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Billy Remie

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Beschreibung

Chroniken der Bruderschaft Band 3 Desith Airynn, Sohn des Kaisers von Elkanasai, wusste immer, dass er nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten wollte. Gegen dessen Willen entschied Desith sich bereits in seiner Jugend, seinem Herzen zu folgen und der Heimat den Rücken zu kehren. Er schwor dem Großkönig von Carapuhr – dem Land im rauen Norden – einen Treueeid, um den Fängen seines strengen Vaters zu entkommen. Jahre später soll ihm sein unbedachter Schwur schließlich zum Verhängnis werden, denn als er nach einer Mission aus dem Dschungel Zadests in seine Heimat zurückkehrt, verlangt der Großkönig von ihm, sich mit seinem neuen Erben zu vermählen, um das Bündnis ihrer beiden Reiche zu stärken. Mit Händen und Füßen wehrt er sich gegen diese Ehe, da er sich nicht wie eine Hure verkaufen lassen wollte. Vor allem nicht an den Mann, der versucht hatte, ihn zu töten. Desiths einzige Rettung scheint der Neffe des Großkönigs. Vynsu war rein äußerlich der geborene Barbar, jedoch noch sehr jung und auf der Suche nach sich selbst. Desiths Schicksal berührt das große Herz des Barbaren, und er nimmt sich seiner an. Jedoch hätte er niemals damit gerechnet, dass ihn Desiths kalte, berechnende Art derart anziehen könnte, und statt zu tun, was richtig wäre, lässt er sich von seinen Gefühlen leiten und hilft Desith aus seinem Eid zu entkommen, selbst wenn es ihm den Kopf kostet. Gemeinsam schlittern sie in ein gefährliches Spiel um die Krone des Nordens. Plötzlich können sie nur noch einander vertrauen, wodurch Vynsu schnell eine tiefe Zuneigung gegenüber Desith entwickelt, die ihm nicht immer guttut, aber ihn zum ersten Mal wahre Leidenschaft spüren lässt. Doch auch wenn Desiths Leib offenherzig scheint, sein Herz bleibt Vynsu verschlossen. Zwischen Intrigen und Verrat müssen sie letztlich entscheiden, wohin ihr Weg sie führt – und ob sie ihn bis zum Ende gemeinsam gehen.

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Billy Remie

Geliebtes Carapuhr

Söhne des Nordens

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Chroniken der Bruderschaft: Band 3

Warnung:

Vorwort

Prolog

Teil 1: Angst

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Teil 2: Werkzeuge

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Teil 3: Feindliche Brüder

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Epilog

Über mich

Impressum neobooks

Chroniken der Bruderschaft: Band 3

Desith Airynn, Sohn des Kaisers von Elkanasai, wusste immer, dass er nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten wollte. Gegen dessen Willen entschied Desith sich bereits in seiner Jugend, seinem Herzen zu folgen und der Heimat den Rücken zu kehren. Er schwor dem Großkönig von Carapuhr – dem Land im rauen Norden – einen Treueeid, um den Fängen seines strengen Vaters zu entkommen. Jahre später soll ihm sein unbedachter Schwur schließlich zum Verhängnis werden, denn als er nach einer Mission aus dem Dschungel Zadests in seine Heimat zurückkehrt, verlangt der Großkönig von ihm, sich mit seinem neuen Erben zu vermählen, um das Bündnis ihrer beiden Reiche zu stärken. Mit Händen und Füßen wehrt er sich gegen diese Ehe, da er sich nicht wie eine Hure verkaufen lassen wollte. Vor allem nicht an den Mann, der versucht hatte, ihn zu töten.

Desiths einzige Rettung scheint der Neffe des Großkönigs. Vynsu war rein äußerlich der geborene Barbar, jedoch noch sehr jung und auf der Suche nach sich selbst. Desiths Schicksal berührt das große Herz des Barbaren, und er nimmt sich seiner an. Jedoch hätte er niemals damit gerechnet, dass ihn Desiths kalte, berechnende Art derart anziehen könnte, und statt zu tun, was richtig wäre, lässt er sich von seinen Gefühlen leiten und hilft Desith aus seinem Eid zu entkommen, selbst wenn es ihm den Kopf kostet.

Gemeinsam schlittern sie in ein gefährliches Spiel um die Krone des Nordens. Plötzlich können sie nur noch einander vertrauen, wodurch Vynsu schnell eine tiefe Zuneigung gegenüber Desith entwickelt, die ihm nicht immer guttut, aber ihn zum ersten Mal wahre Leidenschaft spüren lässt.

Doch auch wenn Desiths Leib offenherzig scheint, sein Herz bleibt Vynsu verschlossen.

Zwischen Intrigen und Verrat müssen sie letztlich entscheiden, wohin ihr Weg sie führt – und ob sie ihn bis zum Ende gemeinsam gehen.

Warnung:

Fantasy-Handlung mit (gelegentlicher) expliziter Gewalt und explizitem homoerotischen Sex (kein SM). Kämpfe, Intrigen, Blutvergießen, geistige und physische Gewalt.

Bitte lesen!

Einige Protagonisten handeln in diesem Roman nicht immer sehr moralisch – natürlich sind ihre Ansichten nicht die meinen – und neben ein paar wenigen Gewaltszenen gibt es auch einige anstößige Inhalte.

Ich habe nichts davon verherrlicht, dennoch gibt es Leser, die so etwas einfach nicht lesen wollen. Das möchte ich mit dieser Warnung respektieren.

Für mich persönlich passt es in meine Welt und meine Geschichte, ich finde es auch nicht zu hart. Es ist eben einfach Fiktion. Aber was für mich gilt, gilt nicht unbedingt für andere, denn letztlich muss jeder selbst entscheiden, was er lesen möchte.

Meine Warnung bezieht sich auf Nebencharaktere, im Voraus möchte ich versichern, dass die Hauptprotagonisten selbstverständlich keine gewalttätige (weder körperlich noch psychisch) Beziehung zueinander halten. Aber ihren Feinden könnte es eben auch mal schlecht ergehen.

Aber es handelt sich hier auch nicht um Dark Fantasy, davon ist es weit entfernt.

Vielen Dank.

Was bisher geschah...

(Band 3 der Reihe, ihr solltet zumindest die ersten Bände dieser Reihe kennen, bevor ihr dieses Buch lest, sonst befürchte ich, dass es zu kompliziert wird. Dennoch habe ich mich zur Auffrischung an einem "Was bisher geschah..." versucht und wie immer, wiederhole ich für die Geschichte wichtige Ereignisse an den dafür wichtigen Stellen noch einmal in kurzen Sätzen.)

König Desiderius M`Shier von Nohva ist tot. Er fiel im Kampf gegen eine fremde Göttin, die gekommen war, um die Welt der Sterblichen zu versklaven. Während der König von Nohva sein Leben gab, schlossen seine Söhne im Gewölbe des Turms von Zadest ein außer Kontrolle geratenes Götterportal. Doch die Magie war zu mächtig und zu ungestüm, sie drohte, alles zu verschlingen.

Um sie zu bannen, musste Sarsar – Sohn des Desiderius´ – die göttliche Macht aus dem Portal auf alle im Raum Anwesenden verteilen. Seitdem tragen diese zehn jungen Männer einen Teil der fremden Magie in sich eingeschlossen, um sie vor der Außenwelt zu verstecken. Sarsar, Xaith, Riath, Vaaks, Desith, Derrick, Kacey, Place, Korah und Doragon sind von nun an unwiederbringlich miteinander verbunden, sie vereint ein Schicksal, auch wenn sie sich überall in der sterblichen Welt verteilten.

Der mächtige Blutdrache Doragon blieb mit seinem Freund Fen, mit dem er eine jahrelange innige Verbindung pflegte, im Dschungel von Zadest zurück, sie gingen ins Exil. Bei ihnen blieben Korah und Place, die nach dem Kampf im Turm ebenso heimatlos und ziellos waren, da Place aus einer anderen Welt stammte und er nun nicht mehr durch das Portal zurückkahm, und Korah seine beiden Väter, den Wächter Bellzazar und den Meergott Levi, im Kampf gegen die fremde Macht verloren hatte.

König Desiderius´ letzte, verbliebene und anerkannten Söhne kehrten nach Nohva zurück, doch nur Riath und Vaaks – der nur ein Ziehsohn des Königs war – blieben in der Familienfestung, während Riaths leiblicher Bruder Xaith von Trauer zerfressen sein Seelenheil nur in der Flucht vor der Heimat sah und wortlos davon ging.

Desiderius‘ Erbe sollte jedoch keiner seiner Söhne werden, er vermachte seine Krone seinem langjährigen Geliebten, Wexmell Airynn. Ganz zu Riaths Groll, der sich auf dem Thron seines Vaters sah.

Sarsar M’Shier erbrachte das gleiche, tragische Opfer wie sein Vater, er gelangte nie aus dem Turm heraus, denn nachdem das Portal geschlossen und die göttliche Macht gebannt war, stürzte der Turm über ihm zusammen und begrub ihn spurlos. Derrick, dessen Leben Sarsar gerettet hatte, indem er ihm eine uralte Drachenseele eingepflanzt und ihn zum Blutdrachen gemacht hatte, konnte sein Verschwinden nicht akzeptieren, so blieben er und sein Gefährte Desith im Dschungel zurück, um nach Sarsars Leiche zu suchen. Doch Desith war ein Sohn des Kaisers und somit Prinz von Elkanasai, und seine Pflichten sollten ihn bald einholen…

Vorwort

Von Vätern und Söhnen…

…von zweiten Chancen…

…und neuen Schicksalen.

