Castor Pollux 2 - Michael Schauer - E-Book

Castor Pollux 2 E-Book

Michael Schauer

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Beschreibung

In der Welt der Finsteren herrscht Chaos. Feinde werden zu Verbündeten und Verbündete zu Feinden. Pakte werden geschlossen, um wieder gelöst zu werden. Es gibt nur Zweckbündnisse, keine langfristigen Abkommen, keine Freundschaften. Und was heute noch gilt, kann bereits morgen Vergangenheit sein.
Niemand wusste das besser als er. Jener, der ihn in dieses Gefängnis gesperrt hatte, war einst sein Verbündeter gewesen. Er hatte vergessen, wie lange er nun schon hier unten hauste. Zeit hatte keine Bedeutung für ihn. Sie floss dahin, Jahrhundert um Jahrhundert, während er geduldig wartete.
Er wusste, dass es eines Tages so weit sein würde. Jemand würde kommen, um ihn zu befreien.


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Inhalt

Cover

Titel

Zum Einstieg

Im Reich des Dämons

… UND IM NÄCHSTEN ROMAN LESEN SIE:

Fußnoten

Impressum

Im Reich des Dämons

von Michael Schauer

In der Welt der Finsteren herrscht Chaos. Feinde werden zu Verbündeten und Verbündete zu Feinden. Pakte werden geschlossen, um wieder gelöst zu werden. Es gibt nur Zweckbündnisse, keine langfristigen Abkommen, keine Freundschaften. Und was heute noch gilt, kann bereits morgen Vergangenheit sein.

Niemand wusste das besser als er. Jener, der ihn in dieses Gefängnis gesperrt hatte, war einst sein Verbündeter gewesen. Er hatte vergessen, wie lange er nun schon hier unten hauste. Zeit hatte keine Bedeutung für ihn. Sie floss dahin, Jahrhundert um Jahrhundert, während er geduldig wartete.

Er wusste, dass es eines Tages so weit sein würde. Jemand würde kommen, um ihn zu befreien.

Zum Einstieg

Zugegeben, die Idee ist nicht neu. Ein Mann ist dazu auserkoren, gegen Geister und Dämonen zu kämpfen. Wenn Sie gerne Gruselromane lesen, dann haben Sie sicher schon einmal von »John Sinclair«, »Professor Zamorra« oder »Tony Ballard« gehört. Deren Mission ist dieselbe.

Doch im Gegensatz zu diesen Helden lebt Castor Pollux nicht in unserer Gegenwart, sondern im Rom des 1. Jahrhunderts, und genau das macht die Serie »Castor Pollux – Dämonenjagd im alten Rom« außergewöhnlich. Castor hat keine Pistole, sondern ein Schwert, er reist nicht mit Auto und Flugzeug, sondern mit Pferd und Schiff, Informationen verbreiten sich nicht per Internet, sondern durch Boten. Buchstäblich alles ist anders, als wir es heute kennen und gewohnt sind.

Mein Kollege und Mitautor Rafael Marques und ich geben uns große Mühe, die Welt und die Menschen von damals so authentisch wie möglich zu schildern. Wenn uns das nicht immer gelingt, sehen Sie es uns bitte nach, denn wir sind Autoren und keine Historiker. Zudem ist ein wenig dichterische Freiheit manchmal unumgänglich.

Begleiten Sie also den Bezwinger der Finsteren auf seinen Abenteuern, und tauchen Sie ein in eine längst vergangene Zeit.

Michael Schauer

Aquae Mattiacorum, April im Jahre 2023 n. Chr.

Im Reich des Dämons

Was genau willst du eigentlich noch, Bonifazius? Beinahe muss ich glauben, dass du vor irgendetwas Angst hast.«

Ballurat war sich darüber im Klaren, dass sein Tonfall unangemessen, die Worte allein ein Frevel gewesen waren. Er hatte sich dem obersten Richter gegenüber mehr herausgenommen, als es jeder andere Finstere je gewagt hätte. Doch das war ihm in diesem Moment gleichgültig. Der Zorn hatte ihn fest im Griff und ließ ihn innerlich erbeben. Seine Unbeherrschtheit war schon immer eine Schwäche von ihm gewesen. Mit wütendem Blick fixierte er sein Gegenüber.

