Jessica Bannister - Folge 030 - Janet Farell - E-Book

Jessica Bannister - Folge 030 E-Book

Janet Farell

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Beschreibung

Die alte Villa, in der Jessica Bannister mit ihrer Großtante Beverly Gormic lebt, wirkt auf Besucher unheimlich und düster. Im viktorianischen Stil erbaut, sieht sie mit ihren vielen Türmchen und Erkern fast aus wie ein kleines Geisterschloss.
Und plötzlich soll es auch wirklich darin spuken? Das behauptet jedenfalls Tante Bell. Einen schattenhaften Geist habe sie gesehen, so erzählt sie Jessica. Und der habe einige der alten magischen Artefakte gestohlen, die sie von ihrem Mann geerbt hat.

Jessica glaubt Tante Bell kein Wort, und sie führt es auf die letzten schrecklichen Ereignisse zurück, die sich bestimmt in Bells Unterbewusstsein verankert haben, auch wenn Bell sich nicht mehr daran erinnern kann.
So denkt Jessica - bis sie plötzlich der mächtigen Gestalt eines Geisterkriegers gegenübersteht, der sie mit bloßen Fäusten zerschmettern will!

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EPUB

Seitenzahl: 136

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Hauptpersonen

Spuk in der alten Gormic-Villa

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock / djile Hintergrund: shutterstock / Iulian Dragomir

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5092-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Die Hauptpersonen:

Jessica Bannister

Sie ist Reporterin beim London City Observer und auf mysteriöse Fälle spezialisiert. Sie hat übersinnliche Fähigkeiten, kann in Visionen und Träumen in die Vergangenheit reisen und die Zukunft voraussehen. So sah sie als Zwölfjährige auch den Tod ihrer Eltern voraus. Sie wuchs danach bei ihrer Großtante Beverly Gormic auf, bei der sie noch heute lebt.

Jim Brodie

Er ist Fotograf beim London City Observer. Als Jessica ihren Job bei der Zeitung antritt, steht er ihr sogleich mit Rat und Tat zur Seite, und es entwickelt sich schon bald eine enge Freundschaft zwischen den beiden. Wenn Jessica an einem Auftrag arbeitet, ist er fast immer als Fotograf an ihrer Seite.

Beverley Gormic

»Tante Bell« ist Jessicas Großtante. Nach dem Tod von Jessicas Eltern hat sie ihre Nichte bei sich aufgenommen und großgezogen. Jessica hat auch heute noch ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Ziehmutter. Beverly weiß über Jessicas übersinnliche Fähigkeiten Bescheid, sie selbst befasst sich intensiv mit Spiritismus und Okkultismus.

Martin T. Stone

Der Chefredakteur des London City Observer

Spuk in der alten Gormic-Villa

von Janet Farell

Die alte Gormic-Villa stand auf einem sanften Hügel im Norden Londons. Einen fast einsamen und verlassenen Eindruck machte das Haus, ringsherum standen hohe Pappeln, die sich in stürmischen Nächten knarrend im Wind bogen. Wenn es dann regnete und blitzte und der Donner krachte, dann wirkte die im viktorianischen Stil erbaute Villa noch unheimlicher und schauriger, als es das alte Haus ohnehin schon tat und mit seinen vielen Erkern und Türmchen, die es wie ein kleines Spukschloss aussehen ließen.

Beängstigender wirkte auf unvorbereitete Besucher jedoch das Innere des Hauses. Denn es war ein Hort des Übersinnlichen.

Aber die alte Villa war auch mein Zuhause …

»Glaubst du, dass viele Gäste kommen werden?«, fragte meine Großtante Beverly Gormic.

»Aber sicher. Oder meinst du, einer deiner zahlreichen Bekannten und Freunde würde es sich entgehen lassen, endlich einmal Einblick in deine Schätze zu bekommen, die du auf dem Dachboden hortest?«

»Es sind nicht meine Schätze«, berichtigte mich Tante Bell nachsichtig. Ihre wasserblauen Augen nahmen einen verträumten Ausdruck an, und sie fuhr sich mit den Fingern durch ihr ergrautes lockiges Haar. »All die Artefakte und archäologischen Fundstücke gehören Franklin, meinem Mann.«

