Jessica Bannister 42 - Mystery-Serie - Janet Farell - E-Book

Jessica Bannister 42 - Mystery-Serie E-Book

Janet Farell

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Beschreibung

Don Juan - der berühmte Liebhaber des Spaniens um 1500. Ein Draufgänger, ein Herzensbrecher, ein Mann, dessen Leidenschaft verzehrend war wie Lava.

Jessica Bannister trifft ihn, als ihr Geist plötzlich und unerwartet in den Körper einer jungen Frau schlüpft, die im Jahre 1530 in Sevilla lebte. Die arme Maria soll von ihrem Vater verheiratet werden - mit einem grausamen, viel älteren Mann, der viel älter ist als sie.

Doch Maria wendet sich an Don Juan, der alles tut, um sie zu retten - und sie lieben zu dürfen. Noch nie hat Jessica solch eine Leidenschaft erlebt.

Dann aber greift die schwarze Magie eines maurischen Zauberers nach den beiden, will sie in die Schlünde der Hölle reißen, und sie müssen kämpfen ...

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EPUB

Seitenzahl: 141

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Hauptpersonen

Ich liebte Don Juan

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Kiselev Andrey Valerevich; AntonMaltsev / shutterstock

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5813-1

www.bastei-entertainment.de

Die Hauptpersonen:

Jessica Bannister

Sie ist Reporterin beim London City Observer und auf mysteriöse Fälle spezialisiert. Sie hat übersinnliche Fähigkeiten, kann in Visionen und Träumen in die Vergangenheit reisen und die Zukunft voraussehen. So sah sie als Zwölfjährige auch den Tod ihrer Eltern voraus. Sie wuchs danach bei ihrer Großtante Beverly Gormic auf, bei der sie noch heute lebt.

Jim Brodie

Er ist Fotograf beim London City Observer. Als Jessica ihren Job bei der Zeitung antritt, steht er ihr sogleich mit Rat und Tat zur Seite, und es entwickelt sich schon bald eine enge Freundschaft zwischen den beiden. Wenn Jessica an einem Auftrag arbeitet, ist er fast immer als Fotograf an ihrer Seite.

Beverley Gormic

»Tante Bell« ist Jessicas Großtante. Nach dem Tod von Jessicas Eltern hat sie ihre Nichte bei sich aufgenommen und großgezogen. Jessica hat auch heute noch ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Ziehmutter. Beverly weiß über Jessicas übersinnliche Fähigkeiten Bescheid, sie selbst befasst sich intensiv mit Spiritismus und Okkultismus.

Martin T. Stone

Der Chefredakteur des London City Observer

Ich liebte Don Juan

von Janet Farell

Die Ausstellung über Don Juan Tenorio, den wohl berühmtesten Spanier aller Zeiten, fand im ersten Stock des altehrwürdigen Londoner Versteigerungshauses Sotheby’s statt. Es war Mitternacht. Ich sah mir gerade Don Juans angeblichen Degen an, als ich plötzlich spürte, dass jemand hinter mir stand.

Ich drehte mich um. Nur die Notbeleuchtung brannte, doch im Halbdunkel, zwischen den Ausstellungstischen, Säulen und Stellwänden erkannte ich trotzdem eine hochgewachsene Gestalt. Sie war in der Mode der Zeit um 1500 prächtig gekleidet.

Zunächst glaubte ich, Jim Brodie, der mit mir hergeschickt worden war, wollte mir einen Streich spielen, er hätte sich verkleidet. Aber dann wurde mir klar, dass ich ein echtes Gespenst vor mir hatte …

Die Gestalt näherte sich mir. Ich spürte ein Prickeln auf meinem Rücken, als ob ein eisiger Finger daran hochstreichen würde. Und ich spürte auch eine Ausstrahlung, die ganz eindeutig aus einer anderen Welt kam und die mir dennoch vertraut war.

Der Mann vor mir war nicht Jim Brodie.

Er bewegte sich anders, federnd, mit der Geschmeidigkeit eines Raubtiers. Braun gebrannt war sein Gesicht, männlich und gutgeschnitten. Er war groß, breitschultrig und schmalhüftig, einer der bestaussehenden Männer, die mir jemals begegnet waren.

Seine dunklen Augen strahlten mich an.

»Du bist es, Geliebte«, sprach er mit wohlklingender Stimme.

Ich verstand jedes Wort, hätte jedoch nicht sagen können, welcher Sprache er sich bediente.

