Herzensadel - Stefanie Valentin - E-Book

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Stefanie Valentin

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Beschreibung

Mit viel Herz und Verstand geht die Heimat-Heidi zur Sache, denn sie ist eine schöne Wirtin voller Tatendrang, die ihren Gästen und Mitmenschen jederzeit hilfreich zur Seite steht. Unterstützt, wenn auch nicht unbedingt immer in ihrem Sinne, wird Heidi dabei von ihrer nicht ganz volljährigen Tochter Steffi, einem feschen Mädel mit losem Mundwerk, und ihrer Mutter Luise, die keineswegs gewillt ist, kürzerzutreten und Heidi mit der Leitung des Bergerhofs alleinzulassen. Für schwungvollen, heiteren Familienzündstoff ist also bei aller Herzenswärme unserer Titelheldin jederzeit gesorgt! »Du, schau mal.« Die Bergerhof-Heidi blätterte in der Tageszeitung und zeigte auf eine Todesanzeige. »Die alte Gräfin Loretta ist verstorben. Dreiundneunzig ist sie geworden.« Luise setzte ihre Lesebrille auf und nahm den Zeitungsteil zu sich herüber. Sie und ihre Schwiegertochter Heidi saßen am Frühstückstisch, lasen, wie jeden Morgen in der Tageszeitung und besprachen das, was für den Tag wichtig war. »Da schau her«, murmelte Luise, »dreiundneunzig ist sie geworden, die Loretta. Leicht hat sie's net gehabt in ihrem Leben. Der Mann ist tödlich verunglückt, da war sie keine zwei Wochen verheiratet. Ich kann mich noch ganz dunkel daran erinnern. Ich bin damals zehn oder elf gewesen, als das Unglück passiert ist.« »Ist der Graf net abgestürzt?« Heidi sah ihre Schwiegermutter fragend an. Die nickte. »So ist es. Irgendwo in Südtirol. Ich glaub' in der Gegend, aus der die Loretta stammt. Sie war ja Südtirolerin.« »War sie wirklich eine so hübsche Frau, wie die Leut' erzählt haben?«

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Heimat-Heidi – 10–

Herzensadel

Eine Komtess, wie sie nicht im Buche steht

Stefanie Valentin

»Du, schau mal.« Die Bergerhof-Heidi blätterte in der Tageszeitung und zeigte auf eine Todesanzeige. »Die alte Gräfin Loretta ist verstorben. Dreiundneunzig ist sie geworden.«

Luise setzte ihre Lesebrille auf und nahm den Zeitungsteil zu sich herüber. Sie und ihre Schwiegertochter Heidi saßen am Frühstückstisch, lasen, wie jeden Morgen in der Tageszeitung und besprachen das, was für den Tag wichtig war.

»Da schau her«, murmelte Luise, »dreiundneunzig ist sie geworden, die Loretta. Leicht hat sie’s net gehabt in ihrem Leben. Der Mann ist tödlich verunglückt, da war sie keine zwei Wochen verheiratet. Ich kann mich noch ganz dunkel daran erinnern. Ich bin damals zehn oder elf gewesen, als das Unglück passiert ist.«

»Ist der Graf net abgestürzt?« Heidi sah ihre Schwiegermutter fragend an.

Die nickte. »So ist es. Irgendwo in Südtirol. Ich glaub’ in der Gegend, aus der die Loretta stammt. Sie war ja Südtirolerin.«

»War sie wirklich eine so hübsche Frau, wie die Leut’ erzählt haben?« wollte Heidi wissen.

»Eine bildhübsche Frau war sie«, sagte Luise. »Dunkle Haar’ hat sie gehabt, dunkle Augen und ein derart ebenmäßiges G’sichterl, daß man sie immerzu hat anschauen müssen.«

»Und dann verliert sie so jung ihren Mann«, murmelt Heidi tief durchatmend.

