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Was macht man, wenn es nicht mehr so gut läuft? Beruflich, privat – und überhaupt. Alkohol. Selbstmord. Mord! Das wäre doch mal ein interessanter Berufszweig – vorausgesetzt, man findet einen Ausbildungsplatz! "Halb Fiction": Ein Buch über Schreiben, Werbung und Mord. Nach langjährigen Erfahrungen des Autors… außer beim Mord, versteht sich! Mit vielen guten Tipps für einen erfolgreichen Selbstmord (aber nicht zu Hause nachmachen!). Das Buch beschäftigt sich mit wichtigen Fragen aus dem Bereich des Profikillers. Zum Beispiel, wie man es seiner Mutter sagt – oder eher ob! Es erzählt die Geschichte eines Mannes, der zu einem neuen Beruf findet und darin aufgeht. Doch er beginnt, ein Buch darüber zu schreiben, über seine Morde. Die Frage ist: Macht ihn das berühmt oder verdächtig? Die Antwort finden Sie hier. Zum Teil autobiographisch, zum Teil nicht. Die Frage ist, welcher Teil ist echt… denn es ist eben nur halb Fiction!
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Seitenzahl: 270
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Martin Cordemann
Halb Fiction
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Begegnung mit dem Tod
Nehmt Abschied, denn der Tod ist nah
Er kommt zu uns ganz wunderbar
Kommt überraschend in der Nacht
Er kommt am Tag, wenn jeder wacht
Er kommt bei Regen, Sturm und Wind
Er kommt zu Opa, Mutter, Kind
Er kommt zu jedem irgendwann
Zu jeder Frau, zu jedem Mann
Er kommt und er hat keine Eile
Der Tod kennt keine Vorurteile
Ein jeder ist ihm gut genug
Kennt weder Habsucht noch Betrug
Nimmt Sünder mit und Heilige
Nimmt Lahmarschige und Eilige
Nimmt Pflanzen mit und Fleisch und Fisch
Der Tod, er ist nicht wählerisch
Und doch gibt er dem Leben Wert
Er ist der Hirt, wir sind die Herd‘
Er ist der letzte Reiseleiter
Beim letzten Gang unser Begleiter
Der Tod, der Tod, er kommt bestimmt
Der Tod, er kommt, er kommt und nimmt
Er kann bei seinem Job nicht geben
Er nimmt nur – und er nimmt das Leben!
Unbekannter Dichter
INHALT
Impressum neobooks
Langsam glitt das Messer durch die Pulsadern.
Blut quoll hervor.
Tropfte auf meine Schuhe.
Wildleder.
Teuer!
Das würd ich da nie wieder rauskriegen!
Verdammter Mist!
Das war nun wirklich eine der Kehrseiten...
...von Mord!
Ein beschissener Tag begann. Der Wecker klingelte nicht. Wozu auch? Ich war Freiberufler. Und es lief nicht eben berauschend. Euphemistisch formuliert. Machten wir uns nichts vor: Es lief beschissen! Und das schon seit einiger Zeit. Da kriegt ein Wecker nicht viel zu tun. Denn man musste ja nicht früh raus. Hatte keine Termine. War nicht darauf angewiesen, dringend eine Bahn zu bekommen, die einen von Haus a nach Stadt b zu Arbeitsplatz c brachte. Und das auch noch rechtzeitig. Ohne Verspätung. Mit der Bahn. Ja sicher!
Der Wecker schlief seinen gerechten Schlaf. Er ließ mich in Ruhe und ich ihn. So war das okay. Wir konnten beide damit leben. Ich drehte mich auf die Seite und warf einen Blick auf die Uhr.
8:07 strahlte mir in freudigem Rot entgegen. Viel zu früh für meinen Geschmack.
Nun fragt man sich wahrscheinlich, warum ich um diese Zeit wach war, wenn ich ja eh nicht aufzustehen brauchte? Weil ich gestern zu viel getrunken hatte und der Drang sich zu übergeben mich hatte wach werden lassen? Weil neben mir ein geiles junges Ding lag, das es dringend noch mal brauchte, bevor es zur Arbeit musste? Weil ich für mein Leben gern früh aufstand?
Nichts davon traf zu. Nein, es war völlig anders. Seit ich meinen Wecker nicht mehr behelligen musste, hatte sich Kollege Schicksal etwas Neues einfallen lassen, um mir früh morgens auf den Sack zu gehen: In den letzten Wochen wurde im Haus gearbeitet. Es war ein großes Haus. Mit vielen Möglichkeiten zum Arbeiten. Und arbeiten hieß nicht arbeiten, sondern schlicht und ergreifend: bohren! Mit einem Bohrer! Laut und durchdringend!
Interessanterweise bohrten die Leute meist nur zwischen 8 und 9 Uhr. Eigentlich auch nur so lange, bis ich aufgestanden war, weil ich eh nicht mehr einschlafen konnte. Dann schienen sie zu wissen, dass sie ihre Pflicht und Schuldigkeit getan hatten und widmeten sich der stillen Einzelarbeit.
