Kummer für die Höll-Kathi - Stefanie Valentin - E-Book

Kummer für die Höll-Kathi E-Book

Stefanie Valentin

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Beschreibung

Mit viel Herz und Verstand geht die Heimat-Heidi zur Sache, denn sie ist eine schöne Wirtin voller Tatendrang, die ihren Gästen und Mitmenschen jederzeit hilfreich zur Seite steht. Unterstützt, wenn auch nicht unbedingt immer in ihrem Sinne, wird Heidi dabei von ihrer nicht ganz volljährigen Tochter Steffi, einem feschen Mädel mit losem Mundwerk, und ihrer Mutter Luise, die keineswegs gewillt ist, kürzerzutreten und Heidi mit der Leitung des Bergerhofs alleinzulassen. Für schwungvollen, heiteren Familienzündstoff ist also bei aller Herzenswärme unserer Titelheldin jederzeit gesorgt! »Hallo, ihr beiden Hübschen.« Franz Vorderegger betrat die Küche des alten Gasthauses am Geierstein und lächelte die Berger-Heidi und ihrer Schwiegermutter Luise verschmitzt an. »Was gibt's denn heut' Gutes zu essen bei euch?« Als er den großen Herd mit den verschiedenen Töpfen auf der Platte ansteuerte, nahm die Luise einen Kochlöffel zur Hand und sah ihm lächelnd entgegen. »Hallo, Herr Großgastronom«, sagte sie, »wenn du, wie sonst üblich, jetzt in jeden Topf schaust, kriegst einen mit dem Kochlöffel auf die Finger.« »Ja, was ist denn hier los?« Franz Vorderegger sah die Seniorchefin des Bergerhof-Gasthauses mit gespielter Entrüstung an. »Ich bin doch so was wie euer Vorkoster. Wie kannst mich nur so ablehnend empfangen?« »Vorkoster?« Luise lachte. »Du kostest hier und kostest da und wenn du genug hast, dann verschwindest wieder und stauchst deine eigenen Köch' zusammen, weil sie was derart Gutes wie bei uns net zusammenbringen.« Franz Vorderegger lachte. Ihm gehörten in der Gemeinde Alptal, Ortsteil Balding, die größten Fremdenverkehrsbetriebe. Er besuchte oft die Berger-Heidi, weil dort die Gastronomie noch ursprünglicher betrieben wurde und der Fremdenverkehr nicht das tägliche Leben so bestimmte wie bei ihm im Tal. »Wenn du möchtest, dann kannst zu mir zum Kochen kommen«, erwiderte Franz Vorderegger, »eine gute Köchin kann ich immer gebrauchen.« Die Luise lachte. »Das tät dir passen.

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Heimat-Heidi – 6–

Kummer für die Höll-Kathi

Ist ihre Heimat für immer verloren?

Stefanie Valentin

»Hallo, ihr beiden Hübschen.« Franz Vorderegger betrat die Küche des alten Gasthauses am Geierstein und lächelte die Berger-Heidi und ihrer Schwiegermutter Luise verschmitzt an. »Was gibt’s denn heut’ Gutes zu essen bei euch?«

Als er den großen Herd mit den verschiedenen Töpfen auf der Platte ansteuerte, nahm die Luise einen Kochlöffel zur Hand und sah ihm lächelnd entgegen.

»Hallo, Herr Großgastronom«, sagte sie, »wenn du, wie sonst üblich, jetzt in jeden Topf schaust, kriegst einen mit dem Kochlöffel auf die Finger.«

»Ja, was ist denn hier los?« Franz Vorderegger sah die Seniorchefin des Bergerhof-Gasthauses mit gespielter Entrüstung an. »Ich bin doch so was wie euer Vorkoster. Wie kannst mich nur so ablehnend empfangen?«

»Vorkoster?« Luise lachte. »Du kostest hier und kostest da und wenn du genug hast, dann verschwindest wieder und stauchst deine eigenen Köch’ zusammen, weil sie was derart Gutes wie bei uns net zusammenbringen.«

Franz Vorderegger lachte. Ihm gehörten in der Gemeinde Alptal, Ortsteil Balding, die größten Fremdenverkehrsbetriebe. Er besuchte oft die Berger-Heidi, weil dort die Gastronomie noch ursprünglicher betrieben wurde und der Fremdenverkehr nicht das tägliche Leben so bestimmte wie bei ihm im Tal.