Bonifazius saß auf seinem Thron, der aus den Knochen von Finsteren gebaut war, die er einst zum Tod verurteilt hatte. Wie immer trug er ein schlichtes schwarzes Gewand. Sein Gesicht lag im Schatten der weiten Kapuze, sodass unmöglich abzuschätzen war, wie er auf diesen Affront reagierte. Auf seinem Kopf saß der große, in einem matten Violett schimmernde Spitzhut, auf dessen Krempe ein kleiner Totenschädel befestigt war. Er schien Ballurat höhnisch anzugrinsen. Einst hatte dieser Schädel einem Finsteren gehört. Wo sich bei einem Menschen zwei Augenhöhlen befanden, gab es nur ein dreieckiges, schwarzes Loch.

Sie führten ihre Unterhaltung in Bonifazius’ Heimstatt, einer Höhle, deren schwarze Felswände sich so hoch erhoben, dass sie weit über ihren Köpfen in den Schatten verschwanden und sich dort allen Blicken entzogen. Im unteren Drittel waren sie von spinnennetzartigen Flechten überzogen. Sie strahlten ein orangefarbenes Leuchten ab und tauchten die riesige, bis auf den Knochenthron völlig leere Höhle in ein fahles Zwielicht. Roter, knöchelhoher Nebel waberte über den Boden.

Bonifazius hob seine mit gelben Geschwüren bedeckte Knochenhand, spreizte einen Zeigefinger ab und richtete ihn wie einen Pfeil auf Ballurat.

»Du treibst es zu weit«, warnte er ihn mit hohler Stimme. »Für diese Bemerkung allein sollte ich dich in den See der vergessenen Seelen werfen lassen. Ich bin der Oberste der Richter, und ich fürchte nichts und niemanden.«

Hinter seinem Rücken ballte Ballurat seine mit Klauen bewehrten Finger zur Faust, nur um sie gleich darauf wieder zu öffnen. Bonifazius hatte recht, er war zu weit gegangen. Er würde es zwar nicht über sich bringen, sich zu entschuldigen, jedoch beschloss er, einen etwas versöhnlicheren Ton anzuschlagen.

»Ohne an deinem Gedächtnis zweifeln zu wollen, Bonifazius, möchte ich dich daran erinnern, dass Cassia einen großen Sieg errungen hat, als sie mit Colsos Hilfe Rom ins Feuer stürzte.1 Außerdem war sie es, die die weiße Hexe zur Strecke gebracht hat.2 Eine außergewöhnliche Leistung für eine Halbdämonin, wie auch du zugeben musst.«

Bonifazius ließ seine Hand sinken. »Ich stelle ihre Verdienste nicht infrage, im Gegenteil. Bereits bei unserem letzten Gespräch habe ich dir jedoch klargemacht, dass sie sich zunächst weiter bewähren muss, bevor sie vollständig in den Rang eines Finsteren erhoben wird. Eine solche Ehre wird nur sehr selten einem Menschen zuteil, wie dir bewusst sein müsste. Die Hürden sind hoch. Du sagtest damals, dass allein ihr Hass sie antreibe und es ihr nicht um den Ruhm ginge. Und ich antwortete dir, dass sie umso mehr nach Anerkennung streben wird, je mehr Erfolge sie erlangt. Damit habe ich Recht behalten. Kaum war sie zurückgekehrt, begann sie gegen Tasch zu intrigieren, gleichwohl auch sie und ihre Jägerinnen ihren Anteil an der Vernichtung der weißen Hexe hatten. Ein höchst ungebührliches Verhalten für jemanden ihres Standes, wie du zugeben wirst.«

Ballurat konnte nicht verhindern, dass ihm ein verächtlicher Laut entfuhr. Von dieser Geschichte hatte er eine andere Version gehört. Außerdem verachtete er die Jägerinnen. In seinen Augen waren sie kaum besser als Totenfresser. Sie existierten, um Befehle zu befolgen. Aus eigenem Antrieb brachten sie nichts zustande. Wie ihm zugetragen worden war, nahm Tasch, ihre Anführerin, gelegentlich ein Bad in heißem Dämonenblut. Eine solche Dekadenz war seiner Ansicht nach einer Finsteren nicht würdig.

