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Epische High Fantasy mit Helden, Schlachten, Magie und einer Romanze, die sich wie ein rotes Seidenband durch die Geschichte zieht und weder drohende Niederlagen noch selbst den Tod fürchtet. Die behütet aufgewachsene Rilan ist Regentin ihres Reiches – bis sie von den Roten Kriegern jenseits des Meeres entmachtet und verschleppt wird. Rilans hilfloser Zorn richtet sich vor allem gegen den charismatischen Anführer Kenna. Doch während sie noch Rachepläne schmiedet, lässt eine geheimnisvolle Attacke das Kriegsschiff stranden – und nur Rilan und Kenna überleben. Zum ersten Mal auf sich allein gestellt muss Rilan ihren Stolz hintenanstellen und dem verletzten Krieger helfen, der ihre einzige Hoffnung auf Überleben ist. Und während Rilan Kennas ansteckendem Lachen allmählich trotz allem verfällt, taucht aus der Tiefe des Meeres ein Grauen auf, dem sie sich nur vereint stellen können …
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Veröffentlichungsjahr: 2018
Kenna
Tanja Rast
Kann Spuren von Erdnüssen enthalten!
Es gibt Inhalte, die Betroffene triggern können, das heißt, dass womöglich alte Traumata wieder an die Oberfläche geholt werden. Deswegen habe ich für diese Personen eine Liste mit möglichen Inhaltswarnungen für alle meine Romane zusammengestellt:
www.tanja-rast.de/inhaltswarnungen
Sie nannten sich selbst Kriegsgötter, und das war Anmaßung. Hirnlose Kampfmaschinen, nur darauf gedrillt, andere Menschen zu erschlagen, Stadtmauern zu überrennen, Tore niederzureißen und Städte und Dörfer zu plündern, sagten die Generale von Gadon.
Rote, viereckige Segel, soweit das Auge reichte. Ein schwarzer, schnittiger Bug neben dem nächsten. Rote Wimpel, die im Wind flatterten. Aus den Schiffen, die wie in Wellen anlandeten, ergoss sich die Flut der Roten Krieger. Selbst von den Wehranlagen Gadons aus konnten die Verteidiger glutfarbene Mäntel flattern, bronzefarbene Schilde und Helme im Sonnenlicht blitzen sehen. Das war vor drei Tagen gewesen. Als die Welt noch heil war, als nichts die Ahnungslosigkeit der Bewohner stören konnte. Als Rilan noch nicht einmal wusste, dass es die Roten Krieger überhaupt gab.
Nun donnerten die Geschosse der Belagerungsmaschinen gegen die Wehrmauern. Bauern und Sklaven waren in die zweifelhafte Sicherheit der Hauptstadt geflüchtet, als die Alarmglocken angesichts der Roten Flotte geläutet worden waren. Aus allem, was die Flüchtlinge zurückgelassen hatten, konnten die feindlichen Krieger sich nun bedienen. Die Heere der anderen Städte des Inselreichs waren alarmiert, aber niemand schien zu wissen, ob und wann sie Gadon erreichen würden. Zumindest klang es für Rilan so, wenn sie den leisen Stimmen ihrer Umgebung lauschte. Ratlosigkeit, wohin sie auch sah.
Aber am dritten Tag erfuhren alle die Neuigkeiten, nachdem der König einen Ausfall gegen die Roten Krieger geführt hatte. Jeder in der vollgestopften Stadt vernahm die Nachricht, dass der König von Gadon tödlich verwundet hinter die Stadtmauern gerettet worden war. Niemand hörte, wie viele Soldaten sich geopfert hatten, damit ein sterbender Mann in Sicherheit gebracht werden konnte.
Nachdem sie der Ratlosigkeit der Heiler und Priester nur kurz zugesehen hatte, verbannte Rilan mittels der begrenzten Macht einer Königstochter die unnützen Männer aus dem Schlafzimmer ihres Vaters. Dass er jenseits menschlicher Hilfe war, sah sie selbst. Seine Seele lag schon in den Händen der Götter. Sie fand, dass sie ihm wenigstens ein Sterben in Ruhe und Würde ermöglichen sollte.
Noch immer schleuderten die Katapulte Felsbrocken gegen die Mauern und den Torbau. Der Ausfall hatte nur eine Handvoll der Belagerungswaffen zerstören können, allzu wenige der fremden Schiffe in Flammen aufgehen lassen, und kaum einen der Roten Krieger zu ihren grausamen Göttern geschickt. Der Angriff auf Gadon ging weiter, und er hatte an Wut und Entschlossenheit durch den Ausfall des königlichen Heeres nur gewonnen. Der Preis dafür war zu hoch gewesen. Jetzt lag Gadons Schicksal in den Händen des jungen Thronfolgers, der auf die Ratschläge der Generale hören musste.
Rilan zog die Vorhänge vor die Fenster, ließ frisches Wasser bringen und setzte sich auf einen Stuhl dicht neben das Bett. Sie wagte kaum, in das kalkweiße Gesicht ihres Vaters zu sehen, während sich in ihrem Kopf alles zu drehen schien.
Der König war gerettet worden, bevor die Roten Krieger ihn foltern konnten. Wenigstens das war ihm erspart geblieben. Sein Erbe und seine Tochter lebten und waren – für das Erste – hinter Gadons dicken Mauern in Sicherheit.
Rilan richtete sich auf Stunden der erzwungenen Abgeschiedenheit ein, denn sie wusste, dass es nicht lange dauern konnte, bis die Priester in aller Eile und ohne die sonst üblichen Festlichkeiten einen neuen König krönen mussten. Sie hoffte, dass ihr Vater noch einmal das Bewusstsein erlangen konnte, aber sie fürchtete, dass dies nicht geschehen würde.
Gadons neuer König war ihr Bruder – während des Kampfes um die Hauptstadt gegen einen zahlenmäßig weit überlegenen Feind ohne Vorwarnung zum Herrscher ausgerufen. Sie wusste nicht, ob ihm die Eile bekommen konnte, die Plötzlichkeit, mit der ihrer aller Leben sich durch den Angriff verändert hatte. Aber selbst wenn sie eine Meinung dazu gehabt hätte, so war sie doch nur ein Weib, und niemanden interessierte, was sie dachte oder fühlte.
Rilan tupfte Schweiß von der Stirn ihres Vaters und fühlte in sich die alte, vertraute Wut brodeln: Sie war ein zehnmal besserer König als ihr Bruder, der schon jetzt wie eine Puppe in den Händen der Generale tat und befahl, was diese wollten. Nicht zum ersten Mal verfluchte Rilan ihr Schicksal, in einem Frauenkörper geboren worden zu sein.
Wie friedlich konnte der alte König sterben, da er wusste, was sein Erbe war: ein rückgratloser Feigling!
Der Verletzte erwachte nicht aus seinem Dämmerzustand, erkannte weder Rilan noch deren Bruder, wenn dieser kurz das königliche Sterbezimmer betrat.
Am Morgen des vierten Tages starb der König von Gadon. Bis Rilan ihm die starren Augen schloss, hatte ihr Vater nichts erkannt, verstanden oder gesagt. Sein Leichnam war noch nicht erkaltet oder für den Scheiterhaufen vorbereitet, als sein Sohn sich krönen ließ, während Katapultgeschosse gegen die Stadtmauern hämmerten.
Rilan litt noch mehr unter der Lage der Verteidiger, da ihr Bruder bei ihr saß und ihr zu erklären versuchte, wie er die Stadt und das ganze Inselreich zu retten gedachte. Während Geschosse nicht weit entfernt krachend in Mauern einschlugen, redete er davon, wie leicht es sein würde, die Roten Krieger zurück ins Meer zu treiben – durch geniale strategische Manöver, wie nur er sie sich ausdenken konnte. Sie wusste, dass es nicht an ihr lag, dass sie nur die Hälfte davon verstand.
Rilan hoffte, er würde sie bald verlassen, damit sie endlich schlafen konnte. Die ganze Nacht hatte sie am Bett ihres Vaters gewacht. Sie hatte auf seine mühsamen Atemzüge gelauscht, hin und wieder Schweiß von der hohen Stirn getupft und nicht gewusst, ob sie auf ein Erwachen oder einen gnädigen Tod des großen Mannes hoffen durfte.
Es war keine Zeit. Die Feinde standen vor den Toren der Stadt. Gadons eigene Armee war durch den Ausfall dezimiert. Wie lange die Soldaten die Mauern, Tore und Türme noch halten konnten, wussten alleine die Götter.
Rilans Bruder Kadar hatte keine Ahnung – und mochte er auch dreimal der rechtmäßige Erbe und nun gekrönte König sein. Sie fürchtete sich vor der Zukunft. Ein ungewohntes Gefühl, und Kadars wirre Ausführungen machten es nicht besser.
Es klopfte heftig an der Tür, und Rilan richtete sich auf, bevor sie ein Herein rief. Dies waren ihre Gemächer, und ihr selbstverliebter Bruder hatte zumindest den Anstand, sie hier nicht fühlen zu lassen, wie tief unter ihm sie stand.
General Nahom betrat das Zimmer. Zum ersten Mal, seitdem er seinen sterbenden König in die befestigte Stadt gebracht hatte, sah der Mann wieder lebendig und entschlossen aus.
»Was?«, fragte Rilan nur. Sie spürte, wie die Zuversicht des alten Generals sie ansteckte. War eine Seuche im Lager der Roten Krieger ausgebrochen? Hatten ein Sturm oder eine Flutwelle die verhassten Feinde ins Meer zurückgeschleudert? Sie war bereit, nach jedem Strohhalm zu greifen.
