Lassiter 2758 - Kolja van Horn - E-Book

Lassiter 2758 E-Book

Kolja van Horn

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Beschreibung

Die Nacht war bereits vor zwei Stunden hereingebrochen, und Lassiter war so erschöpft wie der Braune, der ihn über die schmale, von Unkraut überwucherte Piste durch den Wald trug. Mindestens zwanzig Meilen lagen hinter ihm, seit er den Overland-Trail verlassen hatte, und er war seitdem keiner Menschenseele mehr begegnet. Zeit, sich um ein Nachtlager zu kümmern. Doch kaum hatte er eine lichte Stelle im Dickicht jenseits des Weges ausgemacht, die auf einen Wildpfad und möglicherweise eine dahinter liegende Lichtung hinwies, ließ ein gellender Schrei ihn zusammenfahren. Er kam genau von dort aus aus dem Wald, und als er genauer hinsah, glaubte er, ganz in der Nähe Feuerschein zu erkennen, der zwischen Buschwerk und Baumstämmen hindurch schimmerte.

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Seitenzahl: 146

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Lassiter und die Gezeichneten

Vorschau

Impressum

Lassiter und die Gezeichneten

von Kolja van Horn

Die Nacht war bereits vor zwei Stunden hereingebrochen, und Lassiter war so erschöpft wie der Braune, der ihn über die schmale, von Unkraut überwucherte Piste durch den Wald trug. Mindestens zwanzig Meilen lagen hinter ihm, seit er den Overland-Trail verlassen hatte, und er war seitdem keiner Menschenseele mehr begegnet. Zeit, sich um ein Nachtlager zu kümmern.

Doch kaum hatte er eine lichte Stelle im Dickicht jenseits des Weges ausgemacht, die auf einen Wildpfad und möglicherweise eine dahinter liegende Lichtung hinwies, ließ ein gellender Schrei ihn zusammenfahren. Er kam genau von dort aus dem Wald, und als er genauer hinsah, glaubte er, ganz in der Nähe Feuerschein zu erkennen, der zwischen Buschwerk und Baumstämmen hindurch schimmerte.

Der Schrei war unverkennbar aus der Kehle einer Frau gekommen. Und er war abrupt verstummt, was den Mann der Brigade Sieben fast noch mehr beunruhigte als der von Angst und Schmerz erfüllte Laut selbst. Denn womöglich konnte er sich noch so sehr beeilen und dennoch zu spät kommen.

Er lenkte den Wallach von der Straße den niedrigen Hang hinab. Nun konnte er tatsächlich einen Pfad zwischen den Kiefern ausmachen, doch er war zu schmal zum Durchreiten, außerdem sahen ihm ein paar der Unkräuter, die dort emporwuchsen, verdächtig nach Giftsumach aus. Also glitt er aus dem Sattel, band das Pferd mit den Zügeln an einem Baumstumpf an und zog die Winchester aus dem Scabbard, ehe er sich zu Fuß auf den Weg durch den Wald machte.

Kein Laut war mehr zu hören seit dem einen Schrei. Er hastete den Pfad entlang und achtete gleichzeitig darauf, die Blätter des Efeus nicht mit den Händen zu berühren. Der Wildpfad wand sich durch das wuchernde Buschwerk, die Baumkronen über ihm ließen ab und an ein wenig Mondlicht hindurch, das das kniehohe Gras in mattes Silber tauchte. In der Nähe zu seiner Linken plätscherte ein Bach, und im nächsten Moment glaubte er, Knistern zu vernehmen – trockenes Holz, in das sich Flammen fraßen.

Der Feuerschein, den er von der Straße gesehen hatte, war unten auf dem Weg für eine Minute aus seiner Sicht verschwunden. Jetzt aber tauchte er wieder auf, direkt vor Lassiter, ein Flackern, das einen zittrigen Widerschein auf die Borken der Kiefern zwischen den Ästen warf. Der Pfad beschrieb eine weitere Kurve, dann wich das Grün vor ihm zurück und gab die Sicht auf eine Lichtung frei.

»All devils«, stieß er tonlos hervor.

Die Brachfläche war von Menschenhand geschaffen worden und maß etwa vierzig mal zwanzig Yards. Links stand eine Blockhütte, dunkel und wuchtig, aus unbehandelten Baumstämmen, das niedrige Dach von Moos bedeckt. Rechts am Rand befand sich ein windschiefer Schuppen, und zwischen den beiden Gebäuden, mitten auf der Lichtung, erhob sich ein brennender Scheiterhaufen, aus dem ein Pfeiler emporragte wie ein schmuckloser Totempfahl. Daran gebunden, offenbar besinnungslos in den Stricken hängend, eine junge Frau. Unten an der Basis brannten die Scheite schon lichterloh, und die Flammen leckten gierig empor. Bald würden sie den Rocksaum der Bewusstlosen erreichen.