»Du siehst anders aus, noch schöner und reizvoller, als ich dich in Erinnerung hatte. Endlich sehen wir uns wieder. Lang ist die Zeit in der Hölle gewesen. Doch mehr als alle Qualen schmerzte mich die Trennung von dir, mein Herz, oh, meine Sonne!«

Der Mann aus dem Jenseits verbeugte sich galant und küsste mir mit unnachahmlicher spanischer Grandezza die Hand. Seine Berührung war feurig und eiskalt zugleich. Seine Lippen brannten auf meiner Rechten, als ob ich an eine eiskalte Leitung mit achtzig Grad unter null gefasst hätte. Wie ein schwachelektrischer Schlag durchzuckte es meinen Körper.

Jetzt war mir ganz sicher. Vor mir stand der Geist Don Juans, des größten Liebhabers aller Zeiten, der mehr gewesen war als nur eine dichterische Erfindung und Bühnenfigur. Nein, Don Juan oder jedenfalls sein historisches Vorbild hatte wirklich gelebt.

Heftig pochte mein Herz, als ich in die strahlenden Augen schaute, die alles andere als unheimlich waren.

»Du kennst mich, Juan?«, fragte ich.

Der Geist lächelte strahlend.

Er sprach: »Endlich sehe ich dich wieder, Geliebte. Mein Herz schrie nach dir. Ich habe geschworen, aus den glühenden Feuern der Hölle zu kommen, um dir wieder zu begegnen. – Jetzt bist du da.«

Er breitete seine Arme aus. Der Duft eines männlich herben maurischen Parfüms ging von ihm aus.

Ich konnte nicht anders. Etwas Unbeschreibliches zog mich zu ihm hin, zu diesem Mann, dem größten Verführer, der jemals gelebt hatte.

Er verkörperte Gefahr und Romantik, männliche Stärke und glühende Leidenschaft, selbst jetzt noch, über vierhundertsechzig Jahre nach seinem Tod.

Er nahm mich in seine starken Arme, und ich schmolz dahin.

Don Juans Geist war durchaus stofflich, ich spürte seinen muskulösen, stattlichen Körper durch den Stoff seiner Kleidung.

Seine Lippen näherten sich meinen, und ich konnte und wollte auch nicht weichen.

Als wir uns küssten, durchrieselte es mich, obwohl seine Lippen kühl waren.

Im nächsten Moment verlor ich das Bewusstsein. Ich spürte keinen Schmerz, keinen Schock, nichts.

Ich war einfach weg …

***

»Jessica! Jessi, mein Herzblatt, was ist denn? Sag etwas. Bist du verletzt?«

Nur langsam erwachte ich aus der Ohnmacht. Jemand tätschelte meine Wangen. War es Don Juan, mein Liebhaber aus dem Jenseits, dessen Kuss mich noch immer verzehrte?

Doch als ich die Augen aufschlug, sah ich nur das prosaische Antlitz von Jim Brodie, Fotoreporter vom London City Observer, über mir.

Jim sah mich besorgt an.

»Ist alles okay, Jessica?«, fragte er.

Ich setzte mich auf, was mir auch gleich gelang.

»Es scheint so«, antwortete ich deshalb.

Ich hatte auf einer Ledercouch gelegen, befand mich noch immer in den holzgetäfelten Räumen von Sotheby’s, jedoch nicht mehr in der Don-Juan-Ausstellung.

Das Letzte, woran ich mich erinnerte, war Don Juans Kuss.

Neben Jim Brodie, der wie üblich seine alten ausgebeulten Jeans und Turnschuhe trug, stand ein älterer Mann. Die dunkelgraue Livree mit dem eingestickten Firmenzeichen Sotheby’s und die Namensplakette an seiner Brust wiesen ihn als Nachtwächter des Auktionshauses in der Bond Street aus.

Er hielt eine große Stabtaschenlampe in der Hand und hatte ein Walkie-Talkie am Gürtel und auch eine Pistole in einem geschlossenen Halfter.

Mir war nicht mal schwindlig. Ich hatte keine Verletzung, und nichts wies darauf hin, dass ich ein Erlebnis mit einem echten Gespenst gehabt hatte.

Jim Brodie atmete auf. Ich wusste, dass ihm jetzt ein zentnerschwerer Stein vom Herzen fiel. Zuvor hatte tiefe Sorge in seiner Stimme gelegen.

Ich wusste, dass er ein wenig verliebt in mich war. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass er bis vor Kurzem mit der jungen Susan Marriott zusammen gewesen war. Susan, die sich nach unserem grauenvollen Abenteuer auf der Burg Breeding Rock von ihm getrennt hatte.

