Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Als ihr Freund sich nach Neuseeland abseilt, beschließt Marianne, ihr Leben zu ändern. Sie räumt auf, mistet aus (auch etwas Hüftspeck) und beginnt neben dem Studium als Aushilfe in einer etwas chaotischen Werbeagentur zu arbeiten. Es scheint so richtig aufwärts zu gehen, aber die Männer in der Agentur sind zumindest merkwürdig – und dann finden dort alberne Streiche statt, die sich in ihrer Gefährlichkeit immer weiter steigern. Wer könnte etwas gegen die Agentur haben? Marianne zerbricht sich den Kopf, darüber und über einen zunehmend sympathischeren, aber rätselhaften Kollegen. Er kommt ihr zunächst nicht so recht näher - ein anderer, sehr viel unsympathischerer aber schon, und die Gefahr wächst... Schließlich knallt es gewaltig, die Kripo findet die Wahrheit heraus und Marianne bekommt doch noch ihre große Liebe. *** Insgesamt: Freundschaft, Liebe und ein bisschen Krimi…
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 574
Veröffentlichungsjahr: 2015
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Alles frei erfunden! Eventuelle Ähnlichkeiten mit realen Namen, Personen oder Institutionen sind rein zufällig.
Imprint
Gute Vorsätze – böse Streiche. Kriminalroman
Elisa Scheer
Am Donnerstag kam ich schwer hoch, aber gegen acht hatte ich mich doch endlich aufgerafft und saß gegen neun brav an meiner Arbeit über die Gralskonzepte. Das Konzept stand, und gut die Hälfte hatte ich am späten Vormittag aufgesetzt, als das Telefon klingelte. Tom!! Ich stürzte zum Apparat.
Nein, der Backshop. Ob ich heute eine extra Schicht übernehmen könnte, Pauline sei krank? Gut, warum nicht – sechzig Mark extra reichten wieder für zwei Tage, ohne mein Konto zu belasten. Die Agentur winkte ja schließlich erst ab der Mitte des Monats. Heute war der Erste... Oh, hoffentlich hatten die mich nicht bloß in den April geschickt? Wehe! Aber das würde ich ja sofort sehen, wenn ich zum Backshop kam. Ich hatte noch Zeit, und deshalb schaute ich in mein Online-Depot und legte mir bei einer anderen Bank, die bessere Websites bot, ein virtuelles Depot an, bei dem ich schneller den aktuellen Stand sehen konnte. Eine gute halbe Stunde bastelte ich selig herum, bis ich die exakten Anteile eingetragen hatte und den momentanen Stand sah: Ich hatte doch tatsächlich schon etwas verdient! Ich druckte den Depotauszug und das virtuelle Depot aus und heftete beides ab. In Susannes Börsenbuch sollte ich heute Abend noch fleißig lesen, nahm ich mir vor. An meinem nächsten Geburtstag wollte ich eindeutig reicher sein! Nun musste ich aber doch langsam los.
Im Backshop war mäßig viel los, und Pauline war tatsächlich krank – kein Aprilscherz. Mir gelang es aber, Jana fürchterlich zu erschrecken, als ich behauptete, die tiefgefrorenen Brezen seien uns ausgegangen. Die Zeit verging erfreulich schnell, und um halb sieben war ich schon wieder zu Hause. Nein, doch nicht das Börsenbuch – erst Carolas Zeitplan-Anleitung! Ich beschloss nach der Lektüre, mir eine Vision mit dem Zieltag 31.03.2000 zu basteln – meinen sechsundzwanzigsten Geburtstag.
Das hab ich bis zum 31.03.2000 geschafft
- Magisterprüfung mit sehr gut
- fester Job in der Agentur
- mindestens 200.000 auf dem Depot; vielleicht bessere Wohnung?
- Tom erzogen oder entsorgt
- korrekte 60 kg erreicht – ohne Schwabbel
Dieser Plan beflügelte mich sehr. Also sollte ich bis zum Wochenende – inklusive Freitag – vor allem die Hausarbeit über den Gral abschließen (mein vorletzter Schein!), das Material für die Magisterarbeit abholen, vielleicht ein bisschen aufsetzen, vielleicht ein Pfund abnehmen – und vielleicht die Sache mit Tom besser regeln. Zu viel Vielleicht, fand ich und ging mit dem Börsenbuch ins Bett, wo ich gierig las, bis ich darüber einschlief.
Als ich am Freitag hochzufrieden meinen Wochenplan abgehakt hatte, ärgerte ich mich nur, dass ich noch keinen ultimativen Börsentipp gefunden hatte. Sollte ich Susanne fragen - und wie ging es überhaupt Carola?
Ich rief sie an – auch, weil ich keine Lust hatte, weiter zu arbeiten. Carola wusste aber nichts Neues. Roman hatte sich nicht mehr gemeldet, und sie war immer noch fest entschlossen, das Baby auch alleine zu bekommen. Ihrem Arbeitgeber hatte sie das noch nicht gebeichtet, das wollte sie nächste Woche tun. Ich hatte das Gefühl, sie beim Nachdenken zu stören, und legte bald wieder auf. Magistermaterial sichten? Aufräumen? Ausmisten? Etwas kochen?