Mich nervte das natürlich. Und genau genommen sollten die Arbeiten eigentlich schon seit Wochen fertig sein. Wir hatten alle einen Zettel bekommen. Darauf stand, wann die Bohrer uns besuchen würden. Und es gab einen Aushang, an dem die Termine für das ganze Haus bekannt gegeben wurden. Die Termine waren aber längst abgelaufen. Also warum zum Teufel bohrten diese Kerle noch?
Ich wusste es nicht und hievte mich aus dem Bett. Keine 10 Minuten später verstummte das Bohren. War ja klar!
Der Tag plätscherte ereignislos vorbei, so wie der davor und der danach. Das Leben zeigte sich von seiner langweiligsten Seite. Aber wenigstens kam keine Absage. Und ich hatte immerhin vor ein paar Monaten ein Manuskript an einen Verlag geschickt. Konnte schon fast ein halbes Jahr her sein. Das war eigentlich deren übliche Zeit, um das Bündel Seiten von einem Stapel im Keller zu nehmen, einen Vordruck dazu zu legen, der besagte, dass man das ganze nicht ins Verlagsprogramm quetschen konnte, aber Kopf hoch, das würde nicht heißen, dass sie es scheiße fänden, denn dafür hätten sie es ja erstmal lesen müssen, aber genau genommen fanden sie’s eigentlich doch scheiße, und zwar einzig und allein aus dem Grund, dass man es ihnen geschickt hatte, und machten wir uns mal nichts vor, wer es wirklich nötig hatte, wie all die talentlosen Pfeifen von denen sie täglich stapelweise Mist bekamen, ihnen etwas unaufgefordert zuzuschicken, der war doch eh nur eine arme Sau und wer auch nur halbwegs glaubte, er hätte auf diese Weise eine Chance, jemals veröffentlicht zu werden, der konnte einem doch nur leid tun, also packten sie den Vordruck zu dem ungelesenen Manuskript, steckten es in einen Umschlag und waren kein Stück dankbar dafür, dass ich eine dieser armen Säue war, die ihnen ihren überaus komplizierten und anspruchsvollen Job sicherten.
Wahrscheinlich würde es nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Mit der Absage!
Nicht mit dem Erfolg.
Denn, das musste man diesen stinkigen Kerlen in den Kellern der Verlagshäuser lassen: Unrecht hatten sie mit ihrer Meinung nicht. Es war hoffnungslos. Und etwas anderes anzunehmen war... ein verzweifelter Versuch, an eine Hoffnung zu glauben, die es nicht gab.
Dafür hatte ich zu viele Absagen.
Zu viele vorformulierte Schreiben.
Zu viele leere Worte.
Ich wusste, dass das alles nichts brachte. Da konnte ich genau so gut mit einem Manuskript in der Tasche herumlaufen, in der Hoffnung, erschossen oder überfahren oder von einem entlaufenen Elefanten zertrampelt zu werden, auf dass man dann mein Werk bei meinem toten Körper entdecken und ich posthum berühmt werden würde. Genau genommen war das sogar wahrscheinlicher!
Also warum machte ich es trotzdem? Aus Langeweile? Aus Gewohnheit? Aus... Hoffnung? Ich wusste es nicht. Ich hatte den Draht dazu verloren. Es war... ziemlich irrational. Ich hatte mir nie viel Gedanken darüber gemacht. Warum ich es noch tat. Aber... vielleicht war es wie mit dem im Lotto gewinnen. Wenn man nicht spielte, hatte man keine Chance dazu. Nur: wenn man spielte, erhöhte man seine Chancen auch nicht gerade signifikant!
Ich tat es also... weil ich es tat. Und das... eigentlich war das ziemlich traurig, wenn man mal darüber nachdachte. Jedes mal... jedes mal, wenn ich mich an den Rechner setzte und an einem meiner Bücher arbeitete... All das war vertane Zeit. Ich steckte meine Zeit in etwas, von dem ich wusste, dass es nichts bringen würde. Dass niemand außer mir sich damit auseinandersetzen würde. Gut, außer dem Typen im Keller, den es ärgerte, dass er das blöde Manuskript von Stapel a nach Stapel b tragen musste. Aber das war es auch schon. Und dafür betrieb ich einen viel zu großen Aufwand. Ich opferte hunderte von Stunden, nur damit sich ein Kerl im Keller über mich aufregte. Das hätte ich doch auch viel einfacher erreichen können. Dafür brauchte ich doch nur leere Blätter zu einem Manuskript zu heften. Oder altes Zeitungspapier.
Aber nein, ich saß tagelang am Rechner, feilte hier und da, dachte mir Plots aus, ließ mich von der Handlung treiben, ging in dieser von mir geschaffenen Welt auf... für nichts. Das war... traurig. Sehr traurig!
Aber was konnte ich machen? Das ganze aufgeben? Es auf sich beruhen lassen? Einen vernünftigen Beruf lernen? Eigentlich wäre das keine schlechte Idee gewesen. Im Nachhinein. Aber machten wir uns nichts vor, dafür war ich inzwischen zu alt. Und das in einem Land, in dem die Arbeitslosenzahlen durch die Decke gingen. Wenn ich mich früher dafür entschieden hätte...