Wir standen in der geräumigen Eingangshalle der alten viktorianischen Villa, in der Beverly und ich ganz allein wohnten. Nach dem tragischen Tod meiner Eltern – ich war damals gerade mal zwölf Jahre alt gewesen – hatte Tante Bell mich bei sich aufgenommen. Ich hatte eine glückliche Jugend in der alten, sonderbaren Villa mit dem großen Garten verlebt. Tante Bells warmherzige Art und ihre mütterliche Fürsorge hatten mich bald über den Tod meiner Eltern hinwegkommen lassen …

Ich berührte Beverly nun am Arm und sah sie kopfschüttelnd an. »Du hast dich noch immer nicht damit abgefunden, dass Franklin tot ist, nicht wahr? Es ist nun schon über fünfzehn Jahre her, dass er bei einer Expedition spurlos verschwand.«

Franklin Gormic war ein bekannter englischer Archäologe gewesen. Von einer seiner zahlreichen Expeditionen war er nicht mehr heimgekehrt. Niemand wusste, was passiert war. Eine umfangreiche Suche war erfolglos verlaufen …

Tante Bell zuckte unschlüssig mit den Schultern. »Seine Leiche ist nie gefunden worden«, erwiderte sie. »Und solange ich keinen eindeutigen Beweis für seinen Tod habe, weigere ich mich, von Franklin wie über einen Verstorbenen zu sprechen. Darum habe ich mich auch entschlossen, unseren diesjährigen Hochzeitstag gebührend zu feiern.«

Ich ließ meinen Blick durch die Eingangshalle schweifen und dachte daran, dass das Zusammenleben mit Tante Bell für mich am Anfang ziemlich gewöhnungsbedürftig gewesen war. Sie hatte es sich nämlich zur Gewohnheit gemacht, die Unmengen von Plunder und archäologischen Artefakten, die Franklin ihr auf dem Dachboden hinterlassen hatte, in der Villa auszustellen. Zudem hegte Beverly auch noch ein reges Interesse für Okkultismus und Spiritismus. Sie sammelte alles, was mit diesen Pseudowissenschaften zusammenhing. Inzwischen nannte sie ein umfangreiches Archiv aus Zeitungsausschnitten und Büchern, die sich mit diesem Thema befassten, ihr Eigen. Kristallkugeln, Pendel und andere magische Gegenstände füllten mehrere Vitrinen und Regale.

Zusammen mit den zum Teil sehr unheimlichen Dingen, die Tante Bell aus den Kisten und Regalen des Dachbodens hervorzauberte, entstand in den Räumen der Villa eine ständig wechselnde Ausstellung, die in ihrer Skurrilität wohl unvergleichlich war.

Als Kind hatte mir das Innere der Villa oft Unbehagen eingeflößt. Aber Tante Bell hatte mit ihrer herzlichen humorvollen Art alles wieder gut gemacht, sodass ich mich schließlich mehr oder weniger an den furchteinflößenden Anblick, den die vollgestopften Räume boten, gewöhnt hatte.

Als ich dann aber älter wurde und mit dem Journalistikstudium begann, ließ Tante Bell den ersten Stock der Villa für mich herrichten. Vorsichtig hatte ich durchblicken lassen, dass ich keine der scheußlichen Ausstellungsstücke in meinen Zimmern haben wollte.

Tante Bell hatte sofort Verständnis dafür gezeigt. Seitdem wurde mein Wohnbereich von uns scherzhaft die okkultfreie Zone genannt, weil er frei war von jeglichem übersinnlichen Zeug und archäologischen Fundstücken.

Doch in diesen Tagen war alles ganz anders!

Die gesamte Villa platze vor seltsamen Artefakten fast aus den Fugen. Schrecklich starrende Masken und skurrile Götzen bevölkerten die düsteren Nischen der Räume. Altertümliche Gebrauchsgegenstände standen dicht an dicht in den Regalen. An den Wänden hingen Fotos, die Franklin bei den verschiedenen Ausgrabungsorten zeigte, an denen er tätig gewesen war.

Diesmal beschränkte sich die Ausstellung nicht bloß auf das Erdgeschoss. Auch meine okkultfreie Zone war vollgestellt mit seltsamen Statuetten und prähistorischen Waffen.

Und das nur, weil sich Tante Bell in den Kopf gesetzt hatte, ihren Hochzeitstag zu feiern. Aus diesem Anlass hatte sie die ganze Villa in ein Museum verwandelt, in dem nun alles ausgestellt war, was Franklin ihr hinterlassen hatte.