Luise nickte. »Ja, das war tragisch. Leut’ aus der ganzen Gegend waren auf den Beinen, als man damals den Sarg aus Südtirol hergebracht hat. An der Bahnstation drunten in Fischen hat der Zug gehalten, und man hat den Sarg auf eine blumengeschmückte Kutsche gebracht, die vier Rappen zum Schloß gezogen haben. Die Leut’ sind überall stehengeblieben, haben die Hüt’ gezogen oder den Kopf gesenkt.«

»Mar’ und Josef…«

»Bekreuzigt haben s’ sich und ein Gebet gesprochen«, fuhr Luise fort, »als mein Vater heimgekommen ist, er hat die Kutsche mit dem Sarg gesehen, da war er noch ganz erschüttert. Er hat, wie alle anderen Leut’ hier, den Grafen Ludwig, so hat er geheißen, sehr verehrt. Der Graf war sehr volksnah und beliebt bei der Bevölkerung.«

»Er war doch der eigentliche Erbgraf, oder?«

Luise nickte. »Sicher war er das. Der jetzige Graf, der Ferdinand, ist sein Neffe, der Sohn seines Bruders.«

Plötzlich stutzt die Berger-Heidi. »Mir fällt grad’ was ein.«

»Was denn?« Luise sah ihre Schwiegertochter fragend an.

»Wir haben die Anmeldung eines weiblichen Gastes vorliegen«, erwiderte die.

»Und was hat das mit der Gräfin Loretta zu tun?«

»Moment«, sagte Heidi, dann stand sie auf, und als sie zurückkam, brachte sie die Belegungsliste mit. »Da schau, Maria Bandegg heißt sie.«

»Maria Bandegg?« Luise zuckte mit den Schultern. »Wie kommst du darauf, daß sie was mit der Gräfin Loretta zu tun hat?«

»Schau nur«, antwortete Heidi, während sie auf die Todesanzeige in der Zeitung zeigte, »die Gräfin Loretta war eine geborene von Bandegg.«

»Tatsächlich«, murmelte Luise. »Das ist aber eher eine zufällige Namensgleichheit.«

Heidi schüttelte den Kopf. »Das glaub’ ich net.«

»Aber die Loretta hat ein ›von‹ im Namen gehabt«, gab Luise zu bedenken.

»Vielleicht hat die Gerti es net richtig eingetragen oder verstanden«, sagte Heidi. »Eine derartige Namensgleichheit wär’ eine totale Rarität. Ich glaub’ net daran. Außerdem darfst den Termin der Beisetzung net vergessen. Diese Maria kommt am Tag vor der Beisetzung, und hat offen gelassen, wann sie wieder abreisen will.«

»Du meinst also«, fragte Luise, »diese Maria würd’ zur Beisetzung von der Gräfin Loretta kommen?«

Heidi nickte. »Genau davon geh’ ich aus.«

Nach kurzem Nachdenken stimmte Luise zu. »Du könntest schon recht haben. Was steht denn in der Zeitung, wann die Gräfin Loretta beigesetzt wird?«

»Übermorgen.«

»Und wo?«

»Auf dem Familienfriedhof bei Schloß Steining.«

»Sicher im engsten Familienkreis.«

Heidi nickte. »So steht’s da.«

»Eines wäre aber sehr komisch«, sagte Luise.

»Und was?« die Bergerhof-Heidi sah ihre Schwiegermutter fragend an.

»Daß die Steinings diese Maria nicht auf dem Schloß wohnen lassen«, antwortete die. »Das könnt’ man doch erwarten. Schließlich muß man sie doch benachrichtigt haben, sonst würd‘ sie sich ja noch net bei uns angemeldet haben können.«

»Das ist wahr«, erwiderte Heidi. Dann stand sie auf. »Du kannst diese Maria ja fragen, wenn sie kommt.«

»Um Gottes willen«, erwiderte Luise. »Sie wird uns schon aus dem Weg zu gehen wissen. Der Adel hat uns einfachen Menschen gegenüber doch Vorbehalte.«

»Diese Maria vielleicht nicht«, erwiderte Heidi. »Laß sie doch erst mal da sein, danach kannst dann immer noch sagen, wie du zum Adel stehst.«

Luise lachte kurz auf. »Das wird dem Adel wurscht sein und mir ist’s im Grund genommen auch wurscht.«

*

Maria Bandegg war eher groß, hatte eine sportliche Figur, dunkelbraune Haare, ebenso dunkle Augen, und ein sehr schönes und ebenmäßiges Gesicht, das gleich beim ersten Blick einen sehr freundlichen und liebenswerten Eindruck hinterließ.

Maria war fünfundzwanzig Jahre alt, hatte ihren ersten Wohnsitz in Meran, lebte aber meistens in Innsbruck, wo sie als Dolmetscherin in einem Büro der EU arbeitete.