Prolog

Er tauchte aus dem tiefsten und schwärzesten Gewässer seit Anbeginn der Zeit auf.

Dem eigenen Bewusstsein.

Und es war ein kalter Ort, aus dem er emporstieg. Dunkel und eisig, wie eine Eishöhle in den Höhen der berühmten Gletscher Carapuhrs, dem Land am oberen Ende der Karte.

Doch er war nicht im hohen Norden, das wusste er in dem Moment, da die Kälte seinen Verstand freigab. Sein erster Gedanke galt der Tatsache, dass er sich wie ein Eisklumpen fühlte und seinen eigenen Körper nicht spüren konnte.

Sein zweiter Gedanke war, dass dies hier das schwarze Reich zwischen den Welten sein musste.

Ein Nichts aus ewiger Finsternis, kein Leben, kein Licht wohnte hier, wo ein regelrechter Leereraum zwischen den verschiedenen Reichen herrschte.

Wie lange er schon dort war, wusste er nicht, es gab keine Zeit an diesem Ort, der gar nicht wirklich existierte. Aber vor allem hätte er nicht dort sein dürfen.

Als er wieder vermochte, zu denken, kam er sich vor, als wäre er nur einen Augenblick in der Leere verblieben, als hätte der Riss ihn gerade erst verschluckt und hierhergebracht. Er sah nichts, er fühlte nichts, aber er wagte zu glauben, dass er seinen kalten Leib zusammengekrümmt hatte, ihm war es, als würde er schweben. Wie ein Säugling im Leib seiner Mutter.

Dann spürte er den Sog, der ihn zu sich riss. Es fühlte sich an, als würde er auftauchen, obwohl es an diesem Ort weder oben, noch unten gab. Er wurde immer schneller und schneller, sein Herzschlag beschleunigte sich wieder, taute auf, erwachte zu neuem Leben. Seine Brust brannte, seine Kehle wurde eng, wie ein Ertrinkender, der Wasser schluckte. Es gab hier keine Luft, er würde ersticken.

Und dann war es ihm, als würde er abermals sein Bewusstsein verlieren, genau in dem Moment als er durch die schwarze Oberfläche brach. Flüchtig blendete ihn ein greller Schein, als stiege er aus einem tiefschwarzen Keller hinaus ins helle Sonnenlicht, dann wurde es wieder schwarz.

Doch in dieser alles verschlingenden Schwärze erklang plötzlich eine Stimme. Eine dunkle, gedämpfte Stimme, die immer kräftiger wurde und ihn festzuhalten schien.

»Kämpfe«, sagte sie streng, »kämpfe, mein Sohn. Dein Herz brennt, es kennt den Weg. Kämpfe! Gib nicht auf. Gib niemals auf.«

Mit aller Willenskraft stemmte er sich gegen sein eigenes Bewusstsein. Er stellte sich vor, sein Körper wäre eingefroren und er müsste nur die Eisschale zerbrechen, die ihn einhüllte, um nach Hause zu gelangen. Er kämpfte dagegen an, wieder hinab zu sinken, spürte, wie nach und nach ein schwerer Panzer von ihm abfiel, erst die Zehen, dann die Finger, bis die Arme und Beine frei waren und er durch das kalte Wasser schwimmen konnte. Es war, als erlebte er seine Geburt erneut. Er sah nichts, er hörte nichts, aber er spürte ein Kitzeln in seinem Bewusstsein, das ihm die Richtung vorgab, wie ein innerer Kompass, ein Instinkt.

Er war der Vogel, der die Richtung nach Süden kannte, wenn der Winter Einzug erhielt.

Als er zum zweiten Mal durch die Oberfläche brach, blendete ihn warmes Licht, das sofort auf seinen kalten Wangen prickelte. Er schnappte tief nach Luft, mehrmals, noch bevor er sich gewahr wurde, wo er sich befand. Der Drang zu atmen war übermächtig und wichtiger, als die Augen zu öffnen.

Seine Lungen brannten und er musste husten, hatte zu viel Wasser geschluckt, aber es tat so gut, zu atmen, dass er weiter nach Luft schnappte, obwohl ihm hohe Wellen ins Gesicht schlugen und er salziges Wasser schmecken konnte.

Nach und nach wurde ihm bewusst, dass er auf dem offenen Meer trieb. Es war warm, die Sonne stand am höchsten Punkt am Himmel und verbrannte ihm beinahe augenblicklich das Gesicht, sodass er sich nach der Kälte in der Leere zurücksehnte. Er schwebte auf der Oberfläche, paddelte sacht mit den Beinen, war aber zu kraftlos, um zu schwimmen. Die Wellen schwemmten ihn an Land, da spürte er die Schwere seiner Knochen. Der Sand des Ufers war weich und nass, sog ihn beinahe ein. Still blieb er liegen, konnte sich nicht bewegen, kam sich vor, als bestünde er aus Stein. Sein Blick war noch verschwommen, die Augen brannten, aber er genoss das Gefühl des Windes und der Sonne auf seinem Leib, während die Wellen über ihn schwappten. Das Licht blendete ihn, er sah schwarze Punkte vor sich, die von den Schatten kreischender Möwen unterbrochen wurden.

Er hustete gelegentlich, das Brennen in seiner Kehle und in seiner Brust nahm nicht ab, wie Sand fraß sich das Salz durch seine Lungen, doch er war zu schwach, um es abzuhusten.

Aus der Ferne hörte er Stimmen, helle Rufe, und schon bald fielen Schatten auf ihn. Er zwang ein Auge auf, musste blinzeln. Er brauchte nicht klar zu sehen, um die vielen Pfeilspitzen zu erkennen, die auf sein Gesicht zielten. Sie blitzten im Sonnenlicht tödlich auf. Sein Herz machte einen Satz, doch sein Körper wollte sich nicht rühren.

Schluckend versuchte er, Worte zu formen. »Nein«, wollte er sagen, »ich bin kein Feind. Ich will nur heim. Ich will nur nach Hause, bin doch nur ein Reisender.« Doch er brachte keinen Ton heraus, und die grimmigen, dunklen Gesichter hätten wohl auch kaum ein Interesse an seinen Beteuerungen gehegt.

Er spürte, wie er unsanft gepackt wurde, noch immer fühlte er sich zu schwer, um sich selbst zu bewegen, die nassen Kleider klebten an ihm und waren so schwer wie ein Eisenpanzer. Erschöpft ließ er den Kopf in den Nacken fallen und konnte zusehen, wie die Sonne hinter einem dichten Blätterdach verschwand und die satten Grüntöne des Dschungels ihn umfingen.

Teil 1: Angst

Ein Korn, gesät tief in der Seele, genährt durch eigene Gedanken, wächst und wächst, immer höher, immer breiter, überragt das eigene Ich, erstickt, geißelt. Angst ist ein Dämon, der in uns allen wohnt, der an uns zerrt und uns lenkt, der uns einsperrt und verhöhnt. Angst ist ein Wesen aus einer dunklen und kalten Welt, das zu besiegen bedeutet, sich selbst herauszufordern. Doch was, wenn die Angst das ist, was du am meisten liebst?

Kapitel 1

Er rannte und rannte, buchstäblich über Stock und Stein. Äste peitschten ihm ins schmutzige Gesicht, Dornen zerrissen ihm das Hemd wie tollwütige Krähen. Aber nichts hätte Desiths Lauf stoppen oder auch nur ins Stocken bringen können. Er flüchtete vor dem sicheren Tod, hinein in dichte Blätterwände. Das Immergrün zog sich wie eine Schlinge um ihn herum zusammen, die Pflanzen schienen ihn festhalten zu wollen. Er fiel immer wieder auf die Knie, doch die Furcht trieb seine Füße weiter, selbst wenn er noch nicht wieder richtig stand. Hinter ihm knackte und krachte es, als wäre ihm eine Horde Elefanten auf den Fersen. Desith wünschte, es wäre so. Mit stillen Tränen auf den Wangen erträumte er, er würde sich umdrehen und nur eine wildgewordene Herde verblödeter Wildtiere entdecken. Doch das gefährliche Kitzeln in seinem Nacken ließ sich nicht von einer dummen Träumerei täuschen.

Er steckte in der Scheiße. Und zwar so richtig tief.

Seine Lungen brannten ihm genauso stark wie seine Muskeln, aber er konnte nicht stehen bleiben. Blind preschte er durch den dichten Dschungel, wusste gar nicht, wohin er rannte, hatte längst die Orientierung verloren. Bunte Vögel und Insekten stoben auf, und als er abermals hinfiel, biss ihn eine Schlange in den Arm.

Nur wenige Schritte weiter rannte er in ein Hornissennest und schlug wild um sich, während wütendes Gesumme ihn umhüllte. Schmerz pochte in seiner Wange auf, als eines dieser riesigen Biester ihn mitten ins Gesicht stach.

Und hinter ihm erhob sich ganz nah das Gebrüll des Drachen.

Sein Herz stockte und er rannte mit noch immer geschlossenen Augen und wild rudernden Armen weiter, der Hornissenschwarm folgte ihm, er schrie bei jedem Stich schmerzerfüllt auf. Das Gift der Insekten war stark, stärker, als er es sich hätte vorstellen können, er spürte, wie ihm schwindelig und übel wurde. Oder war es nur die Erschöpfung, die ihm den Atem raubte?

Bäume fielen um ihn herum, wurden umgestoßen. Der Drache brüllte nah, der Laut vibrierte in der Luft wie ein nahendes Gewitter, und Desith stolperte schreiend auf die Knie, während er die Hände auf die Ohren schlug. Er hasste Drachengebrüll, die Furcht zog ihm durch Mark und Bein, wie ein eiskalter Wind.

