begonnen, als der portugiesische Seefahrer Diego Câo das Küstengebiet 100 Kilometer nördlich von Swakopmund erreichte und hier ein St.-Augustin-Kreuz aufrichtet. Ihm folgte 1487 der berühmte Portugiese Bartholomeus Diaz, der in der Bucht »Angra Pequena« ein paar Kilometer südlich vom heutigen Lüderitz an Land ging. 1805 begann die Missionsarbeit in Warmbad (Londoner Mission), und 1820 wurde das Gebiet um Okahandja (nach Kämpfen zwischen den Hereros und Betchuanas) zum Herero-Land.

Häuptling Jonker Afrikaner (Orlam) besiegte die Hereros 1835 und siedelte 1840 in Aighams (Windhoek), weshalb er vor allem von den Schwarzen als Gründer der heutigen Landeshauptstadt Windhoek angesehen wird und nicht Curt von François. 1842 kam Missionar Hugo Hahn (Rheinische Mission) nach Windhoek, zog 1844 nach Okahandja und gründete in Otjikango (heutiges Groß Barmen) die erste Missionsstation für die Hereros. Weitere Gründungen erfolgten durch die Missionare Rath und Schepmann (1845) sowie Kolbe (1850), doch Jonker Afrikaner zerstörte Okahandja und terrorisierte die Hereros, bis er 1861 starb. 1863 begann der sogenannte Siebenjährige Krieg zwischen den Hereros und Hottentotten, dessen Beilegung 1870 durch den »Missionsfrieden« erreicht wurde. Zu dieser Zeit lebten erst 150 Europäer in SWA, und es begann die noch heute umstrittene Missionsarbeit der Finnen. Ab 1871 erfolgte die Besiedlung des Rehobother Gebietes durch Basters, die aus der Kapprovinz kamen. Drei Jahre später erreichte der erste Burentreck (12 Familien) die Gegend Rietfontein/Gobabis. 1878 kam das Gebiet von Walvis Bay unter englischen Schutz. Heinrich Vogelsang erwarb im Auftrag des Bremer Kaufmannes F. A. E. Lüderitz 1883 vom Hottentotten-Häuptling J. Fredericks die »Bay von Angra Pequena«, womit die deutsche Präsenz ihren »amtlichen« Anfang nahm. Diese Erwerbung wurde 1884 unter den Schutz des Deutschen Reiches gestellt und ging dann in den Besitz der »Deutschen Kolonialgesellschaft für SWA« über. Weitere Schutzverträge folgten, unter anderem mit Maharero 1885.

Die Festlegung der Nordgrenze erfolgte 1886 im Rahmen eines Abkommens zwischen dem Deutschen Reich und Portugal, wobei es festzuhalten gilt, dass das Ovambo-Gebiet nicht Teil von SWA wurde; denn erst die Engländer schlugen es 1916 teilweise zum Territorium und schufen damit eine anhaltend explosive Situation. Die Ostgrenze wurde durch den »Vertrag von Sansibar« zwischen dem Deutschen Reich und England fixiert. 1891 wurde Windhoek Amtssitz des deutschen Kommissariats.

1893: Einleitung militärischer Aktionen gegen Eingeborene; Niederlassung der ersten Siedler in Windhoek und Eröffnung eines regelmäßigen Schiffsverkehrs durch die Woermann-Linie nach Südwestafrika. 1894: Eröffnung der ersten Schule für weiße Kinder in Windhoek und Gründung mehrerer Militärstationen durch Major Leutwein, der auch die Grundlagen für die Verwaltung des Landes legte. Einschließlich Schutztruppen besteht die weiße Bevölkerung jetzt aus 1.343 Personen. 1896: Hottentotten- und Hereroaufstand; die verantwortlichen Häuptlinge wurden durch Kriegsgericht zum Tode verurteilt. Im folgenden Jahr wütete in SWA die Rinderpest. Leutwein avancierte 1898 zum Gouverneur des Landes. Im Jahr darauf wurde die erste Kabelverbindung mit Europa ihrer Bestimmung übergeben.