Maria Bandegg war, als sie die Nachricht vom Tod ihrer Tante Loretta erhalten hatte, sehr traurig gewesen, denn Loretta von Steining und sie hatten sich immer sehr gut verstanden. Maria hatte ihre Tante oft besucht, aber meistens waren es Tagesbesuche gewesen, sie war morgens gekommen und abends wieder abgereist, gar so weit war es nach Innsbruck schließlich nicht.

Loretta und die Enkelin ihres jüngsten Bruders verband die Liebe zur Malerei, zur Musik und vor allem zu ausgedehnten Gesprächen über Gott und die Welt.

Bei den Besuchen hatte Maria natürlich auch die anderen Familienmitglieder des Grafen Steining kennengelernt, aber sie hatte nie besonderen Kontakt zu ihnen gepflegt. Maria hatte immer nur ihre Tante besuchen wollen, was sie im Rahmen dessen, was möglich gewesen war, auch getan hatte.

Als Maria die Nachricht vom Tod ihrer Tante erhalten hatte, war sie nicht nur traurig gewesen, sondern sie hatte auch kurzfristig entscheiden müssen, ob sie an der Beisetzung auf dem Familienfriedhof bei Schloß Steining teilnehmen wollte.

Sie hatte sofort zugesagt, da jedoch keine Einladung ins Schloß dabeigewesen war, hatte sie im Bergerhof angerufen und sich dort ein Zimmer reservieren lassen. Sie hatte sich daran erinnert, einmal mit ihrer Tante dort gewesen zu sein, und daß es ihrer Tante und ihr dort sehr gut gefallen hatte.

Als Maria im Bergerhof ankam, war es später Nachmittag, und weder die Berger-Heidi noch Luise waren da.

»Grüß Gott«, sagte Gerti, die keine Ahnung hatte, wer Maria Bandegg war, als diese sich anmeldete. »Hatten S’ eine schöne Anreise?«

»Danke«, antwortete die hübsche junge Frau, dann nahm sie den Anmeldeschein und füllte ihn aus.

»Wie lang Sie bleiben, wissen S’ das heute schon?« wollte Gerti derweil wissen.

»Nicht länger als zwei, allerhöchstens drei Tage«, antwortete Maria.

Da Gerti alleine war und viel zu tun hatte, sah sie sich nicht mal den Meldezettel an, sondern sagte, sie würde Maria zu ihrem Zimmer bringen.

Das Eckzimmer lag im angebauten Teil des Bergerhofes, hatte ein Fenster nach Süden, eines nach Osten und man hatte das einmalig schöne Panorama der Oberallgäuer und im Hintergrund der Tiroler Berge vor sich.

Als Gerti zurück in die Rezeption kam, stand die Berger-Heidi dort, zeigte auf das Meldebuch und fragte: »Wann ist die Komteß denn gekommen?«

»Wer?« Gerti meinte, sich verhört zu haben.

»Die Komteß von Bandegg«, antwortete Heidi.

»Das ist eine Komteß?« Fast ein wenig erschrocken starrte die langjährige Angestellte des Bergerhofs ihre Chefin an.

Die nickte. »Ja, sie ist sicher zum Begräbnis der Gräfin Loretta angereist.«

»Dann ist sie eine Verwandte der Gräfin?« Gertis Stimme hatte plötzlich einen anderen Klang als vorher.

Heidi nickte. »Wahrscheinlich ihre Nichte.«

Gerti sah den Eintrag im Gästebuch und sagte: »Da steht aber nix von Komteß oder so. Net einmal ein ›von‹ steht vor dem Namen Bandegg. Bist sicher, daß sie eine Adlige ist?«

»Sprich sie mit Komteß an und du wirst sehen, wie sie reagiert«, antwortete Heidi. »Wie schaut sie denn aus? Ist sie so hübsch wie ihre Tante es gewesen ist?«

»Die Gräfin Loretta war

hübsch?« fragte Gerti, die dieses offensichtlich nicht glaubte.