Das Krachen und Knacken wurde immer lauter, die wütende Flugechse trampelte umher, Desith hörte ihren Schwanz durch die Luft peitschen. Stämme von dünneren und jüngeren Bäumen fielen kreuz und quer um ihn herum ins Unterholz, es war ein Wunder, dass er nicht getroffen und zermalmt wurde. Die Erde bebte. Er hielt die Augen und Ohren geschlossen, krümmte sich zu einem Kloß zusammen und hoffte naiverweise, sich klein genug machen zu können, dass der Drache einfach über ihn hinweglaufen würde.

»Bitte, bitte, bitte…«, stammelte er tonlos vor sich hin, die Angst hatte ihm Stimme und Atem geraubt, sein Herz schlug so schnell, dass er befürchtete, es würde in seiner flatternden Brust einfach in unzählige Splitter zerspringen.

Ich hätte ihn nie verfolgen sollen. Nicht zum ersten Mal in den letzten Jahren dachte er genau das, aber wie hätte er einfach umkehren können? Wie hätte er ihn im Stich lassen können, wobei er jäh spürte, dass es keinerlei Verbindung mehr zu dem Mann gab, der dem Drachen innewohnte.

Desith versteinerte, obwohl er zuvor noch gezittert hatte wie Espenlaub. Im Nacken spürte er den heißen Atem des Drachen, und sein leises Grollen vibrierte über Desiths Rücken.

Für einen Moment konnte Desith sich nicht bewegen, dann nahm er langsam die Hände von den Ohren und drehte zögerlich den Kopf mit geweiteten und blutunterlaufenen Augen herum.

Der Drache thronte direkt hinter ihm, die schwarzen Schuppen matt, die Stacheln auf seinem Kamm aufgestellt. Drohend hoben sich die Lippen und entblößten eine Reihe weißer Reißzähne.

Desith überkam eine Woge Trauer, er verzog das Gesicht und wimmerte: »Rick, bitte…«

Aber er erkannte ihn nicht, schon lange nicht mehr. Der Drache hob den Kopf, um den Hals zu beugen, und sog regelrecht die Luft um Desith herum in seinen Rachen. Das, was folgen würde, brauchte Desith sich nicht auszumalen, er wusste es. Sein Überlebensinstinkt war stärker als es jede Jugendliebe hätte sein können. Er rollte sich zur Seite, sprang auf und rannte los. Der blaue Strahl aus Geistfeuer explodierte auf der Stelle, wo er zuvor noch gekniet hatte, versengte alles und hinterließ einen schwarzen, toten Fleck. Wütendes Gebrüll erhob sich, als er dem Biest abermals entkam. Mit einem giftigen Fauchen warf der Drache jedoch den Kopf herum und spie Desith einen weiteren Feuerstoß hinterher. Die Spitzen der Flammen holten ihn im vollen Lauf ein, eine regelrechte Druckwelle riss ihn von den Füßen, als hätte ein Sturm ihn von hinten erfasst.

Desith brüllte auf, obwohl er den Schmerz noch gar nicht spürte, aber er sah die Flammen, die sich seinen Arm hinauf schlängelten. Schreiend warf er sich hin und her, rollte sich hektisch über den Boden, während er mit der Hand auf sein brennendes Hemd einschlug. Es roch nach Rauch, versengtem Stoff und verbranntem Fleisch.

Die Flammen waren noch nicht gänzlich erstickt, als der Drache auf ihn zuhielt. Desith stolperte auf die Füße und floh vorwärts, mit panischem Blick über die Schulter. Er rutschte unter einem umgestürzten Baumstamm hindurch, der Drachenkopf schnappte nach ihm, blieb aber stecken. Das brachte ihm für wertvolle Augenblicke einen Vorsprung ein.

Nur der Schatten des Biestes war zwischen den Bäumen zu erkennen, aber er holte schnell auf. Brennende Blätter schwebten durch die Luft, es knisterte im Dschungel, während Desith Haken wie ein junges Kaninchen schlug und durch riesige, dichte Blätterwände preschte, ihm peitschte allerlei Geäst um die Ohren, sodass sein Gesicht bald aussah, als hätte er mit einem Puma gerungen.

Noch immer klopfte er auf die blauen Flammen, die sich nicht löschen lassen wollten. Bis er in seiner blinden Hast über eine Wurzel stolperte und vornüber einen Hang hinabfiel. Er überschlug sich mehrfach, brach sich mindestens eine Rippe und verdrehte sich den Arm. Der aufkommende Schmerz war nicht mehr zu beschreiben, es fühlte sich an, als müsste er sterben.

Als er endlich gegen einen Baum krachte, der seinen Fall abrupt gebremst hatte, blutete er aus einer Stirnwunde und übergab sich.

Der Drache wütete noch immer. Benommen und völlig erschöpft sah Desith den Hang hinauf, er konnte das viele Grün nur noch verschwommen wahrnehmen, immer wieder blitzte Schwärze vor seinen Augen auf, alles drehte sich. Der Schwanz der Flugechse zuckte flüchtig über die Schlucht, dann erklang das schwere Pochen seiner Schwingen, das Blätterdach raschelte und sein wütendes Brüllen entfernte sich. Er hatte wohl nicht mitangesehen, dass Desith den Hang hinabgestürzt war. Oder er hatte etwas Größeres gewittert. Vermutlich war es letzteres. Desith konnte die anderen Drachen in der Nähe rufen hören, es war Paarungszeit und sie suchten ihre Partner. Vielleicht lenkte auch das Rick ab.

Desith schaffte es noch, sich bis zu einem nahen Fluss zu schleppen, am Ufer brach er jedoch zusammen. Sein rechter Arm hing schlaff hinab, er konnte ihn nicht mehr bewegen, bei dem Sturz musste er ihn sich ausgekugelt haben. Jeder Atemzug, sei er noch so flach, stach so heftig wie ein Dolch, der in seinen Rippen steckte. Noch immer sah er nur verschwommen und immer wieder musste er sich übergeben. Seine rechte Seite war versengt, regelrecht verkohlt, er traute sich gar nicht, hinzusehen, umklammerte den verletzten Arm mit der anderen Hand.

Die Verbrennung fühlte sich seltsam an, nicht wie von normalen Flammen, mehr wie eine Eisverbrennung. Desiths Haut war abgeplatzt, aber darunter herrschte nur Kälte und eine schreckliche Leere, als ob das Feuer ihm den Teil der Seele ausgebrannt hatte, die in seinem Arm gewohnt hatte. Da war kein Gefühl mehr – und das nicht nur, weil der Arm verdreht war.

Von der Leere und der Wut in seinem Herzen ganz zu schweigen.

Rick … war fort.

Seine Knie sanken tief ins feuchte Ufer, als er sich vorbeugte und Wasser schöpfen wollte, doch da übermannte ihn der Schmerz und die Erschöpfung, die Enttäuschung und die Leere. Mit dem Gesicht voran fiel er in den Fluss und es gelang ihm gerade noch, sich im Wasser auf den Rücken zu drehen, bevor ihn die sanfte Strömung einige Flussmeilen mit sich schleppte. Es war ein sachtes Wiegen, das ihn schläfrig machte, und das kühle Nass linderte den Schmerz seiner zahlreichen Wunden. Sein Körper war nur noch ein Haufen zerstochenes, versengtes, gebrochenes Fleisch.

Als er wieder aufwachte, hatte sich sein Fuß in etwas verfangen, und das sanfte Wiegen war zu einem beständigen Strom ausgewachsen. Er blinzelte, sah verschwommen das Dach des Dschungels über sich, und da bemerkte er auch, dass er nicht mehr im Fluss trieb, sondern er über den Boden geschleift wurde wie ein Sack Mehl.

Er bewegte leicht den Kopf hin und her, in seinem Schädel hämmerte es dumpf, und der Schmerz verursachte ihm sofort wieder Übelkeit. Verdammt, wenn ihn die Stämme erwischt hatten, war es vorbei. Nicht alle Stämme duldeten Fremde in ihrem Wald, so tief im Osten Zadests waren sie stets nur auf feindlich gesinnte Kriegerinnen gestoßen, die alle Arten von Männern lieber tot oder versklavt sahen, als frei herumstreifen zulassen.

Doch die Worte, die er dann vernahm, klangen klar und deutlich zu ihm durch. Sie entstammten der Sprache des Westens. »Er ist wach«, sagte eine monotone Stimme über ihm.

Desith blinzelte erneut, als er grob abgelegt wurde und dunkle Schatten auf ihn fielen. Sofort riss er die Augen auf, war jedoch zu schwach, um zurückzuweichen. Drei – vielleicht gab es noch mehr – in dunkle Umhänge gewandete Gestalten beugten sich über ihn, an ihren Oberarmen trugen sie purpurne Bänder, und unter ihren Kapuzen lag nur Finsternis, keine Gesichter. »Lest seine Erinnerungen«, sagte ein anderer gefühllos, seine Stimme klang nicht wie von dieser Welt, mehr wie ein raues, kaltes Flüstern, das einem Alptraum entsprungen war. »Tötet ihn, wenn ihr wisst, wo der andere ist.«

Desiths Herz machte einen Satz, er wollte sich wehren, wollte vor diesen gesichtslosen Dämonen davonkriechen, aber er war schlicht zu geschwächt. Sein Verstand versagte ihm den Dienst, er verdrehte die Augen, als sich eine in Leder gehüllte Hand nach seinem Gesicht ausstreckte, als wollte sie ihn verschlingen.

