Italien Roman - Lisi Schuur - E-Book

Italien Roman E-Book

Lisi Schuur

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Beschreibung

Italien. Das ist das Ziel. Für beide. Für die Zeit nach der Berufstätigkeit. Einen neuen Anfang wagen. Es ist die einzige Gemeinsamkeit. Ein Mann und eine Frau. Aus verschiedenen Richtungen. Jeder auf seinem eigenen Weg.

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Was wichtig ist

erschließt sich

Jedem

der seine Seele

für sich

entdeckt

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

1

Erfahrungen macht man, hofft, dass man Erfahrener werde mit dem Alter, das ist falsch.

Es erfährt sich nur immer Neues, das hört nie auf.

Es ist wie ein Erdhügel, den man anhäuft, Schaufel um Schaufel, eine Grabarbeit, die einen ermüdet, erblinden lässt von den Tränen, die man weint.

Die Hände, die Arme, der ganze Körper ertaubt.

So vergeht die Zeit, die nichts anderes bildet als ein unfertiges Sein, das in einem Tod endet.

Da waren gute Jahre, da waren böse Jahre. Sie sind ununterscheidbar geworden wie in einem Strauß bunter Blumen, haben sich aufgelöst in ein Konzert duftender Farben.

Es war, es ist mein Leben.

Ich mochte niemals Blumensträuße haben.

Ich mochte ihnen nicht zusehen beim Verfall.

Ich mochte sie nicht auf den Kompost werfen.

Ich möchte noch einmal aufbrechen. Ich möchte noch einmal erleben, tief und intensiv erleben, noch einmal um mich schauend mich staunen sehen.

Vielleicht, dass sich dieses Mal eine neue Art der Erfüllung findet.

Ich bin nicht gewillt die Hoffnung aufzugeben, auch wenn ich keine großen Erwartungen mehr damit verbinde.

Von der Menschheit erwarte ich nichts, keine Utopien geistern mehr durch meinen Kopf.

Es wird sich nichts ändern. Es wird weitergehen bis zu einem zufälligen Ende.

Da der letzte Mensch mit einem Seufzer erwacht. Er dreht sich noch einmal zur Seite - und stirbt. Ein unspektakuläres Ende.

Nein, von der Menschheit wird nichts zu erwarten sein. Die Menschheit, das ist ja doch nur ein abstraktes Gebilde. Es ist der Einzelne, auf den es ankommt. Auf den ich mich immer verlassen kann, immer verlassen konnte.

Die einfachen Zufälle des Lebens sind es, Begegnungen, Worte.

Worte zu sprechen, das ist wie ein Akt der Bescheidenheit. Es braucht ja doch nicht viel den Mund zu bewegen, die Lippen, die Zähne in Gebrauch zu nehmen.

Es könnte ein Schrei entspringen. Ein Mensch, der um Hilfe ruft.

Es könnte sich um Worte handeln, die mit Absicht ins Unklare gestellt sind.

Jemand, der sich zu mystifizieren sucht.

Es könnten einfache Worte sein, eindeutige Worte. Ich liebe dich.

Und morgen bin ich auf der Autobahn und fahre in den Süden.

Menschen zu finden, Worte und Sätze.

Ich werde es versuchen.

Ich werde mich versuchen.

Und ich sage nicht: zum letzten Mal.

Auch wenn ich mich selbst nun der Mystifizierung zu beschuldigen habe.

2

Du denkst, es passiert etwas Neues. Nie Dagewesenes.

Du versprichst es dir jedenfalls.

Es kann doch nicht sein, dass es nichts Neues mehr für dich gibt.

Du begibst dich auf eine Reise.

Und erwartest eine Erkenntnis nach der anderen.

Hast du auch. Tatsächlich. Nur steckt ein Fehler darin.

Es ist kein Erkennen. Es ist ein Wiedererkennen.

Alles aufgewärmt. In groben Zügen alles schon mal gewesen.

Na, denkst du.

Wenn das alles ist.

Kann ich gleich zu Hause bleiben.

Und doch. Es kann nicht sein. Ich suche, muss erst die passenden Gedanken finden. Dann wird es möglich sein.

Das Niedagewesene.

Was soll ich dazu nur denken?

Ich weiß es nicht. Gut, dass es so ist.

Dann kann es nichts Aufgewärmtes sein.

Vielleicht denke ich besser gar nicht.

Und stürze mich unbedacht in etwas hinein.

Kann ja mal passieren, dass du auf den Teppich pieselst. Sag ich zum Hund. Und streichel ihn.