Beverly hatte eine Menge Freunde und Bekannte eingeladen und wollte diesen Tag ganz groß feiern.

Wir beide hatten drei Tage lang an dieser Ausstellung gearbeitet. Wir hatten unzählige Kisten und Kartons ausgepackt und selbst in den entlegensten Winkeln des großen Dachbodens herumgestöbert.

Dabei war viel Erstaunliches und Seltsames zutage gekommen. Sorgfältig hatten Beverly und ich die Dinge entstaubt und katalogisiert. Dann hatten wir in der Villa nach passenden Plätzen für die jeweiligen Ausstellungsstücke gesucht.

Nun gab es fast keine freie Stelle mehr, wo wir noch etwas hätten unterbringen können.

Der Feier, die morgen stattfinden sollte, stand nun nichts mehr im Wege.

Unwillkürlich verharrte mein Blick auf einem großen Porträt, das jedem, der die Villa betrat, als Erstes auffallen musste. Es war umgeben mit den archäologischen Werkzeugen, die Franklin Gormic einst benutzt hatte.

Das Porträt zeigte einen jungen, abenteuerlich aussehenden Mann mit braun gebranntem, wettergegerbtem Gesicht und grauen, forsch dreinblickenden Augen. Er trug einen Kakianzug mit prall gefüllten Aufnähtaschen, und auf seinem Kopf saß ein weißer Tropenhelm.

Das war Franklin Gormic, wie auch ich ihn noch in Erinnerung hatte.

Bisher hatte sich Beverly immer gesträubt, ihre Villa als ein Museum zu betrachten und Interessenten darin herumzuführen. Zwar lieh sie dann und wann den Museen einige von Franklins Fundstücken, aber sie liebte es überhaupt nicht, wenn neugierige Leute vor der Haustür erschienen, die sich in der skurrilen Villa einmal umsehen wollten.

Doch nun, zum Anlass ihres Hochzeitstages, hatte sie sich dazu durchgerungen, alle Bekannten und Freunde einzuladen, die sich für die archäologischen Ausgrabungsstücke schon immer interessiert hatten.

Ich war sehr überrascht gewesen, als mir Tante Bell vor einigen Tagen von ihrem Entschluss erzählt hatte. In letzter Zeit erschien sie mir ein wenig verwirrt und durcheinander zu sein.

Das hing sicherlich nicht mit ihrem Alter zusammen. Beverly war erst Mitte sechzig.

Vielmehr nahm ich an, dass die mysteriösen Abenteuer, die Tante Bell in letzter Zeit zu bestehen gehabt hatte, ihren Geist ein wenig verwirrt hatten.

Durch eine magische Kristallkugel war sie vor einiger Zeit in eine fremde Welt entführt worden, die beherrscht worden war von einem Schattenwesen. Ein schreckliches Abenteuer war das gewesen, und als ich Tante Bell schließlich hatte retten können, hatte sie noch wochenlang unter den Auswirkungen gelitten.[1]

Eine Kreuzfahrt hatte Erholung bringen sollen, damit sie wieder auf den Damm kam, doch auch die war zu einem grausigen Abenteuer geworden.[2] Zwar wusste nur noch ich von den erschreckenden Ereignissen während dieser Kreuzfahrt, denn die Erinnerungen aller anderen Beteiligten waren ausgelöscht worden, doch es konnte gut möglich sein, dass etwas im Unterbewusstsein von Tante Bell zurückgeblieben war und sie nun ebenfalls verwirrte.

Deshalb machte ich mir um meine Großtante Sorgen. Aber niemals hätte ich mir erlaubt, sie deshalb nicht für voll zu nehmen.

Zwar kam mir ihr Vorhaben, den Hochzeitstag in diesem Rahmen zu feiern, ein wenig seltsam vor. Aber das hinderte mich nicht daran, ihr bei der Vorbereitung des Festes zu helfen.

Sicher würden eine Menge Leute ihrer Einladung folgen.

Martin T. Stone, der Chefredakteur des London City Observer, einer auflagenstarken Boulevard-Zeitung, für die ich als Journalistin arbeitete, hatte mir sogar einige Tage für die Vorbereitung des Festes freigegeben.