Dann wurde es schwarz.

Etwas schlug ihm hart ins Gesicht.

Erschrocken fuhr er auf, die Augen geweitet. Sofort packte ihn wieder die Angst mit kalten Klauen, aber nun sah er klarer, und die Dämonen waren fort. Ein Gesicht schwebte über seinem. Weiße Haut, ein Barbarenzopf und tiefbraune Augen mit purpurnen Sprenkeln.

»Wir haben ihn gefunden! Er lebt!«, rief jemand in seiner Nähe, dann hörte er viele Schritte um sich herum, und das Rascheln der Sträucher.

Hatte er nur geträumt? Träumte er jetzt?

»Desith!« Prinz Vynsu schüttelte ihn und verpasste ihm noch eine Backpfeife. Er war älter geworden, wenn Desiths Verstand ihn nicht täuschte, auch seine Hand fühlte sich größer, sogar rauer an. »Desith! Hörst du mich? Wo ist Derrick, Desith? Wo ist er?«

»Rick…?«, hauchte er, aber er wusste nicht, ob er wirklich sprach oder es einfach nur dachte, denn seinem Körper entglitt jegliches Gefühl. »Rick … ist … ver … verloren.«

Er wollte mehr antworten, aber die Schwärze holte ihn zurück. Seine Augen verdrehten sich, sodass der Prinz von Carapuhr langsam verschwand. »Holt den verdammten Schamanen hierher!«, hörte er Vynsu wütend brüllen, doch seine Stimme klang gedämpft, als hätte Desith Wasser in den Ohren.

»Desith!« Vynsu – nun besorgt – entfernte sich immer weiter. »Desith, bleib bei mir. Alles ist gut, wir sind jetzt hier. Wir bringen dich heim.« Er sagte noch mehr, doch das verstand Desith nicht, er versank tiefer und tiefer im Traum. Noch spürte er die große Hand, die sich vorsichtig unter seinen Kopf schob, um ihn zu stützen, aber auch sie nahm er bald nicht mehr wahr. Er wollte nur noch … heim. Und dann wachte er für eine ganze Weile nicht mehr auf.

Kapitel 2

Erst als es dunkelte, kehrte der Großkönig mit seinen Barbarenkriegern aus dem Dickicht des Dschungels zurück. Riesige, halbnackte Männer in Lederhosen, die fellbesetzte Schulterplatten trugen. An ihren Hüften baumelten Breitschwerter oder Äxte, auf ihren Rücken schaukelten Rundschilde mit eisernen Buckeln. Einzig Großkönig Melecay Wiglaf von Carapuhr trug seine Bärenlederrüstung vollständig am Leibe, obwohl ihm der Schweiß über die rasierten Seiten seines strohblonden Schopfes rann, als stünde er unter einem Sturzbach.

Die Schar kam grölend wie ein Haufen wilder Hunde ins Lager gestampft, das versteckt in einer Senke im Unterholz lag, die Männer waren blutüberströmt, dreckig und übersät mit Bissen und Kratzern, viele tote Tiere wurden auf Schultern getragen, gepunktete Jaguare, schwarze Panther, selbst Krokodile. Der süße Gestank des Todes kehrte mit ihnen zwischen die Zelte und an die Feuerstellen zurück. Dienstmägde und Knechte schrien auf, als die Barbaren sie knurrend und hämisch lachend von hinten packten, von ihrer Arbeit wegzerrten und noch vor aller Augen ihre Röcke rafften oder Hosen runterrissen.

Dabei gab es nichts zu feiern, denn ein Drache war nicht unter den Trophäen dabei, was bedeutete, dass sie noch mindestens einen weiteren Tag in dieser feuchten, heißen Hölle verbringen mussten. Doch solange der Met noch in Strömen floss, konnte nichts diesen rauen Hunden die Feierlaune verderben.

Vynsu spuckte die Knochenreste in seine hölzerne Suppenschale, stellte sie auf den Boden und sprang von seinem winzigen Hocker vor dem Zelteingang des Schamanen.

»Onkel!«

Der Großkönig blieb nicht stehen, würdigte ihn nicht einmal eines Blickes. »Habe gehört, dass ihr was im Wald gefunden habt«, sagte er regelrecht gelangweilt, während er sich die blutverschmierten Kampfhandschuhe mit den Zähnen von den Fingern zog. »Erwartest du Lorbeeren, Bursche? Soll ich dir Beifallklatschen, einen Knicks vollführen?«

Vynsu war über fünfundzwanzig Sommer alt, aber sein Onkel nannte ihn noch immer einen Burschen! Er biss ärgerlich die Zähne zusammen, wagte aber nicht, über die offensichtliche Herabsetzung seiner Person zornig das Wort zu erheben. Mit dem Großkönig stritt man bekanntlich nicht, wenn man seinen Kopf behalten wollte. Also musste er solche Spitzen über sich ergehen lassen.

Er folgte den immer größer werdenden Schritten des Großkönigs weiterhin, blieb aber hinter ihm, wie es sich für einen Hund wie ihn gehörte.

»Es ist Desith«, berichtete Vynsu. »Wir sahen auch Derrick.« Bei diesen Worten musste er jedoch sofort stocken und kleinlaut einlenken. »Nun ja, zumindest glauben wir, dass er es war. Die Beschreibung passt auf den Drachen. Schwarz, matt, mit einer feurigen Unterseite, Stacheln … allerdings scheint er etwas gewachsen zu sein.«

Das war untertrieben, im Vergleich zu dem wendigen, kutschengroßen Drachen, den Augenzeugen gesehen haben wollten, war er ein ausgewachsenes, fettes Monstrum geworden, wenn man Vynsu nach seiner Meinung fragte.

Vor einem Kessel, der über einem Feuer kochte, blieb der Großkönig stehen. »Lebt Desith noch?«

Vynsu zuckte zurück, als sein Onkel den eingedrehten, blonden Zopf nach hinten warf, bevor er sich zur Schöpfkelle beugte und sich die heiße Brühe gleich aus dem Kessel einverleibte.

»Mehr oder weniger, der Schamane tut sein Möglichstes. Er hat einige Brüche, Vergiftungen, hohes Fieber, Krämpfe und ziemlich üble Verbrennungen. Wenn der Allvater ihm gnädig gestimmt ist…«

»Ach pff… der Allvater schert sich nicht um ein Stück sterbendes Fleisch«, spottete der Großkönig. Vynsu musste sich sehr fest auf die Zunge beißen, um nicht zu widersprechen. »Alles Göttliche hat uns längst verlassen. Und wenn es nach mir ginge, dürfte der liebe Gott mir ohnehin gern die Eier lutschen, aber mein Schicksal würd ich nicht in seine Hand legen, und das solltest du auch nicht mit dem Leben des Sohn des Kaisers tun!«

Dazu sagte Vynsu nichts, er schwieg einfach.

Melecay stieß gereizt den Atem aus, er war auch bei guter Laune bereits mit Vorsicht zu begegnen, aber diese Hitze machte ihn zu einem spuckenden Feuerberg, der jeder Zeit drohte, seine tödliche, heiße Lava über alle zu ergießen.

»Wo habt ihr die beiden gefunden?«

»Am Fluss, nordöstlich von hier«, antwortete Vynsu. »Wir haben den Ort auf der Karte markiert, ebenso die Richtung, in die Derrick davonflog. Zwei Späher sind ihm nach, aber…«, Vynsu senkte matt die Stimme, »… sie kamen nicht mehr zurück.«

»Hätte ich mir denken können«, murrte der Großkönig und drückte mit Daumen und Zeigefinger sein krummes Nasenbein, als hätte er Probleme mit dem Sehen. »Noch weiter östlich, noch tiefer rein in dieses heiße Scheißloch. Aber immerhin zwei Mäuler weniger zu stopfen, nicht wahr? Hoffe nur, sie haben Derrick gemundet.«

Er meinte das vollkommen ernst, so etwas wie Mitleid kannte der Großkönig nicht, er war mehr praktisch veranlagt. Man munkelte, dass er ohne Herz geboren wurde. Vynsu wäre nicht überrascht, wenn an diesem Gerücht etwas wahr wäre.

»Mit Eurer Erlaubnis, Onkel, würden meine Freunde und ich-«

»Du meinst, meine Männer«, unterbrach sein Onkel ihn mit heimtückischer Freundlichkeit. Er drehte sich zu Vynsu um, ein falsches Lächeln auf den Lippen. »Oder bin ich nicht mehr der Großkönig von Carapuhr? Verzeih, unterstehen deine Hunde nicht in erster Linie mir?«

»Doch, Onkel…«

»Dann verschwende nicht meine Zeit und lass die Karte zu meinen Spähern bringen, damit ich meinen Erben zurückholen kann.«

Es war nur ein winziger Stich, aber er traf ihn tief ins Herz. Vynsu schlug die Augen nieder, aber sein Kopf blieb hocherhoben. »Ich würde gern ein paar Männer nehmen und Derrick verfolgen, die Nacht könnte uns Schutz gewähren, vielleicht kommen wir so näher an ihn heran…«

»Nein, ich suche höchstpersönlich nach ihm.« Der Großkönig riss an den Riemen seines Harnischs, um sich Luft unter der stickigen Rüstung zu verschaffen. Er roch wie ein Iltis, aber Vynsus eigener Geruch war keinen Deut besser. »Ich erledige das lieber selbst.«

»Aber…«, wandte Vynsu ein, »Onkel, wir waren so nah an ihm dran…«

»Und habt ihn wieder verloren.« Des Großkönigs blaue Augen blitzten warnend auf.