Nahom wandte sich selbstverständlich und das Weib ignorierend an ihren Bruder. Natürlich. Rilan schluckte die Bitterkeit herunter, immerhin blieben beide Männer in ihrem Zimmer, sprachen über ihren Kopf hinweg, sodass sie zumindest Auskünfte aus erster Hand erhielt und nicht länger auf Gerüchte und Dienstbotenklatsch angewiesen war.
»Sie haben versucht, das Aquädukt zu zerstören, Hoheit. Aber das erste Entsatzheer ist da. Es hat den Trupp der Roten Krieger aufgerieben und uns einen Gefangenen gebracht!«
»Frische Truppen, endlich! Den Göttern sei Dank!«
»Und ein Gefangener«, betonte Nahom, offensichtlich besorgt, dass Kadar diese wichtige Einzelheit entgangen sein könnte.
»Ja, ja, ich hörte dich. Die Mühe hätten sie sich sparen können.«
»Hoheit, ich habe den Mann in die Folterkammer bringen lassen. Er kann uns wichtige Informationen liefern.«
Rilan stand auf. »Bring ihn in den Kronsaal. Lass ihn die Pracht sehen, um ihn einzuschüchtern.«
»Ich denke nicht, dass er leicht einzuschüchtern ist, Hohe Dame.«
»Das wird ihm ja wohl ein Folterknecht abgewöhnen können!«, schnappte Kadar. »Finde einen, der fähig ist. Ich will nicht, dass der Gefangene nach einer halben Stunde sein Leben aushaucht, ohne dass wir eine Antwort bekommen haben.«
Nahom warf Rilan einen kalten Blick zu. Sie war zu weit gegangen, als sie gewagt hatte, überhaupt eine Anweisung zu geben, wie mit dem Gefangenen zu verfahren wäre. Sie hatte ihre Meinung kund getan, und am Ausdruck in Nahoms Augen sah sie, dass er ihr das niemals verzeihen würde.
Aber Kadar sah mit einem Lächeln zu ihr auf. »Was täte ich nur ohne meine schlaue, kleine Schwester?«
Ja, sagte Rilan sich im Stillen, das frage ich mich auch. Du hättest Nahom erlaubt, den Roten Krieger einfach zu Mus zu verarbeiten. Wie soll er auf Fragen antworten, wenn er nur noch schreien kann? »Ich werde mich jetzt umkleiden«, sagte sie. »Es wird dem Mann gut tun, auf uns zu warten.«
Nahom nickte, aber Kadar musste natürlich fragen: »Warum?«
»Weil er eine halbe Stunde oder mehr auf Knien auf kaltem Marmorboden warten muss und sich ausmalen kann, was ihm bevorsteht. Das kann sich als wirkungsvoller als jedwede Folter erweisen«, erklärte sie geduldig und fühlte das Starren des Generals. Egal wie gut ihre Ratschläge waren, Nahom kochte bestimmt vor Wut, dass sie es wagte, sich in seine Angelegenheiten einzumischen und ihren Einfluss auf den jungen König auszuüben, was Nahom bestimmt als sein eigenes Anrecht ansah.
Kadar nickte ihr zu, dann seinem General, und die beiden Männer verließen den Raum.
Rilan klingelte nach ihrer Zofe und ließ sich in ihr prächtigstes Gewand kleiden. Wichtig war, dass sie eindrucksvoll und königlich aussah. Sie wollte diesen Abschaum in jeder Zelle seines Körpers wissen lassen, dass sie meilenweit über ihm stand. Sie wollte, dass er vor Scham verging, wie er und seinesgleichen es hatten wagen können, an Gadons Stränden zu landen.
Und sie würde Nahom und seinesgleichen zeigen, dass sie recht hatte!
Es dauerte, bis sie vollständig eingekleidet war. Sie wusste, dass Nahom diese Zeit genutzt haben würde.
Kadar erwartete sie, als sie aus ihren Gemächern trat. Er reichte ihr den Arm, und gemeinsam durchquerten sie hallende Flure und prachtvolle Säle. Rilan hörte immer noch Geschosse in die Mauern einschlagen. Sie zwang ihre wachsende Unruhe in einen dunklen Raum in ihrem Inneren und rief sich stattdessen ins Bewusstsein, dass sie die Königstochter von Gadon und die Roten Krieger barbarischer Abschaum waren. Es half nur ein wenig.
Aber als sie mit königlichem Rauschen diverser Röcke und Umhänge in den Kronsaal kam, lächelte sie erleichtert: So zornig Nahom sie auch angesehen hatte, ihre Vorschläge hatte er richtig verstanden und erstaunlich phantasievoll umgesetzt. Aus den Kellerebenen waren zahlreiche Gerätschaften gebracht worden, die auch das Herz des tapfersten Roten Kriegers zum Stocken bringen mussten. Folterwerkzeug wurde in glühenden Kohlepfannen erhitzt. Es stank nach heißem Eisen, nach der Verheißung von Schmerzen.
Doch es war Rilans Herz, das für einen Moment aus dem Takt geriet, als sie den Roten Krieger sah, der auf Knien vor den Stufen zum Thron niedergehalten wurde.
Noch während sie mit geweiteten Augen auf diese fleischgewordene Naturgewalt starrte, wurde ihm die Rüstung abgenommen. Unter roten Umhängen und bronzefarbenem Panzer, unter der Stachelschiene des rechten Unterarms kam ein Körper ans Tageslicht, der einem Künstler den Meißel in die Hand zwang. So sahen die Götterstatuen in Gadon aus. Er war ein Kriegsgott, der selbstgewählte Name, die Gotteslästerung traf zu.
Rilan atmete tief durch. Körperliche Vollkommenheit würde glühenden Eisen nicht lange standhalten. Je früher der Wilde aufgab, desto mehr würde von ihm übrig bleiben. So viel sollte er doch auch begreifen, nicht wahr?
Auf dem Weg zum Kronsaal hatte Nahom knapp die Verluste aufgezählt. Rilan fand es hirnverbrannt, dass für einen Gefangenen so viele von Gadons Soldaten gestorben waren. Aber Kadar hörte dem General ruhig zu und starrte nun den jungen Gefangenen mit unverhohlener Neugierde an. Es war beinahe lächerlich. Ob des Kriegers Antworten solch einen Verlust aufwogen, würde sich erst noch zeigen.
Er hielt duldend still, und auf gewisse Weise wirkte seine Ruhe gefährlicher, als wenn er sich gewehrt hätte.
Eine schwere Metallstange lag auf seinem breiten Nacken, stabile Seile fesselten seine Handgelenke an das Eisen. Auf Knien, den Kopf leicht gesenkt, um das Gewicht der Stange leichter ertragen zu können, sah er nicht im Geringsten besiegt aus. Eher abwartend und lauernd.
Nahom hatte recht gehabt, dachte Rilan in diesem kurzen Augenblick fassungslos: Der Rote Krieger erweckte nicht den Eindruck, als ob ihn irgendjemand oder irgendetwas einschüchtern könnte. Überhaupt nicht.
Kadar schien das nicht zu erkennen – oder er war innerhalb eines Atemzuges ein brillanter Schauspieler geworden: Hocherhobenen Hauptes stolzierte er zum Thron, Rilan an seiner Seite. Nicht einmal sah er auf den Roten Krieger, der vor ihm auf dem kalten Boden kauerte und den Einmarsch mit keinem Blick würdigte.
Kadar entzog Rilan seinen Arm und nahm zum zweiten Mal in seinem Dasein auf den Thron ihres Vaters Platz. Der junge König umfasste die Armlehnen und sah hochmütig zu dem Gefangenen. Rilan ging zwei Schritte weiter und setzte sich auf den kleineren Sessel der Königin, der ihr als Tochter des verwitweten Königs seit Jahren zustand. Es fühlte sich fremd und keinesfalls beruhigend an, dass Kadar neben ihr saß. Die ermutigende Präsenz ihres kriegsgewandten Vaters fehlte ihr.
Der Rote Krieger hob den Kopf. Kriegsbemalung aus dicken, fettigen Kohlestrichen lag als Schatten auf seinen Wangenknochen und rund um seine Augen. Stechend helles Grün – wie das erste Laub im Frühling – starrte Rilan einen Moment lang an, bevor ein Hohnlächeln die Lippen des Kriegers verzog. »Gibt es in Gadon doch tatsächlich Frauen? Ich dachte, hier wohnen nur alte Männer und eingebildete Bengel. Du bist hier vergeudet, Kleines.«
Kadar wurde blass vor Wut. Rilan vermutete weniger wegen der Anzüglichkeit in ihrer Richtung als wegen der Bezeichnung als eingebildeter Bengel. Sie selbst fühlte sich tödlich beleidigt von dem frechen Funkeln in jenen grünen Augen, aber trotzdem war sie erschrocken, wie jung dieser muskelbepackte Hüne aussah: Er konnte keinesfalls älter sein als sie selbst. Woher nahm er diese selbstsichere Unverschämtheit?
Zu gerne hätte sie die Hand zum Signal gehoben, da Kadar vor lauter Wut im Moment zu nichts fähig schien.
Es war jedoch nicht nötig – und hätte sicherlich ohnehin nichts bewirkt. Nahom gab ein knappes Zeichen, bevor der Krieger noch ganz ausgesprochen hatte.
