rom.das ist - lisi schuur - E-Book

rom.das ist E-Book

Lisi Schuur

0,0

Beschreibung

davor wie hast du die zeit verbracht wollte ich wissen wie deine kirchen den weihrauch verkraften die brücken am tiber ob sie noch tragen und ufer verbinden die sehnsucht wollte ich neu erfinden ob dein licht selbst ruinen schönleuchten kann pinienhaine friedhofskatzen die sieben hügel die zu dir gehören ob ewiges auch vergänglich sein kann alles das wollte ich wissen

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 70

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



davor

wie hast du die zeit verbracht

wollte ich wissen

wie deine kirchen

den weihrauch verkraften

die brücken am tiber

ob sie noch tragen und

ufer verbinden

die sehnsucht wollte ich

neu erfinden

ob dein licht selbst

ruinen schönleuchten kann

pinienhaine

friedhofskatzen

die sieben hügel

die zu dir gehören

ob ewiges auch

vergänglich sein kann

alles das wollte

ich wissen

dann beginnt sie. die reise nach rom. für uns, die spüren wollen, wie die stadt auf uns wirkt, die wir einmal in einem buch beschrieben haben.

jeder kennt sie vom hörensagen. die ewige stadt. wie muss man beschaffen sein, so benannt zu werden?

rom

anfänge einstiege annäherungen

rom

einmal mit frage einmal mit

ausrufungszeichen

rom: fraglos

rom: bedingungslos

ein oktobermorgen

einschwenken über den lago di bracciano

das thyrrenische meer

die küstenlinie von fregene, fiumicino

über die tragfläche geneigter blick auf eine

scheinbar unbewegte wasserfläche

türkis, marineblau, ein brauner

algenstreifen, buhnen, sand, strandbars,

keine menschen

der flughafen fiumicino:

eine geländefahrt, die gepäckausgabe,

ein smokingpoint, der weg zur bahnstation

notwendige übergänge, zielgerichtet

kaum haben wir die fahrkarten gekauft,

sind wir schon im zug, geht es los

die landschaft überfällt uns schlagartig

riesige palmen, meterhohe sumpfgräser,

bougainvilleen in verschwenderischer blüte

und doch gibt es kein erstaunen

aufnahme

gelesenes wird abgerufen, filme

zurückgespult

dort könnte die cabiria gelaufen sein, der

sternbald gerastet, der philipp fohr ein

hübsches mädchen gezeichnet haben

es geht schnell

der leonardo express braucht nur etwas über

eine halbe stunde

es gibt keinen aufenthalt

roma xi, portuense

vorstädte, mietskasernen

ockrig, sienafarben

und so ganz anderes als die plattenbauten

des nördlichen europas

paris, london, berlin, moskau

gleichviel,

und gleichermaßen kalt und uniform

wie dich dort das elend anspringt,

unverholen und wie ein pitbull aggressiv

bietet sich hier mühelos die gelegenheit

etwas glorie hinzuzudenken

das ist romantizismus, ich weiß

und ich weiß, dass es unverfroren, sehr

wahrscheinlich unangemessen ist

dennoch trage ich diesen abschnitt als

das elend und die glorie der vorstädte ein

pasolinis welt

die mir unbekannt bleiben wird

ich weiß, denn

meine welt, mein rom

wird das der touristen, der auswärtigen besucher sein

der transappeninischen barbaren

eine bezeichnung, eine kennzeichnung, die umberto eco für sich wählte

und wenn ich das aufgreifen wollte, was wollte ich dann für mich in anwendung bringen?

den transalpinischen?

selbst das wäre noch zu kurz gegriffen, denn was mich betrifft

geht es doch noch weit, sehr viel weiter darüber hinaus

aber, bitte

ist rom nicht selber schuld

hat rom uns nicht alle zu sich gerufen?

trastevere

das ist schon mittendrin

der bahnhof ist menschenleer

kulisse für einen menschenleeren film, der nichts weiter zeigt, als

das abblätternde, das sich in streifen

auflösende grauen der späten 70er jahre

nur ganz zum schluss, in der allerletzten

sequenz, schiebt sich für wenige sekunden

ein aktivist der brigate rosse ins bild

ein schwarz vermummter schemen, der in

den händen eine kalaschnikow trägt

mit der er alles zu klump schießt

vorüber, vorbei

wir überqueren den tiber

eine andere transzendenz, die alten

gemäuer, ruinen

die das gesichtsfeld bestimmen

die gleise fächern sich aus

roma termini

lebhaftes gewimmel auf den bahnsteigen

kurzes statement: ich liebe kopfbahnhöfe

die italienische sprache

die stimme der stationssprecherin

bologna, torino, genua

die namen, die sie ausruft, lassen mich

wohlig schaudern

draußen: wärmende sonnenstrahlen

noch mehr gewimmel

autos, busse, straßenbahnen

der geruch einer stadt

diese stadt duftet angenehm unstädtisch

diese stadt wärmt

diese stadt freundet sich mit mir an

ich habe es nicht anders erwartet

wir überqueren die piazza der 500 zur via

cavour hinüber

ecke principe amadeu

(wo wir unser hotel wissen, es ist nur noch

100 schritte entfernt)

lehnen wir unsere koffer an einen poller,

stecken uns eine zigarette an

dies könnte bereits ein genügen sein

hier stehen

und sich gleichzeitig treiben

von der flut aufnehmen lassen ...