1901 strömten Burenflüchtlinge aus Südafrika nach Südwest und siedelten hauptsächlich in Hasuur und Ukamas. Im selben Jahr beginnt die Bergbautätigkeit in Tsumeb. 1902: Abermaliger Ausbruch eines Hereroaufstandes, in dessen Verlauf 123 Weiße ermordet wurden. General von Trotha schlägt die Aufständischen am 11. August 1904 am Waterberg. Anschließend – bis 1907 – Hottentottenaufstand. 1908: Erste Diamantenfunde bei Lüderitz. Im Jahr darauf Einführung der Selbstverwaltung sowie Verleihung von Stadtrechten unter anderem an Lüderitzbucht (so die deutsche Bezeichnung), Swakopmund und Windhuk. 1914: Ausbruch des I. Weltkrieges und Einfall südafrikanischer Truppen in Lüderitz. Am 9. Juli 1915 kapitulierten die unvorbereiteten deutschen Schutztruppen einer zehnfachen Übermacht bei Khorab (Nähe Otavi). Durch den »Vertrag von Versailles« verlor das Deutsche Reich Südwestafrika wie auch alle anderen Kolonien.

1920: Gemäß Artikel 22 der Völkerbundssatzung wurde SWA der Union von Südafrika als Mandatsgebiet übergeben (deren Truppen waren ja bereits im Land) und seither als integraler Bestandteil Südafrikas verwaltet, aber schon 1925 erhielt SWA die Verwaltungsautonomie.

Ab 1949 wird die Bevölkerung durch sechs Abgeordnete und vier Senatoren im Parlament und Senat der Union von Südafrika direkt vertreten. Mitte der 60er Jahre klagten Liberia und Äthiopien vor dem Weltgerichtshof in Den Haag und verloren, denn das Gericht beschloss am 8. Juli 1966 mit Mehrheit, dass die Ausübung des Mandats durch Südafrika rechtens sei.

Ab diesem Zeitpunkt verlagerte sich deshalb das SWA-Problem von der juristischen auf die politische Ebene – eine für die ganze Region verhängnisvolle Entwicklung, die ihren vorläufigen Abschluss darin fand, dass 1970 jener Gerichtshof seine eigene Beschlussfassung widerrief: Das Mandat wurde Südafrika entzogen und der UNO übertragen. Die internationale Spannung wuchs, deren Höhepunkt 1975 erreicht war, als zehntausende Kubaner in Angola landeten und dort der Bürgerkrieg ausbrach. 1976 drohte der Weltsicherheitsrat der Republik Südafrika mit internationalen Konfrontationen, sofern Pretoria der UNO-Forderung »Raus aus Namibia« nicht entsprechen würde.

1977 war das Jahr der Verhandlungen mit den Großen Fünf, zu denen auch die Bundesrepublik Deutschland mit Genscher an der Spitze gehörte, der maßgeblichen Anteil am Zustandekommen der 1978 geborenen UN-Resolution 435 hatte, auf deren Grundlage der »Unabhängigkeitsprozess für Namibia« vollzogen werden soll. Wesentliche Punkte: »Rückzug der widerrechtlichen südafrikanischen Verwaltung und Übertragung der Macht auf das ‚Volk von Namibia‘ mit Unterstützung der UNO. Entsendung einer Unterstützungseinheit für maximal 12 Monate (United Nations Transition Assistance Group, UNTAG) zur Gewährleistung der baldigen Unabhängigkeit Namibias durch freie Wahlen. Begrüßung der Bereitschaft der SWAPO an der Durchführung und zur Feuereinstellung.«