»Die Luise sagt, sie sei in ihrer Jugend eine bildhübsche Frau gewesen«, erwiderte die Bergerhof-Heidi. »Wir kennen sie ja nur als weißhaarige alte Dame. Und selbst da waren ihre Gesichtszüge noch fein und ebenmäßig.«

Gerti nickte. »Das ist allerdings wahr. Also die… die Komteß ist ebenfalls eine sehr hübsche junge Frau.«

»Wie alt sie denn?«

»Mitte Zwanzig.«

»So jung noch?«

Gerti nickte.

»Vielleicht irrst dich ja doch und sie ist net die, die du vermutest.«

Heidi zuckte mit den Schultern. »Wir werden es sehen. Sei jedenfalls nett und zuvorkommend zu ihr. Und red sie ruhig mal mit Komteß an. Dann wissen wir, ob sie mit der Gräfin Loretta verwandt ist oder net.«

*

Die Trauerfeier in der Schloßkapelle war, auf ausdrücklichen Wunsch der Verstorbenen, sehr schlicht gehalten und nur engste Familienangehörige der Grafen Steining waren eingeladen worden.

Die einzige Ausnahme war Maria von Bandegg. Sie gehörte zwar zur Familie, aber nicht zu der der Steinings, sondern zu der Familie der Verstorbenen, die sonst nicht vertreten war, da diese, mit Ausnahme Marias, keinerlei Kontakt zu ihrer eigentlichen Familie gepflegt hatte.

Maria traf kurz vor den auf vierzehn Uhr festgesetzten Beisetzungsfeierlichkeiten ein. Obwohl man nur engste Familienmitglieder eingeladen hatte, war die Kapelle voll besetzt, so daß Maria hinter der letzten Bankreihe stehen blieb. Von dort aus verfolgte sie gerührt die schlichte, aber würdevolle Trauerfeier.

Sechs Bedienstete trugen den Sarg dann zum nur wenige Meter neben der Kapelle ausgehobenen, Grab und sechzig Jahre nach dem Bergsteigertod ihres Mannes wurde Gräfin Loretta von Steining, geborene von Bandegg, an dessen Seite beigesetzt.

Nach der Beisetzung, Maria hatte schon wieder gehen wollen, kam Graf Ferdinand zu ihr und sagte, sie möchte doch bitte noch zum Kaffee ins Schloß kommen. »Wir haben uns auch gewundert, daß Sie nicht gestern oder vorgestern schon angereist sind.«

»Ich bin gestern angereist«, antwortete Maria.

Benommen sah Graf Ferdinand die Nichte der Verstorbenen an. »Sie sind seit gestern da? Wo denn, wenn ich fragen darf?«

»Ich hab’ mich im Bergerhof einquartiert«, antwortete Maria.

»Aber warum denn das?« Der Graf sah sie irritiert an.

»Wenn ich bei Ihnen im Schloß hätte unterkommen sollen«, antwortete Maria, »dann hätten S’ das zu der Nachricht vom Tod der Tante schreiben sollen. Ich gehöre nicht zu denen, die sich selbst einladen.«

»Daran ist wohl nicht gedacht worden«, murmelte Graf Ferdinand, »entschuldigen S’ bitte.«

»Das macht gar nichts«, erwiderte Maria, »machen S’ sich deswegen keine Sorgen. Ich hoff’, Sie haben nichts dagegen, wenn ich in Zukunft ab und zu meiner Tante ein paar Blumen aufs Grab stell’. Ich hab’ mich, trotz des immensens Altersunterschieds, ihr immer sehr verbunden gefühlt.«

»Dem steht nichts im Weg, Komteß«, antwortete der Chef des Hauses Steining. »Sie sind uns immer herzlich willkommen.»

Als Maria sich dann verabschieden wollte, sagte Graf Ferdinand, daß er noch was mit Maria zu besprechen habe. »Vielleicht kommen S’ nachher noch mit in mein Arbeitszimmer?«

Maria hatte keine Ahnung, was der Graf mit ihr zu besprechen hatte, deshalb fragte sie danach. »Sie wollen was mit mir besprechen?«

»Ja, es geht um das, was Loretta Ihnen hinterlassen hat.«

»Die Tante hat mir was hinterlassen?« Mit erstauntem Blick sah Maria den Grafen an.

Der nickte. »Ja, es ist eher eine Kleinigkeit, eine mehr oder we­niger nebensächliche Geschicht’.«

Maria sah, daß des Grafen Worte nicht ganz zu dem paßte, wie er dreinschaute.