Erst hatte ich mich gewundert, dass Stone, der für gewöhnlich das Äußerste von seinen Journalisten verlangte und für den Urlaub ein Fremdwort war, meiner Bitte um freie Tage so rasch nachgegeben hatte.

»In Ordnung«, hatte er gesagt, während ich ihm in seinem völlig überladenen Büro gegenübersaß. Stone war ein stattlicher Mann. Sein dunkles Haar war an den Schläfen grau meliert, sein Gesicht wirkte männlich herb, und in seinen blauen Augen lag stets ein lauernder Ausdruck. »Sie bekommen ihre freien Tage, Jessica …«

Er legte eine Pause ein, und ich ahnte schon, dass nun die Bedingungen folgen würden, die ich einhalten musste, um meine freien Tage auch wirklich zu bekommen.

»Sie versprechen mir dafür aber, dass nur der London City Observer über die Veranstaltung in der Villa der Gormics berichten wird.«

»Tante Bell hatte nicht vor, Journalisten zu der Ausstellung einzuladen«, erwiderte ich.

»Das soll sie ja auch gar nicht. Schließlich wohnt sie ja mit einer fähigen Journalistin zusammen. Es wird Ihre Großtante wohl kaum stören, wenn Sie sich unter die Gäste mischen und den einen oder anderen interviewen.«

Stone wollte also, dass ich einen Artikel über die Ausstellung in unserer Villa schrieb. Es würden ein paar einflussreiche Leute kommen, bei denen sich ein Interview wirklich lohnen würde.

Stone, der an meinem Gesichtsausdruck anscheinend abgelesen hatte, dass ich begriffen hatte, sah demonstrativ auf seine Uhr. Das tat er immer, wenn er eine Unterredung für beendet hielt.

Ich erhob mich aus dem Besucherstuhl und wollte das Büro verlassen.

Ich hatte die Türklinke bereits in der Hand, als Stone das Wort noch einmal an mich richtete. Seine Stimme klang beiläufig, als er sagte: »Übrigens hat Jim Brodie am Tag der Ausstellung auch frei. Wie wäre es, wenn Sie ihn ebenfalls einladen? So nebenbei könnte er dann ein paar Fotos von den Gästen und den Ausstellungsstücken schießen.«

Ich seufzte. Stone war unverbesserlich. Er wusste aus jeder Situation einen Vorteil für seine Zeitung zu ziehen.

Jim Brodie war der Starfotograf des London City Observer. Er war ein junger schlaksiger Kerl, mit dem ich schon oft zusammengearbeitet hatte und dick befreundet war.

»Der London City Observer wird die einzige Zeitung sein, die über die Ausstellung in Beverlys Villa berichtet«, sagte ich schicksalsergeben. »Bebildert mit exklusiven Fotos von Jim Brodie.«

Mit diesen Worten verließ ich rasch das Büro, bevor Stone noch weitere Bedingungen einfielen.

Als ich am selben Abend Beverly von dem Gespräch erzählte, zuckte sie nur mit den Schultern. »Ich habe nichts dagegen, dass Jim auch zur Feier kommt«, sagte sie zerstreut, ohne dabei in ihrer Arbeit auf dem Dachboden innezuhalten …

»Morgen also jährt sich die Hochzeit von Franklin und mir ein weiteres Mal«, sagte Tante Bell jetzt plötzlich und verscheuchte damit meine Erinnerung an die letzten Tage.

Wir standen noch immer in der Eingangshalle der alten Villa und betrachteten das Porträt von Franklin Gormic.

»Wenn ich daran denke, wie oft ich diesen Tag schon ohne meinen geliebten Mann gefeiert habe«, fügte Beverly betrübt hinzu.

»Ich verstehe gut, dass du dich mit dem Tod von Franklin nicht abfinden willst«, sagte ich einfühlsam. »Franklin und du, ihr müsst euch wirklich sehr geliebt haben.«