Vynsu reckte stolz sein kantiges Kinn, aber unter der Fassade machte sein Herz einen Satz. Er hatte seinen Onkel schon immer gefürchtet. Bewundert, gewiss, aber ebenso gefürchtet.

»Ich ließ Derrick ziehen, weil wir Desith ins Lager bringen mussten. Ich habe nur Euren Befehl befolgt, Onkel: Desith lebend zu finden.« Er hätte den kleinen Wildfang nicht sterben lassen können, selbst wenn es Melecay gleich gewesen wäre. Derrick war Vynsus Bruder, wenn auch nur im Geiste, und er hätte es Vynsu nie vergeben, wenn er Desith seinem Schicksal überlassen hätte.

Melecay schnaubte und eine abschätzige Musterung folgte, die Vynsu ebenso stolz über sich ergehen ließ.

»Fein, wie du meinst. Dann gebe ich dir noch einen Befehl, wenn du so gewillt bist, mir in den Arsch zu kriechen.«

Vynsu sah ärgerlich zur Seite und mahlte mit den Kiefern, als sein Onkel auf ihn zutrat. Groß, muskulös, ein Nordmann wie er im Buche stand.

»Nimm deine Schar und bringt Eagles Söhnchen in unser Lager im Westen«, befahl sein Onkel ihm gelangweilt. »Wenn er sich vor meinem Eintreffen soweit erholt hat, dass ein längerer Transport ihm nicht mehr schadet, reist ohne uns zurück nach Carapuhr. Ich lege sein Leben nun in deine Hand! Sei sein Bewacher.«

Melecay wollte ihn nach Hause schicken?

Alles in Vynsu wollte sich auflehnen, wollte seinen Mann stehen, doch er konnte sich noch rechtzeitig beherrschen und so entkam ihm nur ein kindisches, gezischtes: »Ich bin kein verdammter Leibwächter, ich bin Euer Neffe und habe viele Schlachten geschlagen!«

Melecay, der sich schon halb abgewandt hatte, drehte sich mit nun gleichgültiger Miene um und konterte trocken: »Und auch Schlachten verloren.«

Ein Dolch mitten ins Herz. Vynsu musste schlucken. Er streckte den Hals, um größer zu wirken, als sein Onkel erneut nahe an ihn herantrat, sodass er fast den Kopf in den Nacken legen musste, und ihm eindringlich und ebenso unerbittlich erklärte: »Benimm dich nicht wie eine eingeschnappte Hure, Neffe, du hast deine Pflicht nicht erfüllt, solche Dinge passieren eben. Jetzt bist du zurück und hast die Gelegenheit, die Konsequenzen für dein Handeln wie ein Mann zu tragen. Du suchst Vergebung? Vergebung ist für Feiglinge. Du suchst deine Chance, dich zu beweisen? Fein. Dann beweise dich. Bring Desith ins große Lager, und möge dein ach so geschätzter Gott dir gnädig sein, sollte der Bursche nicht überleben. Er ist Kaiser Eagles Sohn, und es wäre nicht von politischem Vorteil, wenn ich Eagle Airynn mitteilen müsste, dass sein Söhnchen unter unserer Obhut den Tod fand, da wir uns doch gerade erst mit dem Kaiserreich wieder versöhnt haben, nach dieser hässlichen, dummen Sache, die dir widerfahren ist.«

Vynsu war mit jedem Wort innerlich zusammengeschrumpft, auch wenn er es äußerlich nicht zeigte, er stand stramm und unerbittlich vor seinem Onkel. Was jedoch alles andere als stolz und männlich wirkte, war sein Blick, der Melecays durchbohrenden, kalten Augen geflissentlich auswich.

»Wenn wir Derrick haben, folgen wir«, schloss Melecay den Befehl ab und wandte sich um. »Gute Reise, Neffe«, sagte er zum Abschied noch, wobei seine Worte ganz und gar voller Herablassung waren.

Vynsu sah ihm nach, die Abendsonne erkämpfte sich Wege durch das dichte Blätterdach, sodass winzige Lichtpunkte über des Großkönigs Haupt und Schultern glitten, fast wie ein göttlicher Segen.

Erst als sein Onkel in seinem großen Zelt, vor dem zwei Leibwächter positioniert waren, verschwunden war, traute Vynsu sich, tief durchzuatmen. Ernüchtert fuhr er sich über den violetten Kamm. Seine Zöpfe waren fettig und verfilzt, die Seiten seines Schädels mussten dringend rasiert werden, doch sein Aussehen kümmerte ihn zurzeit recht wenig.

»Wir reisen ab?« Jori stand plötzlich hinter ihm und hätte Vynsu beinahe vor Schreck zusammenzucken lassen. So groß und muskulös wie ein Bär, aber er konnte schleichen wie eine Katze.

Vynsu schnaubte, doch statt zu antworten, klagte er mit einem Wink in Richtung des Zeltes seines Onkels: »Er hasst mich.«

»Ja… das lässt sich wohl nicht abstreiten«, seufzte Jori, legte Vynsu aber von hinten brüderlich eine Hand auf die Schulter.

Vynsu warf einen halb genervten, halb spöttischen Blick zurück, rauchgraue Augen blitzten ihm entgegen, die Sonne verfing sich in langem, dunklem Haar, das durch geflochtene Strähnen aus einem männlichen, aber blutjungen Gesicht gehalten wurde, die vollen Lippen waren zu einem provozierenden, schiefen Schmunzeln verzogen, das dafür sorgte, dass es auch in Vynsus Mundwinkeln zuckte.

»Mach die Eisbären bereit«, trug Vynsu seinem Freund auf, »und lass eine Trage ins Schamanenzelt bringen, wir haben hochwohlgeborene Fracht zu transportieren.« Er seufzte schwer.

»Jawohl, mein Prinz«, neckte Jori, bevor er wegtrat.

Vynsu ließ ausatmend die massiven Schultern hängen und sagte zu sich selbst: »Ich bin kein Prinz mehr.«

Und am liebsten hätte er die Pflicht, die ihm sein Onkel gerade auferlegt hatte, auch sofort wieder abgetreten. Ausgerechnet er sollte einen Airynn bewachen und beschützen. Ausgerechnet er…

Kapitel 3

Eine Berührung an seinem Arm schmerzte derart brutal, dass es ihn aus seiner tiefen Bewusstlosigkeit herausriss.

Mit einem Aufschrei erwachte Desith und schlug instinktiv zu, blind, aber durch den nebligen Schleier der Schmerzen spürte er, wie seine zur Faust geballte Hand in etwas Warmes einschlug, das sofort nachgab. Ein dumpfer Laut drang an sein Ohr, gefolgt von einem geknurrten Fluch. In seinem Schlag hatte keine Kraft gelegen, aber seinen Angreifer offensichtlich überrascht. Noch immer entsagten ihm seine Sinne den Dienst, waren desertiert, er konnte nicht richtig sehen, seine Lider waren wie verklebt, das versetzte ihn noch mehr in Panik. Er spürte nur Schmerz, Hitze auf der Haut, und eine beunruhigende Kälte in seinem linken Arm, roch nichts, hörte unheilvolle dunkle Stimmen und Schritte um sich herum, und seinen eigenen, rasenden Herzschlag, der schwer vor Anstrengung in seinen Ohren dröhnte.

Und alles, woran er sich erinnerte, waren blaue Flammen, klares Wasser und gesichtslose Dämonen in dunklen Umhängen. Er warf sich brüllend umher, war sich dem Schaukeln unter sich überhaupt nicht bewusst. Hände packten ihn plötzlich an Armen und Beinen, er kämpfte mit aller Kraft gegen sie an. Stimmen erhoben sich rund herum, traten näher, er hatte das Gefühl, anzuhalten, obwohl ihm zuvor nicht bewusst gewesen war, dass er sich bewegt hatte. Es war ihm auch gleich, er wusste nur eines: er musste sich wehren.

Schreiend, tretend und schlagend versuchte er, seine Angreifer abzuwehren, während sein geschwächtes Herz einen Satz nach dem anderen machte. Ein Feuer loderte in ihm und ließ ihn schwitzen und zittern zugleich. Übelkeit kam auf und er musste spucken. Wieder fluchte jemand, ein paar Hände ließen locker, er warf sich gegen den Angreifer, dem dieser Fehler unterlaufen war.

Schmerz entfachte, als er hart auf dem Boden aufkam, und breitete sich wie ein Buschfeuer über seine Rippen aus, stach ihm mitten ins Herz und brachte ihn zum Keuchen. Es raschelte unter ihm, als lägen sie in einem Laubhaufen, während er blind mit seinem Angreifer rang.

»So tut doch was, Herr!«, ächzte eine alte Stimme, dünn wie Papier. »Er bringt sich noch um.«

Unter ihm grollte ein Mann: »Nehmt ihn runter von mir! Der hat doch die Tollwut!«

Irgendwo lachte jemand schmutzig: »So nah war dir noch kein sterbliches Wesen, wah Rurik?«

»Leck mich, Bragi!«, knurrte der Dämon, den Desith unter sich festhielt. »Nehmt ihn runter, bevor ich ihm das Genick breche!«

Desith schrie wütend, etwas anderes bekam er nicht heraus. Es machte ihn rasend, dass dieser Dämon glaubte, er käme gegen ihn an, obwohl Desith ihn doch bereits festgesetzt hatte! Pah! Bevor diese Kreatur ihm das Genick brach, hatte er sie mit bloßen Händen zerrissen!