Kochen nicht, ermahnte ich mich streng. Die beiden trockenen Semmeln, die ich aus der Arbeit mitgenommen hatte, reichten ja wohl. Sparen!
Erst einmal ausmisten! Ich fand im Kleiderschrank einen kleinen Karton und wanderte mit ihm durch die Wohnung - ein Nippes stand hier herum! Vielleicht konnte man manches davon auf dem Flohmarkt verscherbeln, für leere Schränke und eine volle Geldbörse?
Die Regale sahen richtig edel aus, als ich den Zierrat zur Hälfte in die Flohmarktkiste und zur anderen Hälfte in den Schrank gestopft hatte und alle Bücher abgestaubt und aufrecht einsortiert waren. Nun noch schnell Staub wischen!
Jetzt hatte ich leider gar keinen Grund mehr, mich um die Magisterarbeit zu drücken. Also begann ich zunächst mit einem ganz vagen Konzept. Die Revolution 1918/19 im Spiegel der zeitgenössischen Belletristik – was hatte ich mir dabei gedacht, als ich mir dieses Thema aufschwatzen ließ? Gut, Döblin war zunächst zu lesen, Toller auch – mehr wusste ich noch gar nicht. Was sagten die Literaturgeschichten? Wo könnte ich herausbekommen, wer damals alles Romane und Dramen über diese Zeit veröffentlicht hatte?
Ich schrieb mir alle diese Fragen in einen frischen Collegeblock, der nur der Magisterarbeit dienen sollte. Dann zog ich mich mit Döblins November 1918 ins Bett zurück.
Am Samstag war die Frühschicht angesagt – von acht bis zwölf, und heute war auch wirklich Hochbetrieb. Wir verkauften fieberhaft und kamen vor lauter Eintüten, Kassieren, Nachbacken und „Der nächste bitte“ - Sagen gar nicht dazu, viel zu tratschen oder an unsere wehen Füße zu denken, bis unsere Ablösung eintraf. Bis viertel nach zwölf machte ich noch weiter, um die Schlange im Kassenraum abzubauen, dann reichte es mir und ich übergab an Pauline, die wieder fit war – oder das Geld brauchte.
Wunderbar, in dieser Woche hatte ich vier Schichten gemacht, das waren immerhin zweihundertvierzig Mark; ausgegeben hatte ich aber nur knapp einhundertfünfzig. Fünfzig Mark stopfte ich in mein Sparschwein, das eigentlich nur eine schwarze Lackdose war. Jede Woche müsste ich das sparen können, das wären in einem Jahr doch immerhin 2600 Mark extra - allerdings nur, wenn ich keine Kaufrauschanfälle hatte. Nachmittags überprüfte ich noch die unklaren Stellen in der Hausarbeit und tippte sie dann fertig. Die allerletzten Lücken würde ich am Montag schließen; auf den Ausdruck verzichtete ich also zunächst, aber ein Hand-out konnte ich schon basteln.
Um vier Uhr erschien die Sonne auf meinem winzigen Westbalkon, und da es für den dritten April eigentlich recht warm war, setzte ich mich im Trägerhemdchen auf den Balkon, um meine weißen Schwabbelarme etwas zu bräunen. Ach, am besten gleich einen dünnen Rock anziehen, dann bekamen die Waden auch etwas Sonne ab. Enthaaren müsste ich die Beine auch mal wieder - und die Fußnägel sahen eher ungepflegt aus... So konnte ich mit über fünfundzwanzig doch nicht herumlaufen! Na, wenn es dunkel war, konnte ich mich vor dem Fernseher pflegen.
Kaum war es auf dem Balkon mit einem spannenden Roman (nicht Döblin!) so richtig gemütlich, klingelte drinnen das Telefon. Tom?!