Cassia dagegen war zu Höherem bestimmt. Sie war schlau und handelte entschlossen. Der große Brand hatte Tausende von Römern das Leben gekostet, und wenn Castor Pollux den Feuerdämon nicht vernichtet hätte, wäre die Stadt dem Erdboden gleichgemacht worden. Welcher Finstere hatte in jüngerer Zeit einen solchen Erfolg vorzuweisen?

Ballurat hatte Cassia seine Hand gereicht, nachdem ihr Geliebter, der von den Toten zurückgekehrte Wagenlenker Manius, wiederum von dem verfluchten Bezwinger besiegt worden war.3 Er hatte es getan, weil er ihr Potenzial sofort erkannt hatte. Sie hatte die Chance ohne Zögern ergriffen und ihm seitdem gute Dienste geleistet, auch wenn sie zugegeben in Germanien eine herbe Niederlage erlitten hatte. Sie zur Halbdämonin zu machen, war seine persönliche Belohnung für sie gewesen.

Jedoch war er nicht in der Lage, sie vollständig in eine Finstere zu verwandeln. Dafür war er auf die Richter angewiesen. Bonifazius sprach die Wahrheit, die Hürden waren hoch und der Prozess langwierig. Doch hatte es jemals einen vielversprechenderen Anwärter als Cassia gegeben? Es nagte an ihm und ärgerte ihn, dass sich Bonifazius seinem Ansinnen so hartnäckig widersetzte.

Warum nur zögerte er? Ballurat verstand es einfach nicht, und je länger er darüber nachdachte, desto heftiger begann der Zorn wieder in ihm zu lodern. Schon seit einiger Zeit erschien ihm der Oberste zu zögerlich, zu behäbig in seinen Entscheidungen. Wenn es nach ihm ginge …

Ein kreischendes Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken. Bonifazius hatte mit dem spitzen Nagel seines Daumens über die knöcherne Armlehne gekratzt, um ihn daran zu erinnern, dass er auf eine Antwort wartete.

»Für mich ist das nur der Beweis, dass sie ihrem Stand längst entwachsen ist«, gab er trotzig zurück.

Bonifazius hämmerte so heftig mit einer Faust auf die Lehne, dass die Höhle selbst zu erzittern schien. »Genug davon. Meine Entscheidung steht fest. Es ist zu früh. Du solltest wissen, dass es ihr nicht zum Vorteil gereicht, wenn du weiterhin versuchst, deinen Willen durchzusetzen. Deine Impertinenz wird allmählich unerträglich.«

Die Wut war wie ein kaltes Feuer, das Ballurat einhüllte. »Also geht es in Wahrheit darum? Du verweigerst ihr, was ihr zusteht, weil du mich zu disziplinieren versuchst? Und wofür? Geht es um Moronor? Mir ist nicht entgangen, dass du dereinst große Stücke auf ihn gehalten hast. Doch er ist mein Gefangener, und ich allein entscheide über sein Schicksal.«

Der Gedanke war kaum in seinem Kopf, da hatte er ihn bereits ausgesprochen. Die Möglichkeit bestand tatsächlich. Bonifazius hatte Moronor geschätzt. Ballurat jedoch hatte eines Tages den Verdacht gehabt, dass sich der einstige Verbündete sein Reich unter den Nagel reißen wollte. Zwar hatte er es abgestritten, doch Ballurat hatte ihm keinen Glauben geschenkt, ihn in eine Falle gelockt und bestraft, was schon viele hundert Jahre zurücklag.

Ruckartig erhob sich der Richter und trat einen Schritt auf ihn zu. Ballurat konnte nicht verhindern, dass er zusammenzuckte, doch er wich keinen Zoll zurück.