»Beim Allmächtigen, so beruhige dich doch endlich! Desith!« Er wurde hochgerissen, ein Felsen schien sich um seine Brust zu legen und hielt ihn mühelos in der Luft, gepresst an einen Berg. Desith strampelte, fauchte und spürte, wie die Wut in ihm ein gleißendes, weißes Licht in seinem Inneren zum Erstrahlen brachte, das seinen Schmerz linderte und seinen Gebeinen Lebensgeister einhauchte. »Lasst mich los, aahhhhh, ihr verfluchten Dämonen, mich bekommt ihr nicht!«

»Er ist von Sinnen, Herr! Schnell, wir müssen ihm Kräuter einflößen!«

»Still, Desith, es ist jetzt genug!«, sagte der Berg, der ihn gefangen hielt, die Stimme kam ihm seltsam vertraut vor, doch seine Furcht und sein Überlebenswille waren stärker als der Funke Vertrauen, der erwachte. Er versuchte, seinem Widersacher die Ellenbogen in die Rippen zu rammen, doch mehr als ein Grunzen entlockte er dem Angreifer damit nicht. Aus purer Verzweiflung schlug er schließlich die Zähne in den felsengleichen Arm, der ihm die Luft abdrückte.

Der Klammergriff löste sich dadurch um keinen Fingerbreit, aber es war eine honigwarme Genugtuung, den darauffolgenden schmerzerfüllten Schrei zu vernehmen.

Und in diesem Moment wusste er, wer ihn festhielt.

Bevor er sich jedoch besinnen konnte, wurde er bereits grob auf den Boden geschubst und mit einem recht unsanften Tritt auf den Rücken befördert.

Er blinzelte, die grobe Behandlung sorgte dafür, dass sich sein Blick ein wenig klärte.

Ein paar große Schatten standen um ihn herum, breite Schultern, lange Zöpfe und Bärte – keine gesichtslosen Geister unter Umhängen, nur ein paar stinkende Barbaren.

Er wurde an den Schultern gepackt und niedergedrückt, hart schlug ihm jemand ins Gesicht.

»Herr!«, rief die krächzende Stimme erschrocken. »Nicht doch, er ist zu schwach!«

Der Protest wurde ignoriert.

»Beiß mich nie wieder, Desith Airynn von Elkanasai, sonst zieh ich dir alle Zähne, dann frisst du zukünftig nur noch Grütze, kapiert?«

Als Desith die großen tiefbraunen Augen mit den violetten Sprenkeln darin erkannte, hätte er beinahe vor Erleichterung geschluchzt. »Vynsu?«, ächzte er mit schwacher Stimme. Da fiel ihm alles wieder ein, der Fluss, die Rettung, Derrick…

»Rick!«, rief er und klammerte sich mit knochigen Fingern in Vynsus Wams. »Ihr … ihr…«

Vynsus violette Sprenkel verloren an Intensität, als in sein grobes Gesicht ein mildtätiger Ausdruck trat. »Keine Sorge, der Großkönig wird ihn suchen und heim-«

»Nein!«, fuhr Desith auf, und bereute es sofort. Ihm stach ein so scharfer Schmerz in den Kopf, dass ihm schwindelig und übel wurde. Etwas Warmes rann ihm über die Schläfe und Wange, Vynsu riss die Augen auf und jemand hinter ihm verwünschte Desith.

»Er hat sich die Naht am Kopf aufgerissen, der Narr!«

Desith achtete nicht darauf, er versuchte, Vynsus Aufmerksamkeit durch ein Schütteln zu erlangen, und beschwor ihn furchtvoll: »Ihr dürft ihn nicht suchen! Ihr dürft niemals mehr nach ihm suchen! Niemals! Warn den Großkönig! Ihr dürft ihn nicht zurückbringen! Ihr…«

»Schsch!« Vynsu drückte ihn auf den feuchten Waldboden, die Sonne fiel über dessen Kopf durch das Blätterdach und blendete ihn. »Ruhig. Alles ist gut…«

»Nein … ihr … ihr dürft ihn nicht …« Schwäche suchte Desith heim, alles drehte sich. »Bitte… nicht…«

Ein Schatten trat neben Vynsu, ging in die Hocke. Desith riss noch erschrocken die Augen auf, aber da wurde ihm bereits feines Pulver ins Gesicht gepustet. Eher als ihm lieb war, sank er zurück in einen übermächtigen Schlaf, der wie ein Dämon seine Krallen in ihn schlug und ihn in die Tiefe zog. Es war, als würde er in einem Meer aus öligem, schwarzem Wasser ertrinken, doch immerhin hatte er dort weder Sorgen noch Schmerzen.

*~*~*

Sie stand auf dem Eis im weißen Nebel. Der schneidende Wind wehte die dichten Schwaden über den gefrorenen See, doch die Sicht blieb versperrt. Sie trug ein Nachthemd, das dünn genug war, um ihre rosigen Brustwarzen hervorschimmern zu lassen. Der Stoff war so weiß wie der Dampf, der sie einhüllte, nur ihr flammenrotes Haar leuchtete aus der Kälte hervor, ihre Iriden besaßen die gleiche Farbe wie das frostige Eis, auf dem sie mit nackten Füßen stand.

Sie winkte ihn zu sich.

Vynsu blinzelte. Der Schnee unter seinen Füßen knirschte, als er sich in Bewegung setzte. »Was willst du mir zeigen?«

Sie legte einen zierlichen Finger über ihre blauen Lippen, ihre Wimpern waren eingefroren. Die Antwort blieb sie ihm schuldig, aber sie winkte ihn drängend zu sich. Vorsichtig trat er näher, das Eis, auf dem er ging, war brechend dünn, er hörte es unter seinem Gewicht gefährlich knarren. Furchtvoll blickte er hinab, sein Atem bildete weiße Wolken vor seinem Gesicht. Auf dem Eis lag Blut, es färbte den Frost rosa. Unter Vynsus Stiefeln schwammen Gesichter von Leichen, gefallene Krieger mit offenen, gefrorenen Augen.

Er sah sich auf dem See um, Schwerter steckten im Schnee, gebrochene Schilde lagen daneben. Es war grabesstill. Eine Schlacht hatte hier gewütet, die Lachen dampften noch. Vynsu bemerkte die Waffe in seiner Hand und starrte sie verwundert an. Wo kam sie her? Seine Klinge und sein Arm waren Blut überströmt.

Kalte Hände umfassten sein Gesicht, er wollte zurückzucken, doch sie hielt ihn sanft fest, hob seinen Blick an, bis er ihrem begegnete. Ihre Augen waren leer, ihr Gesicht bleich, kein Leben schien durch ihre Adern zu fließen. Der Wind wehte ihr das rote Haar in die Stirn, es wirkte durch ihre weiße Haut noch röter.

»Was willst du mir zeigen?«, wiederholte er atemlos.

Sie ließ ihn los, trat einen Schritt zurück und zeigte mit einem ausgestreckten Arm in die Mitte des Sees. Vynsus Herz krampfte, er wollte sich nicht umdrehen, aber eine unbesiegbare Macht ergriff von ihm Besitz und drehte seinen Kopf zur Seite.

Dort sah er es, die beiden Krieger. Feinde, wie es schien. Das Bild war eingefroren, nicht mehr als ein lebloses Gemälde. Einer der beiden kniete in Blut, der andere lag sterbend in seinen Armen und starrte ungläubig zu ihm auf. Ein Schwert steckte in der schmalen Brust des Sterbenden, die Faust des Siegers lag noch darum. Vynsu konnte sein Gesicht nicht erkennen, es wurde von blonden Strähnen verhüllt. Doch den Sterbenden erkannte er hingegen mit einer erschreckenden Klarheit.

Es war Desith, aus dem das Leben entschwand.

»Vynsu?«

Ein Rütteln an seiner Schulter, weder sanft noch grob, ließ ihn die Augen aufschlagen. Jori stand über ihm, in der Nacht wurde sein hartes Gesicht angestrahlt vom knisternden Lagerfeuer, an dem Vynsu saß.

»Deine Brühe verkocht«, sagte Jori mit seiner ruhigen, wohltuenden Stimme. Er klopfte Vynsu noch einmal auf die Schulter, bevor er an ihm vorüberging und sich ebenfalls im Schein der Flammen niederließ. Er holte seinen Wasserschlauch hervor und trank davon.

Vynsu öffnete die verschränkten Arme und beugte sich nach vorne, Moos und Rinde von dem umgestürzten Baumstamm, der ihm als Stütze gedient hatte, klebten ihm am Rücken, und als der Dreck abfiel, landete er natürlich in seinem Hosenbund und rutschte in seine Ritze. Grunzend bewegte er das Gesäß hin und her, dann lehnte er sich über das kleine Feuer und starrte in den Kessel, der darüber dampfte. Funken sprühten in der Dunkelheit unter dem geschwärzten Topf hervor, glommen flüchtig wie Glühwürmchen auf, um dann in der schwarzen Nacht zu verglühen. Irgendwo maulte ein Jaguar im Dschungel.

Vynsu rührte ein wenig in der Brühe und wirbelte die Knochen auf. Ein starker, leckerer Duft wehte ihm in die Nase, der ihn umgehend in seine Kindheit entführte.

»Von wem hast du geträumt?« Joris Nachhaken war vorsichtig, wie der Vater, der den Sohn fragte, wovor er sich fürchtete.

Vynsu zuckte mit den Achseln, er wollte nicht seine Träume vor seinen Freunden breittreten. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, wollte er sie einfach so schnell vergessen, wie sie ihn heimsuchten.

