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September 2011: Militär und Regierung wissen bereits vom sich nähernden Kometen, nicht jedoch die Öffentlichkeit. Die fünfzehnjährige Billy-Jo Dunsee hat schlimme Träume vom Weltenende und hält sich selbst für gestört. Ihr Vater ist Major auf dem benachbarten Militärstützpunkt. Die beiden pflegen ein eher distanziertes Verhältnis, dennoch liebt Billy ihren Dad. Bis Paul Dunsee sich auf unheimliche Weise in ein Echsenwesen zu verwandeln scheint ... Über ein halbes Jahrtausend später wehrt sich die junge Joanne, Bedienung in einer Taratzenbraterei, ganz allein und erfolgreich gegen eine Horde Straßen-Piraten auf dampfbetriebenen Steampunk-Quads. Den Mut dazu schöpft sie aus erschreckenden Tagträumen, in denen sie stets dazu auserkoren ist, hunderte Menschenleben zu retten ...
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Seitenzahl: 168
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Was bisher geschah...
Billy Dunsee hat's gesehen
MADDAX-Con
Vorschau
Impressum
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« die Erde. In der Folge verschiebt sich die Erdachse, und ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist – bis auf die Bunkerbewohner – auf rätselhafte Weise degeneriert.
In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, dessen Fliegerstaffel beim Einschlag durch ein Zeitphänomen ins Jahr 2516 versetzt wird. Nach dem Absturz wird er von Barbaren gerettet, die ihn »Maddrax« nennen. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula findet er heraus, dass Außerirdische mit dem Kometen – dem Wandler, der sich als lebende, schlafende Entität entpuppt – zur Erde gelangten und schuld sind an der veränderten Flora und Fauna und der Verdummung der Menschen. Nach langen Kämpfen mit den Daa'muren erwacht der Wandler, weist sein Dienervolk in die Schranken und zieht weiter. Mit zwei Daa'muren, die auf der Erde zurückblieben – Grao und Ira – haben sich Matt und Aruula sogar angefreundet.
Bei einem Abstecher zum Mars, auf dem sich eine Expedition aus dem Jahr 2010 zu einer blühenden Zivilisation entwickelt hat, erfährt Matt von der Spezies der Hydree, die vor 3,5 Milliarden Jahren hier lebten und mittels eines Zeitstrahls zur jungfräulichen Erde umzogen, als ihr Planet seine Atmosphäre und Ozeane verlor. Mit ihren Nachkommen, den telepathisch begabten Hydriten, die von den Menschen unentdeckt am Meeresgrund leben, hatte Matt schon Kontakt und nennt einen von ihnen, Quart'ol, einen guten Freund.
Diese »Tunnelfeldanlage«, die wie ein Transporter funktioniert, in dem die Zeit unendlich gedehnt werden kann, ist bis heute in Betrieb und verursachte auch den Zeitsprung von Matts Flugstaffel um 504 Jahre, als die den Strahl querte. Dabei legt der Strahl einen Tachyonenmantel um lebende Zellen, der den Altersprozess fünfzig Jahre lang drastisch verlangsamt.
Seither ist viel Zeit vergangen – wir schreiben inzwischen das Jahr 2554 –, und all die Erlebnisse unserer Helden an dieser Stelle zu schildern, wäre unmöglich. Es gibt sogar eine Erdkolonie in einem fernen Ringplanetensystem, zu dem allerdings der Kontakt abgebrochen ist. Ihre Freunde Tom, Xi und deren Tochter Xaana (die eigentlich Matts Kind ist) leben dort auf dem Mond Novis.
Nicht nur einmal haben Matthew Drax und Aruula die Erde vor dem Verderben gerettet und mächtige Feinde bekämpft – zuletzt die vampirhaften Nosfera, die die WCA (World Council Agency, kurz: Weltrat) übernehmen wollten. Auf diese Organisation traf Matt schon früh. Momentan steht ihr General Aran Kormak vor, ein in der Vergangenheit eher zwielichtiger Charakter, der sich aber gewandelt und großes Interesse zu haben scheint, Meeraka (ehem. USA) und danach andere Länder friedlich zu einen.
Auch um Kormak weiterhin im Auge zu halten, geht Matt auf seinen Vorschlag ein, zusammen mit Aruula im Auftrag des Weltrats eine schnelle Eingreiftruppe zu bilden und für ein Bündnis unter dem Dach der WCA zu werben.