»Wenn du möchtest, dann kannst zu mir zum Kochen kommen«, erwiderte Franz Vorderegger, »eine gute Köchin kann ich immer gebrauchen.«

Die Luise lachte. »Das tät dir passen. Ich unter deiner Knute. Nix da, hier oben hast du zu gehorchen. Und wenn du net die Händ von den Töpfen läßt, kriegst, wie schon gesagt, einen mit dem Kochlöffel auf die Finger.«

»Bevor du gewalttätig wirst«, erwiderte Franz Vorderegger, »habt ihr schon gehört, daß der Höll-Hof versteigert werden soll?«

»Was?« Die Nachricht schien ein Schock zu sein, denn sowohl die Berger-Heidi als auch ihre Schwiegermutter sahen den Franz mehr als erschrocken an.

»Dann wißt ihr es also noch net?«

»Nein.« Die Heidi schüttelte den Kopf. »Was ist denn los mit dem Höllbauern? Ist er finanziell etwa endgültig am Ende?«

Franz Vorderegger zuckte mit den Schultern. »Das steht ja net in der Ausschreibung. Aber möglich ist es schon. Immerhin ist der Gustl seit Jahren nimmer gar so auf der Höhe, das heißt, sein Rücken macht ihm arg zu schaffen, so daß er net so arbeiten kann wie er gern möcht, und dementsprechend gering ist sein Viehbestand.«

»Und sein Sohn?«

»Der Werner?« Franz Vorderegger lachte. »Den Werner kannst für manches brauchen, aber er ist net der geborene Bauer. Die Gerti ist da anders, aber das Madel allein kann den Betrieb ja net schmeißen.«

»Ja, aber der Höll-Hof ist einer der schönstgelegenen der gesamten Gegend«, murmelte die Berger-Heidi, »wenn der öffentlich versteigert wird, dann wird bestimmt wieder ein Stück Allgäu der alten Art an einen Nichteinheimischen gehen. Denn daß sich einer aus der Gegend den Hof leisten kann, das kann ich mir net vorstellen.«

»Vielleicht will der Franz ja mitsteigern«, sagte Luise mehr aus Spaß, »dem geht der Trubel drunten in Balding doch gehörig auf den Nerv.«

»Der Franz wird auf jeden Fall mitsteigern«, antwortete der Gastronom aus dem Tal.

»Wirklich?« Wieder starrten die beiden Bergerfrauen Franz Vorderegger erschrocken an.

Der nickte. »Ja, der Höll-Hof ist wirklich sehr schön gelegen. Und als der Höll-Gustl noch gut beieinand war, da hat er auch auf den Hof geschaut und alles sehr schön hergerichtet. Doch seit er es nimmer kann, ist nix mehr so, wie’s mal war.«

»Und du wirst tatsächlich mitsteigern?« Luise schien es gar nicht glauben zu können.

Der Vorderegger nickte. »Ja, ich möcht’ schon. Der Hof gefällt mir und ich hätt’ ihn schon gern. Aber net um jeden Preis.«

»Und wovon hängt’s ab?«

»Davon, was sonst geboten wird.«

»Du rechnest also damit, daß es Mitbieter gibt.«

»Sicher rechne ich damit«, antwortete Franz Vorderegger.

»Als letztens der Hof vom Haninger-Seppl versteigert worden ist, da gab’s zuerst gar keinen Bieter«, erwiderte Luise.

Da lächelte der Großgastronom aus dem Tal. »Die beiden Höfe kannst net miteinander vergleichen. Von der Lage her net und vom Zustand schon mal gar net. Also ich schätz schon, daß es einige Mitbieter geben wird.«

»Wann ist denn die Versteigerung?« Die Luise sah den Franz fragend an.

»In einer Woch’, um neun in der Früh«, antwortete der.