Die Peitsche des Folterknechtes zog eine fauchende, schwarze Bahn durch die Luft, und Rilan hatte den zweifelhaften Triumph zu sehen, dass selbst ein auf Kampf gedrillter Wilder Schmerzen fühlen konnte. Als das Leder der Peitsche auf seinen Rücken hieb, richtete der Krieger sich für einen Augenblick ein klein wenig gerader auf. Ein kaum hörbares, keuchendes Ausatmen war seine Reaktion auf den Vorgeschmack der Folter, aber die spottenden Augen blieben fest auf Rilans Gesicht geheftet. Nicht auf Kadars.
Der Hüne ignorierte ihren Bruder ebenso, wie er Nahom nicht beachtete. Rilan hatte das ungute Gefühl, dass sie ganz alleine mit diesem Wilden war. Es machte keinen Unterschied, dass ihr gekrönter Bruder auf dem Thron von Gadon saß.
Rilan empfand kein Mitleid, aber sie fühlte sich dem allzu wachen Blick des Kriegers ausgeliefert. Sie wurde zornig über diese unbekümmerte Anmaßung. Männer wie er hatten ihr Königreich überfallen und geplündert, ihren Vater ermordet, und jetzt machte dieser eine, ihnen allen hilflos ausgelieferte Krieger sich über Kadar lustig und schien sie – Tochter des Königs, Rilan von Gadon – alleine mit den Blicken auszuziehen und wie ein Stück Vieh auf dem Markt zu begutachten.
Dazu kam, dass er durch seine freche Selbstsicherheit sogar dem Folterknecht bewies, was Kadar als König und als Beschützer taugte: nichts!
Rilan teilte diese Meinung schon lange, aber Kadar war ihr Bruder, und um nichts in der Welt konnte sie einem Wilden erlauben, jedem die Unfähigkeit des jungen Königs vorzuführen.
Sie fühlte Nahoms Blick auf sich ruhen und verstand instinktiv, dass der General gerade abwog, wie viel schwerer es sein würde, Kadar zu kontrollieren, solange dessen Schwester lebte. Verdammt, sie brauchten die Generale, um Gadon zu retten und auch weiterhin zu regieren, aber diese benötigten Rilan nicht! Ja, sie war sogar ein Hindernis, eine Gefahr für die Befehlshaber des Heers, erkannte Rilan, während der Gefangene ungeniert seinen Blick über ihre Gestalt wandern ließ, ein beinahe anerkennendes Funkeln in den Augen.
Sie wurde wütend. Zumindest von einem Gefangenen konnte sie Respekt und Furcht erzwingen! Warum nur hatten die Götter es für angemessen erachtet, ihr einen Bruder zu schenken, der nicht verstand, wie sehr der Rote Krieger sie beleidigte und worin Kadars brüderliche Pflicht bestand?
Sich zu ihrem Bruder lehnend fasste Rilan ihn am Arm und flüsterte ihm ins Ohr. Wie erhofft gab Kadar Nahom einen Wink, die Befragung fortzusetzen, die vielleicht zwischen dem Sieg der Roten Krieger und dem Untergang des Reichs einen Unterschied machen konnte. Rilan hörte die Einschläge der Geschosse, die Stück für Stück die Mauern zerstörten.
Der klare Blick des Kriegers verließ nicht für einen Moment Rilan, während Nahom Fragen stellte. Das spöttische Lächeln blieb auf dem sonnengebräunten Gesicht mit der barbarischen Kriegsbemalung.
Fünf Mal fuhr die Peitsche in den breiten Rücken. Das Lederhemd, das der Krieger unter dem Panzer getragen hatte, musste schon beim ersten Schlag in Fetzen gegangen sein. Jetzt fraß sich der schwere Riemen durch seine Haut in seine Muskeln. Rilan sah Blutspritzer, die den hellen Marmor des Bodens befleckten.
Aber das spöttische Funkeln seiner Augen fand zwischen den Schlägen immer wieder ihr Gesicht. »Deine Stadt fällt, Kleines. Nichts kann das verhindern.«
Weitere fünf Schläge. Sie sah Schweiß auf seinen hohen Wangenknochen und an seiner Kehle perlen. Ja, er spürte den Schmerz wie jeder normale Mensch, mochte er auch ein Roter Krieger sein, der angeblich weder den Tod noch die Götter fürchtete.
Das glühend heiße Eisen erfüllte den Saal mit einem schweren Geruch, als der zweite Folterknecht es aus dem Kohlenbecken hob. Sie sah, wie der Blick des Kriegers ganz kurz zu diesem Mann flackerte. Sie hoffte, dass er das Eisen fürchtete, denn es war ihr zuwider, der Folter womöglich so lange beiwohnen zu müssen, bis aus einem jungen Mann ein Klumpen wimmerndes Fleisch gemacht worden war. Sie hoffte, dass sein Wille vorher brach.
Der Krieger sah sie wieder an. »Ich werde keine deiner Fragen beantworten. Mein Tod wird den Fall deiner Stadt nicht verhindern.« Als ob sie die Fragen gestellt hätte!
Es war Nahom, der reagierte und somit Rilan verteidigte – nicht Kadar, der mit geweiteten Augen dasaß und lächelte, während das Blut des Roten Kriegers unter den Peitschenhieben spritzte.
Der General sah Rilan an, als die Peitsche wieder und wieder in das ohnehin wunde Fleisch biss. Rilan hoffte, dass der Ausdruck in seinem kantigen Gesicht so etwas wie widerwillige Anerkennung war. Hier und jetzt war sie nützlicher als ihr Bruder, der sich an der Folter berauschte, ohne zu verstehen, dass die Schmerzen des Barbaren nicht Selbstzweck waren.
Rilan stand auf. Dieses Mal konnte sie keine Rücksicht auf die Etikette nehmen. Kadar saß da wie der Welt vollkommen entrückt. Jemand musste handeln! Sie war sich des hellwachen Blicks des Kriegers allzu deutlich bewusst. Langsam kam sie auf diesen Gegner zu, umrundete ihn gemessenen Schrittes und betrachtete ihn eingehend.
Sie sah gewaltige Muskelpakete, Blut und längst und gut verheilte Narben. Dies war nicht seine erste Schlacht gewesen. Die hellen Linien alter Verletzungen auf seinen nackten Oberarmen, auf den kraftvollen Schenkeln rührten nicht von Folter, sondern von gegnerischen Waffen her. Er war verwundet worden, er kannte Schmerz. Es war wichtig, diesem neuen Schmerz Erniedrigung hinzuzufügen, um den Willen des fremden Kriegers zu brechen.
Rilan nickte dem Folterknecht zu, als sie hinter dem Krieger stand und den Linien seines Körpers und der stählernen Muskelstränge mit dem Blick folgte. Blut sickerte aus den kreuz und quer über den breiten Rücken verlaufenden Peitschenwunden, aber das war nichts für diesen Kerl, das verstand sie jetzt.
Dank der Eisenstange in seinem Nacken konnte er den Kopf nicht weit genug wenden, um zu sehen, was hinter ihm vorging. Aber er wusste, dass glühende Eisen im Spiel waren.
Er musste erfassen, dass sein selbstsicheres Auftreten und seine offen zur Schau getragene Frechheit ihm nicht helfen, ihn niemals retten konnten. Wenn er sich Rilan als Gegnerin ausgesucht hatte, weil er sie für schwach hielt, würde er seinen Irrtum bald erkennen, schwor sie sich mit vor Wut fest zusammengebissenen Zähnen. Sie war die Königstochter einer vielleicht sterbenden Stadt, und falls er hoffte, dass sie Skrupel oder Hemmungen verspürte, ihn Todesqualen spüren zu lassen, irrte er sich.
Sie brauchte Antworten auf Nahoms Fragen, und sie war entschlossen, die nötigen Auskünfte zu erhalten – koste es, was es wolle.
Zwei Soldaten hielten die Stange und verhinderten, dass der Krieger sich weiter drehte. Trotzdem fand sein Blick Rilan, bevor das glühende Eisen den Krieger berührte. Sie sah Verachtung in diesem Blick, aber die Stadt, das Reich ihres Vaters waren wichtiger als dieser Mann und was er in Rilan zu sehen meinte.
Stinkender Rauch stieg auf, als das Folterwerkzeug sich in das Fleisch versenkte. Alle Muskeln standen wie Würgeschlangen unter der Haut hervor, als der junge Gefangene den Kopf weit nach vorne sinken ließ, zischend Atem in seine Lungen sog – aber er schrie nicht, sondern kämpfte gegen den Schmerz an. Tapfer wie ein wildes Tier, das in der Falle steckt oder sich unter dem es durchbohrenden Speer windet. Kein Laut von ihm, und nur das Beben seiner Muskeln zeigte, wie sehr er litt.
Rilan trat näher, roch den frischen Schweiß, der aus seinen Poren strömte. Nahom war bereit, ihn unter der Folter verrecken zu lassen. Aber sie brauchte Antworten!
Sie packte sein langes Haar, das in dünnen Zöpfen zurückgeflochten war, um ihn im Kampf nicht zu behindern. Sie zerrte seinen Kopf zu sich herum. »Ich kenne andere Wege. Ein Wort von mir genügt.«
»Selbst wenn du dich nackt ausziehst und deinen Busen in mein Gesicht schwingst, Kleines, wirst du nichts von mir hören.«
Sie fuhr zurück, als ob er sie geschlagen hätte. Der erste Folterknecht hatte nur darauf gewartet, dass sie ihm Platz machte. Zehnmal fraß die Peitsche sich in das wunde Fleisch, forderte bei jedem Schlag Blutzoll.
Rilan beugte sich vor Hass bebend vor, ignorierte Nahoms Bemühungen, der an ihre Seite getreten war und sie vor dieser Beleidigung abschirmen wollte.