Dies sind ihre Abenteuer...
Weitere Informationen und Hintergründe zur Serie findet ihr unter https://de.maddraxikon.com im Internet!
Billy Dunseehat's gesehen
von Kolja van Horn
Der Komet, der sich auf die Erde zubewegte, besaß das Potenzial für apokalyptische Zerstörungskraft, sollte sein Weg durch das All ihn auch nur in der Nähe der Erde vorbeiführen. Die Astronomen Marc Christopher und Archer Floyd meldeten ihre Entdeckung an das Smithsonian Institut, wo fortan die Flugbahn kontinuierlich überwacht wurde. Als der Komet mehrfach den Kurs änderte und eine Kollision zunehmend wahrscheinlicher wurde, verständigte man die NASA und die Regierung der Vereinigten Staaten. Jeder Beteiligte wurde zu strengster Geheimhaltung angehalten. Dennoch war das Internet im Jahr 2011 schon längst kein geschlossener Verbund für Regierungsstellen, Militär und Universitäten mehr, sodass sich Gerüchte früher verbreiteten, als es den Verantwortlichen lieb sein konnte.
Billy-Jo – Glendale, Nevada, 2011
And she turned around and took me by the hand pand said, I've lost control again
how I'll never know just why or understand
she said, I've lost control again
and she screamed out, kicking on her side and said
I've lost control again
and seized up on the floor, I thought she died
she said, I've lost control ... 1
Billy-Jo Dunsee spürte, wie der schwermütige Gesang von Ian Curtis einen Kloß in ihrem Hals wachsen ließ und ihr wieder die Tränen in die Augen trieb. Das Bild von Mom tauchte vor ihrem geistigen Auge auf. Die Schallplatte war wie Dutzende weiterer Alben und Singles ihr Vermächtnis. Sie hatte diese düstere Musik geliebt und die Leidenschaft für das Melancholische und Morbide an ihre Tochter weitergegeben, sehr zum Leidwesen ihres Mannes und Billy-Jos Vater, Major Paul Dunsee.
Sisters of Mercy, Siouxie and the Banshees, Chameleons, Bauhaus, The Cure, aber vor allem Joy Division. All die britischen Ikonen von der dunklen Seite der Achtziger-Jahre. In den letzten Jahren hatten der Gothic Style und Dark Wave eine Renaissance erfahren, den die Musikzeitschriften Emo getauft hatten. Seitdem fiel Billy mit ihren schwarzen Outfits und Smokey Eyes nicht mehr ganz so auf in der Stadt und der High School. Für die Bands, die den damaligen Helden nacheiferten, hatte sie allerdings nur Verachtung übrig. Ihr Weltschmerz war Kalkül, die Texte Phrasen.
Sie hockte im Schneidersitz vor dem Plattenspieler, ebenfalls ein Erbstück ihrer Mutter. Dad hörte so gut wie nie Musik, außer im Küchenradio, doch selbst dort liefen in letzter Zeit fast nur noch Nachrichtensender.
Es war ihr bis heute ein Rätsel geblieben, was Emily Snyder vor achtzehn Jahren so faszinierend an dem jungen GI Dunsee gefunden haben mochte, dass sie ihn letzten Endes geheiratet hatte, doch Billy hatte sich nie getraut, Mom danach zu fragen. Und nun war es zu spät dafür.
Sie nahm die Platte vom Teller, schob sie mit Bedacht in die Hülle zurück und blätterte eine Weile im Albenstapel hin und her, ehe sie sich für »Pornography« von The Cure entschied. Robert Smith, der Sänger, zelebrierte die Traurigkeit auf andere Weise, als Ian Curtis es tat. Es war irgendwie ... barock, mit einem kleinen Augenzwinkern. Vielleicht lebte er deshalb noch, im Gegensatz zu Curtis, der sich mit dreiundzwanzig Jahren auf dem Dachboden erhängt hatte.
Billy hob den Blick, hinauf zu einem Poster über dem von zwei Boxen flankierten Plattenspieler. Das Schwarzweißfoto zeigte den Joy-Division-Sänger in einer Live-Pose; beide Hände umklammerten das Mikro, der Blick war aufwärts gerichtet, schien entrückt ins Leere zu blicken. Oder in die Unendlichkeit.
Manchmal hatte Mom ähnlich geschaut, wenn sie am Küchentisch oder auf der Veranda saß und sich unbeobachtet fühlte. War da schon immer dieser Wunsch in ihrem Herzen gewesen, allem ein Ende zu machen?