Der Nachtwächter nannte mir seinen Namen und erklärte, dass er und Jim mich ohnmächtig in der Don-Juan-Ausstellung gefunden und in einen Ruheraum für das Personal getragen hatten. Dieser war einfach eingerichtet.

»Was ist passiert?«, fragte Jim, noch immer besorgt.

»Ich verlor plötzlich die Besinnung«, antwortete ich ausweichend.

»Haben Sie das Gespenst gesehen?«, fragte der dunkelhaarige, etwas beleibte Nachtwächter neugierig. »Don Juans Geist?«

Ich sah ihn an, äußerte mich aber nicht dazu. Ich wusste, dass schon andere Besucher der Ausstellung vor mir das Gespenst gesehen hatten.

»Ich glaube, wir sollten jetzt gehen«, sagte ich. »Vorher möchte ich jedoch noch mal einen kurzen Blick in die Don-Juan-Ausstellung werfen. Mein Chef ruft morgen bei Ihrer Geschäftsleitung an.«

Der Nachtwächter war enttäuscht. Er hatte gehofft, von mir Sensationelles zu hören.

»Dann sind Sie dem Gespenst doch nicht begegnet?«, fragte er.

Ich gab ihm darauf keine Antwort. Jim Brodie, der hinter dem Nachtwächter stand, tippte sich an die Stirn.

Ich stand auf und Jim und ich suchten die Don-Juan-Ausstellung noch einmal auf, die zwei Räume weiter lag.

Ein spanischer Millionär hatte sich Don Juan Tenorio als Objekt seiner Sammlerleidenschaft ausgewählt. Im Lauf vieler Jahre hatte er Stücke zusammengetragen, die tatsächlich einst dem historischen Don Juan gehört haben sollten oder die in einem engen Zusammenhang mit der erdichteten Figur standen. Was Dichtung und was Wahrheit war, konnte nach über 460 Jahren sowieso niemand mehr sagen.

Die Originalversion jener inzwischen weltliterarischen zwiespältigen Figur hatte Tirso de Molina entworfen. Dieser Mönch – gelebt hatte er von 1571 bis 1648 – war ein Vielschreiber gewesen, um die vierhundert Dramen verfasste er. Das Berühmteste davon handelte von dem Leben und Wirken des Don Juan Tenorio, eines ebenso stolzen wie skrupellosen und unwiderstehlichen Liebhabers. Als Letzterer sowie als Duellant und Spieler war Don Juan eine einsame Größe gewesen.

Ein erstklassiger Degenfechter musste er schon deshalb sein, weil jede Menge gehörnter Ehemänner sowie eifersüchtiger Verlobter, Verehrer und auch Verwandter hinter ihm her waren. Jedenfalls laut Tirso de Molina und allen anderen Dichtern, Operntextern und -komponisten, die sich mit seiner Person beschäftigt hatten.

Viele glauben, der Dramen schreibende Mönch Tirso de Molina habe sich seinerzeit den Don Juan ausgedacht, habe ihn sich aus verschiedenen Personen zusammenkonstruiert oder aus älteren literarischen Quellen geschöpft. Jener Sammler aber war fest davon überzeugt gewesen, dass tatsächlich ein solcher Mann einst in Sevilla gelebt hatte, und dieser Sammler – Pablo Galdóz war sein Name gewesen – hatte viel Mühe darauf verwendet, die Hinterlassenschaften jenes Mannes aufzuspüren und zu erwerben.

Das war sehr schwierig, es gab jede Menge Falsifikate und Kitsch.

Doch Galdóz hatte seine selbstgestellte Aufgabe mit Bravour gemeistert. Außer den persönlichen Besitztümern jenes Don Juan – ob sie nun alle echt waren oder nicht – hatte er noch einiges andere erworben. Zum Beispiel Gemälde, die entweder Don Juan oder Szenen zeigten, in denen er auftrat. Oder Originalhandschriften von Dichtungen und Bühnenstücken, in denen der Don-Juan-Stoff bearbeitet worden war.

Im Alter von 85 Jahren war der leidenschaftliche Sammler Pablo Galdóz dann eines natürlichen Todes gestorben.

Seine letzten Worte waren, wie ich recherchiert hatte: Oh, Don Juan, weshalb kann ich nicht so wie du enden?

Das war nun ein starkes Stück und zeugte von Galdóz’ Besessenheit für sein Idol. Bei Tirso de Molina und fast allen anderen Stückeschreibern und Textern endete das Leben des Don Juan nämlich nach einem grauenvollen nächtlichen Gastmahl in einer Gruft auf einem Friedhof. Die steinerne Statue eins seiner Opfer hatte ihm Schlangen und Skorpione vorgesetzt, danach hatte der steinerne Gastgeber Don Juan bei der Hand gefasst und hinab in die Hölle gerissen.

