Kinderlachen - Folge 020 - Nora Stern - E-Book

Kinderlachen - Folge 020 E-Book

Nora Stern

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Beschreibung

Alle ihre kleinen Freundinnen beneiden die achtjährige Simone um ihre Mutti. Die arbeitet seit einigen Wochen beim "Kinder-Sorgentelefon" und weiß für jedes Problem eine Lösung.

Anfangs ist Simone auch überzeugt, die allerbeste Mutti der Welt zu haben. Doch diese Begeisterung wandelt sich immer mehr in Traurigkeit, denn Andrea Mayenfels hat bald nur noch Zeit für die Sorgen fremder Kinder. Schließlich steht Simone ja auf der Sonnenseite des Lebens - ganz im Gegensatz zu all den anderen, die vom Schicksal aus der Bahn geworfen wurden und nun verzweifelt beim Sorgentelefon Hilfe suchen.

Wie unglücklich ihr eigenes Kind ist, merkt Andrea erst, als es zu spät ist ...

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Seitenzahl: 103

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Inhalt

Cover

Impressum

Ob Mami mich vergessen hat?

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock / Kotkot32

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-3710-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Ob Mami mich vergessen hat?

Zu Herzen gehender Roman um die bitteren Tränen der kleinen Simone

Von Nora Stern

Alle ihre kleinen Freundinnen beneiden die achtjährige Simone um ihre Mutti. Die arbeitet seit einigen Wochen beim »Kinder-Sorgentelefon« und weiß für jedes Problem eine Lösung.

Anfangs ist Simone auch überzeugt, die allerbeste Mutti der Welt zu haben. Doch diese Begeisterung wandelt sich immer mehr in Traurigkeit, denn Andrea Mayenfels hat bald nur noch Zeit für die Sorgen fremder Kinder. Schließlich steht Simone ja auf der Sonnenseite des Lebens – ganz im Gegensatz zu all den anderen, die vom Schicksal aus der Bahn geworfen wurden und nun verzweifelt beim Sorgentelefon Hilfe suchen.

Wie unglücklich ihr eigenes Kind ist, merkt Andrea erst, als es zu spät ist …

Andrea Mayenfels hängte rasch ihren Mantel an die Garderobe, dann rutschte sie auch schon hinter den Schreibtisch, auf dem sich Papierberge stapelten.

»Noch fünf Minuten«, murmelte sie und winkte ihrer Kollegin Gerda Brehm, die sie am Kinder-Sorgentelefon abgelöst hatte, zum Abschied zu.

Hastig blätterte Andrea einige Unterlagen durch, die neben dem Telefon auf dem Schreibtisch lagen: die Listen mit den einzelnen Beratungsstellen für fast jedes spezielle Problem und die Anschriften und Telefonnummern der Ärzte und Kinderpsychologen, die ihren kleinen Klienten eventuell weiterhelfen konnten.

Zufrieden nickte Andrea. Sie war für einen neuen Arbeitstag am »Kinder-Sorgentelefon« bestens gerüstet.

Seit sechs Wochen arbeitete sie nun hier bei der von der Kirche im »Marienheim« eingerichteten Zentrale für Kinder, die vom Schicksal aus der Bahn geworfen wurden und nur zu oft im Elternhaus nicht den richtigen Ansprechpartner für ihre Sorgen fanden.

Andrea hatte schon als junges Mädchen davon geträumt, Kinderpsychologin zu werden. Als sie dann jedoch Harald Mayenfels, der damals gerade seinen kleinen Verlag gegründet hatte, begegnet war, hatte sie ihr eben begonnenes Studium ihm zuliebe abgebrochen und hatte ihm beim Aufbau der Firma geholfen. Sie hatte sich um die »trockene Büroarbeit« gekümmert, wie Harald alles nannte, was nicht mit Texten zu tun hatte, die sich zu drucken lohnten.

Zwei Jahre hatte es gedauert, bis Harald in der Branche endgültig Fuß gefasst hatte und das junge Paar an eigene Kinder denken konnte.

Als Simone geboren wurde, hatte Harald bereits fünf Mitarbeiter beschäftigt, darunter auch die tüchtige Frau Bogenhausen, die Andreas Aufgaben übernommen hatte.

Bald jedoch hatte Andrea gemerkt, dass der kleine Haushalt und die Erziehung ihres Töchterchens sie nicht vollständig ausfüllten.