»Du wagst es, mir solch kleinliche Motive zu unterstellen?«, grollte er. »Niemals mische ich mich in die Konflikte der niederen Finsteren ein, sofern sie mich nicht ausdrücklich um Klärung anrufen, und dies beabsichtige ich auch in der Zukunft nicht zu tun.«

»Wie war das?«

Obwohl er es nicht sehen konnte, hätte Ballurat schwören können, dass ein boshaftes Grinsen auf Bonifazius’ Antlitz erschienen war.

»Du hast richtig gehört. In meinen Augen bist du ein Niederer, Ballurat. Mächtiger als ein Totenfresser, mächtiger als ein Blutsauger, sicher. Und doch ist deine Stärke begrenzt. Diese Unterhaltung dürfte der passende Anlass sein, um dir dies in Erinnerung zu rufen.«

In seinem tiefsten Inneren wusste Ballurat, dass es besser gewesen wäre, sich umzudrehen und die Höhle zu verlassen, bevor er sich den Richter zum Feind machte. Nur brachte er es in seiner Wut nicht fertig.

»Manchmal erheben sich die Niederen, um von den Höheren gefürchtet zu werden«, presste er hervor.

Es war ihm eine Genugtuung, zu sehen, dass sich Bonifazius’ Körper versteifte.

»Verlasse diesen Ort«, sagte er leise. Jedes einzelne Wort klang wie eine düstere Drohung. »Kehre nicht zurück, bis ich dich rufen lasse.«

Das Feuer des Zorns erlosch. Ballurat wusste, dass er erneut zu weit gegangen war, viel zu weit diesmal. Wortlos wandte er sich um und marschierte hinaus.

Bonifazius sah ihm nach, bis er im Nebel verschwunden war.

Ballurat hatte eine Grenze überschritten. Nicht nur, dass er versuchte, ihn wegen der Halbdämonin unter Druck zu setzen. Seine letzten Worte waren eine offene Drohung gewesen. Das war ungeheuerlich. Zu Bonifazius’ Bedauern jedoch kein hinreichender Grund, um ihn offiziell anzuklagen. Selbst er musste sich an die Regeln halten, die die Ur-Finsteren aufgestellt hatten.

Was nicht bedeutete, dass er den Vorfall einfach so hinnehmen würde. Die Schlange musste erschlagen werden, bevor sie zubiss.

In seinem Kopf reifte ein Plan.

Rom,64n. Chr.

»Ein hübsches kleines Ding ist sie«, zischte Blagax und grinste. »Ich würde zu gerne herausfinden, wie sie schmeckt.«

»Ihr Fleisch ist saftig und süß, da gehe ich jede Wette ein«, erwiderte Birs und leckte sich mit seiner grauschwarzen Zunge über die rissigen Lippen. »Ich kann es kaum abwarten, meine Zähne darin zu versenken.«

Blagax legte ihm rasch eine Hand auf die Schulter, denn sein Begleiter hatte sich vorgeneigt, als wollte er sich im nächsten Moment auf die Frau stürzen. »Lass dich nicht in Versuchung führen, Birs«, mahnte er ihn. »Denk an unseren Auftrag.«

Birs ließ ein unwirsches Knurren hören. »Keine Sorge, ich kann mich beherrschen. Allerdings macht mich allein der Gedanke an ein solches Festmahl nervös. So ein zarter Brocken direkt vor unserer Nase, und wir dürfen nicht einmal kosten.«

»Nur Geduld. Wenn der Befehl kommt, sie zu töten, dürfen wir sie auch verspeisen. Ich kann mir nicht vorstellen, was unser Auftraggeber dagegen haben könnte. Was sollte er wohl mit einer Leiche anfangen? Komm jetzt, wir verlieren sie sonst aus den Augen.«

Sie lösten sich aus dem Hauseingang, in dessen Schatten sie sich verborgen hatten, damit ihre Beute sie nicht entdeckte. Die junge Frau mit den schwarzen, gelockten Haaren war weitergegangen, nachdem sie sich eine Weile mit einem glatzköpfigen Hünen unterhalten hatte. Soweit Blagax das einschätzen konnte, befanden sie sich auf einem Markt, einem Ort, an dem Händler ihre Waren feilboten. Wer etwas haben wollte, bekam es im Tausch gegen diese kleinen Metallstücke, die Geld genannt wurden. Ein solcher Gedanke war ihm fremd. Er und seinesgleichen nahmen sich, was immer ihnen gefiel.