Kann ja mal passieren, dass du nicht nachdenkst, sag ich zu mir. Und bin mir nicht böse.

3

Für mich ist von jeher der Brenner die Wegscheide gewesen, die den Norden vom Süden trennt, die den Norden dem Süden zuführt, langsam hinabgleiten lässt. Man braucht nur die Räder rollen lassen. Von hier an bis zu den Limonen.

In zwei Stunden werde ich am Gardasee sein.

Dann beginnt das Abenteuer.

Sobald ich die Grenze passiert habe, lege ich eine Pause ein, rauche eine Zigarette, schaue hinunter ins Tal und lasse meine Gedanken schweifen.

Es sind ganz bestimmte Prüfensblicke, die ich aussende, keine Prüfungsblicke, wohlgemerkt, das fiele mir im Traum nicht ein, es ist mehr wie ein Schnuppern, ein Vorahnen dessen, was mich erwartet. Wenn man so will, wird hier ein Motiv gesetzt, das meine Reise begleiten soll.

Es liegt kein strenges Reglement darin. Ich kann die hier erstellte Vorlage jederzeit verwerfen, neuen Gegebenheiten anpassen.

Es ist nur so - einfach - eine Spielerei, ein Skizzenentwurf.

Es könnte jetzt Mendelssohns italienische Sinfonie erklingen, oder Beethovens fünftes Klavierkonzert, beides erschiene mir stimmig. Ich stelle es mir vor.

Und lasse meine Blicke schweifen. Die Gedanken folgen hinterher wie rauschende Wildbäche.

Es ist der Wilhelm Meister, an den ich denken muss, genauer gesagt die ersten Kapitel der Wanderjahre. Wo es in die Täler hinunter geht. Es wird dort nicht explizit zum Ausdruck gebracht, aber es ist doch ersichtlich, was gemeint war: Italien.

Ach, das silberne Licht des Südens!

Hier in den Bergen ist es mir noch niemals erschienen. Selbst wenn ich im Sommer hier stand, habe ich nur selten Sonnentage erlebt.

Meist war es trübe wie heute.

Die Wolken stehen tief, zum Greifen nahe.

Das Licht verkümmert sich. Was wenig verwundert. Es ist Herbst. Ich hatte sogar mit Schnee gerechnet.

Es ist aber, ich sagte es ja schon, weniger das Hier und Jetzt, das meine Gedanken bewegt, es ist die Erwartung. Und die ist immer eine andere. War immer eine andere, und ist heute eine sehr eigene, besondere, eine, auf die es mir ankommt, darum lasse ich mir mehr Zeit als gewöhnlich, trotz des schlechten Wetters.

Ich bin nicht geflohen. Nicht vor dem Wetter, nicht vor mir, auch vor den Menschen nicht.

Nicht einmal vor Heines langnasigen, sich schneuzenden Gesichtern daheim, an der Elbe.

Schöner Süden, deinen Himmel such ich.

Doch auch der ist ein anderer im Winter, ich weiß es gut genug, ich bin schon einmal im Winter hier gewesen, wenn auch nur auf zwei Wochen. Diesmal will ich bleiben.

Bleiben ...

Ja, doch. Zumindest den Winter über. Und solange meine Mittel reichen.

Ich bin alt und arm. Das ist eine Kombination, wie sie kläglicher nicht sein könnte.

Ersparnisse habe ich. Die gedenke ich während dieser Reise aufzubrauchen bis auf den letzten Cent. Ich werde an nichts sparen.

Dann kehre ich zurück zu meiner spärlichen Rente.

Und werde genug Zeit haben die langnasigen Gesichter zu betrachten, von denen ich selber eines bin.

Doch nun - fahre ich dem Frühling entgegen, wollte ich gerade sagen. Doch es ist ja der Herbst, und auch der kann sehr schön sein in Italien.

Und ich habe es mir ja auch genauso gewünscht. Herbst und Winter.

Und ich will es genießen. Darum geht es. Und um Entdeckungen, wie immer bei mir. Die Neugierde, die sich um jede kleinste Ecke noch krümmt.

Es wird vieles zu entdecken geben.

Auch mich selbst, füge ich hinzu. Denn auch für mich selbst möchte ich mir Zeit nehmen.

Vielleicht bin ich ja ein ganz anderer als ich denke. Ein Fünkchen Hoffnung besteht immer. Doch ich will nicht sarkastisch sein.

Den Sarkasmus werde ich gleich hier bei den Hörnern packen und in diesem überquellenden Müllcontainer entsorgen.

Und warum Italien?

Das ist eine gute Frage.

Ich werde sie mir beantworten, wenn ich am Gardasee bin.