Ich denke, das ist mein Hauptproblem: Ambitionen! So einfach ist das. Die Ambition, zu denken, ich wäre als Schreiberling gut genug, um davon leben zu können. Um veröffentlicht zu werden. Ich hätte das Zeug zu einem guten Schriftsteller. Ohne diese Ambitionen... was hätte ich da für ein ruhiges Leben haben können. Für ein unfrustriertes Leben! Hätte ich heute die Wahl zwischen dem was ich jetzt mache und einem langweiligen Bürojob ohne Verantwortung aber mit festen Arbeitszeiten... ich würde mich für den Bürojob entscheiden. Wenn ich zurückgehen könnte in der Zeit und eine Bankleere machen, ich würde es tun.
Aber da waren meine Ambitionen. Diese verschissenen Ambitionen. Die mir diese falschen Ideen eingeredet haben. Und niemand hat sie mir ausgeredet. Oder habe ich das nur verdrängt? In dem Alter hört man ja auch nicht auf andere Leute. Jedenfalls trieben mich diese Gedanken, möglicherweise ein guter Schriftsteller sein zu können, in ein Leben voller Frust und Enttäuschung. Das Studium abgebrochen, die falschen Freunde kennen gelernt, in die Werbung abgerutscht, dafür reicht mein „Talent“ immerhin noch, aber trotzdem mit den Ambitionen, eines Tages ein echter Schriftsteller zu sein... und das, obwohl man seine Manuskripte noch immer an die gesichtslosen Kerle im Keller schickt, die Herren der Stapel?
Offensichtlich kann man eine Menge verdrängen. Die Realität einfach ausschalten. Ignorieren. Sie nicht weiter wahrnehmen. Auch wenn man weiß dass die Windmühlen vor einem gewinnen werden.
Ich seufzte und schaltete den Fernseher aus. Es waren nur noch 7 Stunden bis zum nächsten Bohren. Und bis zum nächsten ereignislosen Tag. Das Leben war toll. Leider hatte ich keins!
Alkohol war eine Lösung.
Nein, natürlich war Alkohol keine Lösung. Außer, man musste einen Mord wie einen Autounfall unter Alkoholeinfluss aussehen lassen. Dann war es natürlich eine. Aber das war eine Situation, mit der man als Normalsterblicher relativ selten zu tun hatte. Nichtsdestotrotz half Alkohol. Zum Beispiel beim Vergessen. Oder Verdrängen. Man konnte ein wenig Abstand gewinnen von seinem eigenen trostlosen Schicksal. Das Problem war: ich wurde langsam zu alt. Selbst einen Kater steckte ich nicht mehr so leicht weg wie früher. Und selbst da hatte ich sie schon nie so leicht weggesteckt wie das jetzt klingt. Mit anderen Worten: Exzessives Saufen ließ mich anschließend ziemlich leiden. Und wenn man eh schon scheiße drauf ist, weil das Leben nicht ganz so läuft, wie man es sich bei der Befreiung aus der Schulsklaverei Anfang 20 gewünscht hat, dann ist ein ausgewachsener Kater das, was man am wenigsten braucht. Also gibt es andere Dinge, über die man mit der Zeit nachzudenken beginnt. Über die man sich intensive Gedanken macht. Die man langsam austüftelt. Bei denen man den besten, einfachsten, leichtesten Weg sucht. Selbstmord!
+ + +
Die Schuhe waren hin.
Konnte ich wegschmeißen.
Und der Teppich blutete voll.
Warum hatten die Leute kein Linoleum mehr?
Oder Fliesen?
Nein, es musste ja edelster Teppich sein.
Sogar im Bad!
Vollkommen bescheuert!
Ich sah mich um und überlegte, was ich tun konnte.
Selbstmord ist mit einigen Problemen verbunden. Eins davon ist Verantwortung. Es ist bei Selbstmord weniger das, was man sich selbst antut, als vielmehr das Leid, das man anderen damit zufügt. Die Eltern und Freunde finden so etwas oft nicht so toll. Fragen sich, was sie falsch gemacht haben, obwohl sie überhaupt nichts dafür können. Sie haben nichts falsch gemacht und auch keine „Schuld“ daran. Naja, jedenfalls in meinem Fall. Oft genug ist es einfach das Leben, das einen dazu treibt, nicht sie. Sie können nichts dafür.
Und trotzdem sind sie es, die am meisten darunter leiden. Das ist ein Punkt, den man dabei nie außer Acht lassen darf. Denn auch Freunde und Bekannte stürzt man unter Umständen in tiefe Trauer. Nur, weil sie nicht nachvollziehen können, dass man mit diesem Leben nichts anfangen kann. Dass man keinen Bock mehr darauf hat. Dass man lieber aussteigen möchte, anstatt sich Tag für Tag durch diesen Mist zu quälen.