»Nahom, es wird sich wohl jemand im Palast finden, der das Fleisch eines jungen Kriegers anziehend findet. Ich will so viele Männer wie möglich hier haben, die ihn besteigen.«
Der Krieger wandte den Kopf und starrte sie für einen Moment fassungslos an. Er würgte nur ein Wort hervor: »Hure!«
»Du wirst jetzt die Hure sein. Ich bin sicher, dass es vergnüglich wird.«
Auf dem Thron kicherte Kadar, und Rilan wurde beinahe übel. Nicht wegen ihres Befehls – zu dem musste sie stehen. Sie zitterte vor sich selbst. Aber ein Tier wie dieses hatte ihren Vater erschlagen, der ihr das Liebste auf der Welt gewesen war. Andere wie er wollten die Stadt erobern, die Bewohner versklaven. An diesem einen konnte sie ihre Rache nehmen. Sie würde zusehen, wie er bestiegen wurde. Und es würde ihr gefallen, beschloss sie zornbebend.
Aber sie bebte auch, weil sie Kadars Kichern nicht vorausgesehen hatte, weil sie ihn niemals einer solchen Abscheulichkeit für fähig gehalten hätte. Er war ihr plötzlich fremd geworden, stieß sie ebenso ab wie der Rote Krieger – und doch war er ihr Bruder, Gadons König und die Zukunft des ganzen Inselreichs. Sie bekam mit einem Mal Angst, wie die kommende Zeit unter seiner Regierung aussehen würde.
Diese Zweifel an einem Menschen, den Rilan bislang immer als Vertrauten gesehen hatte, waren für sie schlimmer, als jede Beleidigung durch den jungen Krieger es hätte sein können. Doch keine Macht der Welt konnte Rilan dazu bringen, ihr Entsetzen vor dem Gefangenen oder vor irgendeinem anderen Menschen zu zeigen.
Kadars glühende Augen ruhten auf dem Gefangenen, und Nahom verließ den Saal, um möglicherweise tatsächlich Rilans Befehl weiterzugeben. Sie konnte und wollte diese Anweisung nicht zurücknehmen. Der Rote Krieger würde sterben – in den nächsten Stunden oder Tagen, aber sie weigerte sich, vor diesem Fremden das Gesicht auch nur augenblickslang zu verlieren. Sie war die Königstochter von Gadon, und der kichernde Wahnsinnige auf dem Thron war vor kurzem noch ihr großer Bruder gewesen. Sie war kein Niemand!
Was die Zukunft ihr auch brachte, Rilan blieb entschlossen, diesen Ereignissen wie eine wahre Königin entgegenzutreten. Dazu gehörte auch die ultimative Erniedrigung des jungen Kriegers. Wenn es das brauchte, um seinen stählernen Willen oder den Schutzwall seiner Dummheit zu durchbrechen, dann musste es einfach sein. Rilan würde dies durchstehen und wenn schon keine Genugtuung, so doch zumindest Befriedigung ihrer Rache daraus zu ziehen.
Sie wandte den Blick von Kadar und sah einen Augenblick lang in die hellen Augen ihres wirklichen Feindes.
In diesem Moment stürmte Nahom zurück in den Saal. »Hoheit! Sie haben die Mauern durchbrochen!«
Rilan erstarrte. Wie konnten sie in der Stadt sein? Niemand hatte ihr gesagt, dass es bereits so verzweifelt stand! Das Entsatzheer war doch eingetroffen; wie hatten die Roten Krieger es dann geschafft, die Stadt zu stürmen?
Das leise, fast behagliche Auflachen des Kriegers ließ Rilans Wut überkochen. Hier befand er sich in der Gewalt seiner Gegner, von denen er wissen musste, dass sie ihn töten würden. Und er lachte!
Kadar sprang auf, aber Rilan starrte immer noch fassungslos den Krieger an, dessen Kühnheit ihr fast den Atem nahm. Er musste doch verstehen, dass niemand rechtzeitig bei ihm sein konnte, um ihn zu retten!
»Er bleibt am Leben. Brecht ihm die Beine. Jetzt!«, sagte Kadar in die Stille, die dem anscheinend wirklich erheiterten Auflachen gefolgt war. Seine Stimme zitterte – vor Wut, Hass, Erregung oder Wahnsinn. Rilan wusste es nicht. Aber dieser Befehl erfüllte sie mit kaltem Entsetzen.
Sie hasste den feindlichen Krieger, das tat sie wirklich. Sie hatte keinerlei Bedenken, ihn unter der Folter in zuckendes, wimmerndes Fleisch zu verwandeln. Aber nun war es zu spät! Die Fragen, die Nahom ihm gestellt hatte, waren bedeutungslos geworden. Ja, sie wollte, dass der junge Mann – und alle anderen Roten Krieger mit ihm – starb und nicht länger die gleiche Luft atmete wie sie. Aber nicht so.
Nahom rannte zu Kadar und packte diesen am Oberarm. »Hoheit, wir müssen gehen!«
»Er hat meine Schwester beleidigt!«, sagte Kadar mit verträumt klingender Stimme. »Er wird seinen Leuten befehlen, sie zu schänden.«
»Du Bastard willst sie doch selbst besteigen!«, erklang die spöttische Stimme des jungen Kriegers, und in Rilans Magen krampften sich Zorn und Ekel zu einem heißen Klumpen zusammen. Nahom nickte dem Folterknecht zu, der schon eine schwere Eisenstange in Händen hielt. Rilan wusste nicht, ob der Mann dieses Nicken als Bestätigung für Kadars Befehl ansah oder gar brauchte, aber in diesem Augenblick stritten in ihr Entsetzen und Wut über die gesamte Lage, Kadars Verhalten und die Häme des Roten. Sie wusste nicht mehr, was richtig oder falsch war.
Trotzdem hatte sie eine letzte Genugtuung, bevor Kadar nach ihrer Hand griff und sie mit sich zog:
Endlich schrie der Krieger. Vor Wut, vielleicht vor Verzweiflung, hoffentlich vor Angst. Dann schrie er vor Schmerz.
Bevor Nahom Rilan und Kadar aus dem Saal schaffen konnte, sah sie über die Schulter zurück. Rilan blickte in ein Gesicht, das unter Blut und Kriegsbemalung kalkweiß war, in grüne Augen, in denen Hass wie der Irrsinn in Kadars Augen leuchtete.
Sie überschritt die Schwelle, die Tür schwang hinter Rilan zu, und doch hörte sie noch den Schlag, der dem Krieger auch den zweiten Unterschenkel brach. Und seinen Schrei, der sie beinahe betäubte und ihr Übelkeit bereitete.
Kadar zog sie mit sich, und Rilan kämpfte darum, mit ihm Schritt zu halten. Ihre Röcke raschelten und bauschten sich weit um ihre Beine. Ihre Füße und Waden fühlten sich hölzern und kalt an, fanden aber den Weg fast von alleine, während Rilans Blick wie gebannt auf dem wenigen, was sie von Kadars Gesicht sehen konnte, hing. Er sah fremd und grausam aus. Das irre Lächeln spielte immer noch um seine Lippen, und fast hatte sie den Eindruck, dass ihm selbst diese verzweifelte Flucht Freude bereitete.
Wohin wollte Nahom sie in Sicherheit bringen? Anhand ihrer Juwelen und Kleidung war Rilan allzu leicht als Mitglied der Königsfamilie zu erkennen. Kadars Worte, dass die Roten Krieger wie gierige Hunde über sie herfallen würden, echoten schmerzhaft in ihr wider.
Mit einem Mal wurden Schreie vor ihnen laut. Stiefel hämmerten auf Marmor, und überall leuchtete das Rot der Feinde. Flatternde Mäntel, blutbespritzte Panzer, die unheilvoll zu glühen schienen unter dieser Patina von Mord und Totschlag.
Nahom wirbelte keuchend herum. Er musste Kadar beinahe mit Gewalt mit sich herumreißen, und die Hand des Königs drückte schmerzhaft Rilans Finger zusammen.
Kadar war unbewaffnet, aber er wollte sich den Roten Kriegern entgegenwerfen. Nicht nur sich selbst, verstand Rilan alarmiert, er machte Anstalten, sie mit sich zu ziehen.
Gemeinsam mit Nahom konnte sie ihren Bruder wieder in den Kronsaal zerren, die Tür zuschlagen, obwohl diese nicht den geringsten Schutz bot. Rilan hatte entsetzliche Angst, aber niemals würde sie das zeigen – nicht vor Nahom und vor allem nicht vor ihren Feinden.
Im Kronsaal lag der junge Krieger am Boden und keuchte vor Schmerzen. Sein Blick glühte hasserfüllt. Seine Beine waren gebrochen, die Unterschenkel zerschlagen, aber sein Wille war es offenkundig nicht.
Nahom ließ Rilan stehen, zerrte den Krieger auf die Knie und zog das Schwert. Ein leises Keuchen, ein halber Schrei entrang sich dem jungen Mann. Schweiß lief nun in Strömen an ihm hinab. Die Klinge berührte seine Kehle, als die anderen Roten Krieger die Halle stürmten.
Einen Moment verharrten sie alle. Rilan wollte nichts lieber, als sich zu verstecken, doch sie hielt sich mit hocherhobenem Kopf aufrecht. Die Ehre ihrer Familie stand auf dem Spiel.
Rilan hielt Kadar fest, aber der stand jetzt ganz still da und sah verständnislos um sich, als wäre er aus einem Traum erwacht. Nie zuvor hatte Rilan sein Gesicht so gesehen, eine leere Fratze, die Gesichtszüge schlaff, der Mund weich und halb geöffnet. Speichel lief über sein Kinn. Aber die Augen erfüllte immer noch ein fremdes, abscheuliches Feuer.