4

Alle haben sie mir gesagt, ich solle nicht, ich könnte doch...

Ja, dachte ich dann, ihr hättet gerne, dass ich nicht wollen kann. Und ihr mich beratschlagen müsst.

Aber spart euch das. Ich mache nur noch das, was mir behagt.

Nicht wie früher: Wie du meinst, und scheint denn dafür auch die Sonne?

In manchen Dingen bin ich die Unfähigkeit.

Das weiß ich.

Doch bin ich auch die Sehnsucht nach dem Meer. Und darin bin ich groß.

Und nach dem See. Die Sehnsucht nach dem idyllischen Lago.

Wie lange sie anhalten wird, weiß ich nicht.

Bin gespannt.

Die andere Sehnsucht, die, nach dem Meer, hält sich jedenfalls seit Ewigkeiten.

Manchmal bin ich die träumende Erde.

Die ihre Keimlinge ausstößt. Die sich die Wege bahnt.

Ich weiß nicht. Bahnt sie sich oder anderen die Wege?

Ich bin die Wegbahnerin. War ich meistens.

Drängend. Bedrängt.

Eher Letzteres. Oder?

Ich weiß es nicht. Will es auch nicht wissen.

Momentan nicht. Da weiß ich gar nichts.

Auch von mir nur manches.

Das wird sich ändern. Wenn ich eine Weile in bella Italia bin.

Ich lasse mich anstecken. Von wem?

Gute Frage. Die kann ich nicht beantworten.

In der Erinnerung kam dieses Land gut weg.

So ist das. Mehr nicht.

Und die Italiener? Sie eher nicht. Zu glatt. Zu gesprächig. O sole mio.

Obwohl. Einer war dabei, der war nicht so.

Aber auch nicht so, wie ich ihn gerne gehabt hätte.

Das tut aber nichts zur Sache. Das läuft nur so mit.

Wenn, dann ja. Wenn nicht, dann nein.

Mittlerweile steh ich über solchen Dingen.

Früher war das anders. Da konnte ich nicht über Dingen stehen.

Ich rutschte aus, und lag mitten drin.

Fehlten nur noch die Wellen, die mich zuklatschten.

Und das Aufstehen. Meine Güte. Bis mir das überhaupt einfiel.

Da war ich meistens schon so tief hineingerutscht, dass es richtig schwierig war.

Irgendwie bekam ich es hin. Ich hab das, was neben dem 'irgendwie' übrig war, einfach verleugnet. Bin gut darin.

Ich kann es mir so gut erklären, dass ich überzeugt bin, dass der Himmel die Hölle ist.

Und das sitzt tief. Weil ich es mir überzeugend dargestellt habe.

Damit ist nun auch Schluss.

Weil ich mich entblößt habe.

Und das ist schwierig. Anfangs hab ich mich nur angeschielt.

Ach so. Es ist immer noch anfangs.

Und so ein Anfang kann sich ganz schön hinziehen.

Ich schiele also. Mal hierhin. Mal dahin.

Aber mich in erster Linie schiele ich an.

Das hab ich mir versprochen.

5

'Italiener singen durch die Nacht ...'

Ich sitze und warte aufs Essen, rauche und lese. Ein Insel-Bändchen. Italien im deutschen Gedicht.

Ein gewisser Albin Zollinger hat das geschrieben, ein Schweizer.

Was für ein Unsinn. Der typische Überschwang.

Natürlich singen Italiener in der Nacht.

Meinetwegen auch die ganze Nacht hindurch.

Doch nicht immer, und nicht überall. Auf jeden Fall nicht hier und nicht heute. Es ist alles ruhig.

Ein schönes kleines Hotel habe ich mir gefunden. Direkt am See. Ich habe es mir sehr genau ausgesucht, bin hin und hergefahren, bevor ich mich entschieden habe. Es war völlig problemlos. Ich werde wohl keine Schwierigkeiten haben überall und jederzeit etwas zu finden.

Ich habe einen kleinen Spaziergang gemacht und schließlich dieses Restaurant entdeckt.

Auch dieses direkt am See gelegen.

Als es dunkelte, begannen Fledermäuse ihre Kreise über dem See zu ziehen.

Die Nacht brach an, fest entschlossen, es sich in angenehmer Wärme häuslich zu machen.

Ich kann auf der Terrasse sitzen, die leichte Brise spüren, die von den Bergen herunterweht. Geradezu eine Erleichterung.

Die milden Temperaturen am Gardasee sind mir bekannt. Hier wird es erst im Dezember unangenehm werden, Minusgrade aber werden auch dann nur selten zu erwarten sein.