Genau genommen... ist das auch etwas egoistisch. Nicht nur von meiner Seite aus. Auch von deren! Denn immerhin sind sie es ja, die nicht einsehen wollen, dass man selbst den Weg beschreitet, der für einen besser ist oder von dem man glaubt, dass es ein Ausweg wäre. Wenn sie dann darüber trauern ist das purer Egoismus, dass sie „einen Freund verloren haben“, dass man „sie alleine gelassen hat“, dass „sie mit diesem Schicksalsschlag fertig werden müssen“. Immer nur sie und was sie empfinden. Niemand denkt an den armen Selbstmörder, der das ganze ja wahrscheinlich nicht ganz ohne Grund gemacht hat. Könnte man jedenfalls so sehen. Es gibt immer zwei Seiten. Vielleicht sollte man sich auch mal diese vor Augen halten?!
Der andere wichtige Punkt ist aber das „Wie?“! Welchen Weg soll man nehmen? Wie soll man Selbstmord begehen. Auch hier spielt wieder die Verantwortung mit hinein. Sich vor einen Zug zu schmeißen ist einfach völlig verantwortungslos. Denn damit beendet man nicht nur sein eigenes Leben, sondern versaut auch das eines anderen. Und das kann ja wohl nicht der Sinn der Sache sein.
Wenn man von irgendwelchen Polizisten mit aufgeschlitzten Pulsadern in der Badewanne gefunden wird, dann ist das schon was anderes. Okay, denen macht das auch keinen Spaß und die finden das auch scheiße, aber die sind wenigstens für sowas ausgebildet... oder sollten es zumindest sein. Aber es ist nicht der Job eines Lokomotivführers, Selbstmörder zu überfahren! Das kann bestenfalls zu einem Hobby werden, aber auch das ist eher unwahrscheinlich. Und abgesehen davon stell ich mir das ganze auch ziemlich unangenehm vor. Auch vom Standpunkt des Selbstmörders.
Bleibt also die Frage, wie man diese Sache halbwegs schmerzfrei und so wenig unangenehm wie möglich geregelt kriegen kann. Und das ist eben der Punkt, wo es anfängt, schwierig zu werden.
Die schönsten Wege, sich umzubringen
Von einer Brücke springen... Tja, das hab ich noch nie so richtig verstanden. Das muss mehr was für Nichtschwimmer sein. Denn wenn man schwimmen kann, was hat man dann davon? Man landet im Wasser und fängt wahrscheinlich aus Instinkt an zu schwimmen. Oder wird man durch den Aufschlag betäubt und geht deshalb sofort unter? Ich weiß es nicht.
Alternativ kann man auch von einem Haus springen... Hier empfiehlt sich natürlich ein Hochhaus, da es, man kann es Anfängern nicht oft genug sagen, die Höhe ist, die in diesem Fall den Erfolg ausmacht. Die Höhe von der man springt, nicht allein die des Hauses. Wenn man im höchsten Haus der Welt nur aus dem ersten Stock springt bringt das auch nichts. Es klingt jetzt blöd, das zu erwähnen, aber da draußen gibt es genug Idioten, denen man manche Dinge nicht deutlich genug erklären kann! Aber... ich stelle mir auch das nicht so angenehm vor. Die ganze Sache ist außerdem mit mehreren Haken verbunden:
die Überwindung beim Absprung,
die Flugdauer bis man unten ist,
die sicher schmerzhafte Landung.
Außerdem hab ich mal miterlebt, wie das einer gemacht hat. Obwohl ich den Sprung verpasst habe. War aber alles trotzdem nicht so nett. Und auch damit kann man ungewollten Zuschauern einen Teil ihres Lebens so richtig versauen. Also schließt sich diese Art des Selbstmords für mich aus. Es sollte etwas möglichst schmerzfreies sein.
Ertrinken... stelle ich mir ganz furchtbar vor. Lieber nicht!
Autoabgase... Das soll wirklich eine ganz angenehme Art sein. Aber ich hab n Cabrio. Und außerdem springt die Karre gerade dann nicht an, wenn man sie mal wirklich braucht. Kann ich als Methode also definitiv von meiner Liste streichen!
Mit Vollgas gegen einen Brückenpfeiler rasen... Klingt unangenehm und schmerzhaft. Außerdem sollte man ein Auto dafür benutzen (Probleme hierbei siehe „Autoabgase“).
Rattengift... Wo bekommt man sowas? Und wie wirkt es? Geht man dabei drauf? Krepiert man daran elendig? Wie lange dauert sowas? Zu viele unbeantwortete Fragen!
Erhängen... Wie macht man das eigentlich professionell? Also so, wie es sich gehört: dass man sich dabei das Genick bricht. Denn darauf kommt es doch beim Erhängen eigentlich an! Das Ersticken dabei ist doch eher was für die Laien, bei denen das mit dem Genick nicht geklappt hat. Alles sehr knifflig. Und wo soll man das Seil anbringen?
Ersticken... Mit einer Plastiktüte über dem Kopf? Nein danke! Das schließt sich genauso aus wie Ertrinken.
Harakiri... Erfordert zu viel Übung! Immerhin lernen die das doch vorher. Die, die das beruflich machen. Oder nicht? Damit sie wissen, wo sie hin stechen müssen, damit der rituelle Selbstmord auch richtig gut aussieht. Vielleicht gibt es Volkshochschulkurse, um die Kunst des Harakiri zu lernen? Nein, das ist alles viel zu anstrengend. Dann doch lieber...