In Tirso de Molinas Drama hätte Don Juan durchaus dem Verhängnis entgehen können, doch er war viel zu stolz, zu zynisch und zu unbußfertig gewesen, um sich zurückzuziehen.

Dazu fiel mir ein spanisches Sprichwort ein, das gut zu Don Juan und dem spanischen Nationalcharakter passte: Nimm, was du haben willst, aber zahle dafür, so sagt Gott.

Das bekannteste spätere Stück über Don Juan, von Zorilla, 1844 uraufgeführt, gedachte dem Schürzenjäger ein versöhnlicheres Ende zu. Bei Zorilla war Don Juan ebenfalls ein über alle Maße hinausgehender Schurke. Innerhalb eines Jahres hatte er über dreißig Männer im Duell umgebracht und noch mehr Frauen verführt.

Doch letztendlich erlöste ihn dann im Zorilla-Stück die Liebe der Doña Inés. Durch sie entkam er der Hölle und fuhr an ihrer Seite gen Himmel auf.

Ich hatte mich ordentlich informiert, ehe ich zu meiner Reportage aufgebrochen war. Ich persönlich fand die Rolle der Doña Inés nicht sehr emanzipiert. Jedenfalls hätte ich, Jessica Bannister, wenn Don Juan mit mir so umgesprungen wäre, ihn zur Hölle fahren lassen, statt mich noch einmal mit ihm abzugeben, egal ob lebend oder tot.

Doch zurück zu der Sammlung des Pablo Galdóz. Nach dessen Tod wollten seine Erben die Sammlung verkaufen. Um den größtmöglichen Gewinn zu erzielen, gaben sie die Sammlung nach London ins Versteigerungshaus Sotheby’s. Dort sollten die Stücke zunächst vierzehn Tage lang ausgestellt werden. Gegen Eintritt konnte sie jeder, der sich dafür interessierte, besichtigen.

Normalerweise war die Besichtigungszeit für Versteigerungsstücke viel kürzer, doch bei Don Juan hatte die Direktion des Versteigerungshauses eine Ausnahme gemacht.

Schon bald nach Eröffnung der Ausstellung gab es Gerüchte, Don Juans Geist wäre in den Räumen von Sotheby’s gesehen worden. Sogar tagsüber sollte er aufgetaucht sein.

Übernatürliche Phänomene und Übersinnliches waren meine Domäne. Um festzustellen, was an den Spukgeschichten dran war und eine spannende Reportage daraus zu machen, hatte Martin T. Stone, mein Chefredakteur, den Fotografen Jim Brodie und mich hierhergeschickt.

Die Geschäftsleitung von Sotheby’s erklärte sich wegen der guten Verbindungen des Observer dazu bereit, Jim und mich die Nacht hier verbringen zu lassen.

Erst war nichts passiert. Ich hatte mir die Don-Juan-Sammlung angeschaut. Meine Intuition, die mir sonst übernatürliches Wirken anzeigte, hatte sich nicht geregt. Ich war schon der Meinung gewesen, wir würden uns die Nacht umsonst um die Ohren schlagen und ich müsste mir einen Bericht über den Spuk aus den Fingern saugen.

Dann war zur Mitternacht doch noch Don Juan oder vielmehr sein Geist aufgetaucht, als ich mich allein in dem Ausstellungsraum aufhielt.

Daran dachte ich jetzt, als wir den Ausstellungsraum wieder betraten. Ich schickte den Nachtwächter weg, um mich ungestört mit Jim Brodie unterhalten zu können.

Ich fasste Jim am Ärmel.

»Wo warst du vorhin eigentlich?«

»Das ist sehr seltsam gewesen«, antwortete Jim und wuselte sich in seinem wie immer ungekämmt wirkenden Haar. »Ich war mal kurz draußen auf dem Korridor. Da spürte ich einen kalten Hauch. Die ohnehin schwache Notbeleuchtung erlosch nahezu. Dann berührte eine eisige Hand meinen Nacken.«

»Bist du sicher, dass es eine Hand gewesen ist?«, fragte ich.