Aber was kümmern mich die hiesigen Klimaverhältnisse. Ich will in den Süden. Weiter und tiefer in den Süden.

Eine Katze streicht mir um die Füße. Ja, meine Liebe, du sollst deinen Teil bekommen. Wir müssen uns nur noch etwas gedulden.

Am gegenüberliegenden Ufer erhebt sich D'Annuncios Vittoriale. Erhebt sich. Das ist kein schlechter Ausdruck dafür. Man sollte wohl eher noch von Überhebung sprechen.

Ein Monument des Größenwahns.

Ob ich es wohl mal besuchen sollte?

Wahrscheinlich führt sogar eine Fähre hinüber.

Aber nein. Ich möchte mir den schönen See nicht verderben.

Ich werde diesen Palast auch diesmal nicht besuchen. Zu abschreckend sind die Fotos, die ich zuletzt noch gesehen habe.

Ich werde lieber eine kleine Wanderung unternehmen.

Nach Sirmione und den Grotten des Catull. Ja.

Das wäre schön.

Doch nun sollte ich mich meinem und dem Wohlbefinden meines kleinen Gastes widmen.

Eben, als ich das Essen bestellte, da fielen mir die rechten Worte nicht ein. Dabei hatte ich so fleißig gelernt.

Fleißig vielleicht, doch nicht effizient genug.

Ich habe es dann mehr schlecht als recht zusammengestottert.

Nun suche ich meinen Sprachführer und das Lehrbuch heraus um eine möglichst freundlich klingende Formulierung zu finden, warum die Katze meine Gesellschafterin beim Essen sein soll.

Ich bin mal gespannt, wie der Kellner reagiert, ob er die Katze überhaupt beachtet, und wenn, was er dazu sagt, und wie er auf meine einstudierte Erklärung reagiert.

Aller Wahrscheinlichkeit nach werde ich nichts verstehen. Aber das habe ich mir selber eingebrockt.

Natürlich würde er auch Deutsch sprechen.

Aber nun hatte ich mich einmal so entschieden, dann sollte es auch dabei bleiben. Das erforderte nicht nur die Höflichkeit sondern auch mein Pflichtgefühl.

Außerdem: je eher ich ins kalte Wasser springe, desto besser. Es war schon richtig so. Im Übrigen hatte der Kellner einen ausgesprochen freundlichen Eindruck gemacht.

Wer weiß? Vielleicht würde ich heute abend bereits etwas lernen können.

Ist ja gut, Fräulein. Du bist doch ein Fräulein?

Aber ja, daran kann kein Zweifel bestehen.

Gleich werden wir gefüttert werden. La gatta. Und der Tedesco.

6

Was haben sie die Augen gerollt. Hinter meinem Rücken. Die meisten.

Ein paar waren natürlich das Verständnis selbst.

"Also, ich versteh dich. Mach es ruhig. Wenn es dir nicht mehr passt, kommst du zurück.

Na, und? Du musst dich ja nicht rechtfertigen. Ich meine, das einzige, was du dir überlegen solltest. Was ist, wenn du krank wirst. Ich meine, nicht, dass nicht jeder in jedem Alter krank werden kann, das ist klar. Ich meine, in deinem Alter. Versteh mich richtig. Und sei bitte nicht beleidigt. Ich meine, ich versteh dich gut. Ich wollte es dir nur sagen, weißt du. Und du sprichst die Sprache nicht. Wer weiß, ob die da unten Deutsch verstehen. Je nachdem, wo du hinwillst. Wo willst du eigentlich hin?"

Amen!

Wo will ich denn eigentlich hin? Insgeheim ist es mir klar. Am liebsten Lago Maggiore.

Ja, gut. Ein wenig sentimental bin ich ja. Ich darf gar nicht sagen, dass ich nichts dagegen habe, fremde Menschen kennenzulernen.

Dann flippen sie alle aus.

Also erzähle ich ihnen von der Ruhe, die ich brauche. Die schöne Landschaft, die mich inspirieren soll. Die Wärme.

Von netten Marktfrauen erzähle ich ihnen.

Und wie ich mich für sie begeistere.

Weil sie es fertigbringen, neben der Produktion ihrer Waren, diese auch noch zu verkaufen.

Elvira habe ich augenzwinkernd erzählt, dass es auch supernette Marktmänner gibt.

Sozusagen.

"Bauern, meinst du! Ich fass es nicht. Wie kommst du denn auf Bauern?"

Ich wollte nicht auf Bauern kommen. Ich meinte Männer. So im allgemeinen.