Kamikaze... Mit einem kleinen Bomber auf ein Kriegsschiff knallen. Das wär ja noch was. Aber wo kriegt man heutzutage noch diese Flugzeuge her?
Verhungern... galt noch nicht als wirkliche Selbstmordmethode und zog sich für meinen Geschmack auch zu lange hin.
Sich überfressen... klang ja ganz gut, war aber praktisch wahrscheinlich schwierig anzustellen. Sollte man aber im Gedächtnis behalten.
Einen Föhn in die Badewanne werfen... scheiterte daran, dass ich keinen Föhn besaß. Okay, dasselbe Ergebnis ließ sich auch mit jedem beliebigen anderen elektrischen Gerät erreichen, von der elektrischen Zahnbürste (bitte keine Batteriebetriebene verwenden!) über den Rasierer bis hin zum Fernseher, obgleich das sicher einiger Anstrengungen bedurfte. Prinzipiell sagte mir der Gedanke, auf diese Weise dahin zu gehen aber auch nicht zu.
Verbrennen... Sich mit Benzin übergießen und sich einen flambierten Selbstmord gönnen? Es ging doch darum, eine möglichst schmerzfreie Art zu finden und das hier gehörte ganz sicher nicht dazu. Und außerdem, bei den heutigen Spritpreisen!
Sich eine Kugel in den Kopf jagen... Ein beliebtes Motiv bei Selbstmördern. Doch es wirft eine Frage auf: Hält man sich die Kanone an den Kopf oder stopft man sie sich in den Mund? Einigen Geschichten zufolge kann die Kugel, wenn man sich die Waffe nur gegen die Schläfe drückt, abprallen, eine Rundfahrt ums Gehirn machen und wieder austreten, ohne dass man angemessen tot ist. Was dann meist auch den Nachteil hat, dass man große Teile seiner geistigen Kapazität verliert. Also die Knarre, ganz gleich ob Pistole oder Schrotflinte, schön in den Mund stecken, um den Cobain-Effekt zu erzielen. Das ganze bringt uns aber in unserem Land, in dem man selbst als Amokläufer mit Waffenschein erst ab 18 eine Waffe kaufen darf, zu der Frage, woher man die nötige Kanone kriegt!
Schlaftabletten... Ich weiß nicht. Das Prinzip wäre ja nicht verkehrt, dass man einschläft und nicht wieder aufwacht. Aber wenn ich das richtig verstanden habe, ist das dabei doch eher so wie bei einer Überdosis, oder? Und der gute John Belushi ist zwar an einer solchen gestorben, aber das gestaltete sich derart, dass er an seinem eigenen Erbrochenen erstickt ist. Und das ist wirklich eklig! Wer möchte denn freiwillig an seiner eigenen Kotze draufgehen? Also ich verzichte!
Pulsadern öffnen... Ich muss gestehen, das ist die Art, mit der ich derzeit liebäugele. N bisschen was trinken, dass man einen im Kahn hat. Dann in das heiße Badewasser steigen. Die Arme aufweichen. Mit etwas möglichst scharfem die Pulsadern öffnen, in der Hoffnung, dass die Mischung aus Alkohol und heißem Wasser den Schmerz etwas betäubt. Die Pulsadern öffnen... aber bitte nicht quer, wenn man es ernst meint, sondern schön längs! Wer sich quer die Adern öffnet will nur Aufmerksamkeit, will nur gerettet werden. Und wir sprechen hier doch nicht von verzweifelten Hilfeschreien, sondern von einem verzweifelten Ausweg. Die ganze Sache soll doch zu einem Ende führen und nichts anderes.
Und man kann es so gestalten, dass außer der Polizei niemand betroffen ist, keine Unbeteiligten, keine Lokführer, keine unschuldigen Passagiere. Denn das macht man nicht! Man zieht niemanden sonst mit hinein - und man reißt verdammtnochmal niemand anderen mit in den Tod, nur weil man zu der Entscheidung gekommen ist, dass man selbst nicht mehr leben will. DAS TUT MAN NICHT! Denn das macht einen nicht zum Selbstmörder, sondern schlicht zum Arschloch. Also wenn man sich dazu entschlossen hat, den letzten Weg zu gehen, einfach einen Brief an die Polizei schicken und die findet einen dann, wenn alles vorbei ist. Im eigenen Blut in der Badewanne. Das nimmt der Sache natürlich ein bisschen die Spontaneität, weil man erst noch den Brief zur Post bringen muss, aber immerhin steht man hinterher nicht als Arschloch da. Oder zumindest nicht als komplettes!
Leider kann man mit den wenigsten Leuten über dieses Thema sprechen. Die machen sich gleich Sorgen. Aber was soll man tun, wenn man für sich keine Perspektive mehr sieht? Wenn einem das Leben nicht lebenswert erscheint? Und nur weil andere Leute für so etwas kein Verständnis haben, heißt das ja nicht, dass es falsch ist.