»Ich möchte mein Studium beenden«, hatte sie ihrem Mann erklärt. »Wenn Simone in den Kindergarten kommt, kann ich doch wieder zur Universität, nicht wahr?«

»Wenn dir so viel daran liegt«, hatte Harald schulterzuckend gemeint. »Und wenn du sicher bist, dass Simone nicht darunter zu leiden hat, dann habe ich nichts dagegen, wenn du studieren möchtest.«

Als Andrea endlich ihr Diplom als Kinderpsychologin in den Händen gehalten hatte, hatte sich nicht nur Harald mit ihr gefreut, sondern auch Simone, die inzwischen die zweite Klasse der Grundschule besuchte.

»Mensch, Mami, das ist ja toll«, hatte die Kleine gerufen, als Andrea ihr und Harald von ihrem Vorhaben erzählt hatte, wenigstens halbtags beim »Kinder-Sorgentelefon« mitzuarbeiten.

»Dann kannst du Tanja und noch ein paar von meinen Freunden bestimmt helfen. Tanja bekommt immer wieder schlechte Noten, und Jannik ist traurig, weil seine Mutti sich nur noch um seine kleine Schwester kümmert …«

»Schätzchen, alle deine Klassenkameraden können das Sorgentelefon unter der Nummer 2700 erreichen«, hatte Andrea ihrem Töchterchen daraufhin lächelnd erklärt. »Dort ist immer jemand, der ihnen geduldig zuhört.«

Harald hatte die Idee, Kindern in Not wenigstens telefonisch zuzuhören und ihnen so gut wie möglich zu helfen, ebenfalls gefallen …

Andrea schreckte aus ihren Gedanken auf. Das Telefon vor ihr summte.

»Kinder-Sorgentelefon. Hallo, ich bin Andrea«, meldete sich die junge Frau und strich sich das kurz geschnittene, weizenblonde Haar aus der Stirn. Alle anderen Gedanken schob sie beiseite.

»Ich … also, ich hab solche Angst …«, drang ein verstörtes Stimmchen an ihr Ohr.

Andrea konzentrierte sich augenblicklich auf ihren unsichtbaren Gesprächspartner, der ihr unzusammenhängend und verworren irgendetwas davon erzählte, dass seine Lehrerin ihn nicht möge, ihn ungerecht behandle und überhaupt eine »Hexe« sei.

Mit geschickten Zwischenfragen und einfühlsamen Worten gelang es Andrea schließlich, den kleinen Luis zu überreden, mit seinen Eltern über die ganze Sache zu reden.

Doch erst als der Junge ihr versprochen hatte, sie wieder anzurufen und ihr zu sagen, wie die Eltern reagiert hatten, verabschiedete sich Andrea vom ersten Anrufer an diesem Tag.

***

Die achtjährige Simone hatte ihre Schularbeiten erledigt. Jetzt ging sie zum Fenster hinüber und schaute hinunter auf die Straße. Mutti wird bald kommen, wusste die Kleine.

Und da tauchte Andrea auch schon am Ende der Fichtenstraße auf. Von Weitem winkte sie ihrem Töchterchen zu und beschleunigte ihre Schritte.

Simone lief der Mutter im Treppenhaus entgegen und schmiegte sich an sie.

Lächelnd drückte Andrea ihr Kind an sich.

»Na, Spatz, du scheinst ja vor Neuigkeiten förmlich zu platzen«, animierte sie die Kleine, ihr von den Erlebnissen des Schultags zu erzählen.

Während Andrea nun die bereits fertig gegrillten Hähnchen auspackte und den Salat anmachte, hörte sie ihrem Töchterchen zu.

»Tanja hat wieder nur eine Vier im Rechnen«, berichtete die Kleine mitfühlend. »Die Arme traut sich gar nicht, ihrer Mama die Schularbeit zu zeigen. Du weißt doch selber, wie Frau Stattner jedes Mal reagiert.«

Andrea nickte seufzend. »Liebling, ich verspreche dir, dass ich bei der nächsten Gelegenheit noch einmal versuchen werde, mit Tanjas Mama zu reden.«

Erleichtert lächelte Simone der Mutter zu, dann plapperte sie schon weiter, von den großen und kleinen Erlebnissen eines langen Schultags.

