Jessica Bannister 44 - Mystery-Serie - Janet Farell - E-Book

Jessica Bannister 44 - Mystery-Serie E-Book

Janet Farell

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Beschreibung

Es ist der wohl verrückteste Auftrag, den ihr der Chefredakteur Martin T. Stone jemals erteilt hat: Jessica Bannister soll nach Rovaniemi reisen, in den Norden Finnlands, um dort ein Interview zu führen - mit dem Weihnachtsmann!

Jessica ist nicht gerade begeistert von der Sache, doch alles kommt ganz anders, als es geplant war. Jessica durchlebt eine Odyssee quer durch Skandinavien, wo in der Winterzeit die ewige Nacht herrscht, weil die Sonne einfach nicht aufgeht, wo Eis und Kälte die Natur zum Erstarren bringen und das Leben hart und entbehrungsreich ist.

Jessica entdeckt die Wunder dieser Eislandschaften, trifft auf Geister, die dort durch die ewige Nacht wandeln - und enthüllt ein schreckliches Verbrechen und bringt sich damit in höchste Lebensgefahr ...

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EPUB

Seitenzahl: 140

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Hauptpersonen

Die ewige Nacht

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: olbor62 / shutterstock

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-6004-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Die Hauptpersonen:

Jessica Bannister

Sie ist Reporterin beim London City Observer und auf mysteriöse Fälle spezialisiert. Sie hat übersinnliche Fähigkeiten, kann in Visionen und Träumen in die Vergangenheit reisen und die Zukunft voraussehen. So sah sie als Zwölfjährige auch den Tod ihrer Eltern voraus. Sie wuchs danach bei ihrer Großtante Beverly Gormic auf, bei der sie noch heute lebt.

Jim Brodie

Er ist Fotograf beim London City Observer. Als Jessica ihren Job bei der Zeitung antritt, steht er ihr sogleich mit Rat und Tat zur Seite, und es entwickelt sich schon bald eine enge Freundschaft zwischen den beiden. Wenn Jessica an einem Auftrag arbeitet, ist er fast immer als Fotograf an ihrer Seite.

Beverley Gormic

»Tante Bell« ist Jessicas Großtante. Nach dem Tod von Jessicas Eltern hat sie ihre Nichte bei sich aufgenommen und großgezogen. Jessica hat auch heute noch ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Ziehmutter. Beverly weiß über Jessicas übersinnliche Fähigkeiten Bescheid, sie selbst befasst sich intensiv mit Spiritismus und Okkultismus.

Martin T. Stone

Der Chefredakteur des London City Observer

Die ewige Nacht

von Janet Farell

Eine weiße Finsternis umfing mich … falls es so etwas gibt.

Eine kalte weiße Finsternis, die mit eisigen Fingern unter meine Kleidung griff, über meinen Körper tastete, ihm erbarmungslos seine Energie entzog. Ich zitterte am ganzen Leib.

Ganz schlimm wurde es, wenn der Wind plötzlich auffrischte, mir fauchend entgegenpeitschte. Dann wagte ich kaum einzuatmen, und die kleinen Schnee- und Eisstücke stachen wie tausend kleine Nadeln in mein Gesicht.

Immerhin spürte ich sie wenigstens noch, die Nadelstiche.

Ansonsten war mein Körper taub. Vor Erschöpfung fühlte ich ihn nicht mehr. Und ich war fast dankbar dafür, denn so bekam ich die mörderische Kälte nicht mehr voll mit, die um mich herum herrschte.

Ja, dankbar war ich dafür.

Dankbar – wem auch immer. Denn ich fühlte mich wie das einzige Wesen auf dieser Welt. Einsam, verlassen, verloren …

Seit Stunden stapfte ich nun schon durch diese Schnee- und Eiswüste. Ohne zu wissen, wo ich war. Und kurz davor zu vergessen, wer ich war. Der letzte Mensch unter dem flackernden Zwielicht eines fremden Himmels.

Zwar sagte mir mein Verstand, dass dieses seltsame Leuchten nur ein Nordlicht war, aber der dunkle Winterhimmel machte mir Angst mit diesem fremdartigen Licht, das aussah wie ein fluoreszierender dünner Vorhang, hinter dem eine jenseitige Welt verborgen liegt. Jeden Augenblick konnte der schimmernde Vorhang reißen und die dahinterliegende Finsternis auf mich herabstürzen und mich verschlucken.