Es ist egoistisch, keine Frage. Aber warum auch nicht? So saß ich also da, gefangen von meinen Gedanken und überlegte, wie ich am leidlosesten aus diesem Leben scheiden konnte. Das hebt die Stimmung!
Natürlich kann man sich auch im Selbstmitleid verlieren. Kann sich in eine Depri-Phase nach der anderen stürzen und Sorgentelefonen die Ohren vollquatschen. Ich telefoniere leider nicht gerne. Aber das wäre ja mal eine Idee. Bis man dich bei jedem Sorgentelefon schon an der Stimme erkennt. Bis man bei jedem Seelsorge-Callcenter seine eigene Kundennummer hat. Vielleicht arbeiten da ja nette Mädels. Mit denen könnte man sich ja mal verabreden. Also, an nem Tag, wenn man gerade nicht Selbstmord begangen hat. Frauen wollen einen doch immer verändern. Vielleicht wäre das die ideale Masche, um welche kennen zu lernen? Müsste man mal ausprobieren.
Oder verschiedene Dienste austesten. Und bei jedem an einem anderen Tag Selbstmord begehen. Oder ihnen das zumindest vormachen. Und dann in der nächsten Woche wieder anrufen. Um zu hören, wie sie das so verkraftet haben. Gut, das läuft sich schnell tot und man verliert seine Glaubwürdigkeit. Aber vielleicht würde es einen auf andere Gedanken bringen. Vielleicht wär es ja ganz witzig. Vielleicht aber auch nicht. Und wie gesagt, ich telefoniere nicht gerne. Ob es auch E-Mail-Seelsorgen gibt?
Ich arbeite in der Werbung. Für viele wäre das schon ein Grund, Selbstmord zu begehen. Und vielen aus der Branche würde ich auch genau das raten. Vielleicht kämen dann mal wieder ein paar gute Kampagnen zustande. Die Wahrscheinlichkeit ist aber leider nicht sehr groß.
Seit einiger Zeit war ich selbständig. Und in letzter Zeit hatten jede Menge Firmen dicht gemacht. Der neue Markt war eingestürzt. Viele Werber saßen auf der Straße. Das Verhältnis von Jobs und Jobwilligen stand im umgekehrten Verhältnis zueinander. Und ich hatte nicht viel zu tun. Und, was noch schlimmer war, keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder sowas. Stattdessen hoffte ich, dass meine Ersparnisse reichten, bis die Auftragslage wieder besser wurde... oder ich eins meiner Bücher veröffentlicht bekam.
Da war sie also wieder. Diese kleine Hoffnung. Dieser dünne Schimmer am Horizont. Sie lächelte falsch herüber wie eine 80jährige Hure unter einer defekten Straßenlaterne, die einem weismachen wollte, sie wäre 22 und Jungfrau. Und ich... ich fiel natürlich darauf herein. Was sollte ich auch sonst machen? Ich hatte ja nicht viel zu tun.
Am liebsten schrieb ich eigentlich Krimis. Wobei ich die Aufklärung eines Mordes allerdings mehr als eine Art McGuffin nutze, um in eine Handlung hineinzukommen und die Figuren interagieren zu lassen, um Beobachtungen von Menschen und Orten einfließen zu lassen oder abgedrehte Dialoge zu schreiben. Dass es dabei um einen Krimi ging war eher nebensächlich. Machte aber auch keinen Unterschied. Jedenfalls nicht in Bezug auf eine Veröffentlichung. Da hätte ich auch Shakespeares Hamlet als prosaisches Roman-Ballett im persischen Golf mit fliegenden Äffchen schreiben können, wofür Hmfudu B’Glombo, der Literaturnobelpreisträger aus Kamerun, glatt noch den Friedensnobelpreis mit draufgelegt bekommen hätte, eine Veröffentlichung hätte es mir doch nicht eingebracht. Bestenfalls eine Therapie. Mit B’Glombo, der gerade für sein neues Buch recherchierte, während er darauf wartete, dass seinem Asylantrag stattgegeben wurde.
Das Schönste war aber neben den üblichen gesichtslosen „keinen Platz im Verlagsprogramm“ Absagen von den Männern im Keller eine persönliche Absage eines meiner Krimis von einem kleinen Verlag, der sich darauf spezialisiert hatte, Kriminalromane, in denen die Stadt des Doms die Hauptrolle spielte, zu veröffentlichen. Abgesehen davon, dass man die Pointe des Buches, dass nämlich der Erzähler und Detektiv der eigentliche Mörder war, was eigentlich eine Überraschung für den Leser und eine bewusste Abweichung von den Normen dieser Gattung darstellen sollte, als ein „Problem“ ansah, war man der Ansicht, dass die Leser des Verlags „mit dem Versuch, ‚komisch‘ zu sein, zu wenig anfangen“ konnten. Und da behauptete man im Ausland, die Deutschen hätten keinen Humor. Ich musste zugeben, das schien zu stimmen!
+ + +
Wozu brauchte man überhaupt Teppich im Badezimmer?
Das fragte ich mich, während das Blut mehr und mehr hervorquoll.
Und in den Teppich einsickerte.
Was für eine Sauerei!
Das würde die Leute, die die Leiche fanden nicht erfreuen!