»Du hast gewimmert wie ein Lämmchen«, nun lag Belustigung in der Stimme seines Freundes, »hast du von einer Frau geträumt?«

Nicht von irgendeiner, dachte Vynsu bei sich, und wieder hatte er Desiths Tod gesehen. Immer wieder derselbe Traum, das machte ihn unruhig. Er blieb Jori die Antwort aber schuldig. Stattdessen spähte er angestrengt in seinen Kessel und ließ durch stetiges Rühren die Hitze entweichen.

»Wusste nicht, dass du kochen kannst«, wechselte Jori nach einem Moment das Thema. In seiner Miene lag ein wissender und gleichwohl amüsierter Ausdruck.

»Das Rezept meiner Mutter«, verteidigte sich Vynsu und rührte weiter. »Diese Schamanen wissen doch gar nicht, was sie tun.«

»Hm«, brummte Jori und stützte die Ellenbogen auf die Knie. »Ich denke, dein Schützling hätte längst das Zeitliche gesegnet, verstünde der Schamane sein Handwerk nicht. Aber wenn dich deine Sorge dazu bringt, uns Brühe zu kochen, werde ich dich nicht belehren.«

Vynsu sah nicht auf, als er eine Holzschale vom Boden hob und sie füllte. »Die Suppe ist nicht für euch.«

Jori lachte leise in sich hinein. »Das habe ich befürchtet. Aber wissen das auch die anderen?«

Vynsu sah ihn ernst an. Er hatte nicht den ganzen Abend gekocht, damit seine Männer Desiths Kraftbrühe wegschlurften.

»Geh«, lächelte Jori ihm milde zu, »ich bewache deinen Kessel.«

Vynsu zögerte noch einen Moment, aber wenn er einem seiner Männer vertraute, dann Jori.

Seufzend stand er mit der Brühe in der Hand auf, seine Glieder fühlten sich steif an, seine Beine so schwer wie mit Eisenplatten versehen. Er versuchte, sich seine Erschöpfung nicht anmerken zu lassen, aber der mitleidvolle Blick seines Freundes sagte alles, als er an ihm vorüber ging.

Er hörte Jori noch leise, aber ehrlich sagen: »Hast ein gutes Herz, mein Prinz.«

Ihm lag auf der Zunge, erneut zu betonen, dass er nicht mehr der Prinz war – und er gewiss kein gutes Herz besaß –, tat dann aber der Einfachheitshalber so, als hätte er den Kommentar nicht gehört und ging auf das einzige Zelt in ihrem winzigen Lager zu, das er zusammen mit Jori am frühen Abend aufgebaut hatte, während die anderen jagen und Früchte sammeln waren und der Schamane dem bewusstlosen Desith die Naht an der Stirn wieder zusammengeflickt hatte.

Als er nun das Zelt betrat, war es still im vom Kerzenschein gefluteten Innerem, und so stickig wie in den Schwitzbuden Carapuhrs. Nach seinem Traum kam ihm die Ruhe beinahe beängstigend vor, als würde der Tod über Desith stehen, ihm zuflüstern, ihm zu folgen.

Der Schamane war nicht anwesend, vielleicht holte er Wasser oder verrichtete seine Notdurft.

Trotz Räucherwerk, das in vielen Schalen vor sich hin qualmte, konnte Vynsu den beißenden Geruch von Pisse und Scheiße im Krankenzelt überdeutlich wahrnehmen.

Desith lag mit dem Rücken zu ihm auf einer Pritsche aus Leder und Fellen, nackt und leicht rosig, er war gerade erst gesäubert worden, die Waschschale stand noch an seinem Lager, der Nachttopf war leer. Vynsu schob alles mit seinem Fuß zur Seite, zog mit einer Hand einen Hocker heran und setzte sich dicht neben ihn.

Desith besaß das gleiche rote Haar wie seine Schwester. Kein blasses, farbloses Rot, wie es das Volk aus den südlicheren Fürstentümern Carapuhrs oft besaß, sondern ein lebendiges, feuriges Rot. Es hatte sich über die Jahre nicht verändert, noch immer trug er es lang und zu einem Zopf, wobei der Schamane den Knoten und Desiths rotes Haarband gelöst hatte, sodass sich die struppigen Strähnen nun wie wütende Flammen auf den Fellen ausbreiteten. Doch anders als die Haarpracht seiner Zwillingsschwester Lohna beschrieb Desiths Haar keine fließenden, seidenen Wellen, es wirkte wie abgefressen. Um das Gesicht herum reichten ihm die längsten Strähnen bis zum Kinn, die kürzesten nur bis zur Schläfe, hinten ließ er das Haar länger, dort reichten die Spitzen der längsten Strähnen bis zu der Kuhle seiner Taille, die kürzesten nur bis zu seinem schlanken Nacken.

Er war dünn geworden, stellte Vynsu besorgt fest, beinahe mager.

Mit der freien Hand fuhr er Desiths Rippen nach, die sich unter der warmen, seidenen Haut abzeichneten. »Wann hast du zuletzt gegessen? Was habt ihr nur solange da draußen getrieben?« Vynsu hätte es gerne verstanden, er kannte den Grund für Desiths und Derricks Reise, aber er konnte bis heute nicht verstehen, weshalb sie all die Jahre so verbissen nach einem Toten gesucht hatten, so tief im Dschungel. Warum waren sie nicht nach einem oder nach zwei Jahren heimgekehrt? Es war eine sinnlose Suche gewesen, irrsinnig und gefährlich. Der junge Mann, der nun vor Vynsu lag, war längst nicht mehr der flapsige Bursche von damals, und die Blessuren seines Leibes zeugten von der Hölle, durch die er gegangen sein musste.

»Warum seid ihr nicht nach Hause gekommen?«, flüsterte er Desith drängend zu, erhielt natürlich keine Antwort.

Verbände waren um Desiths Arme, Schultern, Beine und den Kopf gewickelt, eine Salbe roch stark nach scharfen Kräutern und färbte die Binden gelb. Irgendwie schien es Vynsu wie ein verdammtes Wunder, dass der kleine Wildfang noch lebte, die Vergiftungen der Schlangenbisse, die Verbrennungen an seinem Arm, selbst die Kopfwunde hätten tödlich enden können, und doch lag Desith vor ihm, atmete, fühlte sich warm und nicht einmal sonderlich fiebrig an, schimmerte bereits wieder rosig, obwohl er noch vor einer Nacht kurz davor gestanden hatte, in seine Nachwelt einzutreten – wie die Elkanasai ihren Tod nannten.

»Wie kannst du noch am Leben sein?« Vynsus Stimme war nur ein raues Flüstern, natürlich erwartete er von Desith keine Antwort, seine Frage war ohnehin mehr an das Schicksal gerichtet.

Doch auch wenn es schien, als wäre er auf dem Weg der Besserung, fürchtete Vynsu sich davor, dass sie einem Trugschluss aufsaßen. Immerhin konnte Desith nicht so schnell gesunden, das war völlig unmöglich. Und Melecay hatte ihn gewarnt, dass Desith besser nichts zustieß, während er in Vynsus Obhut war. Er konnte es sich schlicht nicht erlauben, einen Fehler zu begehen.

Vorsichtig umfasste er Desiths Schulter und drehte ihn langsam auf den Rücken, das Fell eines Braunbären bettete ihn sanft. Langsam schob Vynsu ihm einen Arm unter den Kopf und stützte ihn leicht auf. Desith brummte schläfrig, er bekam die Augen nicht auf. »Trink, das gibt dir Kraft«, hauchte Vynsu, dann pustete er in die Suppe, bevor er die Schale an Desiths trockene, aufgerissene Lippen führte.

Erst verschluckte er sich, aber dann trank er, halb im Schlaf, gierig wie ein Hund, ohne jeden Anstand, lauthals saufend.

Für einen Moment betrachtete Vynsu Desiths Antlitz. Immer schon hatte er dieses Gesicht mit großer Irritation wahrgenommen. In seiner Heimat bedeutete Männlichkeit Breite, Muskeln, markante Züge. Alles an einem Mann musste mächtig wirken, um einzuschüchtern. Desith war weder breit noch groß, auch seine Züge waren nicht im eigentlichen Wortsinn männlich, jedoch auch nicht hager oder gar weiblich. Etwas schlank, gewiss, das war nicht abzustreiten, das Kinn lang und spitz, die Augen zu groß, die Brauen zu dünn, die Stirn klein und unauffällig und die winzige Nase frech nach oben gebogen, weshalb Vynsu ihn früher oft mit dem Schimpfwort »Sau« betitelt hatte. Zarte Sprenkel überzogen heute zahlreich sein gekrümmtes Nasenbein, doch auch sie konnten nichts daran ändern, dass Vynsu überhaupt nichts Weiches an diesem Gesicht finden konnte, nichts Sanftes. Es war hart und kalt.

Desith war kantig, nicht typisch männlich, aber doch auf eine andere Weise unverkennbar maskulin. Und während er ihn so betrachtete und ihm zu trinken gab, musste er feststellen, dass Desith bis auf die Farbe seines Haars und seiner Augen rein gar nichts mit seiner Zwillingsschwester gemein hatte. Aus einem unbestimmten Grund, enttäuschte das Vynsu. Er hätte sie gern noch einmal gesehen, und sei es nur in der Ähnlichkeit, die sie zu ihrem Bruder gehabt hatte. Doch Desiths fehlende weibliche Züge zerstörten jegliche Illusion.