Ihm entging nicht, dass ihnen die Menschen, an denen sie sich vorbei drängten, angeekelte Blicke zuwarfen. Manche rümpften zudem die Nase. Um ihr Äußeres zu verbergen, hatten er und Birs sich lange, schlammbraune Umhänge übergeworfen, deren weite Kapuzen sie tief in ihre Gesichter gezogen hatten.

Als sie gestern Nacht in Rom angekommen waren, hatten sie sie zwei Männern abgenommen, die so unvorsichtig gewesen waren, um diese Zeit allein auf den Straßen unterwegs zu sein. Einen der beiden hatten sie mitgeschleift und später verspeist. Der Stoff war zwar dick und schwer, aber er konnte nicht den süßlichen Verwesungsgeruch verdecken, den sie absonderten.

Vor einer halben Stunde hatten sie ihre Beute entdeckt. Ihr Auftraggeber hatte ihnen gesagt, dass sie früher oder später hier auftauchen würde.

Vor ihnen bildete sich ein Gedränge aus Menschen, die in verschiedene Richtungen unterwegs waren. Alle schoben, um der Engstelle so schnell wie möglich zu entkommen. Etwas klirrte, Flüche wurden ausgestoßen. Notgedrungen blieben sie stehen und warteten. Blagax stellte sich auf die Zehenspitzen, um Ausschau nach ihrem Opfer zu halten. Er sah gerade noch, wie die junge Frau in einer schmalen Gasse verschwand.

Eine dickliche Frau stieß gegen ihn und verzog das Gesicht. »Beim Jupiter, du stinkst, als würdest du seit einem Monat im Grab liegen«, keifte sie. »Bei Helarius kannst du Seife kaufen.«

Blagax war versucht, seine Kapuze zu lüften, um ihr den Schreck ihres Lebens einzujagen, doch die Nachdrängenden hatten sie bereits weitergeschoben. Gut so. Wahrscheinlich hätte sie angefangen, zu schreien, und sie durften kein Aufsehen erregen, um die Mission nicht zu gefährden. Das hatte ihnen ihr Auftraggeber mehrfach eingeschärft.

Endlich löste sich das Gedränge auf, und sie eilten in die Gasse. Erleichterung durchflutete Blagax, als er die Frau entdeckte. Keinen Augenblick zu früh, denn soeben bog sie nach links in eine weitere Gasse ab.

»Hier ist nicht viel los«, raunte ihm Birs zu, während sie ihr folgten. »Eine günstige Gelegenheit, meinst du nicht?«

Blagax sah sich um. Birs hatte recht. Außer ihnen und ihrer Beute war niemand zu sehen. Sie hatten vor, sie bewusstlos zu schlagen und in den alten Teppich einzuwickeln, den Birs zu diesem Zweck über der Schulter trug. Danach würden sie sie in ihr Versteck schaffen und abwarten, bis sie weitere Anweisungen erhielten. Wenn sie es richtig anstellten, wäre in wenigen Augenblicken alles vorbei. Ihr Auftraggeber würde zufrieden sein.

Sie beschleunigten ihr Tempo. Die angespannte Erregung ließ Speichel in einem dicken gelben Faden aus Blagax’ halb geöffnetem Mund fließen. Sein Kinn war nass davon, doch er verzichtete darauf, ihn abzuwischen. Solche Dinge kümmerten ihn nicht.

Ein paar Schritte noch, dann waren sie heran. Seine rechte Klauenhand ballte sich zur Faust.

Wie aus dem Nichts mündete die Gasse in eine belebte Straße. Von einem Augenblick auf den anderen wimmelte es von Menschen. Blagax blieb so abrupt stehen, dass Birs von hinten gegen ihn stieß. Er verzog das Gesicht. Sie hatten nicht entschlossen genug gehandelt. Jetzt war die Chance vertan.