»Mom«, flüsterte Billy, und eine einzelne Träne entfloh ihrem Auge und lief über ihre linke Wange. »Warum hast du das getan? Das war ... nicht fair.«
Sie zuckte zusammen, als es an ihrem Fenster klopfte, und als sie einen Blick über die Schulter warf, konnte sie die Bewegung durch die nur halb geschlossenen Lamellen der Jalousie erkennen.
»Billy-Jo? Bist du zu Hause?«
Sie verdrehte die Augen, obwohl sie im Grund froh war über die Störung, kam auf die Beine und schlurfte barfuß aus dem Zimmer, durch den Flur an der Küche vorbei bis zur Haustür.
Die Stimmung und das Temperament, das der Besucher vor der Tür ausstrahlte, konnte ihrem eigenen Seelenzustand nicht ferner sein, doch das focht Chubby McLaughlin nicht weiter an.
»Üüüüberraschung!« Er feixte und führte ein kleines Tänzchen auf, was bei seinem Übergewicht, dem zu engen rosa Polo-Hemd und den gestreiften Cargohosen, die kaum bis zu den Knien reichten, eher Fremdscham als Heiterkeit in Billy auslöste.
Sie hob die Hände und starrte ihn verständnislos an. »Ich hab dich gesehen. Ich hab dich gehört. Was ist dabei die Überraschung, Chub?«
Er hielt abrupt mit den Hüpfbewegungen inne und riss kurz die Augen auf, weil die Frage ihn aus dem Konzept zu bringen schien. Dann schüttelte er so heftig den Kopf, dass die schulterlangen graubraunen Locken, die über der Stirn merklich dünner wurden, munter herumhüpften.
Billy verschränkte die Arme vor der Brust und schaute über Chubbys Schulter, was nicht schwer war, denn sie überragte ihn trotz ihrer gerade mal sechzehn Jahre bereits um eine halbe Kopflänge. Gertie Ipswich, die schräg gegenüber lustlos an ihren Buschrosen herumzupfte, starrte dabei mit mürrischer Miene herüber. Wie ein paar andere betrachtete sie das freundschaftliche Verhältnis zwischen Billy und dem zauseligen Nachbarn mittleren Alters mit calvinistischem Argwohn.
»Ich doch nicht!« Chubby McLaughlin grinste über das ganze breite unrasierte Gesicht, dann holte er etwas aus seiner Gesäßtasche hervor und schwenkte es wie eine Trophäe.
Billy klatschte in die Hände und stieß einen kleinen Freudenschrei aus. »Du hast ihn repariert? Wie geil ist das denn?«
Chubby schmunzelte, und um die spitze Nase herum wurde er ein wenig rot. »Nun ja, war eigentlich nicht weiter schwer. Hab ich doch gleich gesagt.«
Mit einem weiteren Blick auf Gertie trat sie ein Stück zur Seite. »Komm besser rein, die alte Hexe glotzt sich sonst noch die Augen aus dem Kopf.«
Chubby machte sich nicht die Mühe, über die Schulter zu sehen. »Gertie? Himmel, schau ihr nicht zu lange in die Augen! Sie muss eine Milchflasche nur für ein paar Sekunden anstarren, dann wird der Inhalt zu Butter, ich schwör's dir.«
Lächelnd winkte Billy ihrer Nachbarin zu, die daraufhin hastig den Kopf senkte und so tat, als würden die Rosenstauden vor ihr plötzlich die ganze Welt ausfüllen.
Chubby folgte Billy in ihr Zimmer, ließ den Blick über die dunkelviolett gestrichenen Wände, die schwarzen Duftkerzen und die anthrazitfarbenen, fast ganz herabgelassenen Jalousien wandern, ehe er ihr den Walkman in die Hand drückte und mit leiser Stimme etwas aussprach, das kein Geheimnis war: »Draußen scheint die Sonne, Engelchen.«
Billy betrachtete den Walkman, während sie sich rückwärts bewegte und aufs Bett fallen ließ. »Wir wohnen in Nevada, Chub«, murmelte sie und strich dabei mit den Fingern über das zerkratzte, türkisfarbene Chassis des tragbaren Recorders wie über eine Reliquie. »Das ist hier nichts Besonderes.«
»Trotzdem sollte dieses Zimmer ab und an daran teilnehmen, findest du nicht?« Er trat neben das Fenster und zog an der Schnur der Jalousie. Als helles Tageslicht hereinströmte, in dem Staubteilchen zu tanzen begannen, stieß Billy ein widerwilliges Stöhnen aus, protestierte aber nicht weiter.