Desith beendete das Trinken mit einem lauten Schmatzen, gefolgt von einem unsittlichen Grunzen, als er Luft schluckte. Vynsu legte ihn wieder ab und stellte die geleerte Suppenschale auf den Boden. Flüchtig flackerten Desiths Lider, das frostige Blau seiner Iriden blitzte auf, darin erkannte Vynsu unter der tiefen Erschöpfung auch noch den Funken Eiseskälte, den Desiths Blick schon immer besessen hatte.

Manchmal fand er es seltsam, dass ausgerechnet der ruhige und gutherzige Derrick sich in diesen aufmüpfigen Burschen verliebt hatte, sie waren gänzlich gegensätzlich. Vielleicht war auch das schon das ganze Geheimnis ihrer Liebe, außerdem hatte Desith mit Derrick seinen verstockten Vater ärgern können.

Noch ein weiteres Mal zitterten Desiths Lider, Erkennen stand nun in seinem Blick, begleitet von einer tiefen Angst. »S…sucht ihn nicht«, flüsterte er schwach, hob eine Hand, als wollte er Vynsus Arm packen, doch sie fiel nutzlos wieder herab und blieb mit zuckenden Fingern liegen. »I…ihr dür…dürft ihn nicht s…suchen.«

Vynsu runzelte nachdenklich seine Stirn, legte Desith aber beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Schlaf«, trug er ihm auf, »ich wache über dich.«

»N…nein…« Aber seine Erschöpfung ließ ihm keine andere Wahl, außerdem schien er noch unter dem Einfluss des Schlafpulvers zu stehen. Ohne weiteren Protest sackte sein Gesicht zur Seite, und er sabberte auf die Felle.

Eine Weile blieb Vynsu einfach dort sitzen, ertrank in tiefen Grübeleien.

Irgendwann schlug jemand die Zeltplane zurück und streckte den Kopf herein.

»Wie geht es ihm?«

Vynsu winkte Jori näher, zog ein Fell über Desiths Blöße und stand auf. Schulter an Schulter blieben sie vor dem Krankenlager stehen und sahen auf ihren Schützling herab.

»Erstaunlich, er wirkt fast als wäre er über den Berg.«

»Nicht wahr?« Vynsu rieb sich nachdenklich das breite Kinn, seine dichten Stoppeln kratzten. »Dabei wäre er vor nicht einmal einem Tag beinahe sang und klanglos abgekratzt.«

»Stammt sein Vater nicht von Luzianern ab?« Jori legte nachdenklich den Kopf schief. »Vielleicht hat er ihre … Stärke und schnelle Erholung geerbt.«

»Hm«, brummte Vynsu grübelnd. Dabei fiel sein Blick auf Desiths Handgelenke und auf die langen, wulstigen Narben. Als Desith sich damals die Venen aufgeschnitten hatte, hatte er viel länger gebraucht, um zu gesunden. Doch seine Überlegung behielt er für sich, sein Volk – und seine Männer – konnten unglaublich abergläubig sein, und er wollte keine schlafenden Hunde wecken.

»Ich muss dir etwas beichten.« Jori seufzte schwer, als Vynsu ihm erwartungsvoll das Gesicht zuwandte. »Du musst neue Brühe kochen.«

Genervt ließ Vynsu die massigen Schultern hängen. »Wolltest du nicht aufpassen?«

»Das habe ich, Bruder. Rurik und Vala haben den Kessel nicht angerührt, als ich ihnen sagte, für wen er ist, aber…«

»Bragi«, beendete Vynsu Joris Satz und sah zu, wie sein Freund betreten die Augen niederschlug.

»Ich hab gesagt, er soll die Finger davon lassen, aber du kennst ihn … frech wie Dreck. Meinte, wenn du nicht willst, dass er was isst, musst du schneller aufessen.« Jori versuchte, das Thema einfach abzuwinken.

Vynsu schnaubte mit einem amüsierten Lächeln. »Du musst diesen Dieb dringend zähmen, mein Bruder, er tanzt dir ziemlich auf der Nase herum!« Lachend schlug er Jori auf den Rücken.

Dieser brummte etwas Unverständliches und verbarg seine Verlegenheit, indem er sich über den grimmigen Mund rieb.

Erneut wurde die Zeltplane aufgeschlagen, der Schamane kam herein, behangen mit allerlei Schmuck aus Zähnen und Krallen großer Raubtiere, sein Gewand war nicht mehr als Lederfetzen, die einen Lendenschurz und einen Umhang aus Bärenpelz zusammenhielten.

Der kleine, hagere Mann war schon alt, sein langes Haar und sein Bart waren so grau wie ein verblasstes Eisenschwert. »Herr«, sagte er, legte sich kurz die Faust über die Brust und neigte regelrecht beim Vorübergehen sein Haupt. Er wirkte in Eile und tüchtig, als er mit einer leeren Schale um Desiths Lager herumging.

»Wie steht es um sein Wohl?«, hakte Vynsu nach.

Der Schamane stellte sich ihnen gegenüber. »Es ist…«, er schien mit sich zu hadern, und Vynsu tauschte einen unbehaglichen Blick mit Jori.

»Es ist seltsam, Herr«, brachte er schließlich hervor, nahm einen von Desiths schlaffen Armen und hielt die Finger in den Kerzenschein. »Seht Ihr, die Knöchel waren heute Morgen noch gebrochen, jetzt sind sie so verheilt, als wären sie nie gebrochen gewesen.« Er zuckte mit den Schultern und legte den Arm ab. Dann schüttelte er ratlos seinen ergrauten Schopf. »Die Vergiftungen hätten ihn innerhalb weniger Augenblicke töten müssen, selbst meine Kräuter hätten nichts mehr ausrichten können. Ihr kennt die Schlangen in dieser Hölle, Herr, er hätte es nicht überleben dürfen. Aber es scheint, als ob… als ob das Gift ihm nichts hatte anhaben können.«

»Also… er lebt«, schlussfolgerte Vynsu trocken. Neben ihm kratzte sich Jori am Kopf.

»Er lebt«, nickte der Schamane zustimmend und blickte Vynsu entschuldigend in die Augen, »ich kann nur nicht erklären, wie. Es ist, als ob sein Leib viel schneller heilt, als es ein Mensch vermag. Herr, versteht mich nicht falsch, ich bin froh darüber, der Großkönig hat unmissverständlich betont, dass der Junge überleben muss, aber ich muss gestehen, dass er das nicht mir zu verdanken hat. Und ich kann dieses Wunder nicht erklären, er ist ein einfacher Mensch, er dürfte solche Kräfte nicht besitzen.«

»Hm.« Sie verfielen in Schweigen und betrachteten Desith, der von der Unterhaltung überhaupt nichts mitbekam.

»Also kommt er durch«, mutmaßte Jori und warf fragende Blicke in die Runde.

Der Schamane sah auf. »Das vermag nur der Allmächtige zu beantworten. Zwar hat er die Vergiftungen und Brüche wie durch ein Wunder selbst geheilt, aber die Verbrennungen machen mir Sorgen, sie scheinen nicht von normalem Feuer zu stammen und lassen sich schwer behandeln, meine Salben neigen sich dem Ende zu und meine geringe Magie reicht nicht aus.«

Mit anderen Worten, bei dieser Art Verbrennung war die Magie einer echten Hexe gefragt.

»Er wird bis zum Lager im Westen durchhalten müssen«, sagte Vynsu.

Der Schamane nickte reuevoll. »Er wird Schmerzen haben, aber das ist gerade seine geringste Sorge. Herr, ich … ich bräuchte eine helfende Hand.«

Vynsu zog wieder die Stirn kraus. »Wobei?«

»Der Bursche hat sich nicht nur zahlreiche Verletzungen, sondern auch Krankheiten und … Parasiten eingehandelt.«

Jori brummte: »Ich glaube nicht, dass mir gefällt, was gleich folgt…«

»Parasiten?« Vynsus Nachhaken war ihm bereits über die Lippen, eher er sich auf die Zunge hatte beißen können.

»Parasiten«, bestätigte der Schamane. »Sie haben bereits Eier gelegt, die kann ich mit ein paar Kräuteraufgüssen bekämpfen, aber die geschlüpften Larven… Nun ja, Herr, wären wir in einem Lager, würde ich Knechte damit beauftragen, aber wir reisen nur mit … Nun, jemand muss mir zur Hand gehen.«

Vynsu schüttelte leicht den Kopf. »Wobei zur Hand gehen?«

»Wir müssen ihn auf Würmer untersuchen und ihn davon befreien.«

Es dauerte einen Herzschlag lang, bis Vynsu begriff, was der Schamane von ihm verlangte. Mit offenem Mund sah er Jori an.

»Oh… Ihr meint…?« Jori wurde feuerrot. »Wir müssen … sein … seinen …«

»Fabelhaft«, schnaubte Vynsu und befreite Jori von seinem Stottern, als er ihm ins Wort fiel. »Wir sollen ihm Würmer aus dem Hintern puhlen.« Er beugte sich über Desiths schlafendes Gesicht und sagte zu ihm: »Du schuldest mir etwas dafür, Kaisersöhnchen. `Ne ganze Menge, würd ich sagen.« Dann blickte er auf und nickte dem Schamanen zu. »Drehen wir ihn um.«

*~*~*

Als er das nächste Mal aufwachte, fühlte sich sein Verstand um einiges freier an als beim letzten Mal. Es kam ihm zumindest nicht mehr so vor, als ob ein Drache auf ihm säße, sondern als läge nur noch ein Flusspferd auf seiner Brust. Seine Lider ließen sich leichter heben und blieben nach einigem Blinzeln sogar offen. Die Trockenheit seiner Augen schmerzte, ließ sich aber durch ein kräftiges Reiben mit seinen Handballen vertreiben.