»Pik« Botha, Südafrikas langjähriger Außenminister und mit dem SWA-Problem bestens vertraut, erklärte: »Wir haben noch nie etwas von 435 gehalten, aber wir beugen uns dem Mehrheitsbeschluss des Kabinetts«, dies vor dem Hintergrund, dass die SWAPO prompt jenen Teil der Resolution, der sich gegen sie richtete, zur Makulatur erklärte und weiter bewaffneten Terror betrieb! Aber auch die Kirchen dachten nicht daran, den Wortlaut ernst zu nehmen, obwohl inzwischen allgemein bekannt war, dass sich selbst die UNO alles andere als neutral verhielt, zumal sich de facto auch die SWAPO von 435 verabschiedete und plötzlich eigene Vorstellungen auf den Tisch legte. Soll auch Südwestafrika kommunistisch werden, was viele aufgrund der politischen Vorgeschichte befürchten?

»Völker der Welt, hört auf unseren Ruf!« So und ähnlich ertönte es in den letzten Jahren tausendfach, aber niemand hörte, alles schwieg, womit letztlich zugegeben wurde, dass die Welt inzwischen der Denkfaulheit und schrecklichen Ignoranz zum Opfer gefallen war, denn was in SWA wirklich passierte, war bekannt, aber einflussreiche Kreise schwiegen und ließen den Morden und Folterungen freien Lauf! Ein markantes Beispiel hierfür ist das unglaubliche Fehlverhalten der Evangelischen Kirche in SWA, wie auch in Deutschland, eine Tatsache, auf deren kurze Darstellung man im Rahmen einer Einleitung zu Südwest leider nicht verzichten kann.

Chief Minister Dr. M. Buthelezi, einer der herausragenden schwarzen Politiker, hatte es einmal auf den Punkt gebracht: »Die Kirchen (auch die katholische) ergreifen für Revolutionäre, die zu politischen Zwecken töten, Partei! Anstatt dass sie mit vereinter Stimme Wahrheit und Gerechtigkeit proklamieren, wird versucht, einen Priester nach dem anderen zu politischen Bewegungen hin zu verleiten. Es gibt sogar welche, die es wagen, Christus als Ursprung ideologischer Revolution hinzustellen!«

Ein bezeichnender Fall ist der des evangelischen Landesprobstes P. G. Kauffenstein, an dem man als Besucher Südwest nicht vorbeikommt, obwohl dieser bereits zehn Jahre zurückliegt, der aber heute noch wirkt. Der Probst: »Erschütternd ist, dass aktuell die evangelische Kirche Gewalt nicht nur legitimiert, sondern auch selbst ausübt, denn wer – wie die EKD – über den Weltkirchenrat Terrororganisationen wie SWAPO und ANC unterstützt, macht sich mitschuldig an dem, was diese Gruppen ausüben – sinnlose Gewalt! Eine Kirche, die ihren Auftrag vornehmlich darin sieht, ‚Befreiungsbewegungen‘ aktiv zu unterstützen, kann nicht die Kirche Luthers und schon gar nicht die von Jesus Christus sein. Eine Kirche, die mit Druck und Nötigung ihre (politischen) Ziele verfolgt, macht sich schuldig!«

Kernpunkt der erbitterten Auseinandersetzungen innerhalb der Kirchen in SWA war, dass sich die DELK (Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche SWA) aufgrund massiver Drohungen seitens des bundesdeutschen Kirchenamtes der EKD dem (schwarzen) namibischen Kirchenrat (CCN) anschließen musste, der sich offen dazu bekennt, in Südafrika den Feind Nummer eins zu sehen. Ein profunder Kenner der Situation, ein Geistlicher, schrieb dazu: »Überall im südlichen Afrika hat die ‚Befreiung mit Hilfe weißer Christen‘ begonnen, die sich somit schuldig am Blutvergießen in Angola, Moçambique und Rhodesien machten. Zu diesen Gräueln wäre es nicht gekommen, wenn die westlichen Kirchen durch ihre Stellungnahmen zugunsten von ‚Befreiungsbewegungen‘ und Vergabe großer Geldmittel diese nicht derart aufgewertet hätten.«