Warum keine Fliesen?
Einmal durchspülen und der nächste Selbstmörder konnte es sich gemütlich machen.
Aber nein...
Und wer musste wieder darunter leiden?
Ich natürlich!
So ein Mist!
Letztens gab es mal einen Grund zur Freude. Die Nachricht, dass man auch mit 32 an Darmkrebs sterben kann. Wenn man nicht frühzeitig untersucht wird und was dagegen tut. Ich war seit meiner Entlassung aus der Bundeswehr vor mehr als 10 Jahren nicht mehr beim Arzt. Das gibt einem doch Grund zur Hoffnung. Denn es ist genau das, worauf alle Leute warten, die keinen Bock mehr zu leben haben, aber auch keinen Selbstmord begehen wollen.
Gut, für alle anderen klingt das jetzt natürlich wieder krank und gemein und herzlos... aber so ist das halt. Es gibt eben Menschen, die nicht so sehr an ihrem Leben hängen. Und das sind garantiert die, die es ohne größere Krankheiten bis ins hohe Alter schaffen, während diejenigen, die unbedingt leben wollen und Spaß daran haben durch irgendeinen Mist wie Darmkrebs oder sowas dahingerafft werden. Das Leben ist halt nicht gerecht. Für keine der beiden Seiten!
Auch das ist ziemlich traurig. Diese intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Selbstmord. Diese Beschäftigung mit dem freiwilligen Dahinscheiden aus dem Leben. Und dem Suchen nach Möglichkeiten dafür. Denn wenn man mal darüber nachdachte, konnte ich mich doch gar nicht beklagen. Trotz allem Wirtschaftsabschwung und so ging es uns in Deutschland doch noch immer verteufelt gut, verglichen mit irgendwelchen Ländern unterhalb der Armutsgrenze in Afrika. Gut, die hatten das bessere Wetter, aber lassen wir das mal beiseite. Ich hatte keine Krankheit, die mich an das Bett, eine Beatmungsmaschine oder sonst einen Mist fesselte. Ich benötigte nicht jeden Tag einen Pfleger, der mich aufs Klo brachte und mir die Bettpfanne leerte. Ich hatte noch nicht einmal Schulden, die mich dazu trieben, Sexfilme meiner minderjährigen Kinder ins Internet zu stellen. Also eigentlich konnte ich mich nicht beklagen. Manche Leute hätten wahrscheinlich gejauchzt und gesungen, wenn sie in meiner Lage gewesen wären. Und trotzdem... irgendwie gab mir das alles nicht so viel. Irgendwie fehlte für mich der Spaß, weiterzumachen. Es fehlte die rechte Motivation.
Ansonsten plätscherten die Tage mal mehr mal weniger ereignislos dahin. Ich schrieb, aß, trank, schlief, sah Fernsehen. Eine der schlimmsten Sachen, wenn man nicht viel zu tun hat, ist nachmittags den Fernseher einzuschalten. Man zappte von einer Richtershow in die nächste und fragte sich, ob es tatsächlich irgendjemanden gab, der das für bahre Münze nahm? Die Juristen mochten ja echt sein, aber die Rechtsstreitenden waren die unterste Schublade von Laiendarstellern, die man wahrscheinlich in wenig langen und wenig teuren Genexperimenten gezüchtet hatte. Und schaltete man eine Stunde später wieder ein, waren aus den Richtershows die Beratershows geworden, aber die Laiendarsteller stammten aus demselben Genpool. Wenn sich Bekloppte im Fernsehen als Idioten outeten war das ja durchaus in Ordnung, dafür waren Talkshows ja da. Aber wenn es talentlose Laien waren, fehlte da doch jeglicher Reiz.
Ich checkte meine Mails. Nichts. Kein Job. Kein Auftrag. Kein Geld in Aussicht. Andere boten ihren Körper für Geld feil. Ich tat das mit meinem Geist. Oder mit meinem Talent, wenn man es so bezeichnen wollte. Ich hatte über vieles geschrieben. Autos, Fertighäuser, Tanzschulen, Handcremes, Kopfschmerzmittel und Pilze. Die, die man auf der Haut oder in der Vagina hatte, nicht die zum Essen. Ich war sowas wie ein Experte für Vaginalmykose, also Scheidenpilze. War immer ein gutes Thema auf Partys. Aber das schönste war, über die Pilze zu schreiben. Im Sommer. Zu Hause. Vor dem Rechner. Nur mit Shorts bekleidet. Man saß da und schrieb und schrieb... und irgendwann juckte es einen überall. Faszinierend.
Viele Leute scheinen anzunehmen, Werbung wäre ja sowas von kreativ. Kann sein. Aber was heißt denn dann bitte „kreativ“? Mit originell und neu kann das nicht viel zu tun haben. Denn originelle Sachen sind immer schlecht. Der Verbraucher will ja nicht überfordert werden. Oder soll nicht. Denken sich die Werbefuzzis. Und vielleicht haben sie ja auch Recht. Deshalb darf man alles machen... so lange es konventionell genug ist.