Als Harald nach seinem anstrengenden Arbeitstag vom Flur her wie immer rief: »Hallo, meine Süßen! Wo seid ihr?«, hatten Mutter und Tochter den Abendbrottisch bereits gedeckt.

Wenig später saß die Familie beim Essen.

Simone erzählte noch einmal die Geschichte von dem Diktat, in dem sie als Einzige der Klasse keinen Fehler hatte, Harald berichtete von dem hoffnungsvollen Nachwuchsautor, dessen moderne Lyrik er verlegen wollte.

Andrea blieb die ganze Zeit über schweigsam. Sie schreckte erst auf, als Harald ihr auf die Schulter tippte.

»Hast du mir überhaupt zugehört?«

»Entschuldige.« Andrea ließ die Gabel sinken. »Mir geht der kleine Matthias nicht aus dem Kopf. Der Junge ist erst neun Jahre alt, aber er weiß, dass er bald sterben wird.«

Harald warf ihr einen warnenden Blick zu, doch Simone hatte ihren Teller bereits zurückgeschoben, obwohl sie die Keule, die sie sich wie immer als Krönung des Hähnchen-Essens für den Schluss gespart hatte, noch nicht berührt hatte.

Ihre braunen Augen hatten sich geweitet.

»Kann ein Kind denn sterben?«, fragte sie zaghaft.

Bevor Andrea noch etwas sagen konnte, antwortete Harald spontan: »Ja, mein Schatz. Leider können auch Kinder sterben. Aber Gott sei Dank nur ganz, ganz selten.«

Dann wechselte er schnell das Thema. Er erkundigte sich nach Simones letzter Flötenstunde und ließ sich »Kommt ein Vogel geflogen« vorspielen.

Erst als Simone in ihrem Bett lag und die Eltern es sich vor dem Fernseher gemütlich gemacht hatten, kam Andrea auf den kleinen, schwer kranken Matthias zurück.

»Ich weiß, ich hätte vor Simone den Jungen nicht erwähnen dürfen«, meinte sie bedauernd.

»Du musst dich erst daran gewöhnen, abzuschalten«, gab Harald warm zurück. »Vier Stunden am Tag … Ich kann verstehen, dass dir in dieser Zeit manches nahegeht.«

»Es ist wirklich schrecklich, ein leukämiekrankes Kind trösten zu wollen, und am Ende merkst du, dass dieses Kind dich tröstet.« Andrea lehnte ihren Kopf an Haralds Schulter. »Ich glaube, ich habe noch lange nicht alles gelernt.«

Auf dem Bildschirm begann der Film, den sie sich ansehen wollten, und allmählich verblasste Andreas Erinnerung an ihren kleinen Klienten.

***

Die Schulglocke läutete zur großen Pause. Simone Mayenfels und Tanja Stattner waren unter den ersten Kindern, die auf den Schulhof stürmten.

Gleich darauf hatte sich eine Gruppe um die beiden Mädchen angesammelt.

»Simone ist eine Streberin! Simone ist eine Streberin!«, spottete der pausbäckige Maximilian.

»Du bist doch bloß neidisch«, konterte Tanja an Simones Stelle. »Neidisch, weil du nicht so gut im Lesen bist.«

Maximilians Gesicht verzog sich kläglich: Tanja hatte seine empfindlichste Stelle berührt.

»Scheiß Lesen«, murmelte er. »Das werde ich nie lernen.« Damit trottete er sich mit hängendem Kopf.

»Du hättest Maximilian nicht mit dem Lesen aufziehen sollen«, meinte Jannik. »Er hat erst gestern geweint, weil er von seiner Mutter deswegen ein paar Ohrfeigen bekommen hat.«

»Aber er braucht Simone nicht Streberin nachzurufen«, gab Tanja trotzig zurück.

»Ich sag ihm am besten, er soll einmal die Nummer 2700 anrufen«, fiel Jannik ein. »Vielleicht kann ihm die Tante dort sagen, was er anstellen muss, damit er endlich lesen lernt.«

Simone sah Jannik aufmerksam an. »Woher kennst du die Nummer des ›Kinder-Sorgentelefons‹?«

»Woher kennst du sie denn?«, fragte Jannik zurück, wurde ein bisschen rot und rannte auch schon zu Maximilian hinüber, der auf dem Mäuerchen hockte, das den Schulhof vom Sportplatz trennte.