»Und wo?«

»In der Sparkass’ in Immenstadt.«

»Aha«, sagte die Luise, »dann werden die ihr Geld haben wollen und deswegen haben s’ den Hof ausgeschrieben.«

Franz Vorderegger nickte. »So sieht’s aus.«

»Dann wünschen wir dir viel Glück«, sagte die Berger-Heidi, »es wär’ schön, wenn du den Hof kriegen würdest.«

»Ja«, bestätigte der Gastronom, »das wär’ sogar sehr schön. Und tut mir bitt’ schön einen Gefallen.«

»Welchen?«

»Plappert es net überall heraus«, antwortete Franz Vorderegger, »denn je weniger Leut’ von der Versteigerung wissen, desto weniger Mitbieter hab’ ich…!«

*

»Weißt du, wer per Telefax fragt, ob er für ein paar Tage kommen kann?« In der Gaststätte war Ruhetag, als die Berger-Heidi die Privaträume ihrer Schwiegermutter betrat und sie fragend ansah.

»Nein, sag’ schon!«

»Peter Breining.«

»Der Architekt?«

Die Berger-Heidi nickte. »Genau der. Du erinnerst dich also an ihn?«

»Sicher erinner’ ich mich an ihn«, antwortete Luise. »So lang’ ist’s schließlich noch net her, daß er dagewesen ist. Kommt er wieder mit Sohn Oliver? Für unsere Steffi wär’ das net das Schlechteste. Seit der Oli mit ihr ein bisserl Mathe geübt hat, kann sie mit dem Fach doch was anfangen.«

»Das ist allerdings wahr«, erwiderte Heidi, »aber in dem Fax steht nicht, daß der Bub mitkommt. Peter Breining fragte nur nach einem Zimmer.«

»Will er wieder eines im Altbau?«

»Ja, das will er.«

»Na ja, dann soll er kommen«, sagte Luise, »er war ein sehr angenehmer Gast.« Dann stutzte sie. »Ob er vielleicht zu der Versteigerung des Höll-Hofs kommt? Hat er net gesagt, daß er gerne einen alten Hof so umbauen würd’, wie er es sich vorstellt, daß ihm aber ein solcher Auftrag noch nie gegeben worden ist?«

»Ja, das hat er gesagt«, antwortete Heidi, »und du meinst, um endlich einen solch alten Hof umbauen zu können, da ersteigert er einen?«

Ihre Schwiegermutter nickte. »Es könnt’ doch zumindest so sein, oder?«

»Tja, wir werden es sehen«, antwortete Heidi. »Ich werd’ ihm dann zurückfaxen, daß er kommen kann.«

»Wann will er denn kommen?« wollte Luise wissen, bevor Heidi aus der Tür war.

Heidi sah auf das Fax, dann auf den Kalender auf Luises Tisch. »Am Tag vor der Versteigerung…!«

»Also, dann wett’ ich, daß er wegen den Höll-Hofs kommt.« Luise lächelte. »Der Vorderegger wird sich wundern, denn einen ernsthaft interessierten Mitbieter hat er zumindest schon.«

*

Gerti Höll war, als sie erfahren hatte, daß die Bank den Hof ihrer Eltern versteigern würde, blaß wie die Wand geworden. Sie hatte ihren Vater angesehen, als würde sie darauf warten, daß er ihr sagte, daß alles nicht stimme, doch der Höll-Gustl hatte sich rumgedreht und die Stube schweigend verlassen.

»Es ist eine Schand’, Kind«, hatte ihre Mutter gesagt, »aber uns wachsen die Schulden einfach über den Kopf. Es hätt’ auch alles funktioniert, wenn dein Vater weiter hätt’ arbeiten können. Aber du weißt ja selbst, daß zwei Wirbel in seinem Rücken total deformiert sind, und daß er sich kaum bücken, geschweige denn hart arbeiten kann.«

»Und… und was passiert, wenn der Hof versteigert wird?« hatte Gerti wissen wollen. »Wo sollen wir dann wohnen?«

»Wenn ich das wüßt’, Kind«, hatte ihre Mutter geantwortet, »dann wär’ mir wesentlich wohler.«

Gerti war dann ein paar Tage hintereinander kopflos durch die Gegend gerannt, niemand hatte sie ansprechen dürfen, und wenn es doch jemand getan hatte, dann war sie sofort hochgegangen.

An jenem Tag, es waren nur noch zwei Tage bis zu der Versteigerung, wollte die Gerti zum

Hochegg hinaufsteigen. Das Hochegg war jener Berg, der unmittelbar hinter dem Höll-Hof in den Himmel steilte, und an dessen westlicher Flanke alter Bauernwald wuchs.

Die Gerti war früher oft auf dem Hochegg gewesen, vor allem mit ihrem Vater, und zwar als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war und ihr Vater versucht hatte, ihr den Hof und alles, was drumherum lag, näherzubringen.