Der Schnee reichte mir fast bis an die Knie. Ich quälte meinen geschundenen Körper. Ich trieb ihn an, mich vorwärts zu tragen, weg von hier, irgendwohin. Egal wohin, ganz egal. Und sei es in mein eigenes Grab. Mein kaltes Grab in der Eiswüste.

Ich lachte bitter auf und erschrak bei dem Geräusch.

Ich redete mit mir selbst, musste mich bei jedem mühsamen Schritt erneut davon überzeugen, dass es überhaupt noch einen Sinn machte, weiterzugehen. Meine Beine wollten einfach nicht mehr.

Gleichzeitig versuchte mein Körper mich davon zu überzeugen, dass nichts mehr einen Sinn machte, dass alles, was ich wollte, Schlaf war. Tiefer Schlaf. So kämpfte ich gegen mich selbst.

Ich verlor den Kampf. Stürzte. Wollte mich wieder aufrichten – und schaffte es nicht.

Gut, sagte ich mir. Eine Minute. Aber dann musst du wieder aufstehen. Nur eine Minute. Nicht länger.

Ich schaffte es. Ein letztes Mal konnte ich meinen Körper dazu überreden, sich zu erheben. Ich taumelte vorwärts. Meine Beine waren schwer wie Blei. Der Wind blies erbarmungslos, und die Eisstückchen stachen wieder in mein Gesicht.

Als ich das nächste Mal fiel, wusste ich, dass es gleichzeitig auch das letzte Mal sein würde. Noch einmal würde ich den unmenschlichen Kraftakt, mich zu erheben, nicht mehr schaffen. Ich würde einfach hier liegenbleiben. Schlafen.

Ein Schatten lag neben mir. Ich streckte einen Arm nach ihm aus. Es war ein Mann. Sein dichter Bart war mit Eiskristallen durchsetzt, und seine kalte Haut war hart wie Stein.

Er war tot.

Ich musste lächeln. Ich war doch nicht allein. Es stirbt sich leichter, wenn man nicht allein ist.

Plötzlich geschah es!

Was war das?

Ein schwaches grünes Licht flackerte vor meinen Augen auf, ein sanft leuchtender Schimmer, so als wäre ein kleiner Teil des Nordlichts vom Himmel zu mir herabgefallen. Es tanzte vor mir auf und nieder.

Ich starrte das Licht an, wollte danach greifen, aber es wich mir aus. Dann blieb es wieder stehen und lockte mich.

Ich wollte doch noch gar nicht sterben!

Es war, als würde das kleine grüne Licht mich ansehen, als würde es auf mich warten. Ich beobachtete es, ließ es nicht aus den Augen. Es wollte ganz sicher, dass ich ihm folgte.

Ich will … nicht …

… sterben …

Ich will … ich …

Ich schlug die Augen auf – und stellte fest, dass ich in meinem Bett lag, gebadet in kaltem Schweiß, vor Anspannung total verkrampft.

Ich hatte geträumt – nur geträumt, sagte ich mir.

Etwa eine Minute lang lauschte ich meinem Herzschlag, wie er sich langsam beruhigte, dann schwang ich die Beine aus dem Bett, atmete einmal tief durch und stand auf.

Ich zog mir einen Morgenmantel über, zündete eine Kerze an und verließ mein Zimmer.

Ich wollte im Haus kein Licht machen, um meine Großtante Beverly nicht zu stören, die in ihren Gemächern im Erdgeschoß lag.

Mein eigener übergroßer Schatten folgte mir. Mit der Kerze in der Hand ging ich den Flur entlang und die knarrenden Dielen der alten Holztreppe hinunter.

In der Küche war Licht.

Ich ging auf Zehenspitzen, bemühte mich leise zu sein. Und achtete nicht auf die furchterregenden Fratzen, die mich von den Wänden her anstarrten. Ihre traurigen Blicke verfolgten mich, sie schienen zu bedauern, dass sie ihr Schattenreich nicht verlassen konnten, um mich zu ergreifen, und so blieb ihnen nichts weiter übrig, als mich anzustarren.

Tante Bell hatte am Abend vorher wieder einmal ein paar neue Dämonenmasken in der Eingangshalle aufgehängt.