der abstand beginnt sich aufzuheben

die zeit beginnt sich mit sich selbst zu

versöhnen

seit unserem abflug sind gerade erst drei stunden vergangen

es ist nicht die fremde einer tropischen

landschaft, die uns umfängt

das auge würde sich damit zurechtfinden

es ist die fremde eines tropischen

bewusstseins

wir könnten auf einem anderen planeten

gelandet sein

wir könnten andere geworden sein

spürbar ist aber nur ein kleines

benommenheitsgefühl

wir gehen weiter

buon giorno! begrüßt uns lächelnd die

kellnerin eines restaurants

an dem wir unsere koffer vorüberschieben

aber hallo!

buon giorno!

wir sind früh dran

werden freundlich empfangen

unser zimmer, das war uns aber schon vorher

bekannt, wird erst um ein uhr bereit sein

kein problem also, denn: es gibt ja die

dachterrasse

wir haben uns das hotel schließlich nicht von

ungefähr ausgesucht

wir lassen unsere koffer an der rezeption,

besteigen den fahrstuhl, fahren in die siebte

etage hinauf

dort findet sich die küche, dort sind die

frühstücksräume und

noch einige stufen weiter aufwärts

die dachterrasse

ah!

rom

so ganz anders

ein fragiles gebilde von kirchen und monumenten, die häuser, die dazwischen liegen, die sich um sie scharen, wie ein kitt, der sie zusammenhält, tragen rote schindeln, doch beinahe genauso häufig auch flache dächer, einige mit dachterrassen wie der unseren mit viel grün, in der mehrzahl sind es jedoch solche, auf denen nichts anderes als abluftschächte, gitterroste, antennen zu sehen sind, aufbauten, die zwar abweisend und unbelebt, jedoch nicht weniger malerisch erscheinen

der petersdom wirkt klein, sehr viel kleiner als ich vermutet hätte

dabei ist er gar nicht so weit entfernt

auch die innenstadt ist sehr viel kleiner als ich sie mir dachte

wirkt beinahe kleinstädtisch wenn nicht gar dörflich

nein, das stimmt nicht

weil es ja nicht stimmen kann

stimmt aber doch

es fehlen die hochhäuser

die hässlichkeiten

ein weiteres feststellen: rom ist eine nichthässliche stadt

(es gibt deren nicht viele, und die ich herzählen könnte, stehen rom

bevölkerungsmäßig um einiges nach)

während wir im schatten des großen sonnenschirmes sitzen

irgendwo dort draußen hört die sprache auf bilder bleiben, bilden sich aus

erweitern sich

ich lasse die sprache schweigen

mich schweigen

für ein ganzes schauen

fühlen

riechen auch

die olivenbäume der dachterrasse

tragen reiche früchte

die straße rauscht

spült sich herauf

ruft, lockt

durstig bin ich

trinken möchte ich

mich in die straßen hinein

am horizont

oder vielmehr: dort drüben

auf diesem hügel da

schimmert die villa medici

dahinter der park, die pinien, die büsten gefühle ...

eine stunde um

wir gehen unser zimmer in empfang zu nehmen

bekommen unser kärtchen

4 20 die nummer

gleichweit nach unten wie nach oben

das zimmer ist klein und gemütlich

wir halten ein schläfchen

das nun nötig war

das flugzeug bringt uns zum airport

fiumicino. das wetter ist vielversprechend.

sonne. 25 grad.

mit dem leonardo express zum bahnhof termini. von hier aus nur ein paar minuten bis zum hotel. diana roof garden.

der empfang ist freundlich. das einchecken beginnt erst um 13 uhr. also fahren wir mit dem aufzug in den siebten stock. die dachterrasse lockt. und sie ist wunderbar.

ringsum begrünt. ein türmchen auf dem tauben sitzen. nicht lange, sie halten unentwegt ausschau nach essensresten.

tische und stühle. polster auf gefliesten bänken.

von hier oben sieht man die stadt. die kuppel des petersdomes entdecken wir. erste fotos von rom werden gemacht.

satellitenschüsseln gibt es reichlich. die neuzeit hat sich auf alten dächern und masten eingerichtet.

ockerfarbene häuser. ockerfarben auch die wände unseres zimmers.

von dort aus haben wir die straße im blick.

via principe amedeo.

viele kleine geschäfte und restaurants.

mehrere hotels. touristen. touristen. die autos hupen. die motorroller antworten. der verkehr schiebt sich. hier möchte ich nicht auto fahren.

die klimaanlage surrt vor sich hin.

oberbetten gibt es nicht. im schrank sind decken. wir breiten sie auf den laken aus.

gegen drei machen wir uns auf den weg in die straßen

es ist schon so: rom ist die schönste stadt der welt

(bis hier, so weit)

komm, sagt die liebste

wir verkaufen alles und ziehen hier hin

ein guter gedanke

wenn ich bedenke

die straßen

den giardini nicola calipari

ein buntes gedränge

spielende kinder, blasmusik scheppert

was wir hier erleben ist der auftakt zu einer demonstration

teil des europaweiten aktionstages march against racism

und wenn das hier der einzige römische

beitrag sein sollte, ist das herzlich wenig

zwei, dreihundert teilnehmer, mehr werden es nicht sein

der italienische innenminister mag sie nicht,

die sich hier versammelt haben

zuwanderer aus afrika

wir setzen uns dazu und teilen uns das belegte brot, das wir unterwegs erworben haben

schinken und käse, würzig und dick geschnitten

sitzen unter hohen palmen

auf dem mäuerchen einer alten ruine die erde ist warm

dieser boden, diese steine