Simone biss sich auf die Lippen. Sie hatte ihrer Mutter zwar versprochen, den Kindern von der Kummer-Nummer zu erzählen, doch sie wusste auch, dass sie das Thema Sorgentelefon ihren kleinen Freunden gegenüber vorsichtig behandeln musste.

»Ob Jannik mit meiner Mutter gesprochen hat? Sie macht so oft Dienst …« Simone sah Tanja an.

»Hm, warum nicht?« Tanja lachte. »Ich habe ihm gesagt, er soll dort anrufen. Weil er doch immer jammert, seine Mami hätte nur noch Zeit für Janina, das Baby.«

Im nächsten Augenblick hatte sich das Interesse der Mädchen den Pausenbroten zugekehrt.

Tanja musterte ihre Freundin nachdenklich, während sie ihr Schnittlauch-Quarkbrot kaute. Zwischen zwei Bissen stieß sie schließlich hervor: »Du hast eine wunderbare Mutti, Simone! Es muss ein gutes Gefühl sein, wenn eine Mutti für alles Rat weiß.«

Simone nickte. »Oh ja, meine Mutti ist die beste Mutti der Welt«, erklärte sie im Brustton der Überzeugung.

***

Indessen saß Andrea Mayenfels mit leuchtenden Augen im Büro des Vorsitzenden für kirchliche Sozialarbeit. Dr. Werner hatte ihr schon zum zweiten Mal versichert, wie zufrieden er mit ihrer Arbeit war.

Jetzt räusperte sich der hagere Mann.

»Frau Mayenfels, ich weiß, es ist mehr als unbescheiden … Aber könnten Sie nicht ab nächster Woche ganztags Dienst machen? Frau Kleißner tritt ihren Mutterschaftsurlaub an, und Sie wissen ja, wie schwer es ist, jemanden zu finden, der unsere Schützlinge betreuen kann.«

Ohne lange nachzudenken, nickte Andrea.

»Oh, das lässt sich bestimmt einrichten! Meine Tochter ist es gewohnt, ein paar Stunden allein zu sein. Vormittags ist Simone ohnehin in der Schule, und Harald … Nun, mein Mann hat viel Verständnis für meine Tätigkeit.«

Dr. Werner streckte ihr die Hand hin.

»Wie schön, dass es Menschen wie Sie gibt, Frau Mayenfels«, sagte er herzlich. »Menschen, die bereit sind, ihr ganzes Engagement für die schwächsten unserer Gesellschaft, für die Kinder, einzusetzen.«

Harald allerdings war gar nicht begeistert, als Andrea ihm mitteilte, sie würde ab der nächsten Woche ganztags im Büro bleiben.

»Liebling, ich finde es ja auch schön, dass du dich für die Kinder einsetzt, aber reichen vier Stunden am Tag nicht? Du hast doch schließlich selbst ein Kind, das dich braucht«, mahnte er.

Verständnislos sah Andrea ihren Mann an.

»Aber Harald! Simone ist es gewöhnt, allein zurechtzukommen. Sie ist ein zufriedenes, glückliches Kind! Zudem bin ich abends ja wieder da!«

Als Harald noch einmal versuchte, seine Frau davon zu überzeugen, dass Simone für seine Begriffe ohnehin zu viel allein war, fuhr Andrea ihn an: »Und du? Wie oft kommst du erst spät nachts zurück?«

Traurig senkte Harald den Kopf. »Du weißt, wie hart mein Geschäft ist«, versuchte er, sie an die Zeit zu erinnern, als sie selber noch bei so manchem geschäftlichen Gespräch dabei gewesen war. »Meine Autoren … Wenn ich mich nicht um sie kümmere, wechseln sie den Verlag.«

»Tu doch nicht, als wären es ausnahmslos Bestsellerautoren, mit denen du bis spät in die Nacht hinein Verhandlungen führst«, erklärte Andrea gereizt. Im nächsten Augenblick tat ihr die unbedachte Äußerung jedoch leid, wusste sie doch, wie sehr Harald auf Leute wie Fred Schwenn, Thomas Dehmann oder Susanne Wenger angewiesen war. Bestsellerautoren wie diese ermöglichten es Harald, sich auch Nachwuchsautoren zu widmen und deren Werke herauszubringen.

Doch Andrea sagte nichts mehr, sondern sie hatte ihr Gesicht einfach von Harald abgewandt.