Sie hatte ein ausgesprochenes Faible für Okkultismus und Spiritismus und alles Übersinnliche, und das ist noch stark untertrieben. Deshalb fand ich es auch überhaupt nicht merkwürdig, sie mitten in der Nacht in der Küche vorzufinden, über eines ihrer alten Bücher gebeugt, umgeben von einem Dutzend hoher, schlanker Kerzen, die ihr warmes Licht auf den gebeugten Rücken meiner Großtante warfen.

Ich wollte sie nicht erschrecken und räusperte mich, um sie auf mich aufmerksam zu machen. Natürlich erschrak sie trotzdem.

»Jessi!«, rief sie aus. »Was machst du um diese Zeit in der Küche?«

»Ich … ich bin aufgewacht«, sagte ich. »Und du? Was hast du hier zu suchen?«

Sie schlug das Buch zu und verdeckte es mit ihrem Körper. »Ich wollte mir nur ein Glas Wasser holen«, meinte sie harmlos.

»Ach ja«, sagte ich und trat ein paar Schritte näher. »Deshalb auch die Festbeleuchtung. Zeig doch mal, was liest du denn da?«

Sie zögerte, aber dann hielt sie mir mit einem Strahlen in ihren wasserblauen Augen das Buch hin. Sie konnte ihre Freude über das Werk kaum verbergen.

Das Buch war alt. Das Leder, in das es gebunden war, trug die Spuren der Zeit – es war fleckig und verkratzt, und an den Rändern hatte es Risse. Das Papier war vergilbt und abgegriffen, und die Seiten standen unregelmäßig aus dem zugeklappten Buch hervor.

Die Lehre Udgards. Über Zauberey und Heilkunst der Alten Hexen von Mittelland stand in geschwungenen gotischen Buchstaben auf dem Einband.

»Weißt du, wie lange ich nach diesem Buch gesucht habe?«, fragte mich Tante Bell.

»Nein«, sagte ich. Ich ging an den Küchenschrank, einer unschätzbaren Antiquität – wie die meisten Dinge in der Villa –, und holte mir ein Glas heraus.

Tante Bell strahlte. »Ich wusste, dass es hier irgendwo im Haus sein musste. Und vor ein paar Tagen habe ich es gefunden, oben auf dem Speicher. Es muss vor Jahren bei Franklins Sachen gelandet sein, ich weiß nicht wie. Und jetzt habe ich es endlich wieder!«

»Wie schön«, meinte ich. »Und ganz nebenbei hast du beim Herumstöbern auch diese scheußlichen Masken gefunden und musstest sie natürlich sofort aufhängen.«

Tante Bell lächelte mich an. »Sind sie nicht umwerfend? Franklin hat sie irgendwann aus Sibirien mitgebracht. Sie sind uralt und verfügen über magische Kräfte. Leider fehlt eine, sonst könnten fünf Schamanen die Masken nutzen, um einen Sturm der Elemente herbeizuführen.«

»Schon gut, Tante Bell.« Ich war an den Kühlschrank gegangen und hatte mir ein Glas Saft eingegossen.

»Du glaubst mir natürlich nicht.«

Ich gab ihr keine Antwort, setzte mich ihr gegenüber an den Tisch und zog das Buch, in dem sie gelesen hatte, zu mir herüber. Ich wollte noch einmal den Titel betrachten.

»Vorsichtig, Jessi, das Buch ist alt!«, rief Tante Bell aus und nahm mir das Buch wieder weg. »Man darf es nur ganz sachte anfassen, sonst zerreißt das Papier.«

Sorgsam blätterte sie die Seiten um. Für sie war dieses Buch ein Schatz, einer von unzähligen Schätzen, mit denen zusammen sie ihr Leben in der Villa verbrachte. Mein Großonkel Franklin Gormic hatte ihr all den Plunder hinterlassen, vor dem das Haus schier aus den Nähten zu platzen drohte. Der Speicher war wie ein Füllhorn, das unendliche Mengen magischer Utensilien und okkulten Zubehörs ausspucken konnte.

»Sieh mal«, sagte Tante Bell und wies mich auf ein Kapitel des Hexenbuchs hin. »Das sollte dich interessieren. Die Alten hatten ein besonderes System bei der Deutung visionärer Träume.«

»Du meinst, das sollte ich lesen, damit ich in Zukunft vielleicht auch noch die Zauberei erlerne?«, fragte ich.

Die Skepsis in meiner Stimme konnte ihr nicht entgangen sein.