Lassiter hielt die Winchester schussbereit im Hüftanschlag, seine Blicke zuckten über die Szenerie, doch er konnte niemanden ausmachen außer der Frau in höchster Not. Also spurtete er los.

Zwei Schritte vor dem brennenden Holzhaufen ließ er das Gewehr ins Gras fallen. Das Kinn der jungen Frau war tief auf die Brust gesunken, ihr langes, dunkles Haar hing über dem Gesicht herab, doch Lassiter konnte eine blutende Wunde an der Stirn erkennen. Sie trug ein Hemd aus grobem Leinen, dessen linker Ärmel an der Schulternaht halb abgerissen war, darunter ein wadenlanges Unterkleid. Keine Schuhe, ihre bloßen Füße ruhten auf den Holzscheiten, die Haut war zerkratzt, blutig und schmutzig.

Lassiter zog das Bowiemesser aus dem Stiefelschaft und brachte sich in Position, um mit einem langen Satz über die Flammen zu springen. Doch ein markerschütterndes Brüllen in seinem Rücken ließ ihn kurz erstarren und nach einer Schrecksekunde herumwirbeln.

Der Hüne, der augenrollend auf ihn zustürmte, schwang ein kurzstieliges Beil und schien fest entschlossen, Lassiter damit den Schädel zu spalten. Er musste ihn kommen gehört und sich hinter dem niedrigen Verschlag mit dem Feuerholz versteckt haben, der ein paar Schritte von der Stelle entfernt war, an der der Pfad in die Lichtung mündete. Lassiter hatte den grob zusammengezimmerten Regenschutz zwar im Augenwinkel bemerkt, ihn aber wegen der Frau in höchster Gefahr sträflich vernachlässigt.

Der vierschrötige Trapper war bereits auf wenige Schritte heran, sein struppiger Bart, lang bis zum Gürtel, flog ihm in Locken über die lederne Brust und Schulter, während er mit dem Beil in einer kreisförmigen Bewegung Schwung holte. Trotz seines massigen Körpers bewegte der Bursche sich geschmeidig, fast elegant, und er wusste offenbar mit dem Beil umzugehen wie ein Comanchenkrieger mit einem Tomahawk. Die Schneide, die im Mondlicht glänzte, sauste im Bogen durch die Luft und erreichte ihren höchsten Punkt, als der Bärtige auf doppelte Armlänge heran war.

Lassiter blieb nurmehr eine Sekunde, um dem tödlichen Hieb zu entgehen. Er warf sich nach vorn, dem Gegner entgegen, und duckte sich dabei.

Der Aufprall war mörderisch, doch Lassiter prallte mit dem Kopf und der rechten Schulter gegen den Torso des Trappers, traf ihn unterhalb des Rippenbogens und im Magen. Er hörte, wie der Hüne pfeifend die Luft aus den Lungen ließ, spürte, wie die Klinge des Beils mit der ungefährlichen Seite hinten über seine Lederjacke strich. Lassiters Vorwärtsbewegung war wuchtiger gewesen, so kam er über dem Bärtigen zu liegen, als der hart auf dem Rücken landete.

Doch im Fallen hatte sein Gegner ihn am rechten Arm gepackt, wohl um ihn herumzureißen. Das war nur halb gelungen und erwies sich nun als fataler Fehler. Denn er hatte Lassiters Messerhand damit zwischen sich und ihrer beider Oberkörper gebracht. Instinktiv drehte der Brigadeagent das Handgelenk, die Klinge in seiner Faust zeigte nun nach vorn wie ein Dolch, und als die Männer zu Boden gingen, trieb er den scharfen Stahl durch sein Körpergewicht tief in den Leib des Trappers unter sich.

Lassiter spürte, wie das Messer bis zum Heft ins weiche Fleisch des Mannes unterhalb der Rippen drang, und die Augen über dem Bartgestrüpp, blutunterlaufen und von einem irren Flackern erfüllt, schienen sich ihm entgegenzuwölben, als er direkt über und auf dem Hünen zu liegen kam, sich ihre Nasen fast berührten und ihm stinkender Atem entgegenschlug.