Ich stürzte hinein - mein Buch schlug ohne Lesezeichen zu, Mist! – und riss den Hörer von der Gabel. Susanne war´s. Ob ich Montagmittag mit ins San Carlo wollte, zum Ratschen? Ostermontag, das sei doch frei; Carola käme auch... Ob ich was von Tom gehört hatte? „Nö, langsam werde ich nervös.“
„Wieso? Lass ihn doch schmollen!“
„Ich weiß nicht, so lange war er noch nie eingeschnappt. Vielleicht hat er richtig Schluss gemacht?“
„Du ja eigentlich auch! Aber du wirst dich doch bei ihm nicht dafür entschuldigen, dass er deinen Geburtstag vergessen hat? Warum glauben Frauen eigentlich immer, dass nur sie für das Funktionieren einer Beziehung zuständig sind? Keine Frau, der ein echter Arsch abhanden gekommen ist, sagt, Gut dass ich den Kerl los bin – jede sagt Was hab ich falsch gemacht, nie Was hat er falsch gemacht oder Wie hab ich´s mit dem nur so lange ausgehalten? Denk dran, er hat das Sündenkonto voll, nicht du – und brauchst du einen solchen Kerl wirklich?“
„Nein, aber ich hab ihn eigentlich doch gerne – und er mich auch, glaube ich, er kann das nur nicht so zeigen, da tun sich Männer ja oft etwas hart.“
„Ich glaube, es gibt auch andere. Und er muss ja nicht pausenlos sülzen, es würde doch reichen, wenn er nicht mehr auf deine Kosten lebt, oder?“
„Ach Susanne, du hast ja Recht... okay, ich gehe am Montag mit – um eins, ja?“
Prima, Eis hatte ich mir verdient, fand ich, als ich wieder genüsslich in der Sonne lümmelte, wenn ich mir bis dahin noch ordentlich Gedanken um den Kapp-Putsch und um den Roman um 1918 machte, mich wog und weiter ein bisschen ausmistete. Ach, und waschen und bügeln sollte ich auch mal.
Als es auf dem Balkon zu kühl wurde, raffte ich mich tatsächlich auf und schleppte eine Ladung Wäsche in den Keller, wo unsere Hausmaschine stand. Sie war sogar frei, wenn auch nur für eine Stunde. Also schnell waschen! Bis es dunkel war, hing die Wäsche schon auf dem Gestell im Flur, und als der Spielfilm anfing, waren meine Beine zwar immer noch weiß, aber seidenglatt, meine Fußnägel leuchtend rot und meine Fingernägel dezent in zartem Rosa lackiert. Richtig gepflegt, fand ich. Ein bisschen Bügeln? Die Wohnung füllte sich mit Dampfschwaden, als ich die feuchten T-Shirts bügelte und dann wieder zur Resttrocknung zurückhängte. Feuchte Luft war bestimmt gut gegen die ersten Fältchen - sollte ich mir auch gleich noch die Augenbrauen zupfen? Warum nicht, die Schreibtischlampe war ja wohl hell genug! Schmale Augenbrauen ließen meine Hundeaugen größer und dunkler wirken. Nun wieder eine Runde tanzen, zur CD bei Spielfilm ohne Ton. Der Film war ohnehin blöde. Ich zappte ein bisschen herum und blieb im Börsenkanal hängen. Ganz interessant... Aber ein wirklich verlockender Tipp war nicht dabei.
Am Sonntag versüßte mir die Waage gleich den frühen Morgen, indem sie nur noch knapp über 67 Kilo anzeigte – das Herumrödeln und sparsame Essen hatte sich also schon gelohnt. Gingen die sandfarbenen Jeans schon wieder leichter zu? Ein kurzer Test zeigte mir, dass noch einige Kilo wegmussten, bis die Hose bequem sitzen würde.
Trotzdem – ich trug das neue Gewicht ebenso wie den aktuellen Depotstand sorgfältig auf einer Liste in meinem Terminplaner ein, um meine Entwicklung hin zur perfekten Frau zu dokumentieren.
Als perfekte Frau könnte ich mir dann alleine aussuchen, ob ich Tom wieder haben wollte oder nicht...
So ein Quatsch! War ich denn Tom nicht perfekt genug gewesen? Oder war für ihn die perfekte Frau nur ein Hausmuttchen, das ihn auch noch durchfütterte und nie meckerte? War er denn etwa perfekt? Und was war eigentlich für mich eine perfekte Frau? Brauchte ich dazu viel Geld? Den ultimativen Job? Eine Traumfigur? Musste ich nur mit mir selbst zufrieden sein? Musste ich es vor sechsundzwanzig „geschafft“ haben? Meiner Vision nach ja, aber wollte ich das eigentlich wirklich?
Ein guter Magister – nein, ein sehr guter – war unbedingt notwendig. Und, ja, natürlich war die Abnehmerei bescheuert, wie in einem Weibchenmagazin, aber ich wollte meine schönsten Sachen wieder tragen können und mich in meiner Haut und in einem Bikini richtig wohl fühlen können – einfach meinen Körper im Griff zu haben, das wäre doch ein gutes Gefühl...
Eine größere Wohnung wäre auch schön, und dazu brauchte ich Geld. Der wichtigste Grund aber bestand darin, dass mir meine Gewicht/Depot/Fleiß-Liste einfach Spaß machte – und schaden konnte es schließlich nichts. Jetzt lohnte sich der teure Terminplaner auf meinem Schreibtisch doch wenigstens! Nachdem ich genügend Zeit des kostbaren Ostersonntagmorgens damit vertrödelt hatte (ohne ein einziges Osterei zu essen, ich hatte gar nicht daran gedacht, welche zu kaufen!), machte ich mich zunächst unlustig an die Arbeit. Okay, zwei Stunden Kapp-Putsch Material, dann durfte ich den Kleiderschrank ausmisten. Dann wieder eine Stunde Literatur zur Magisterarbeit lesen...