Sie stöpselte den Kopfhörer ein, zog sich den schmalen Metallbügel über die oben pechschwarz und an den Spitzen giftgrün gefärbten Haare, bis der Kopfhörer über den Ohren saß, und drückte auf PLAY.
Time slips away, and the light begins to fade
everything ist quiet now, feeling is gone ... 2
Unverkennbar Robert Smith, doch er nölte wie Liam Gallagher. Sie schaute zu Chubby auf und maulte: »Der eiert!«
Er hob die Hände. »Du musst die Batterien austauschen. Ich hatte keine frischen mehr da. Aber dann läuft er wieder wie eine eins, Ehrenwort!«
Das Lächeln kehrte auf Billys Gesicht zurück, sie sprang auf und umarmte ihn. »Danke dir. Du bist der Größte!«
Als sie ihn wieder losließ, zupfte Chubby sich nervös am Hemdkragen herum. »Danke, aber du wächst mir ja jetzt schon über den Kopf, von daher ...« Er sah sie an. »Außerdem sind iShuffles doch eigentlich viel praktischer.«
Sie zuckte die Achseln. »Ich hänge an dem Teil. Es ist ...«
»Von deiner Mom, ich weiß. Natürlich.« Er lächelte. »Und dieses Retroding ist ja auch viel cooler, als mit so einem rosa Stift rumzurennen wie all die anderen.«
Sie zeigte mit dem Finger auf ihn zum Zeichen, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte, dann spürte sie seine Verunsicherung, nahm den Walkman fest in beide Hände und küsste ihn, bevor sie leise sagte: »Danke, Chub. Wirklich, das bedeutet mir sehr viel.«
Er winkte ab und war schon wieder verlegen. Mit einem Blick auf ihre nackten Füße hob er scheinbar verdutzt die Augenbrauen. »Himmel, ich schwöre, ich hab seit sechsunddreißig Stunden keinen Joint mehr angerührt ... aber gehören diese beiden Füßchen da nicht zusammen, oder habe ich ein Flashback?«
Der Witz war ein Running Gag, der schon am Stock ging, dennoch wurde Chubby es nie leid, ihn zu wiederholen. Er spielte auf ihren linken Fuß an, an dem ein sechster, verkümmerter Zeh neben dem normalen kleinen wuchs. Ein Grund, weshalb sie nur plumpe Botten für Typen tragen konnte und am liebsten gar keine Schuhe anhatte.
»Oh, bitte, Chub! Muss ich mich operieren lassen, damit du nicht mehr darauf herumreitest?«
»Herumreiten?« Er warf die Arme hoch und streckte die Handflächen nach vorn, wie um sich zu ergeben. »Zeichen der Verehrung, eine Faszination für das Absonderliche, dem ich einfach nicht Herr werde und immer wieder Ausdruck verleihen muss.«
Sie seufzte, während sie sich rücklings auf die Matratze warf und den Walkman behutsam neben sich auf das Kopfkissen legte. »Du bist einfach unmöglich.«
Er nickte ernsthaft. »Eine Laune der Natur, so wie dieser erstaunliche Fuß.« Mit einem etwas längeren Blick in ihr Gesicht fragte er: »Also, ist das Make-up, oder hast du wieder nicht richtig geschlafen?«
Billys Lächeln verblasste. »Kaum zwei Stunden. Aber mach dir keine Gedanken, Chubby«, sagte sie.
»Sorry«, erwiderte er, »aber ich kann nicht anders. Du siehst nicht gut aus, Engelchen. Waren das wieder diese Träume?«
Nach kurzem Zögern nickte Billy. Wie hätte sie es auch leugnen können? Sie hatte selbst heute Morgen im Spiegel gesehen, wie übernächtigt, ja ausgezehrt sie inzwischen aussah. Chubby war der Einzige, den sie ins Vertrauen gezogen hatte, und natürlich meinte er es nur gut.
Aber er war ein Erwachsener. Wenn sie zu viel preisgab, würde er womöglich mit Dad reden. Und was kam dann? Das Irrenhaus in Las Vegas? Oder noch Schlimmeres?