Als Gerti fünf Jahre alt gewesen war, hatte ihr Großvater den Hof von Ludwig Heiss gekauft und sich damit einen Jugendtraum erfüllt, nämlich einen Hof in den Bergen zu besitzen. Heiss hatte den Hof verkauft, weil sein Sohn und seine Schwiegertochter bei einem Unfall ums Leben gekommen waren, und sein Enkel keinerlei Anzeichen erkennen ließ, daß er den Hof mal würde übernehmen wollen.

Gerti erinnerte sich nur noch schwach an ihre Großeltern, sie wußte jedoch von ihren Eltern, daß es sehr fleißige und überaus rechtschaffene Menschen gewesen waren.

Gerti brach kurz nach Mittag auf, nicht ohne ihren Bruder Werner aufgefordert zu haben, sie zu begleiten.

»Daß du noch mal von oben sehen kannst, was für ein schönes Stückerl Erde wir aufgeben«, sagte sie, »wieso hast du denn auch nie ein bisserl Interesse am Hof gehabt? Ist Bauersein bei dir denn gar nix wert?«

Werner war achtundzwanzig, arbeitete als Automechaniker in einer Immenstädter Werkstatt und hatte alles im Sinn, nur nicht das Bauersein. Er tippte sich gegen die Stirn und schüttelte lachend den Kopf.

»Geh du nur, Schwesterherz«, sagte er gutgelaunt, »ich hab’ mit dem Hof nix im Sinn. Vielleicht bleibt aber nach Abzug der Schulden noch was übrig und der Vater investiert das Geld in eine Autowerkstatt. Wenn du darüber mit mir reden willst, das kannst du gern, aber net über solchen Blödsinn wie auf den Pfaffensattel zu steigen.«

Daraufhin hatte Gerti ihren Bruder keines Blickes mehr gewürdigt, sie verstand ihn einfach nicht. Statt dessen zog sie ihre Bergschuhe an und stiefelte los.

Der schmale Steig begann gleich hinter den letzten Stallgebäuden des Höll-Hofes, führte durch zum Hof gehörenden wunderschönen alten Bauernwald und weiter oben, wo der Bewuchs schon spärlicher wurde, wurde der Pfad steiniger, bis er nachher nur noch aus felsigem Untergrund bestand.

Die Sicht vom Pfaffensattel war wunderschön. Gegenüber lagen die Rabenköpfe, etwas weiter der Geierstein und noch weiter südlich erkannte man die Berge rund um Oberstdorf, sowie weiter im Westen die des Kleinwalsertals.

Gerti setzte sich auf eine Felsbarriere, sah hinunter zum Hof und war sehr bald in einer nachdenklichen Stimmung. Warum konnte nicht jeder Mensch dort leben, wo er leben wollte? Warum mußte sie den Höll-Hof verlassen, der ihr ein so liebes Zuhause gewesen war?

Plötzlich sah sie jemand. Es war ein junger Mann und er kam den Pfad von Hinterjoch herauf. und wenn er so weiterging, würde er in wenigen Minuten bei ihr sein.

Gerti ärgerte sich ein wenig, weil sie alleine hatte sein wollen, doch als der junge Mann näher kam, machte er einen sehr netten Eindruck auf sie.

»Grüß Gott«, sagte er mit angenehm klingender Stimme, als er bei ihr war. Dann blieb er stehen und sah in die gleiche Richtung, in die Gerti sah. »Entschuldigen S’«, er zeigte mit einer knappen Kopfbewegung hinunter ins Tal, »ist das da unten der Heiss-Hof?«

»Der Heiss-Hof…?« Gerti schüttelte den Kopf. »Nein, das ist der Höll-Hof. Wie kommen S’ denn drauf, daß das der Heiss-Hof ist?«

»Er ist es also nicht?« Der junge Mann sah plötzlich ein wenig enttäuscht drein.

»Warten S’«, sagte Gerti, »der vorherige Besitzer, der hat, glaub’ ich, Heiss geheißen, Ludwig Heiss. Aber der Hof gehört schon seit Jahren meinen Eltern.«

Erschrockener als in dem Moment hätte der junge Mann nicht dreinschauen können.

»Sie sind die Tochter des Hofbesitzers?« fragte er schließlich.