Der Bärtige starrte ihn an, bewegte den Kopf zwei Inches weit hin und her, als wolle er sich dem Tod verweigern. Dann erschlaffte er und schloss die Augen, ehe sein Schädel zur Seite kippte.

Leises Stöhnen hinter ihm bewog Lassiter dazu, sich rasch von dem Toten zu erheben und herumzufahren. Die Frau war aus der Bewusstlosigkeit erwacht. Wohl durch die Schmerzen, die die Flammen hervorriefen. Das Feuer hatte ihre Füße erreicht, und nun züngelten orangefarbene Schlangen an ihrem Rock empor.

»Goddam!« Lassiter riss das Messer aus dem Leib des Trappers. Blut stob von der Klinge, als er mit einem ausgreifenden Sprung auf den Scheiterhaufen setzte, den linken Arm um den Pfosten legte, damit er nicht ins Feuer stürzte, und mit der Rechten eilig die Stricke durchtrennte.

Kaum war der Halt der Fesseln verschwunden, drohte die Frau zusammenzusacken, und Lassiter war gezwungen, sein Bowiemesser fortzuwerfen, um zu verhindern, dass sie kopfüber in den brennenden Scheiterhaufen fiel. Die Frau stöhnte zwar leise, schien aber nach wie vor kaum bei Sinnen und offenbar unfähig, sich aus eigenen Kräften in der Senkrechten zu halten. Also warf der Mann der Brigade Sieben sich den zierlichen Körper kurzerhand bäuchlings über die Schulter, spannte alle Muskeln an und sprang über die Flammenzungen hinweg vom Holzhaufen hinab. Mit knapper Not landeten sie beide eine Elle jenseits der brennenden Scheite. Lassiter taumelte, fing sich, hielt den schlanken Körper mit beiden Händen fest und schleppte sich noch ein paar Schritte an dem toten Trapper vorbei, bis die brennende Hitze am Rücken und hinten auf seinen Beinen nicht mehr zu spüren war. Erst dann erlaubte er es sich, stehenzubleiben und den Körper der Frau sanft zu Boden sinken zu lassen.

Ihre Lider flatterten, die ehemals langen Wimpern waren versengt. Sie hatte ein hübsches, herzförmiges Gesicht mit vollen Lippen und einer kräftigen, leicht gebogenen Nase. Die Wunde auf der Stirn mochte von der stumpfen Seite des Beils herrühren und blutete immer noch, sah aber bei näherer Betrachtung übler aus, als sie war.

Sie öffnete kurz die Augen, und Lassiter war gefangen vom strahlenden Blau ihrer Iris. Die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben, also brummte er beruhigend: »Keine Sorge, Miss. Sie sind in Sicherheit. Er kann ihnen nichts mehr tun.«

Ihre Lippen öffneten sich, während sie ihn anstarrte, doch kein Laut kam aus ihrer Kehle. Er spürte, wie ihre Hand seinen Unterarm umklammerte, so fest, wie ein Ertrinkender in tosender See einen Balken umklammern mochte. Dann ließ der Druck ihrer Finger nach, ihr Kopf sank zurück, und sie verlor abermals das Bewusstsein.

Lassiter zog seine Jacke aus, rollte sie zusammen und bettete ihren Kopf darauf. Über die Schulter schaute er zur Hütte hinüber. Der Weg dorthin war kürzer als zum Braunen, und er brauchte eine Decke sowie Verbandszeug.

Das Feuer des Scheiterhaufens loderte immer noch heiter hinauf bis zu dem Pfeiler, an den der Trapper die junge Frau gefesselt und offenbar einen qualvollen Tod hatte sterben lassen wollen. Welches Motiv mochte der Mann dafür gehabt haben?

Lassiters Blick fiel auf das Dekolleté der Frau, die vor ihm lag, und etwas auf der Haut, halb verborgen vom Leinenstoff des Hemds, erregte seine Aufmerksamkeit. Er streckte die Hand aus und zog den Stoff behutsam ein Stück zur Seite, ehe er den Atem anhielt angesichts dessen, was er enthüllt hatte.

Nur für einen winzigen Moment hatte er an eine Tätowierung gedacht, doch was auf der linken Brust der Frau zu sehen war, tiefrot und wulstig, war eine Wunde, die von etwas anderem herrührte als einer von begabter Hand geführten feinen Nadel.

Lassiter erkannte sofort, dass es ein Brandeisen gewesen sein musste, welches man dem armen jungen Mädchen auf den Busen gepresst hatte wie bei einem Pferd oder Rind.

Ein geschwungenes A hob sich von der zarten, hellen Haut ab wie ein Feuermal.