Mit grimmigen Mienen setzten sie die Verfolgung fort, wobei sie nun wieder mehr Abstand hielten. Nach einiger Zeit wurde die Straße zwar leerer, jedoch wollte sich keine weitere gute Gelegenheit ergeben. Schließlich blieb die Frau vor einem großen Haus stehen und klopfte an die Tür. Gleich darauf wurde ihr geöffnet, und sie verschwand im Inneren.

»Verflucht«, zischte Birs. »Was machen wir jetzt?«

Darüber musste Blagax nachdenken. Schweigend standen sie nebeneinander auf dem Gehweg und ließen das Gebäude nicht aus den Augen, während er sich das Hirn zermarterte. Nach einer Weile öffnete sich die Tür erneut und ein großer, kräftiger Mann trat heraus und trabte über die Straße auf sie zu.

»Was habt ihr beiden hier zu suchen?«, rief er. »Wieso beobachtet ihr das Haus?«

Wie auf ein stummes Kommando drehten sie sich gleichzeitig um und hasteten die Straße hinunter. Es war nicht so, dass sie vor dem Mann Angst hatten. Wesen wie sie mussten sich vor keinem Menschen fürchten. Aber sie wollten eben kein Aufsehen erregen, und ein Kampf erregte immer Aufsehen, wie schnell er auch enden mochte.

Zwei Ecken weiter warf Blagax einen Blick über die Schulter und stellte fest, dass der Kerl die Verfolgung aufgegeben hatte. Sofern er sich überhaupt die Mühe gemacht hatte, sich an ihre Fersen zu heften. Er gab Birs ein Zeichen zum Anhalten. Erneut zogen sie sich in den Schatten eines Hauseingangs zurück.

»Sie wohnt in diesem Gebäude«, stellte Blagax fest.

»Vermutlich, aber was bringt uns das?«

»Ganz einfach. Wir warten ab, bis es dunkel geworden ist und alle schlafen. Dann brechen wir ein und schnappen uns diese Florentina.«

»Das kannst du nicht machen«, protestierte Kimon.

»Es könnte eine einmalige Gelegenheit sein«, entgegnete Castor Pollux und nahm einen Schluck von dem mit Wasser verdünnten Wein. »Außerdem ist Florentina in Gefahr, was noch viel wichtiger ist. Wenn Ballurat wirklich hinter ihr her ist, hat sie keine Chance.«

»Wer weiß, ob Marton die Wahrheit gesagt hat, was das angeht. Außerdem ist es zu gefährlich.«

Das entlockte ihm ein trockenes Lachen. »Wann war es denn mal nicht gefährlich in den vergangenen zwei Jahren?«

Kimon verzog das Gesicht. »Das hier ist etwas anderes. Hast du vergessen, dass es dich schon einmal ins Reich der Finsteren verschlagen hat? Ohne Merles Hilfe hättest du es nicht überlebt, und ich auch nicht.«

Wie hätte Castor das vergessen können? In den Wäldern Germaniens hatte ihre Erzfeindin Cassia versucht, ein Tor in die Finsternis zu öffnen. Die weiße Hexe hatte das verhindert, indem sie sich hineingestürzt und es dadurch für immer geschlossen hatte.4

Mit Schaudern dachte er daran zurück, was er in jener Welt erlebt hatte. Er war einem skelettierten Fährmann begegnet, wäre beinahe von monströsen Fischwesen gefressen worden und um ein Haar im See der vergessenen Seelen gelandet. Obwohl seitdem erst ein paar Monate vergangen waren, schien es ewig zurückzuliegen. Die Aussicht, dorthin zurückzukehren, auch wenn es sich um ein anderes Reich handelte, ließ ihn frösteln.

Andererseits musste er alles versuchen, um Florentina vor dem Dämon zu retten. Und die Gelegenheit, seine Erzfeindin zu schwächen, wollte er sich nur ungern entgehen lassen.