Ich kannte Leute aus der Branche, die zu einem Meeting, wo ein neues Mailing gestaltet werden sollte, mit den Mailings kamen, die sie oder ihr Gatte in der letzten Zeit zugeschickt bekommen hatten. Mailings sind das, was der normale Mensch als diese nervige Werbung bezeichnete, die man „morgen in Ihrem Briefkasten“ hat, wie es im Fernsehen so vollmundig angekündigt wurde, als würde sich irgendjemand darüber freuen. Wenn sich ein Unternehmen es leisten konnte, gab es zu dem nervigen Brief auch noch ein kleines Werbegeschenk. Damit der Brieföffner nicht gleich völlig sauer war. Ging es also darum, sich zu überlegen, was man in eine solche nervige Werbung hineinlegen konnte, kam dieser Jemand nicht mit neuen Ideen und es ging auch nicht wirklich darum, welche zu entwickeln, sondern nur darum, zu sehen, was von den Sachen, die ihr Mann so bekommen hatte, sich für unser Mailing eignen könnte. Vorausgesetzt, es war billig genug. So in etwa lief Werbung ab.
Eine andere Sache, die echte Kreativität forderte, waren die Headlines, die Schlagzeilen, die großen Überschriften – denn den Text darunter las sowieso keiner. Für diese Headlines gab es ein paar Wünsche, die zwar je nach Kunden leicht variierten, aber prinzipiell auf das gleiche hinauslaufen: die Headline sollte ansprechend aber nicht plump, witzig aber nicht zu lustig, intelligent aber nicht zu abgehoben, Aufmerksamkeit erweckend, pfiffig, anspruchsvoll aber nicht überfordernd, verkaufend aber nicht aufdringlich, auf den Punkt gebracht aber nicht platt, kurz aber bündig sein. Und nur drei Wörter lang!
Kein Wunder, dass es so wenig gute Werbung gab. Obwohl es dafür mehrere Gründe gibt. Eine ganze Reihe von Gründen sogar. Es ist das Zusammenspiel von verschiedenen – fatalen – Faktoren, die dazu führen dass die Werbung oft langweilig, unoriginell und altbacken daherkommt. Es liegt nicht allein am schlechten Texter. Obwohl das auch zuweilen vorkommen kann.
Für gewöhnlich funktioniert das ganze so: Man wird auf einen Job „gebrieft“, d.h. man erfährt, was man zu tun hat. Nehmen wir eine Anzeige. Oder... gehen wir noch einen Schritt weiter zurück...
Da ist der Kunde. Das Unternehmen. Die Firma. Die Stelle, die Werbung will. Die erwähnte Anzeige. Also sagt der Kunde der Agentur Bescheid, am besten mündlich am Telefon. Da spricht er mit dem Kundenberater. Der Kundenberater gibt dann dem Texter seine Interpretation des Gesprächs mit dem Kunden wieder, vorzugsweise in Form eines schriftlichen Briefings, in dem dann die wichtigen Punkte stehen. Oft genug aber auch nur mündlich, wobei nicht selten die Hälfte der Information a) falsch wiedergegeben, b) vergessen oder c) beides wird. Der Texter setzt sich dann mit dieser hervorragenden Arbeitsgrundlage hin und schreibt ein paar Überschriften zur Auswahl und den Fließtext, den eh keiner liest. Diese Tatsache hindert allerdings niemanden, weder den Kundenberater noch den Kunden selbst, daran so lange rum zu ändern, bis aus einem gut lesbaren Text reiner Mist geworden ist, aber das nur am Rande.
Der Texter gibt seine „kreative“ Arbeit dann an den Kundenberater. Und zwar so schnell wie möglich, weil es dringend ist und „der Job brennt“. Deshalb ist der Kundenberater ja auch noch Freitag kurz vor Dienstschluss zum Texter gekommen (obwohl der Job bei ihm bereits seit zwei Wochen auf dem Schreibtisch liegt) und der hat dann das ganze Wochenende durchgearbeitet. Also kommt ein Wochenendloser Texter am Montag in die Agentur und gibt seine Arbeit dem Kundenberater. Der liest sie aber erst am Freitag, weil er vorher keine Zeit hat oder es doch nicht so dringend war oder er es einfach gerne hat, dass Leute am Wochenende in der Agentur sind und für ihn arbeiten. Natürlich hat er auch einige Änderungen, die selbstredend dringend sind. Bevor das Zeugs überhaupt zum Kunden gegangen ist. Also lässt der Kundenberater das einfließen, was er glaubt dass der Kunde will. Die ganze Sache wird noch ein zweimal überarbeitet und geht dann zum Kunden. Der hat, welche Überraschung, natürlich auch wieder Änderungswünsche und wenn man ganz großes Pech hat, gibt es da auch noch einen Vorstand, dem der Kunde die Sachen vorstellen muss und der wiederum Änderungsvorschläge und, was das schlimmste ist, eigene Ideen hat. Das landet dann alles irgendwann wieder auf dem Tisch des Texters und statt einer witzigen Idee wie „Wie wär’s mit ner kleinen Nummer? Unsere Leasingangebote“ kommt etwas wie „Jetzt günstig leasen“ heraus. Aber immerhin drei Worte!