Tante Bell wischte sich verstohlen eine Träne fort. »Wir … wir waren wie füreinander bestimmt«, sagte sie mit brüchiger Stimme. »Als ich Franklin das erste Mal sah, wusste ich sofort, dass dieser forsche, abenteuerlustige Kerl einmal mein Mann werden würde.« Sie sah zu mir auf und lächelte verklärt, während es in ihren Augen feucht schimmerte. »Ich erinnere mich noch, als wäre es erst gestern gewesen. Mein Vater, der damals im Außenministerium arbeitete, gab eine Gala für die zahlreichen Botschafter in London. Franklin war zu dieser Zeit noch ein Student. Sein Archäologieprofessor hatte ihn mit auf diese Gala genommen. Sie wollten den Botschafter eines afrikanischen Staates dazu bewegen, sich in seinem Land dafür einzusetzen, dass dort von den Engländern Ausgrabungen vorgenommen werden durften. Ich war damals knapp achtzehn Jahre alt und sollte die Bedienung der Gäste übernehmen. Doch als ich Franklin sah, hatte ich nur noch Augen für diesen charmanten Jungen, von dessen einnehmendem Wesen ich sofort gefangen wurde.«

Sie lächelte still in sich hinein. »Ich fürchte, ich habe die Gäste damals sehr vernachlässigt. Aber auch Franklin schien nicht so recht bei der Sache zu sein. Immer wieder suchte er meine Nähe, anstatt seinem Professor bei den Verhandlungen mit dem Botschafter zur Seite zu stehen. An diesem Abend haben wir uns auch das erste Mal geküsst …«

Beverly seufzte. Ein verklärtes Lächeln umspielte ihre Lippen, die von feinen Fältchen umgeben waren.

»Nach diesem Abend trafen wir uns fast jeden Tag. Franklin führte mich in Museen aus. Wir versäumten keinen Abenteuerfilm im Kino …«

Sie fuhr sich wieder durch ihr ergrautes lockiges Haar und schüttelte dann den Kopf. »Ich musste mich jedoch schon sehr früh damit abfinden, dass Franklin von Zeit zu Zeit auf Reisen ging, um irgendwelche Ausgrabungsstätten zu besichtigen.

Aber ich gewöhnte mich daran, denn Franklins Liebe und seine Zuneigung entschädigten mich jedes Mal. Wenn wir uns nach solch einer Reise wieder in die Arme schlossen, empfand ich es jedes Mal als genauso aufregend und prickelnd wie bei unserer ersten Umarmung. Und so ist es auch in unserer Ehe geblieben. Unsere Liebe war stets tief und aufrichtig – und unsere Umarmungen sehr leidenschaftlich …«

Tante Bell lächelte verklärt. »Nachts träume ich sogar noch manchmal von Franklin. Und dann weiß ich, dass es in meinem Leben nie einen anderen Mann geben wird, der seinen Platz in meinem Herzen einnehmen könnte. Franklin lebt in meinem Herzen weiter. Darum ist der Plunder, den er mir auf dem Dachboden hinterlassen hat, für mich auch wertvoller als alle Goldreserven von England.«

Tante Bell warf beschwörend die Arme in die Luft. »Nun habe ich aber genug in der Vergangenheit geschwelgt«, sagte sie streng. »Schließlich gibt es in meinem Leben noch einen anderen Menschen, der mir mindestens genauso viel bedeutet wie Franklin. Und das bist du, Jessica!«

Ich schloss Tante Bell spontan in die Arme und drückte sie fest an mich.

»Das hast du schön gesagt«, sagte ich gerührt.

Als wir uns wieder voneinander lösten, stemmte Beverly die Fäuste in ihre ausladenden Hüften und sah sich noch einmal skeptisch in der Eingangshalle um.

»Ich finde, die Räume sehen ein wenig zu düster aus«, stellte sie resolut fest. »Zwischen den ganzen Masken und Götzen kann man es ja mit der Angst zu tun bekommen. Wir wollen doch einen Hochzeitstag feiernd und kein Begräbnis. Es fehlt noch etwas Lebendiges und Farbenfrohes, das die unheimlichen Artefakte ein wenig heiterer erscheinen lässt. Ein paar Blumensträuße würden der Ausstellung eine freundlichere Note verleihen. Was meinst du Jessi?«

»Da muss ich dir recht geben.«

»Jessi, sei so gut und pflücke draußen ein paar schöne Blumensträuße. Wir können sie ja in die altertümlichen Amphoren stecken, wenn kein Platz mehr für andere Vasen da ist. Ich gehe unterdessen in die Küche und backe Kuchen für die Gäste.«

»Eine gute Idee«, stimmte ich zu.

Ich war froh, für einen Augenblick der bedrückenden Enge, die jetzt in der Villa herrschte, entfliehen zu können. Die skurrilen Masken und die glotzäugigen Statuetten flößten mir Unbehagen ein.

***