Das war nicht ihr Bruder. Sie verstand nicht, was geschehen war, aber das konnte unmöglich Kadar sein! Instinktiv wich sie einen halben Schritt zurück, bevor sie verstand und bemerkte, was sie da tat. Das machte es nur noch schrecklicher.
In die angespannte Stille fiel die Stimme des knienden Kriegers. »Die Frau bleibt am Leben. Tötet den Rest.«
Rilans Kopf ruckte zu ihm herum: Kalkweiß, blutbeschmiert, mühsam auf den Knien balancierend, Nahoms Schwert nur einen Fingerbreit von seiner Kehle entfernt – und er sprach einen solchen Befehl beinahe kalt und gelassen aus.
Die Roten hatten nur auf diese Order gewartet, die ihnen deutlich sagte, wer das Ziel ihrer Waffen sein musste – und wer leben sollte. Klingenstäbe rasten als Wurfgeschosse durch den Kronsaal, streckten die Soldaten und einen Folterknecht nieder.
»Ich töte ihn!«, drohte Nahom viel zu spät, bevor ein geschleuderter Speer ihn etliche Schritte rückwärts warf, als die scharfe Klingenspitze sich in die Brust des Generals bohrte. Sein Schwert fiel klirrend zu Boden.
Rilan wusste, dass sie niemals die dumpfen, nassen Geräusche vom Einschlagen der Klingen in menschliche Körper vergessen würde.
Mit einem erstickten Schmerzensschrei fiel der Rote Krieger vornüber. An die Metallstange gefesselt konnte er seinen Fall nicht abbremsen und schlug hart auf dem Marmorboden auf.
Rilan versuchte, in alle Richtungen gleichzeitig zu sehen. Ihr Herz raste. Vor wenigen Augenblicken hatte sie sich noch als Herrin der Lage gefühlt, sich gezwungen gesehen, einen störrischen jungen Mann mit Erniedrigung und Schmerzen zu bedrohen. Eben noch hatte sie erkannt, dass mit ihrem Bruder etwas nicht stimmte, und nun befand sie sich mitten auf einem Schlachtfeld, nur wenige Schritte von ihren Gegnern entfernt.
Götter, das alles war Wahnsinn und sinnlos!
Dann durchschlug ein kraftvoll geschleuderter Klingenstab Kadar. Der Speer durchbohrte ihn, sodass Rilans Bruder einen Schwall Blut ausspuckte und dann einfach in sich zusammensank wie eine Marionette, deren Fäden alle gleichzeitig durchschnitten worden waren.
Rilan ging mit ihm zu Boden, hinab gerissen durch die Wucht der Waffe und Kadars Gewicht.
Überall war Blut, sog sich in Rilans spitzenbesetztes Kleid, blubberte auf Kadars Lippen, quoll aus seiner Nase und färbte alles rot wie die Mäntel der Feinde.
Gefahr und Panik überrollten Rilan, verursachten ihr Schwindel. Der Blutgestank bereitete ihr Übelkeit, wie es kurz zuvor bei der Folter nicht geschehen war. Trauer, Verzweiflung und tödliche Angst schlugen wie schwarze Meereswellen über ihr zusammen und schafften es doch nicht ganz, das merkwürdige Gefühl von Erleichterung wegzuwaschen.
Denn sie war erleichtert, dass der Irre tot war, weder ihr noch Gadon schaden konnte. Gleichzeitig brannte entsetzliche Trauer um ihren Bruder in ihr.
Sie hielt seine Hand, bis das letzte Zucken verebbte, hob den Kopf und sah mit allen Anzeichen von krampfhaft zur Schau gestellter Gelassenheit zu den feindlichen Kriegern auf. Sie war nun die einzig lebende Thronerbin, und als solche würde sie ihr Schicksal hocherhobenen Hauptes ertragen.
Rilan gab keinen Laut von sich, als sie am Oberarm gepackt und auf die Beine gezerrt wurde. Gegenwehr war sinnlos und entwürdigend, und so duldete sie stumm, wie zuvor der junge Krieger alles über sich hatte ergehen lassen. Sie stand am Rande einer Ohnmacht, und der einzige Kampf, den sie nun ausfocht, war der gegen ihre eigene Schwäche.
Zwei der Roten Krieger hielten sie fest, als wäre sie ein gefährlicher Gegner und nicht nur eine Frau, deren Reich und Leben gerade in Trümmer gingen. Selbst wenn sie gewollt hätte, wäre sie gar nicht in der Lage, sich gegen diese schwergepanzerten Männer zu wehren.
Ihre Ruhe zeigte Wirkung, und sie war darüber überrascht, als eine Faust sich leicht lockerte, sich nicht mehr schmerzhaft in ihr Fleisch grub. Vielleicht hatte da jemand verstanden, dass sie keinen vollwertigen Gegner abgab. Oder es bedeutete nur Gleichgültigkeit oder die Schonung der eigenen Kräfte.
Der Blutgestank schnürte Rilan die Kehle zu, und sie verstand, dass sie sich nur noch auf den Beinen befand, weil die Krieger sie festhielten. Sie schluckte mehrfach, um den Brechreiz im Zaum zu halten.
Immer noch strömten Rote Krieger in den Saal, offenkundig ungerührt angesichts Leichen und Blutlachen. Einer rannte an allen vorbei zu jenem jungen Krieger, der nicht eine einzige Frage beantwortet, Rilan verspottet und Kadar ins Gesicht gelacht hatte.
Zumindest das Lachen war ihm jetzt vergangen, dachte Rilan mit plötzlich aufwallender Gehässigkeit. Er hatte auch sie ausgelacht, ihr unbekümmert Avancen gemacht und sie zu Taten und Worten gezwungen, von denen eine behütet aufgewachsene Königstochter nicht einmal Kenntnis haben sollte. Er hatte sie vorgeführt wie ein Vieh auf dem Markt, und die ganze Zeit hatte er sie verhöhnt.
Der Krieger hatte den jungen Mann erreicht, kniete neben ihm nieder und berührte vorsichtig dessen Schulter, bevor er hastig die Fesseln zerschnitt und die Metallstange von ihm hob. Rilan hörte die fassungslose Stimme des Neuankömmlings. »Kenna, bei den Göttern, ich bringe das Weib um!«
»Sie bleibt am Leben«, beharrte der junge Krieger, stemmte sich halb hoch, nun da seine Hände frei waren. Der Blick, den er Rilan zuwarf, hätte tödlich sein müssen – war es aber nicht. Der Mann war kreidebleich unter seiner Sonnenbräune, die Muskeln zitterten. »Sie bleibt am Leben. Und für den Rest ihres Daseins wird sie sich wünschen, den Irren aufgehalten zu haben.«
Er sank wieder zu Boden, jeder Atemzug ein angestrengtes Keuchen. Der Mann neben ihm löste den eigenen Umhang von der Rüstung und deckte seinen Kameraden behutsam zu, legte noch einmal die Hand auf eine muskelbepackte Schulter und sah dann zu Rilan auf. »Du wirst den Rest deines Lebens leiden. Das schwöre ich dir.«
Rilan sank ohnmächtig zu Boden. Sie wollte gar nicht wissen, was diese Tiere mit ihr vorhatten.
Sie erwachte von einem Schrei.
Hastig fuhr Rilan hoch und fühlte sich zurückgestoßen. Im ersten Moment wusste sie nicht, was überhaupt los war, bis der nächste Schrei erklang und die Erinnerungen zurückkehrten. Ihr Magen hob sich gefährlich, sie presste die Hand auf die Kehle und lag ganz still, damit sie sich nicht übergeben musste. Ihr Herz raste, und nur mit äußerster Anstrengung konnte sie verhindern, dass sie am ganzen Körper zitterte.
Der Schrei, der sie geweckt hatte, erfüllte sie mit bösen Vorahnungen. Vorsichtig schlug sie die Augen auf, sah um sich, wo sie sich überhaupt befand. Das war der Kronsaal von Gadon, und sie lag, wo sie niedergesunken war: vor den Stufen, die zum Thron hinaufführten. Sie drehte langsam den Kopf, bis sie den Sessel ihres Vaters sehen konnte. Die Krone lag auf dem Sitzkissen.
Zwischen Rilan und dem Thron saß ein Roter Krieger auf den Stufen, aß einen Apfel und behielt sie genau im Auge. Nicht einen Wimpernschlag lang wandte er den Blick von ihr, und in diesem lag so viel Hass, dass sie auf einen raschen Tod hoffte.
Ganz vorsichtig hob sie nur den Kopf. Daran hinderte er sie nicht. Offenbar hatte sie hier zu seinen schmutzigen Füßen liegenzubleiben. Sie sah um sich und erblickte ausschließlich Rot.
Die Leichen waren fortgeschafft worden, aber Nahoms Blut, das der Soldaten und Folterknechte blieb in Pfützen und Schleifspuren als unübersehbares Zeugnis der Morde auf dem Marmor sichtbar.
Kadars Leiche lag wenige Schritte von ihr entfernt. Aber sie konnte den Körper nur noch an Kleidung, Schmuck und Statur erkennen. Sie atmete keuchend ein, ihr Blick flog wieder zum Thron. Erst jetzt konnte ihr Verstand das Unfassbare erkennen: Nicht nur die Krone lag dort. Sie saß noch immer auf dem Kopf von Gadons letztem König. Die Wilden hatten Kadars Leiche enthauptet.