In Südwestafrika scheint sich eine ähnliche Katastrophe anzubahnen, denn auch hier dachten bis vor der Wahl die Kirchen nicht daran, sich trotz bester Kenntnisse der tatsächlichen Situation gegen die »Befreiungsorganisation Namibia« SWAPO zu stellen. Dazu der ehemalige Landesprobst Kauffenstein: »Die weltweite Enttäuschung über die Neue Gesellschaft wird in Bitterkeit enden und unsere schwarzen Mitbürger veranlassen, dem verführerischen Stern des Kremls zu folgen, statt dem Stern Bethlehems!« Dieser Probst hatte sich auch nicht gescheut, Tatsachenmaterial auf den Tisch zu legen, das bewies, dass der CCN überwiegend mit Exekutivmitgliedern der terroristischen SWAPO besetzt ist. CCN-Präsident H. Frederik reiste im Mai 1984 als SWAPO-Delegierter sogar nach Lusaka und nahm an Verhandlungen teil, bei denen die Terrororganisation ANC das große politische Wort schwang, und seitdem unterlässt H. F. (übrigens im Schulterschluss mit dem katholischen Bischof Hurley, Kapstadt) nichts, die SWAPO zu hofieren. Für all diese »Theologen der Befreiung« ist »Entwicklungshilfe Verpflichtung zur Teilnahme am revolutionären Befreiungskampf« (deren Terminologie!), womit man sich offensichtlich aber einem Knackpunkt genähert hat, denn die Kirchenaustritte auf beiden Seiten mehren sich. Es treten sogar farbige Kirchenführer an die Öffentlichkeit, um sich von der SWAPO wegen deren Gewalttaten zu distanzieren und die einseitige Haltung der Kirchen anzuprangern. Rufer in der Namib-Wüste?

Zurück zu Probst Kauffenstein, der sich trotz heftigster Widerstände zur Wiederwahl und damit die Mitgliedschaft im CCN zur Disposition stellte. In den Augen der zu Agitationszwecken aus Deutschland angereisten EKD-Repräsentanten war das eine Ungeheuerlichkeit! Der Probst:

»Im CCN ist nicht einmal das Äußern einer kritischen Meinung erlaubt! Ich kann keine Empfehlung, im CCN zu bleiben, aussprechen, weil ich die Gefahren sehe: Die SWAPO ist eine terroristische Befreiungsbewegung, die Unterstützung vom Weltkirchenrat in Genf bekommt. Ich kann mit meinem Gewissen keine Terrororganisation unterstützen!« Als schließlich die Neuwahl des Landesprobstes anstand und die Diskussion zugunsten Kauffensteins zu laufen schien, griff Professor Esser, EKD, ein und drohte: »Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass einer der Kandidaten (Kauffenstein) dem Rat der EKD unerwünscht ist! Wenn der jetzige Landesprobst (Kauffenstein) wiedergewählt wird, erhält die DELK weder Geld noch Pastoren!« Diese wie Geschosse wirkenden Drohungen verfehlten ihre Wirkung nicht, denn Kauffensteins Gegenkandidat gewann – wenn auch erst im vierten Wahlgang – mit einer Mehrheit von nur zwei Stimmen. Die Synode entschied sich außerdem für den Verbleib im von der SWAPO beherrschten CCN.

Doch damit war der innerkirchliche Politstreit noch lange nicht beendet, im Gegenteil, denn es drohte der Kirche Südwestafrikas – nicht zuletzt verursacht durch eine hohe Austrittsquote – die Spaltung und womöglich der Kollaps. Selbst Kauffenstein kehrte seiner Kirche den Rücken: »Lange habe ich gezögert, diesen Schritt zu tun. Ich stehe solidarisch und loyal als Bürger dieses Landes zu Südafrika und betrachte es als Sünde, gegen die Staatsordnung zu verstoßen oder mich gar am Versuch zu beteiligen, diese ins Wanken zu bringen. Wir tun der Seele eines schwarzen oder weißen Menschen Schaden an, wenn wir ihn auffordern, gegen den Staat zu kämpfen. Der Kirche darf es nur um die ‚wahre Befreiung‘ gehen, die absolut nicht auf politischem Felde zu suchen ist!«