Gerti nickte. »Wieso erschreckt Sie das so?«

Der junge Mann zuckte mit den Schultern. »Entschuldigen S’, mir ist das gar nicht aufgefallen. Und wenn ich erschrocken gewesen sein sollte, dann war es unbeabsichtigt.«

Plötzlich ging Gerti was durch den Kopf. Was wäre, wenn dieser junge Mann sich den Hof quasi von oben anschauen wollte, um ihn ein bisserl näher kennenzulernen? Was wäre, wenn er wußte, daß der Hof zur Versteigerung stand und er mitsteigern wollte? Und wie konnte sie dies in Erfahrung bringen, ohne irgendwie aufdringlich zu erscheinen?

»Sie… Sie sind da aus der Gegend?« fragte Gerti, während sie den jungen Mann fragend ansah.

»Ich muß mich noch mal entschuldigen«, erwiderte der, »ich hätt’ mich längst vorstellen sollen. Mein Name ist Thomas Rodner. Ich hab’ die meiste Zeit meines Lebens in Isny verbracht. Jetzt bin ich hier, um mich beruflich hier niederzulassen.«

»Ich bin die Höll-Gerti«, sagte das hübsche Mädchen, dann lächelte sie sehr freundlich und gab dem jungen Mann die Hand. »Sie wollen sich hier niederlassen? Wie meinen S’ das denn?«

Thomas Rodner zuckte mit den Schultern. »Tja, wie mein’ ich das? Ich bin Arzt und möcht’, wenn es sich irgendwie einrichten läßt, mich hier in der Gegend mit einer Praxis niederlassen.«

»Sie sind Arzt?« Gerti war erstaunt. »Und hier wollen S’ sich niederlassen? Wo denn?«

»Irgendwo in Alptal…!«

»Aha, und wo da? Alptal hat mehrere Ortsteile.«

»Das ist mir eigentlich gleich, wenn’s nicht grad’ in Balding ist, weil da der Fremdenverkehr doch das Ortsbild bestimmt.«

Gerti Höll nickte. »Das ist wahr, in Balding ist nur mehr sehr wenig typisch allgäuisch geprägt.«

»Also Hinterjoch wär’ mir recht«. sagte Thomas Rodner, »auch Vorderstein, Schönbach schon weniger. Die anderen beiden Ortsteile liegen nach meinem Empfinden einfach romantischer.«

Gerti wußte nicht, was sie darauf sagen sollte. Dann zeigte sie hinunter zum Hof ihrer Eltern.

»Der Hof meiner Eltern wird übermorgen versteigert«, sagte sie, während sie sich über sich selbst wunderte, »vielleicht wollen S’ ja mitsteigern. Dann hätten S’ schon eine Bleibe in Vorderstein. Der Hof liegt nämlich mit seinem gesamten Grund und Boden in Vorderstein.«

Daraufhin sah Thomas das hübsche Mädchen an, als zweifle er an ihrem Verstand.

»Der Hof wird versteigert?« fragte er. »Sie wollen mich nicht etwa auf den Arm nehmen?«

Gerti schüttelte den Kopf. »Ich bin heut’ herauf auf das Hochegg gegangen, weil ich Abschied nehmen wollt’. Ich hab gern hier gelebt, wo’s jetzt hingehen wird, das weiß ich net. Ich… ich weiß auch noch net, wie’s weitergehen soll.« Sie stand auf und drehte sich um, daß Thomas Rodner nicht ihre Tränen sah.

Der stand verlegen daneben. Nach einer Weile räusperte er sich, dann zeigte er hinauf zur Schneid, wo ein verwittertes Gipfelkreuz stand. »Begleiten S’ mich noch hinauf aufs Hochegg?« fragte er. »Sie kennen doch sicher die Grenzen des Hofs. Ich mein’ jetzt, was an Wald dazugehört und dergleichen.«

»Dann interessieren S’ sich also für den Hof?« Fast ein wenig mutvoller sah Gerti in dem Moment drein.

Der junge Arzt zuckte mit den Schultern. »Ich kann dazu nix sagen. Ich hab’ ja eben erst von Ihnen gehört, daß der Hof zur Versteigerung steht.«

»Ja«, sagte Gerti, »übermorgen um zehne in der Früh in der Sparkass’ in Immenstadt wird versteigert.«