Lassiter erhob sich, und seine Miene war von Abscheu erfüllt, als er den Blick zu dem toten Trapper wandte: »Warst du das, du Bastard? Und hat dir das nicht gereicht? Wolltest du sie wie eine Hexe verbrennen und zuschauen, während sie qualvoll stirbt?« Er ging drei Schritte auf den Leichnam zu und war versucht, zuzutreten, seinem aufflammenden Zorn freien Lauf zu lassen. Doch im letzten Moment bremste er sich.

Es wäre töricht. Vor allem, weil der Dreckskerl nichts mehr spüren konnte.

Eine zerbrochene Laterne lag vor den Stufen zur Tür der Blockhütte, die nur angelehnt war. Das Petroleum aus dem Behälter im Sockel war ausgelaufen und hatte die kümmerlichen Grassoden am Boden dunkel gefärbt.

Lassiter hob den Lauf des Karabiners, schob ihn durch den Spalt und stieß damit die Tür auf. Der Raum dahinter lag im Halbdunkel, nur wenig Mondlicht fiel durch die beiden schmutzigen Fenster neben der Tür ins Innere. Dennoch glaubte Lassiter, eine Gestalt auszumachen, die reglos auf den Bodendielen lag. Er hob den Stiefel und trat in den Türsturz.

Sein Schatten fiel matt über den Körper am Boden und einen grob gezimmerten Tisch, auf dem ein irdener Krug, zwei Holzbecher und eine weitere Laterne standen. Langsam stieß Lassiter die Luft aus, als er das Blut auf der Hemdbrust und unter dem Mann erkannte, der zweifellos nicht mehr am Leben war. Er legte die Winchester auf dem Tisch ab, holte sein Feuerzeug hervor und schob den Glaskörper der Laterne nach oben, bevor er den Docht entzündete.

Als er in die Knie ging und dem Toten ins Gesicht leuchtete, blickte er in das Gesicht eines jungen Mannes. Ein attraktives Gesicht, wenn auch durch Schläge arg ramponiert. Die Züge erweckten den Anschein von Überraschung, als hätte er nicht mit der Kugel gerechnet, die jäh sein Leben beendet hatte. Und es war schnell gegangen; das Loch in der Brust legte nahe, dass der Schuss sein Herz durchschlagen hatte, auch das viele Blut passte dazu. Seltsamerweise trug er nur sein Hemd und lange Unterhosen, als wäre er vor seiner Ermordung aus dem Schlaf gerissen worden.

Der Mann war jung, viel jünger als der Bärtige draußen. Vater und Sohn? Möglich wäre es, dachte Lassiter, während er sich aufrichtete und mit der Laterne in der erhobenen Hand im Raum umsah. Die Einrichtung war karg, drei Stühle um den Tisch, ein paar Regale an den Wänden, auf denen Konserven, Blechgeschirr und Schachteln mit Utensilien aufgereiht waren. Links befand sich ein hölzerner Waschzuber, daneben eine Arbeitsfläche, weitere Regalbretter darüber. Alles offenbar mit wenig Geschick selbst zusammengezimmert. Hinten in der Ecke führte eine Leiter hinauf unter das niedrige Dach. Mehr als ein paar Strohsäcke zum Schlafen würden darunter kaum Platz finden, wie Lassiter vermutete.

Ein denkbar trister Ort für eine hübsche junge Frau wie die Unbekannte draußen, ging es dem Brigadeagenten durch den Kopf. War sie die Braut des jungen Mannes gewesen, der erschossen auf den Dielen neben dem Tisch lag? Oder hatte der hässliche alte Trapper sie zur Frau genommen, ob aus freien Stücken oder gezwungenermaßen?

Lassiter hielt beides für möglich, angesichts des Auftrages, der ihn an diesen einsamen, gottvergessenen Ort geführt hatte. Und er hoffte, darauf bald eine Antwort zu erhalten. Doch dazu musste er sich zunächst einmal um die Frau da draußen kümmern und dafür Sorge tragen, dass sie nicht doch noch ihren Verletzungen erlag.

In einer Munitionskiste fand der Mann der Brigade Sieben mehrere muffig riechende, aber dafür dicke Wolldecken, im Regal darüber entdeckte er eine Blechschachtel mit Verbandszeug und Jod-Tinktur. Das war besser als gar nichts, doch er würde trotzdem zu seinem Pferd zurückkehren müssen, um die Brandsalbe zu holen, die er in einer der Satteltaschen mit sich führte.