Wieder erklang ein Schrei, halb erstickt aus der Kehle eines Menschen, der zu stolz war, seine Qual zu zeigen.
Zahlreiche Rote Krieger standen oder saßen in der Halle herum. Sie sahen erschöpft aus, das war der einzige Trost.
Wer hatte geschrien? Folterten sie jemanden?
Rilans Herzschlag beschleunigte sich besorgt, bis sie einen Arm sah, dessen Handgelenk unter einem groben Soldatenstiefel auf den Boden gedrückt wurde. Ihr Blick folgte dem Arm bis zu einem kalkweißen Gesicht.
Nein. Alles war gut.
Da lag der junge Krieger, dem auf Kadars Befehl hin die Unterschenkel zerschlagen worden waren. Sie erinnerte sich, dass sein Name Kenna lautete. Der Feind – eine unzählbare Masse von Roten Kriegern – besaß nicht nur ein Gesicht, sondern auch einen Namen.
Auch Kennas rechter Arm wurde niedergehalten. Einer jener Roten Krieger kniete auf seinem Oberarm, eine Hand auf der Brust des Verletzten. Zwei Männer waren nötig, um ihn am Boden zu halten.
Götter, sie hoffte, dass er gerade verreckte.
Nein. Das wollte sie nicht. Er sollte leben, um die nächsten Jahrzehnte an diese Lektion zu denken: Lache niemals über das Königshaus von Gadon. Niemals. Bei jedem Schritt an Krücken sollte er an seine Anmaßung und deren Folgen erinnert werden.
Dann verstand Rilan. Sie richteten seine gebrochenen Knochen. Sie hoffte, dass das richtig weh tat. Hoffentlich war dort ein Knochenflicker am Werk, der sein Handwerk nicht verstand.
Kenna schrie wieder, und eine Gänsehaut überlief sie. Es war ein bitterer Triumph, aber er war besser als gar keiner. Das Hochgefühl hielt genau so lange an, bis Kenna den Kopf drehte, als hätte er Rilans Blick gespürt. Die grünen Augen funkelten – ob vor Tränen des Schmerzes oder aus reinem Hass konnte sie nicht entscheiden, aber sie zuckte vor diesem Starren zurück.
Kenna hatte gewonnen. Zum Krüppel geschlagen hatte er trotzdem gesiegt. Ihr wurde kalt vor Angst bei dem Gedanken, was er sich als Rache ausdenken mochte.
Denn Rilan lebte nur, weil er es so befohlen hatte. Sie war die letzte Überlebende der Königsfamilie – und sie war eine Frau, die uralte Beute einer siegreichen Armee.
Einmal noch schrie Kenna. Er konnte gar nicht genug leiden, und der Gedanke, dass sie wirklich zugesehen hätte, wie er zur Hure gemacht worden wäre, wuchs in Rilans Bauch, bis sie beinahe erbrechen musste.
Gerüstete Männer mit roten Mänteln brachten eine Trage herein. Die beiden Krieger halfen Kenna, sich aufzusetzen. Er war schweißnass, obwohl er auf dem eiskalten Marmorboden gelegen hatte.
Rilan kämpfte gegen Tränen der Verzweiflung. Ihre Angst wuchs mit jedem Atemzug. Sie weitete sich noch mehr aus, als Rilan Kennas von Peitschenhieben aufgerissenen Rücken sah, die Blicke der beiden Krieger, die ihn nun stützten.
Es wäre besser gewesen, wenn Kenna befohlen hätte, sie zu töten.
Viel besser.
Sie versuchte, sich einzureden, dass er sie nicht so sehr hassen könnte. Denn sie hatte den verhängnisvollen Befehl nicht gegeben! Es war Kadar gewesen, der die gebrochenen Unterschenkel zu verantworten hatte. Aber sie erinnerte sich, dass sie tatsächlich gewollt hatte, dass der Krieger für seine Frechheit, sein Lachen bestraft wurde. Er hatte sie direkt angesehen. Er wusste das. Und Kadar war tot und konnte nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden.
Nur ein Blick auf den blutüberströmten Rücken, und Rilan war klar, wem dieses Vieh die Schuld an allem geben würde. Nur deswegen lebte sie noch.
Krieger und Heiler verbanden seine Wunden und hoben ihn auf die Trage. Vier baumgleiche Krieger traten heran, um ihn aus dem Saal zu schaffen. Wohin? In das Schlafzimmer ihres Vaters? Ihres Bruders? Rilan hätte beinahe vor Wut aufgeschrien über diese Entweihung.
Aber Kenna hob eine Hand, und die Krieger beugten sich über ihn, um seine Worte zu verstehen. Das hätten sie nicht gemusst, denn seine Stimme erreichte jeden Winkel des Kronsaales mühelos. Jeder Satz war ein Peitschenhieb für Rilan. Ob er das absichtlich tat oder nicht, war vollkommen egal. Er tat es. »Verschont die Bevölkerung. Versorgt ihre Verwundeten. Wir sind keine Tiere, wir rächen uns nicht an ihnen. Bringt die Frau in ihr Zimmer. Nur eine Zofe darf zu ihr. Niemand sonst. Vernagelt alle Fenster, damit sie nicht springt. Wir brauchen sie möglicherweise noch.«
Rilans Zorn kochte über, aber sie schaffte es, ihre Stimme vollkommen normal klingen zu lassen. Sie lächelte sogar – oder zeigte zumindest die Zähne. »Ich werde meinen Bruder bestatten.«
Kenna wandte leicht den Kopf. Sie sah die grünen Augen wie Edelsteine in seinem kalkweißen Gesicht leuchten. »Das wirst du nicht. Sein Kopf kommt auf die Stadtmauer, der Rest ist Futter für Straßenköter. Tu jetzt nicht dumm und heldenhaft, dass du sein Schicksal teilen willst. Ich bin sehr versucht, dir zuzustimmen.« Er drehte den Kopf und sagte erheblich schwächer zu einem der Krieger: »Schaff sie weg.«
Über zwei Wochen verbrachte Rilan in ihren Zimmern. Die Fensterrahmen waren tatsächlich vernagelt worden, bevor die Krieger Rilan überhaupt hineingelassen hatte. Alle Schränke, Truhen und Kommoden hatten die Männer durchwühlt.
Zuerst hatte sie gedacht, dass die Roten Krieger geplündert und ihre Juwelen gestohlen hätten. Aber während sie zusammen mit ihrer Zofe aufräumte, musste sie erkennen, dass sie nicht beraubt worden war. Nichts schien zu fehlen.
Rilan ließ sich neben einer Truhe auf die Knie nieder und überlegte fieberhaft, bis sie endlich verstand: Die Roten Krieger hatten Waffen und womöglich Gift gesucht. Der letzte Ausweg schien ihr versperrt – sie hatte ihn ohnehin nicht beschreiten wollen. Sie lächelte böse. Die Krieger waren Idioten! Sie könnte sich immer noch mit einem Schal oder einer Gardinenschnur erhängen oder ihrer Zofe befehlen, sie zu erdrosseln oder zu ersticken.
Aber sie wollte nicht Selbstmord begehen. Sie war die Letzte des Königshauses, und obwohl dies in der Geschichte Gadons nie vorgekommen war, machte die Lage sie offiziell zur Regentin – normalerweise für ihren Sohn oder einen sehr viel jüngeren Bruder. Beides gab es nicht, aber zumindest ein Sohn war eine potentielle Gefahr. Gezeugt durch Vergewaltigung, ein Bastard eines Roten Kriegers. War es das, was Kenna gemeint hatte, als er gesagt hatte, sie würde möglicherweise noch gebraucht?
Um sich von ihrer Lage abzulenken, dachte Rilan über den jungen Krieger nach. Der einzige Überlebende eines Trupps, der die Zerstörung des Aquädukts zum Ziel gehabt hatte. Nie im Leben war der Kerl nur ein einfacher Krieger, dessen war sie sich ganz sicher. Sein ganzes Auftreten war allzu selbstsicher gewesen – beinahe selbstgefällig. Rilan rief sich die spottende Stimme ins Gedächtnis, die so kalt und beherrscht geklungen hatte, als er die Roten Krieger herumkommandiert hatte. Er war es offenkundig gewohnt, Befehle zu erteilen – und viel wichtiger: Er war es gewohnt, dass seine Anweisungen befolgt wurden.
Er musste ein hochstehender Kommandant sein, so lächerlich das angesichts seines Alters auch klang. Er konnte noch nicht einmal dreißig sein.
Sie entsann sich der langen, dunkelroten Haare, die in zahlreichen dünnen Zöpfen nach hinten geflochten waren, bis sie im Nacken mit einem Band zusammengefasst wurden. Wäre es ihm nur um praktische Erwägungen gegangen, trüge er kurze Haare. Er war vielleicht durch militärische Erfolge und seine eigenen Leistungen nach oben gekommen. Sein Körper war auf jeden Fall durch Kampf gestählt. Wie mochte er bei Frauen ankommen? Wahrscheinlich besser, als seinem Ego gut tat.
Eitel und jung, Rilan, und alle seine Anzüglichkeiten zielten auf dich ab. Möglicherweise nicht nur, weil du die einzige Frau im Kronsaal warst. Möglicherweise ist da etwas, was du ausnutzen solltest. Er ist anmaßend und wahrscheinlich Speichelleckerei gewohnt. Und Frauen, die ihm reihenweise in den Schoß fallen.
Sie schüttelte entsetzt über sich selbst den Kopf: auf gar keinen Fall!