Bloß nichts weiter zum Thema.

"Nein, Quatsch, hab ich nur so gesagt."

Vielsagender Augenaufschlag von Elvira.

Ich hab mir Bücher bestellt. Italienischer Sprachkurs. Mal sehen. Ein wenig muss sein.

Wenn ich alleine bin, ahme ich die Sprechweise nach.

Gut, dass mich keiner hört. Aber dieser Klang, gepaart mit einer Prise Theatralik!

Ich könnte mich kringeln vor Lachen. Es macht ungeheuren Spaß.

Natürlich stimmen höchstens drei Wörter.

Aber das macht nichts. Ich versteh mich ja.

Ich weiß, dass ich supergut darin bin, mir etwas vorzumachen.

Dieses Schönreden. Dieses nicht Wahrhaben wollen.

Mir kommen auch weniger griffige Gedanken in den Sinn.

Ich habe mich längst erraten. Ich habe über Ihn nachgedacht. Er ist mir nie gleichgültig gewesen. Und doch. Es reicht nicht. Ich weiß, wie er mich umarmen wird, wenn es soweit ist. Ich werde wegschauen, dass ich seine Blicke nicht mitnehme.

Sie würden mir zu schaffen machen.

Das will ich nicht.

Wie verzogen ich mir vorkomme.

Ich will dies. Ich will das. Das aber nicht. Auf keinen Fall.

So bin ich nie gewesen. Wäre ich gerne so gewesen? Nein.

Es hätte nicht gepasst. Nicht zu mir. Auch nicht zu dem Bild, das die anderen von mir haben.

Ach, ich lass es sein. Das Grübeln hat lang genug gedauert.

Neustart

7

Ich sitze unter einem Kuppeldach aus Sternen. Die Katze hatte mich ein Stück weit begleitet, dann ist sie ihrer Wege gegangen.

Ungebundenheit. Das ist das Recht, das sie sich uns Menschen gegenüber herausnehmen darf. Ich möchte bezweifeln, dass sie mit ihresgleichen ebenso verfahren würde.

So einfach dürfte es auch für Katzen nicht zu haben sein.

Die Ungebundenheit ist der kühne Traum, den die Gebundenen träumen.

Die wir alle Gebundene sind, auf die eine oder andere Weise.

Das ist jetzt keine glorreiche Erkenntnis, das ist einfach nur die Einsicht in unser Sein.

Eine Besonderheit aber gibt es.

Ich werde den Traum in Erfüllung gehen lassen.

Wenn auch nur auf Zeit.

Die Ungebundenheit gibt es nur auf Zeit.

Wäre es nicht so, hätte sie keine Bedeutung.

Niemand würde sie herbeisehnen wollen.

Es wäre wohl besser, wenn ich mir jetzt keine weiteren Gedanken darum machte.

Ich kenne mich. Ich würde nur noch mehr ins Grübeln geraten.

Ich könnte mir die Sternbilder abfragen.

Bei diesem klaren Himmel lohnte es sich.

Ich bin nie groß in Sternbildern gewesen.

Wann hat man in der Stadt auch schon einen halbwegs anständigen Sternenhimmel.

Höchstens auf Reisen.

Dann habe ich mir welche erfunden.

Das tue ich auch jetzt.

Diese Sterne da zum Beispiel. Die sehen doch aus wie der Kopf einer Kuh. Oder eines Stieres. Dicker Schädel. Dicke Hörner.

Na, so ein Sternbild gibt es doch.

Taurus, oder?

Aber dann sind es ganz andere Sterne als die, die ich meine.

Und wenn ich sie betrachte sehe ich ein Huhn. Oder eine Fledermaus.

Die Fledermaus ist mir aber nur eingefallen, weil ich mich frage, wo sie abgeblieben sind, die vielen, die vorhin auf den See hinaus flogen.

Möglicherweise sind sie noch dort. Üben sich in Flugmanövern.

Mit ihren ganz eigenen geometrischen Flügelschlägen, die mich an Tangramfiguren erinnern und sie so unbedingt von den Vögeln unterscheiden.

Wahrscheinlich sind sie in ihre Höhlen zurückgekehrt.

Oder sie sitzen über mir in den Bäumen.

Warten auf den frühen Morgen. Wenn die Insekten wieder fliegen.

Das ist ein Gedanke, der mich ein wenig schauern lässt. Tausende von Fledermäusen über mir.

Ich habe diesen Gedanken haben wollen.

Ich habe mir die Fledermäuse herbeigedacht. Nun sitzen sie da in den nachtdunklen Bäumen.