Als erstes schleifte er den toten jungen Burschen hinaus und legte den Leichnam in den Schatten neben der Hütte ab. Wenn er die Frau drinnen versorgen wollte und sie dabei wieder zu Bewusstsein kam, musste sie nicht mit dem Anblick des Toten konfrontiert werden – in welcher Beziehung auch immer sie zu ihm gestanden haben mochte.

Danach stieg er die Stiege hinauf und fand dort wie erwartet ein paar mit Stroh gefüllte Säcke vor, die er hinab warf. Kurzerhand breitete er sie über der Blutlache auf dem Boden aus und schüttelte sie etwas zurecht, ehe er die Frau holen ging.

Sie war kaum schwerer als ein Bündel Reisig in seinen Armen, als er sie zur Hütte und über die Schwelle trug. Unverständliches Gemurmel kam über ihre Lippen, und die Lider flatterten unruhig wie in einem Fiebertraum. Er bettete sie, so gut es ging, auf das provisorische Krankenlager, deckte sie zu und versorgte zunächst die Wunde an der Stirn. Dabei reagierte sie kaum darauf, was er mit ihr anstellte, wimmerte nur einmal kurz, als er Arme und Beine auf Brüche oder andere Verletzungen untersuchte.

Die Füße waren durch das Feuer arg in Mitleidenschaft gezogen worden, sonst aber fand er nur ein paar Blessuren, die von Schlägen und festen Umklammerungen herrühren mochten.

Also klemmte er sich zwei der Wolldecken unter den Arm und machte sich auf den Weg zu seinem Wallach. Das Pferd begrüßte ihn erfreut, und er tätschelte ihm den Hals, ehe er die Decken zum Schutz vor dem Giftsumach über das braune Fell legte. Dennoch gab Lassiter sich Mühe, mit den Beinen alles soweit niederzutreten, damit sein Brauner unbeschadet durch den Wald gelangte.

Die Frau war immer noch nicht wieder bei Bewusstsein, als er in die Hütte zurückkam, und er bestrich ihre malträtierten Füße, Fesseln und Waden großzügig mit der weißen Salbe aus dem Tiegel, den er stets bei sich führte.

Danach nahm er die Laterne und ging zum Schuppen hinüber. Er fand die Gerätschaften, die er sich erhofft hatte: Eine Spitzhacke, einen Spaten und eine Schaufel, mit der er der Einfachheit halber direkt neben dem windschiefen Bau zwei Gruben aushob.

Kein Pferd, nicht einmal ein Maultier. Hier inmitten der Einsamkeit war das mindestens merkwürdig. Waren dem obskuren Trio ihre Tiere gestohlen worden? Hinter dem Schuppen gab es immerhin eine überdachte Box mit Trögen für Futter und Wasser.

Trotz der kalten Nachtluft war Lassiters Hemd schweißnass unter der Langjacke, als er die Gräber für tief genug befand und sich daran machte, die Leichen zu holen. Der Scheiterhaufen war mittlerweile fast niedergebrannt, und der jetzt hoch am Himmel über der Lichtung stehende Vollmond stahl den Flammen die Show. Lassiter entdeckte sein Messer und schob es zurück in den Stiefelschaft.

Die Stunde des Grabens hatte ihm genug Zeit zum Nachdenken verschafft. Obwohl er nicht auf das Porträt schauen musste, welches er in der Innentasche mit sich führte, um zu wissen, dass es sich dabei nicht um die junge Frau in der Hütte handelte, wusste der Mann der Brigade Sieben doch, dass er auf der richtigen Fährte war.

Die Region war Terra incognita, einsame, dicht bewaldete Wildnis zwischen den großen Gebirgszügen, die erst seit einigen Monaten von Pionieren in Besitz genommen wurde. Die nächste größere Stadt war fast fünfzig Meilen entfernt, und so etwas wie eine Verwaltung oder gar Ordnungshüter gab es noch nicht.

Ein unwegsames, menschenfeindliches Nirgendwo, besiedelt von wenigen Hartgesottenen, die diese Einsamkeit nicht ohne Grund suchten. Ob aus Freiheitswillen, der Suche nach Frieden in der Abgeschiedenheit oder, um sich dem Arm des Gesetzes zu entziehen. Lassiter selbst war die Sehnsucht nach unberührter und menschenarmer Natur nicht fremd, vor allem die großen Metropolen an der Ostküste bereiteten ihm stets Unbehagen. Doch er wusste auch, dass es oft lichtscheue, üble Gesellen waren, die die großen Gemeinschaften mieden.