»Es ist äußerst interessant«, meinte sie jedoch ungerührt, setzte ihre Lesebrille auf und fuhr mit dem Finger über die Seite. »Einen Moment …« Anscheinend suchte sie nach einer bestimmten Stelle im Text.

Tante Bell war die einzige Person auf der Welt, die von meiner besonderen Fähigkeit wusste. Ich hatte hellseherische Kräfte. Manchmal wurde ich von Visionen heimgesucht.

Ich hatte mit meiner Begabung – oder meinem Fluch? – zu leben gelernt, und einige Male war mir das zusätzliche Wissen, das mir meine Träume brachten, sehr von Nutzen gewesen. Trotzdem war es jedes Mal wieder erschreckend, wenn ich von einer hereinbrechenden Vision überrascht wurde.

Jetzt dachte ich auch wieder an die Schnee- und Eiswüste, die ich in meinem Traum durchquert hatte. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter, als ich den erfrorenen Mann wieder vor mir sah.

»Sag mal, Tante Bell«, fragte ich vorsichtig, »steht da auch drin, was es bedeutet, wenn man von einer Schneelandschaft träumt?«

»Was hast du geträumt?!«

»Nichts Besonderes«, beruhigte ich sie schnell. »Es war nicht einer jener Träume, Tante Bell. Ich habe nur etwas … gesucht, und dabei musste ich durch eine Winterlandschaft gehen.«

»Tag oder Nacht?«

»Nacht.«

Wenn man Tante Bells uneingeschränkte Aufmerksamkeit gewinnen wollte, dann brauchte man nur ansatzweise etwas zu erwähnen, das vielleicht mit übersinnlichen Phänomenen zu tun haben könnte. Sie wurde dann immer ganz aufgeregt und hatte schon tausend mögliche Erklärungen parat, bevor man überhaupt zum Ende gekommen war.

Ich beschloss, ihr nichts zu erzählen. Sie machte sich sonst doch nur Sorgen.

»Was kam noch in deinem Traum vor?«, wollte sie wissen.

»Nichts weiter«, lenkte ich ab. »Nur diese Winterlandschaft und ich auf der Suche.«

»Sonst nichts?« Tante Bell sah mich enttäuscht an. »Keine anderen Personen? Gegenstände? Oder irgendein Hinweis auf den Ort? Wo warst du, Jessi?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Im Schnee. Es war Winter und sehr kalt.«

»Könnte es sein, dass du den Ort von irgendwoher kennst?«, bohrte Tante Bell weiter. »Aus deiner Vergangenheit oder aus einem anderen Leben? Oder lag er in der Zukunft?«

Sie ließ einfach nicht locker.

»Ich habe dir alles gesagt«, meinte ich. »Also, was ist jetzt? Was sagen die Alten Hexen Mittellands zu diesem Fall?«

Tante Bell blickte mich beleidigt an.

»Dass du gefühlskalt bist.«

»Oh.«

»Der Frost hat sich über dich gelegt«, erklärte sie mir streng. »Wenn es in deinem Traum keinen Hinweis auf ein Feuer gegeben hat oder irgendwelche dir befreundeten Menschen, dann steckst du in Schwierigkeiten. Oder gerätst in Gefahr. Deine Seele erfriert.«

»Meine Seele erfriert?«

»Ganz recht, Jessi. Es sei denn, du unternimmst etwas dagegen.« Sie sah bittend zu mir auf. »Nun komm schon, willst du deiner alten Tante den Traum nicht etwas genauer erzählen?«

»Meiner alten Hexe, meinst du wohl«, neckte ich sie. Dann legte ich meine Hand auf die ihre. »Nein, Tante Bell, ich bin mir sicher, dass es ein ganz gewöhnlicher Traum war. Nichts, woran es etwas zu deuten gäbe.«

»Wie kannst du das wissen?« Sie hielt meine Hand fest. »Ich bin die Spezialistin, vergiss das nicht!«

Ich lächelte sie an. »Ich bin mir ganz sicher, es war nur ein ganz gewöhnlicher Traum, Tante Bell. So viel Schnee gibt es in England überhaupt nicht.«

Mit diesen Worten trank ich meinen Saft aus und überließ Tante Bell wieder ihrer Lektüre.

Ich ging nach oben und legte mich in mein Bett. Ich hatte einen anstrengenden Tag vor mir und wollte ausgeruht sein.

Ich schlief rasch wieder ein.