»Die Welt in Flammen«, kam es tonlos über ihre Lippen. »Etwas kam vom Nachthimmel herab.«
»Vom Himmel?« Etwas ging in Chubbys Miene vor sich. »Was meinst du damit? Ein Komet oder was?«
Billy runzelte die Stirn und fragte sich, was er damit meinte. Bisher hatte ihr Freund nie nachgefragt, wenn sie die grauenhaften, lebensechten Bilder ihrer Albträume schilderte. Was war nun anders?
Sie glaubte, tiefe Sorge in seinem runden Gesicht zu entdecken, mehr als vorher. Sie wollte nicht, dass er sich um sie sorgte. Nicht derart, dass er mit Dad sprach.
»Mom ist erst seit ein paar Monaten tot«, sagte sie. »Und du weißt, wie es passiert ist ...«
»Natürlich.« Chubby trat näher auf sie zu, setzte sich aber nicht neben sie aufs Bett. Er wusste, das würde sich nicht gehören, eine Grenze überschreiten. »Ich denke nur ...«
»Gib mir noch etwas Zeit, okay?« Billy versuchte, ihrer Stimme einen festen Klang zu verleihen. Nicht ganz leicht, weil die grauenhaften Traumbilder nun, da sie darüber sprachen, sich aus den Schatten in ihrem Hinterkopf erhoben und ins Bewusstsein drängten, ins Licht.
Bilder vom Ende der Welt, von einer kaum vorstellbaren Katastrophe, schlimmer, als alle Hollywood-Blockbuster sie auf Cineplex-Leinwänden hätten präsentieren können. Dort sah die Apokalypse zwar immer gigantisch und spektakulär aus, aber irgendwie auch ... sauber.
Doch das würde sie nicht sein. Sondern von Gewalt, Qualen, Leid und Grauen geprägt. Die Hölle war schmutzig und stank nach Krankheit und Verwesung.
Und je öfter die Träume sie quälten, sie schweißgebadet aufwachen ließen und so erschütterten, dass sie sich nicht mehr traute, wieder einzuschlafen, desto mehr wuchs die Überzeugung in Billy-Jo, dass es sich nicht nur um Träume handelte. Sondern um Visionen einer Zukunft, die wie eine schwarze Sonne am Horizont aufstieg.
Black Hole Sun, won't you come ... Auch der Grunge hatte ein paar tolle Bands hervorgebracht. Deren schillerndste Frontmänner lebten ebenfalls nicht mehr.
Doch all das durfte sie nicht einmal Chub gegenüber aussprechen. Er war ein schräger Kauz und nahm sie, wie sie war. Niemand sonst ging mit Billy so selbstverständlich und einfühlsam um. Aber wenn sie damit fortfuhr, ständig vom Ende der Welt zu quatschen, wäre wohl auch bei ihm irgendwann der Punkt erreicht, die Reißleine zu ziehen und dafür zu sorgen, dass sie in professionelle Obhut kam.
In einen Raum mit weichen Wänden und vier Rationen Thorazin am Tag – vielen Dank auch.
»Vielleicht ...« Chubby hob die Hand, ganz behutsam, als sie zu ihm aufschaute. »Ehrlich, es ist nur ein Vorschlag«, der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht, »aber ich kenne eine Ärztin drüben in Vegas ... die hat mir geholfen, als es mir wirklich schlecht ging, weißt du?« Er hob die Brauen, und Billy murmelte unverbindlich: »Okay ...?«
Chubby fuhr sich durch die Locken, er zögerte. »Nein, schon gut. Wir reden ein andermal darüber.« Er wandte sich zum Gehen, doch Billy hielt ihn auf.
»Warte – worum ging es hier gerade?«
Chubby, schon an der Zimmertür, drehte sich nicht um, als er antwortete: »Meine Mom starb, da war ich ungefähr so alt wie du. Ich denke, ich verstehe, was du durchmachst, Engelchen. Aber du darfst nicht zulassen, dass es dich immer weiter beherrscht und tiefer runterzieht, okay?«
Billy presste die Lippen zusammen. Gedankenverloren fuhr sie mit dem Finger über die Wunde unter dem linken Auge, den der Hieb ihrer Mutter hinterlassen hatte. Die Fäden waren erst vor vier Wochen gezogen worden, weil die Haut einfach nicht hatte zusammenwachsen wollen, aber jetzt schien es endlich zu heilen. »Ich verstehe, Chub. Danke, ehrlich.«
»Es ist nur ein Vorschlag, bitte sei nicht böse.«
»Bin ich nicht, Ehrenwort.« Sie hob die Hand und zwang sich zu einem Lächeln. Was ihr besser gelang als erwartet.