»Es fühlte sich jedenfalls so an, und ich verlor sofort das Bewusstsein. Zwanzig Minuten später erwachte ich wieder. Das weiß ich deshalb so genau, weil ich kurz vor der Ohnmacht auf die Uhr im Korridor sah und gleich nach dem Erwachen auf meine Armbanduhr. Ich stand sofort auf und suchte dich. Du lagst bewusstlos am Boden.«

»Und dann?«

»Ich rief den Nachtwächter, und wir trugen dich nach nebenan. Den Rest weißt du. Was ist eigentlich passiert? Normalerweise fällst du nicht so einfach in Ohnmacht.«

»Ich weiß es nicht, Jim«, sagte ich. »Nicht genau …«

Spukte es wirklich bei Sotheby’s? Hatte ich wirklich Don Juans Geist geküsst und war in seiner Umarmung in Ohnmacht gefallen?

***

Jetzt regte sich meine Intuition. Ich spürte, als ich neben Jim Brodie im schwach erleuchteten Ausstellungsraum stand, ein übernatürliches Fluidum.

Jemandem, der es nicht selbst kennt, kann man es schlecht beschreiben. Ebenso wenig wie einem Blinden eine Farbe.

Ich hatte einen sechsten Sinn, öfter Vorahnungen, auch Wach- und Wahrträume – Visionen, die mich immer wieder heimsuchten.

Jetzt spürte ich, dass in dem Raum etwas war, ein Geist vielleicht, eine besondere Aura.

Ich spürte, dass etwas da war.

Gedankenverloren trat ich vor ein lebensgroßes Ölgemälde aus dem Jahr 1588. Es hatte einen reichverzierten vergoldeten Rahmen. Nach dem Ausstellungskatalog hatte ein Sevillaner Maler es gemalt. Ich sah den Mann auf dem Bild an.

Er sah genauso aus wie jener, der mir erschienen war und der mich geküsst hatte.

Mein Herz klopfte wieder heftig. Eine Gänsehaut überlief mich. Bildete ich es mir nur ein, oder hörte ich ein leises, zärtliches Raunen im Ohr und spürte einen Lufthauch, als ob Geisterhände mir über den Hals und die Wange fahren würden?

Ich machte einen Schritt rückwärts, von dem Gemälde weg.

Treten Sie mir nicht zu nahe, Don Juan Tenorio, dachte ich. Ich bin keine Doña Ines, noch sonst eine leichte Beute für Sie. Also lassen Sie mich in Ruhe!

Da vernahm ich ein Wispern. Ich konzentrierte mich.

Und ich glaubte eine leise Stimme zu hören, die aus dem Bild zu kommen schien: »Hilf mir! Erlöse mich!«

Die Worte, die zuvor der Geist des Don Juan zu mir gesprochen hatte, fielen mir wieder ein.

Mein Herz schrie nach dir. Ich habe geschworen, aus den glühenden Feuern der Hölle werde ich kommen, dir wieder zu begegnen …

Eigenartig berührt sah ich zu der Stelle, wo Don Juan mich umarmt und geküsst hatte. Dort hatte ich gelegen.

Nun, ich hatte schon einige Erfahrungen mit Spuk und übernatürlichen Phänomenen gemacht. Doch dass der Geist eines Herzensbrechers nach Jahrhunderten aus der Hölle zurück auf die Erde kam, weil es hier eine Sterbliche namens Jessica Bannister gab, die ihm zu gut gefiel, das konnte ich nicht glauben.

Leicht verwirrt wandte ich mich ab. Jetzt wollte ich erst mal nach Hause, zu meiner Großtante Beverly in die alte Gormic-Villa. Ich wollte meine Gedanken sortieren und mich mit Tante Bell beraten, in deren Haus ich noch immer wohnte.

Nach dem frühen Tod meiner Eltern hatte sie mich wie ihre eigene Tochter aufgezogen, und sie war es auch gewesen, die meine paranormale Gabe, von der sonst niemand etwas wusste, erkannt hatte.

Kein Wunder, denn Tante Bell interessierte sich brennend für alles, was mit dem Übersinnlichen zu tun hatte. Ihre Villa war vollgestopft mit allem möglichem Krimskrams aus der Welt des Okkulten.

Dazu kamen noch die vielen Hinterlassenschaften längst untergegangener Kulturen, die ihr bei einer Forschungsreise verschollener Mann, der Archäologe Franklin Gormic, angehäuft hatte und die Tante Bell in ihrer Villa ausstellte, sodass das alte Haus von innen einem Gruselkabinett glich.

Aber ich hatte mich längst daran gewöhnt und war dort zu Hause. Auch jetzt noch, da ich inzwischen Mitte zwanzig und eine selbstbewusste junge Frau war.

Jim und ich wandten uns nun an den Nachtwächter und baten ihn, uns hinauszulassen. In der Garderobe im Foyer holte ich meinen Mantel. Der Nachtwächter sperrte den Seiteneingang auf.