***

Ein Winter in London ist keine sehr angenehme Sache. Es ist kalt, feucht und grau. Zumeist regnet es, und wenn es mal schneit, dann bleibt nur Schneematsch zurück.

Ich steuerte meinen alten, kirschroten Mercedes 190 Cabrio mit zugeklapptem Verdeck durch die Straßen der City, und obwohl es erst kurz vor Weihnachten war, sehnte ich bereits den Frühling herbei.

Gleichzeitig musste ich mir eingestehen, dass die Stadt bei diesem Wetter auch ihren Reiz hatte. Der Asphalt glänzte im Nieselregen, und die nebelverhangenen Gebäude sahen allesamt aus wie alte Spukschlösser. Überall waren Lichter, und die Straßen waren voller Leute, die ihre Weihnachtseinkäufe tätigten. Mit Geschenken bepackt, bevölkerten sie die City, und trotz all der Hektik, die für London typisch ist, war noch etwas zu spüren vom weihnachtlichen Geist. Die Menschen rückten näher zusammen.

Ich fand einen Parkplatz in der Lupus Street, stieg aus und begab mich zum Haus Nummer 25. LONDON CITY OBSERVER stand in großen roten Leuchtbuchstaben an der Fassade des Hauses.

Es war noch nicht allzu lange her, dass ich hier als blutjunge Journalistin meine Stelle angetreten hatte. Inzwischen betrachtete ich das alte braune Backsteingebäude mit seinen wulstigen Simsen und Erkern aber als mein zweites Zuhause.

Wer das Haus nur von der Straße her kannte, von wo aus es einen schmutzigen und mitgenommenen Eindruck machte, der konnte sich unmöglich vorstellen, wie es in seinem Inneren zuging. Wer einmal London besucht hat und deshalb meint, er wüsste, was Hektik ist, der sollte mal in den Redaktionsräumen des Observer vorbeischauen.

Aber schon in der Eingangshalle herrschte ein heilloses Durcheinander. Ständig kamen und gingen irgendwelche Leute, mussten sich in ihrer Eile um Grüppchen aufgeregt miteinander diskutierender Menschen herumschlängeln. Sie alle hatten lose Blätter, Mappen oder Kameras in den Händen.

Wenn man nach einigen Versuchen die Aufmerksamkeit des Angestellten hinter dem halbmondförmigen Informationstresen gewinnen konnte, dann erhielt man ausschließlich einsilbige Antworten, meistens bloß irgendwelche Zimmernummern. Wenn man hingegen schon wusste, wohin man zu gehen hatte, dann tat man gut daran, die Halle schleunigst zu durchqueren, bevor man in dem Getümmel noch den Kopf verlor.

Mein Arbeitsplatz lag im dritten Stock. Ein Lift brachte mich nach oben. Nachdem sich die Tür geöffnet hatte, durchschritt ich den kleinen Flur, die letzte Möglichkeit, um Luft zu holen, bevor man das Großraumbüro betrat.

Hektisches Geklapper von Computertastaturen empfing mich, mehrere Telefone klingelten, ohne dass jemand ihnen Beachtung schenkte, und in einer Ecke stritten sich ein paar Kollegen. Es waren schon einige vor mir da – oder waren noch da. Feste Arbeitszeiten gab es beim Observer nicht.

Ich bahnte mir meinen Weg zwischen den überquellenden Tischen hindurch zu meinem Schreibtisch, der auch nicht besser aussah. Im Vorbeigehen begrüßte ich die anderen Journalisten – vorausgesetzt, sie übersahen mich nicht vor lauter Arbeitseifer.

Ich ordnete ein paar Sachen auf meinem Schreibtisch, wobei ich feststellen musste, dass schon wieder ein paar neue Papiere dabei waren, kurze Notizen von Kollegen oder kopierte Texte, die mir jemand herausgesucht hatte. Ich fand auch einen Umschlag unter einem noch recht jungen Stapel Papier, auf dem nur mein Vorname stand und in dem ein paar Fotos steckten, die ich herauszog.

Ich arbeitete gerade an einer Story über Sean Connery, mit dem ich kürzlich ein Interview geführt hatte. Er hatte mich kurzerhand in sein Haus in Schottland eingeladen, und die Fotos waren bei unserem Zusammentreffen gemacht worden. Das Bild von Mr. Connery und mir gemeinsam vor dem Kamin würde natürlich einen Ehrenplatz in meinem Album erhalten.



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