Der Probst und zahllose weitere evangelische Christen zogen also aus den Ereignissen ihre Konsequenzen, was viele Realisten aber nicht daran hinderte, im Namen von Wahrheit und Gerechtigkeit weiterzuarbeiten. Es schloss sich ein jahrelanger Kampf gegen die von der EKD erzwungene Mitgliedschaft im CCN an, der jedoch erst vor zwei Jahren mit einem Sieg endete: Austritt. Schließlich begann auch innerhalb der EKD eine breit angelegte Diskussion über die Unterstützungsmaßnahmen zugunsten von SWAPO und ANC, die zunächst den Stopp größerer finanzieller Mittel zur Folge hatte.

Den vorläufigen Höhepunkt setzte die einflussreiche West-Berliner evangelisch-lutherische Kirche, die am 20. November 1989 beschloss, alle direkten und indirekten Hilfen zugunsten von SWAPO und ANC zu stoppen. Dieser als »Durchbruch zu mehr Wahrheit in der Kirche« verstandene Beschluss der Kirchenleitung Berlins erfolgte, nachdem öffentlich wurde, was seit Jahren in höchsten Kirchenkreisen bekannt war: Folterungen an Gefangenen der SWAPO und fortgesetzter Terror des ANC. Der richtungweisende Kirchenbeschluss besagt ferner, dass der SARK (Südafrikanische Kirchenrat) und der CCN nicht länger als einzige Informationsquellen herangezogen werden dürfen und weitere Hilfen nur an Kirchen gegeben werden, die nicht mit Terrororganisationen zusammenarbeiten.

»Wichtiges Ziel«, so heißt es weiter, »muss die Verkündigung des Evangeliums sein«, womit ziemlich direkt zugegeben wird, dass bislang die politische Arbeit im Sinne von Revolution Punkt eins der kirchlichen Tagesordnung war! Auf scharfe Kritik (aber viel zu spät) stieß das opportunistische Schweigen der Kirchenleitung zum ANC-Terror und zu den SWAPO-Entführungen und -Folterungen. Inzwischen hat jedoch Bischof M. Kruse auf dieser denkwürdigen Synode zugegeben, bereits 1984 gewusst zu haben, dass die SWAPO in angolanischen Lagern Gefangene foltert, doch er habe dies »mit Rücksicht auf die Gefangenenseelsorge« nicht an die große Glocke gehängt. Mit anderen Worten: Um Seelsorge nicht zu gefährden, nahm die Kirche bewusst vielfache Qual und auch den Tod zu Unrecht eingekerkerter Menschen – darunter den vieler Kinder – in Kauf! »Heute«, so Kruse, »sehe ich ein, dass das Schweigen ein Fehler war!« Dazu Professor A. von Campenhausen, Direktor des Lutherischen Instituts für Kirchenrecht: »Das Schweigen der Kirchenführer geht auf die systematische Voreingenommenheit der Kirche zurück, die mit terroristischen ‚Befreiungsbewegungen‘ falsche Solidarität betrieben hat!«

Die westlichen Kirchen haben sich also selbst zum Sumpf gemacht, vergaßen ihre eigentlichen Aufgaben und stehen heute vor einem riesigen Scherbenhaufen. Viele fragen besorgt: »Wo ist Luther, der diesen Sumpf wieder trockenlegt?«

Was für Vorzeichen für unsere Reise nach Südwestafrika, zumal sich kurz vor unserem Start abermals Terroristen zu Wort meldeten – auf ihre Art, nämlich mit Handgranaten! Es geschah in Oshakati (Hauptstadt des Ovambo-Landes und somit Hochburg der SWAPO), als »Sam« Nujoma wieder einmal in aller Öffentlichkeit log: »Ich bitte auch die Weißen, mit uns den Weg in die Unabhängigkeit zu gehen, ja, auch die arme blanke sind Namibier und brauchen Land. Unter einer SWAPO-Regierung wird es keine Armen mehr geben!« Der Chef der SWAPO war mittendrin in seinen sozialistischen Träumereien, als es mehrmals krachte: 20 Verletzte. Aber der »Befreiungsheld von Namibia«, wie er von Freunden auch genannt wird, verzagte nicht, sondern nannte lauthals die Schuldigen: DTA-Terroristen!