Die Stimme der Vernunft erklang wieder in ihr und teilte ihr schonungslos mit, dass sie entweder eine vergewaltigte Regentin wurde, bis ihr Bastard gekrönt war, oder dass sie verdammt noch einmal tat, was ihr im Blut lag und ihre Ahnen von ihr erwarteten.
Gadon war nun ihr Königreich, und sie konnte nicht erlauben, dass auch nur ein einziger ihrer Untertanen unter der Willkür der Besatzer litt.
Wieder flogen ihre Gedanken zu Kenna. Was, wenn sie sich irrte? Jugend bedeutete nicht zwangsläufig Dummheit.
Das, was Rilan als stupide Tapferkeit erschienen war, als er stumm unter der Folter litt, konnte ebenso gut felsenfestes und berechtigtes Vertrauen in seine Männer demonstriert haben. Sie waren rechtzeitig erschienen, um ihn vor dem Tod zu retten. Aber sie waren zu spät gekommen, um die Ausführung von Kadars letztem Befehl zu verhindern.
Stolz war Kenna. Auch das konnte Dummheit bedeuten, aber Rilan hatte in seine Augen gesehen und darin mehr als blindes Vertrauen in seine Männer bemerkt.
Stolz, Intelligenz zumindest in gewissem Umfang, Selbstgefälligkeit und möglicherweise Unreife. Jugend stellte vielleicht den wichtigsten Schlüssel dar, denn jetzt war der Krieger ein Krüppel. Und nach Rilans Willen sollte er das auch bleiben.
Seine vorgetäuschte Fürsorge für ihr Volk konnte viele Gründe haben, aber keinen Moment lang hielt Rilan Kennas Ansinnen für redlich. Vielleicht wollte er sich bei den Bewohnern anbiedern, damit er leichteres Spiel hatte und die Massen ruhig halten konnte. Oder er hatte es tatsächlich nur getan, um Rilan zu imponieren! Diese Frechheit ließ sie vor Zorn zittern.
Rilan war erstaunt, dass sie in den nächsten Tagen zu einer gewissen Routine fand. Es gab regelmäßige Mahlzeiten. Ihre Zofe durfte einmal am Tag in die Stadt, um ihre Angehörigen zu besuchen. Das Mädchen wurde nie belästigt. Zu Rilans ehrlicher Verblüffung kam die Zofe immer zu ihr zurück, anstatt einfach in der Stadt zu bleiben oder zu flüchten.
Mire war Rilans einzige Verbindung zur Außenwelt. Keiner der Roten Krieger, die das Essen, frisches Wasser und einmal einen Korb voll Kleidung aus der Wäscherei brachten, wechselte mehr Worte als absolut notwendig mit Rilan. Sie sah keinen Respekt in ihren Augen. Nur Gleichgültigkeit und oft Verachtung.
Nach fast zwei Wochen Arrest kam Mire eines Abends aufgeregt von ihrem Besuch in der Stadt zurück. Rilan folgte dem Mädchen auf dessen hastige Gesten hin in das Ankleidezimmer – der Raum, der am weitesten von der Tür zum Flur entfernt lag und somit ziemlich sicher vor Lauschern schien.
»Hohe Dame, die Flotte der Roten Krieger wird angegriffen«, wisperte Mire aufgeregt.
»Erzähl mir alles, was du weißt.«
Viel war es nicht, aber die Zofe hatte Augen und Ohren offen gehalten, nachdem sie die ersten Gerüchte aufgeschnappt hatte. Rilan hörte aufmerksam zu, füllte die Lücken in den Schilderungen mit Hoffnung und fügte bunte Mosaiksteine zu einem unvollständigen Bild zusammen.
Die anderen Städte Gadons waren seit Kadars Ermordung Stück für Stück an den Feind gefallen. Das Reich war führerlos, und natürlich hatte sich das auf die Moral der Soldaten ausgewirkt. Rilan verachtete die Männer deswegen, obwohl ein kleiner Teil von ihr die Gedankengänge des einfachen Pöbels zu verstehen versuchte. Wozu in einer Schlacht sterben, wenn es keinen König mehr gab? Es war feige und dumm, aber etwas anderes konnte man wohl nicht vom ungebildeten Volk erwarten, wenn diesem klare Befehle und starke Führernaturen fehlten. Was Rilan am meisten verärgerte, war die Gleichgültigkeit ihr selbst gegenüber. Sie war nicht tot! Aber niemand führte ein Heer zu ihrer Rettung herbei.
Rilan drängte Wut und Enttäuschung beiseite, um Mires Bericht hören und verstehen zu können. Wer kam Gadon da in zwölfter Stunde zur Hilfe? Rilan wusste, was von ihr als Königstochter erwartet wurde, wenn der unbekannte Retter siegreich hervorging. Aber es schien ihr besser, als auf eine Vergewaltigung seitens der Roten Krieger zu warten.
»Bislang lagen die Kriegsschiffe am Strand, aber jetzt schaffen sie sie eilig in die geschützten Häfen. Letzte Nacht wurden sechs auf dem Strand liegende Schiffe zerstört«, berichtete das Mädchen aufgeregt.
»Hast du gehört, wie viele Männer sie verloren?«
»Nein, Hohe Dame. Aber es geht weiter, und jetzt klingt es nicht mehr so gut: Heute Morgen sind Fischerboote ausgelaufen – auf Befehl der Roten. Bis Mittag ist keines zurückgekehrt.«
»Die Männer sind geflohen«, stellte Rilan mit einer gewissen Befriedigung fest. Ihre Untertanen holten Hilfe!
»Nein. Die Roten sind mit einem Kriegsschiff ausgefahren. Mein Vater war mit an Bord, da er die Fischgründe sehr gut kennt. Sie fanden Trümmer und im Wasser treibende Leichen, Hohe Dame.«
»Warum sollte jemand unsere Fischerboote angreifen?« Rilan war ehrlich verwirrt.
Mire zuckte hilflos die Schultern. »Mein Vater, Hohe Dame, erzählte mir von unheimlichen Geräuschen in der Nacht, als die Kriegsschiffe vernichtet wurden. Es wurde kein Feuer gelegt, und die Leute in der Stadt haben große Angst. Einige Lagerschuppen, die nahe am Wasser stehen, wurden geplündert und die Wächter getötet.«
»Rote oder Leute von Gadon?«
»Sowohl als auch, Hohe Dame.«
»Und die Roten reagieren darauf, indem sie ihre Schiffe in die Häfen schaffen? Verstärken sie die Wachen?«
»Das tun sie.«
»Gut. Mire, ich will, dass du dich morgen wieder sehr genau umhörst. Wenn dein Vater mit den Roten unterwegs war, dann weiß er auch, wie die reagiert haben. Es muss eines der Nachbarreiche sein.«
Und gerade nach diesen niederschlagenden Nachrichten beschloss Rilan, den Barbaren zu zeigen, aus welchem Holz sie geschnitzt war. Zornig verbannte sie ihre üblichen Tageskleider in die Schränke und ging mit Mire ihre kostbaren Festroben durch, suchte diejenigen Kleider aus, die am reichsten mit Spitzen, Perlen, Stickerei oder Edelsteinen besetzt waren.
Nur weil sie eine Gefangene war, gab es keinen Grund, auch wie eine solche auszusehen, befand sie. Im Gegenteil, wenn sie sich jetzt klein machte, schlicht kleidete und nicht mehr auf ihr Äußeres achtete, fühlte es sich für sie selbst wie ein Eingeständnis einer Niederlage oder gar Schuld an.
Vielleicht würde sie die Wilden auch nur mit Edelsteinfunkeln blenden, aber auch das war ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn die Kerle erwarteten, dass sie in Sack und Asche ging, weil ihr Reich sich in feindlicher Hand befand und der junge Krieger ein Krüppel war, hatten sie sich geirrt!
Nachts lag Rilan lange wach und zerbrach sich den Kopf über diese Angriffe. Anfangs war ihr nach Jubel zumute gewesen. Sie hatte gedacht, dass ihre Befreier endlich gekommen wären, und ging im Geiste schon die heiratsfähigen Machthaber der Nachbarreiche durch, welcher es wohl sein könnte und welchen sie nicht vollkommen abstoßend fand.
Aber so einfach war es offenbar nicht.
Kein Befreier würde die Fischerflotte vernichten und Gadons Lager plündern. Viel wahrscheinlicher und damit deutlich unangenehmer war die Möglichkeit, dass ein anderes Reich die derzeitige Schwäche ausnutzen wollte. Das eigene Heer war in Auflösung begriffen, die Roten Krieger noch nicht vollkommen im Sattel. In dieser Zwischenphase war ein Angriff besonders gefährlich für Gadon und die Roten Krieger. Und besonders erfolgversprechend für jeden anderen. Verdammt.
Rilan setzte sich kerzengerade im Bett auf, als sie ein ungewöhnliches Geräusch vom Meer vernahm: Es klang wie das Weinen eines Kindes, schrill und irgendwie seelenlos. Gänsehaut überrieselte sie.
Sie sprang aus dem Bett und rannte zum Fenster. Die Läden waren vernagelt, aber trotzdem konnte sie durch die schmückenden Aussparungen hinaussehen, und vor allem konnte sie das unheimliche Schrillen besser hören.
Die Schiffe lagen größtenteils noch am Strand. Fackelschein beleuchtete sie, und mit einem Mal erloschen sämtliche Lichter und Wachfeuer. Das Schrillen schwoll an und wurde im nächsten Augenblick vom Bersten des Holzes beinahe übertönt. Takelage stürzte krachend und knarrend hinab. Männer schrien Befehle. Rilan hörte Waffengeklirr, das schrille Heulen und bekam immer mehr Angst.