»Sie machen mich neugierig, Graf«, sagte sie. »Um was für eine Kleinigkeit handelt es sich?«

»Ihre Tante hat Ihnen etwas hinterlassen«, antwortete der Chef des Hauses Steining.

»Das sagten Sie schon.«

»Neben einigen persönlichen Dingen, könnte es ein Waldstück sein…!«

Maria kniff die Augen zusammen. »Vermuten oder wissen Sie, ob Tante Loretta mir etwas hinterlassen hat? Daß sie mir ihre alte Brosche und einen Ring hinterlassen wollte, weiß ich.«

»Vom Witwenwald wissen S’ nix?« fragte Graf Ferdinand.

»Witwenwald?« fragte Maria. »Was ist das?«

»Dann haben S’ tatsächlich keine Ahnung, um was es geht?« Graf Ferdinand sah Maria aufmerksam an.

Die schüttelte den Kopf. »Nein, ich weiß nicht, wovon Sie reden. Ich würd’ mich aber freuen, wenn Sie es mir erklären würden.«

»Möglicherweise ist das gar nicht nötig.« Plötzlich klang des Grafen Stimme aufgeräumter. »Notariell sind S’ nicht benachrichtigt worden?«

Maria schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Dann war mein Vermuten wohl ein wenig voreilig, Luise«, antwortete Graf Ferdinand, »entschuldigen S’ bitte mein Vorpreschen. Wenn Sie möchten, dann können S’ sich die Erbstücke Ihrer Tante mitnehmen. Es handelt

sich um einige Schmuckstücke, um ein Fotoalbum, um Briefe und dergleichen, halt ganz persönliche Dinge. Die Loretta hat sie alle in einer kleinen Truhe verwahrt.«

»Und die soll ich jetzt mitnehmen?« Mit erstauntem Blick sah Maria den Chef des Hauses Steining an.

Der nickte. »Warum nicht? Die Loretta hat es so gewollt. Gebt die Truhe der Maria hat sie gesagt.« Dann lächelte er. »Den Schlüssel dazu haben S’ ja schon.«

»Welchen Schlüssel hab’ ich?« Die Angelegenheit wurde für Maria immer undurchsichtiger.

»Den der Truhe.«

Maria schüttelte den Kopf. »Ich hab‘ keinen Schlüssel.«

»Aber die Truhe ist abgeschlossen und die Loretta hat mehrfach gesagt, der Schlüssel wär’ in Ihren Händen, Komteß.«

»Also davon weiß ich nichts«, antwortete die ausnehmend hübsche Komteß. »Mir hat die Tante keinen Schlüssel gegeben.«

»Das ist jetzt ein wenig seltsam«, erwiderte Graf Ferdinand. Er überlegte kurz, dann lächelte er Maria freundlich an. »Sei’s drum. Nehmen S’ bitte die Truhe mit. Wie Sie sie aufbekommen, ob mit oder ohne Schlüssel, das ist Ihre Sach’. Entschuldigen S’, wenn ich so red’, Komteß. Aber mit Luises Tod ist eine Äre zu Ende gegangen und ich hätt’ diese Äre gern abgeschlossen, wenn S’ verstehen was ich mein’.«

Maria nickte. »Ich versteh’, was Sie meinen, Graf. Selbstverständlich nehme ich die Truhe mit, wenn Sie das möchten.«

»Mir wär’s lieber, Komteß«, antwortete Ferdinand von Steining, »ich möcht’…!«

»…die Ära Loretta abschließen, ich weiß.« Maria lächelte den Chef des Hauses Steining reserviert an. »Dann lassen S’ uns gehen, Graf. Ich möcht’ nämlich zurück zum Bergerhof fahren.«

»Bleiben S’ dort noch einen oder zwei Tage?«

»Nein«, Maria schüttelte den Kopf, »ich reise unter Umständen heute noch ab. Wenn, dann muß ich diese Truhe, die Ihnen offenbar im Weg herumsteht, jetzt mitnehmen.«

Einige Augenblick zögerte Graf Ferdinand, dann nickte er. »Also gut, kommen Sie. Ich werde einen der Bediensteten beauftragen, die Truhe zu Ihrem Wagen zu bringen. Sie sind doch mit einem Wagen da?«

»Ja, ich bin mit meinem Wagen da«, antwortete die hübsche Komteß.