Die Parallelen zum früheren Rhodesien sind verblüffend, obwohl sich beide Länder eigentlich nicht miteinander vergleichen lassen. Aber hier wie dort glaubten beziehungsweise glauben die Massen an den »Sieg des Sozialismus-Kommunismus«, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass diese Ideologie im wahrsten Sinne des Wortes abgewirtschaftet hat.

Aber aus welchen Gründen haben heute deren Agitatoren – namentlich in Afrika – immer noch Erfolg? Es sind die Parolen, von denen man sich verleiten lässt, weil das Hintergrundwissen fehlt; denn welcher einfache Schwarze ließe sich denn nicht begeistern, wenn er von Chiefs, das heißt, künftigen Regierungsmitgliedern, »gerechtes Land« versprochen bekommt, für das er weder arbeiten noch bezahlen muss?

Nun lade ich dazu ein, mit uns sechs Wochen lang durch Südwestafrika zu fahren, wo wir 4.100 Kilometer per Bahn und Lifts zurücklegten und nicht weniger als 20 Ziele erreichten. Wir erlebten ein Land, dessen Menschen uns stets wohlgesonnen waren und uns Informationen und Eindrücke vermittelten, deren Wertigkeit auch uns erst nach und nach voll bewusst wurde. Es wird hoffentlich gelingen, die Leser an dieser Reise »direkt« teilnehmen zu lassen, die uns von Pretoria aus über Keetmanshoop, Lüderitz, Mariental, Rehoboth, Windhoek, Okahandja, Karibib, Omaruru, Swakopmund, Walvis Bay, Otjiwarongo, Outjo, Otavi, Grootfontein, Tsumeb bis in die Etosha-Pfanne und wieder zurück in die südafrikanische Regierungshauptstadt Pretoria führte.

Mit Gott für Kaiser und Reich

Kaum hatten wir am Mittwoch, dem 11. Oktober 1989, das Haus verlassen, wurden wir per morgendlicher Schlagzeile und einer Mauerparole daran erinnert, in einer politisch sehr bewegten Zeit zu leben: »FW lässt acht ANC-Führer frei« sowie »Violence!« (Gewalt). Unwillkürlich fragten wir uns, ob diese Kombination nur bloßer Zufall war. Wir einigten uns auf »Zufall«, denn wir wollten bis auf Weiteres nicht glauben, dass mit der bedingungslosen Freilassung von Walter Sisulu (1964 zusammen mit Nelson Mandela zu lebenslanger Haft verurteilt) der terroristische ANC seine Aktivitäten fortsetzt oder noch verstärkt. Doch die Wirklichkeit sah leider anders aus, hatte doch Sisulu bereits Anfang November in aller Öffentlichkeit erklärt, dass der ANC von seinem bewaffneten Kampf erst ablässt, wenn das »richtige Verhandlungsklima« geschaffen ist. Also doch »Violence« beziehungsweise ein Zusammenhang zwischen beiden »Schlagzeilen«?

Unser »Mainliner«, ein Bus der Superklasse, startete in der Johannesburger Leyds Street punkt 10 Uhr, war mit Passagieren jeglicher Hautfarben voll besetzt und benötigte sehr viel Zeit, bis er sich endlich durch den lebhaften Straßenverkehr bis zur freien Autobahn durchgearbeitet hatte. An Bord nette Hostessen, die freundlich und routiniert Kinder, Jugendliche und alte Leute – Schwarze, Inder, Weiße – zu verwöhnen versuchten. Zu sehen gab es via Video den schönen Spielfilm »Ballett Gizelle« sowie eine wüste US-Produktion, die sich als Humorstreifen verstanden wissen wollte, nur – angesichts dieses Horrorfilms wurde kein einziges Mal gelacht, also kein Verständnis für schießende, prügelnde, brandstiftende sowie herumschmierende und blödelnde Ami-Jugend! Warum wohl?