Vor ihrem Fenster rannten Rote Krieger über die Wehranlagen. Sie sah Feuerschein auf den Panzern der Männer blitzen, nahm die flatternden Mäntel wahr. Sie flog zur Zimmertür und lauschte dort. Auch im Palast erklangen Befehle und hastige Schritte. Was auch immer der Angreifer war, sie wusste sicher, dass die Roten Krieger es fürchteten – und dass sie es ihnen besser gleichtat.
Mire huschte noch vor dem Frühstück aus Rilans Gemächern, nachdem sie ihre Herrin sorgfältig in ein hochgeschlossenes Kleid mit zahlreichen Unterröcken und mit reichem Edelsteinbesatz gekleidet hatte.
Rilan betrachtete sich im Spiegel, als die Tür zum Flur ohne jegliche Vorankündigung geöffnet wurde. Tief durchatmend drehte Rilan sich betont langsam um, hob in offener Empörung und Verachtung die Augenbrauen. »Was willst du?«
»Kenna will dich sehen.« Der Krieger hielt die Tür auf, und als Rilan nicht sofort gehorsam reagierte, kam er mit langen Schritten in das Zimmer und packte sie am Oberarm, um sie mit sich zu ziehen. Sie widersetzte sich nicht, denn die Genugtuung wollte sie ihm nicht geben. Sie musste große Schritte machen, um seine Geschwindigkeit mithalten und trotzdem den Kopf hoch halten zu können.
Sie fühlte sich wie Vieh oder wie ein Sklave, der zum Marktplatz geschleift wird. Aber alle ihre ehrfurchtgebietenden Ahnen versteckten sich vor den Roten Kriegern. Niemand kam ihr zu Hilfe, während der Krieger sie durch die Flure ihres Palastes führte.
Sie sah Diener auf den Gängen. Angesichts des Kriegers und der königlichen Herrin wichen die Leute zur Seite, senkten die Köpfe und mieden Rilans Blick. Feiglinge, alle wie sie da waren! Sie sahen einfach nur zu, und Rilan als angeblich so schwache Frau musste alleine die Kraft finden, den Angreifern die Stirn zu bieten.
Jeder breite Gang war ihr vertraut, und als der Marsch vor einer großen, mit Schnitzereien verzierten Tür endete, wusste Rilan, welches Schlafzimmer Kenna bezogen hatte. Zorn kochte in ihr. Die Demütigung schrie ihr ins Gesicht, die Beleidigung des Andenkens an ihren Vater bereitete ihr Übelkeit.
Der Barbar klopfte an, ihm wurde geöffnet, und Rilan überschritt hocherhobenen Hauptes die Schwelle ins Schlafzimmer ihres Vaters. Und da war der Feind!
Das Himmelbett schien geschrumpft, war ihr erster, schockierter Eindruck. Aber dann sah sie, dass Kenna blass war, seine vormals so kriegerische Ausstrahlung nur noch eine Maske, ein blasser Abschein von seinem ersten – und letzten – Auftritt im Kronsaal.
Er war frisch rasiert, trug ein sauberes Hemd aus weißer Wolle, aber die barbarische Kriegsbemalung lag immer noch als schwarzer Schatten unter seinen Augen. Ganz offensichtlich war das fettige Zeug nicht einfach mit Wasser und Seife zu entfernen. Denn gewaschen war der Krieger, wie Rilan am Fehlen jeglicher blutiger Spritzer erkannte.
Als sie das Zimmer betrat, blickte er von Pergamenten auf seinem Schoß auf, und ein äußerst gehässiger Ausdruck verzerrte sein Gesicht. »Wie reizend, dass du Zeit gefunden hast. Auf Anraten der Generale werden du und ich Gadon verlassen. Die Hauptstreitmacht bleibt hier. Wir werden angegriffen, und ich kann dir versichern, dass es keine hilfreichen Nachbarn sind, die dich aus meinen Klauen zu retten versuchen. Selbst wenn sie das wollen, du wirst dann nicht mehr hier sein. Wir segeln mit der Flut.« Er senkte den Blick wieder auf die Pergamente. »Das ist alles.«
Er gab ihrem Bewacher einen knappen Wink, aber dieses Mal ließ Rilan sich nicht brav wegführen. »Ich werde also als Kriegsbeute verschleppt.«
Kenna hob den Kopf mit einem Ruck, eine ungeduldige Falte zwischen den dunklen Augenbrauen. »Hast du mir nicht zugehört? Gadon wird angegriffen – nicht nur unsere Schiffe. Es gab Plünderungen und Tote – nicht nur bei uns. Du wirst dieses Reich verlassen, damit ich deine Sicherheit garantieren kann. Wie ich dir schon einmal sagte, wirst du eventuell noch gebraucht.« Er wandte sich über ihren Kopf hinweg an den Mann, der sie zu ihm gebracht hatte. »Area, sie wird unter Aufsicht Kleidung zum Wechseln und alles, was Frauen sonst so brauchen, packen. Dann bringst du sie an Bord der Kranich. Der Vulkan ist wieder aktiv, teilt man mir mit. Wir werden die Nordroute nehmen müssen.«
Rilan wollte in sein kaltes, arrogantes Gesicht spucken, ihm die spöttischen Augen aus dem Schädel kratzen. Da war nichts von dem jungen, stolzen, aber unerfahrenen Bengel, auf den sie gehofft hatte. Er klang gelangweilt und erweckte glaubhaft den Eindruck, Herr der Lage zu sein.
Rilan starrte durch die Lücken in ihren Fensterläden zum Strand, an dem die Schiffe der Roten Krieger lagen. Sie hatte diesen einen Augenblick, um von Gadon Abschied zu nehmen – ob für immer oder nur für begrenzte Zeit wusste sie nicht. Aber sie sah nicht auf die Stadt, sie sah zu den Schiffen.
Mast an Mast, ein schlanker Bug neben dem nächsten. Einige schaukelten sanft auf den Wellen, andere lagen auf den Strand aufgezogen, waren mit Zeltplanen überspannt und dienten offenkundig als Lager oder provisorische Häuser.
Zwischen diesen Kriegsschiffen sah sie zertrümmerte Wracks als Zeugen der Attacken. Wer auch immer Gadon angriff und auch die Vorratsscheunen von Rilans Volk plünderte, hatte die Roten Krieger überrascht und ihnen schwere Verluste zugefügt. Diese Rückschläge und die Gefahr, die von den Angriffen ausging, brachten selbst Kenna so weit, seine eigene Person und seine Gefangene in Sicherheit zu bringen.
Wen würde er mitnehmen? Verletzte, vermutete sie. Dazu eine körperlich unversehrte Mannschaft für mindestens ein Schiff – die Kranich, auf der er Rilan wegschaffen wollte.
»Bist du fertig?«, fragte Area von der Tür aus.
War sie es? Nein. Sie wollte Gadon nicht verlassen, nicht jetzt, da ihr Reich sie brauchte. Sie gestand sich ein, dass sie Angst hatte vor einer Zukunft, die auf keinerlei Weise berechenbar war.
Ihr Wohlergehen hing von Kenna und seinen Launen ab. Solange der junge Krieger der Meinung war, dass Rilan ihm nützlich sein konnte, blieb sie zumindest am Leben – wenn man ihre Zukunftsaussichten Leben nennen konnte.
Rilan straffte ihre Schultern und richtete sich gerade auf, bevor sie sich umdrehte und den Krieger verächtlich ansah. »Ich bin bereit, verschleppt zu werden.«
Er lachte leise auf, schüttelte den Kopf und gab zweien ihrer Diener den Wink, ihre Wäschetruhe aus dem Raum zu tragen. Dann packte er wieder Rilans Arm und zog sie mit sich.
Er führte sie aus dem Palast auf die Wehranlage des Hafens zu. Rilan bekam Seitenstechen, aber sie hielt mit ihrem Bewacher Schritt, der sich keine Mühe gab, seine Geschwindigkeit der anzupassen, die Rilan möglich gewesen wäre. Die langen Roben, Reifröcke und schweren Stoffe ließen Rilan schwitzen. Der unnachgiebige Griff um ihr Handgelenk blieb stählern, die Geschwindigkeit unvermindert. Wahrscheinlich würde das Schwein sie hinter sich her schleifen, falls sie wirklich stürzen sollte. Doch diesen letzten Triumph wollte sie ihm nicht geben. Wie eine Leiche hinter ihm hergezerrt werden – keinesfalls.
Im Hafenbecken lagen sechs der kleineren Kriegsschiffe. Sie waren an der Mole vertäut und wurden für die Abfahrt vorbereitet und beladen, während Rilan zu ihnen geführt wurde – immer näher zu Sklaverei und die rachsüchtigen Zwecke eines gefallenen Kriegsgottes. Sie mochte nicht darüber nachdenken, ihr Magen zog sich zusammen.
Überall schwitzende, arbeitende Männer – und viele davon aus ihrem Volk. Sie versuchte, einen Blick zu fangen, für einen Moment in ein Augenpaar zu sehen. Aber ihre Leute starrten zu Boden und taten so, als ob sie sie nicht sehen würden. Sie verachtete die Bauern, die sich für die Eroberer verdingten und ihrer Regentin nicht einmal in die Augen blicken konnten.
Doch blieb keine Zeit zum Nachdenken, denn ihr Bewacher zog sie zur Bordwand. Eine Lauftreppe war ausgelegt worden, und da selbst die kleinen Schiffe der Roten Krieger sich von den Schiffen Gadons unterschieden, lag diese Planke steil an. Rilan wusste, dass sie diese Steigung in den langen Röcken nicht bewältigen konnte.