»Wenn du die Nummer der Ärztin haben willst, musst du nur danach fragen, okay? Aber ich werd's nicht noch mal erwähnen.«
»Klar.« Sie nickte. »Ich ... denk drüber nach. Bye.«
»Adios.« Chubby wusste, wann ein Gespräch beendet war. Er verschwand im Flur, und kurz darauf schlug die Haustür zu.
Für zwei Minuten starrte Billy ins Leere und hing ihren Gedanken nach. Dann stand sie auf, zog die Jalousie wieder herunter und wandte sich dem Plattenspieler zu.
»Major Dunsee?«
Der Angesprochene schaute von ein paar Papieren auf und hob die Brauen. Sein Adjutant salutierte und starrte über ihn hinweg auf das Bild des Präsidenten, das an der holzvertäfelten Wand hinter dem Schreibtisch hing.
»Was gibt's, Collins?«
»Konferenz bei General Flagg, um dreizehnhundert. Sir.«
Dunsee runzelte die Stirn. »Das ist in zwanzig Minuten.«
»Korrekt, Sir.«
»Was gibt's so Dringendes? Greifen die Chinesen Taiwan an, oder ist den Hippies an der Westküste endlich ein Kraftwerk um die Ohren geflogen?«
Collins erlaubte sich, den linken Mundwinkel zu heben. Um eine Nuance. »Mir wurde kein Grund genannt, Sir. Doch jemand von der NASA hat vor einer halben Stunde den Kontrollpunkt passiert.«
Dunsee rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nase, ehe er nickte. »Oh, eine NASA-Nase. Na, das duldet natürlich keinen Aufschub.« Er erhob sich. »Da sollten wir wohl besser einen Zahn zulegen, nicht wahr, Collins?«
Sein Adjutant bekam nun zunehmende Probleme, sich das Grinsen zu verkneifen – frisch von der USMA von West Point hin oder her. »Jawohl, Sir«, stieß er hervor und machte rasch kehrt, um seinem Vorgesetzten die Tür aufzuhalten.
Sie nahmen den Gang, der unter dem Homey Airport entlang direkt in jene Untergeschosse des Gebäudekomplexes führte, deren bloße Existenz nur höheren Diensträngen überhaupt bekannt war. Nach ein paar Schritten wechselte Dunsee auf das Laufband, das etwa ein Drittel des Korridorbodens einnahm. Schließlich hatte er nur noch wenige Minuten und wollte keineswegs zu spät kommen.
Vor einer Tür, die sich nur mit einer Kombination aus Chipkarte und Fingerabdruck öffnen ließ, trennte er sich von Collins. Direkt hinter der Stahltür beförderte ihn ein Fahrstuhl noch tiefer in den Bauch der Erde unter der Mojave-Wüste, und fünf Minuten später erreichte er den Konferenzraum. Er schien der letzte noch ausstehende Teilnehmer des Treffens zu sein, obwohl noch ein paar Minuten Zeit gewesen wären.
Die Gruppe, die sich um den runden Tisch versammelt hatte, war klein, was Dunsee vermuten ließ, dass es hier um keine Bagatelle ging.
Die »Nase von der NASA« war ihm unbekannt, obwohl sie auf dem Stützpunkt öfter mit der Raumfahrtbehörde zu tun hatten – wenigstens jene aus den Abteilungen für spezielle Aufgaben. Der Externe stand gegenüber des Platzes, an dem sich der Major niederließ, zwischen einem großen Bildschirm und einem Whiteboard, musterte ihn vorwurfsvoll und ungeduldig, als wäre er zu spät gekommen, ehe er sich als Professor Dr. Jacob Smythe vorstellte.
»Vorab zur Information«, erklärte Smythe und fuhr sich über das straff zurückgekämmte, im Nacken bis auf den Hemdkragen wachsende Haar. Eine affektierte Geste, die Dunsees spontane Abneigung gegen den Mann noch verstärkte. »Ich komme nicht von der NASA, sondern stehe einer neu gegründeten Abteilung vor, der Astronomic Division der US Air Force, kurz ADUSAF – wir sind direkt Präsident Schwarzenegger unterstellt und nur ihm Rechenschaft schuldig.« Er lächelte herablassend.