Die geruhsame Fahrt ging über Kuruman, einer auffallend schönen Stadt mit gepflegten Rassen, hohen Palmen und sauberen Häusern. Während die Landschaft bis hierher eher eintönig war, belebte sie sich hinter Kuruman, denn es wurde hügelig, bis es nach längerer Fahrt wieder sehr flach, buschig und endlos weit wurde.

Mit von der Partie war Michael, ein cleverer junger Mann aus Deutschland, der sich vorgenommen hatte, zwischen Bundeswehr und Berufsbeginn drei Monate lang »südliches Afrika zu machen«. Als wir uns im »Mainliner« kennenlernten, hatte er schon ein paar Wochen Südafrika hinter sich und bekannte freimütig: »Nie hätte ich geglaubt, wie es hier wirklich aussieht, jedenfalls ganz anders und im Allgemeinen besser, als es uns durch Medien zu Hause eingeredet wird!«

Unser Bus stoppte in Upington vor dem 2-Sterne-Hotel »Protea«, in das alle Reisenden von der Busgesellschaft zum üppigen Abendessen eingeladen wurden, Gelegenheit, wieder einmal zu beobachten, wie streng Südafrikas sogenannte Apartheidsgesetze gehandhabt werden. Hier überhaupt nicht!

Die Grenzstation Nakop erreichten wir um 21.30 Uhr, an welcher eine Hostess lediglich die von jedem Passagier auszufüllenden kleinen Fragebögen abgab und ansonsten keinerlei Kontrolle stattfand. Fahrt durch die stockfinstere Nacht auf schnurgeraden, auch hier sehr gut ausgebauten Straßen bis Keetmanshoop, wo wir gegen 0.30 Uhr ankamen und den Bus an einer Tankstelle verließen.

Da wir uns bereits von Pretoria aus mit der hiesigen Stadtverwaltung wegen eines Privatzimmers in Verbindung gesetzt und telefonisch die Nachricht erhalten hatten, dass wir bei Ankunft abgeholt werden würden, konnten wir den Dingen gelassen entgegensehen. Und tatsächlich kam sogleich ein ausgewachsener typischer Bure auf uns zu, stellte sich als »Louis van die Municipaliteit« vor und bot an, uns per Privatwagen zur Unterkunft zu fahren. Diese lag jenseits der Bahnlinie etwas außerhalb des unmittelbaren Stadtbereichs an einer ungeteerten Wohnstraße, und die Vermieterin – Frau van Dyk – schlief schon. Doch Louis wusste Bescheid, fingerte sich den Schlüssel unter dem Fußabtreter hervor und ließ uns ins separate Gästehaus ein.

Unsere Vermieterin lernten wir erst am nächsten Morgen kennen, eine kräftige ältere Dame unverkennbar burischer Herkunft und kaum eines englischen Wortes mächtig. Sorgen habe sie, weil ihr Mann schwerkrank im Hospital liege, sie müsse sofort zu ihm und könne sich deshalb nicht viel um uns kümmern – leider. Wir glaubten ihr.

Schließlich machten wir uns auf, die »Hauptstadt des Südens« kennenzulernen, die eine Historie von nur 120 Jahren nachzuweisen hat, doch etwas weiter im Süden – in den Karasbergen – siedelten schon vor 40.000 Jahren Angehörige eines primitiven Volkes. – Der Weg in die Stadt war staubig und heiß, aber es blies ein lebhafter Wind, der das Leben erträglich machte. Wir bekamen also gleich am ersten Tag einen Vorgeschmack auf das, was wir klimamäßig noch alles zu erwarten haben würden.