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Von den Dreizehn Inseln aus reisen Matt und Aruula nach Schottland, denn seit ihr Tachyonenmantel durch die Benutzung der Wurmlöcher abgebaut wurde, altern sie wieder wie normale Sterbliche. Darum wollen sie im Zeitstrahl, der vom Mars zur Erde reicht, den Zellverfall für weitere fünfzig Jahre stoppen. Zuletzt befand sich der Strahl irgendwo über dem Loch Lomond nahe dem Hort des Wissens. Doch bereits ein erster Funkkontakt mit dem Hort gibt den Gefährten Rätsel auf. Sie ahnen nicht, dass in der Zwischenzeit etwas im Strahl vom Mars auf die Erde gelangt ist...
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Seitenzahl: 153
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Was bisher geschah...
Helter Skelter
MADDAX-Con
Vorschau
Impressum
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« die Erde. In der Folge verschiebt sich die Erdachse, und ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist – bis auf die Bunkerbewohner – auf rätselhafte Weise degeneriert.
In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, dessen Fliegerstaffel beim Einschlag durch ein Zeitphänomen ins Jahr 2516 versetzt wird. Nach dem Absturz wird er von Barbaren gerettet, die ihn »Maddrax« nennen. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula findet er heraus, dass Außerirdische mit dem Kometen – dem Wandler, der sich als lebende, schlafende Entität entpuppt – zur Erde gelangten und schuld sind an der veränderten Flora und Fauna und der Verdummung der Menschen. Nach langen Kämpfen mit den Daa'muren erwacht der Wandler, weist sein Dienervolk in die Schranken und zieht weiter. Mit zwei Daa'muren, die auf der Erde zurückblieben – Grao und Ira – haben sich Matt und Aruula sogar angefreundet.
Bei einem Abstecher zum Mars, auf dem sich eine Expedition aus dem Jahr 2010 zu einer blühenden Zivilisation entwickelt hat, erfährt Matt von der Spezies der Hydree, die vor 3,5 Milliarden Jahren hier lebten und mittels eines Zeitstrahls zur jungfräulichen Erde umzogen, als ihr Planet seine Atmosphäre und Ozeane verlor. Mit ihren Nachkommen, den telepathisch begabten Hydriten, die von den Menschen unentdeckt am Meeresgrund leben, hatte Matt schon Kontakt und nennt einen von ihnen, Quart'ol, einen guten Freund.
Diese »Tunnelfeldanlage«, die wie ein Transporter funktioniert, in dem die Zeit unendlich gedehnt werden kann, ist bis heute in Betrieb und verursachte auch den Zeitsprung von Matts Flugstaffel um 504 Jahre, als die den Strahl querte. Dabei legt der Strahl einen Tachyonenmantel um lebende Zellen, der den Altersprozess fünfzig Jahre lang drastisch verlangsamt.
Seither ist viel Zeit vergangen – wir schreiben inzwischen das Jahr 2554 –, und all die Erlebnisse unserer Helden an dieser Stelle zu schildern, wäre unmöglich. Es gibt sogar eine Erdkolonie in einem fernen Ringplanetensystem, zu dem allerdings der Kontakt abgebrochen ist. Ihre Freunde Tom, Xi und deren Tochter Xaana (die eigentlich Matts Kind ist) leben dort auf dem Mond Novis.
Nicht nur einmal haben Matthew Drax und Aruula die Erde vor dem Verderben gerettet und mächtige Feinde bekämpft – zuletzt die vampirhaften Nosfera, die die WCA (World Council Agency, kurz: Weltrat) übernehmen wollten. Auf diese Organisation traf Matt schon früh. Momentan steht ihr General Aran Kormak vor, ein in der Vergangenheit eher zwielichtiger Charakter, der sich aber gewandelt und großes Interesse zu haben scheint, Meeraka (ehem. USA) und danach andere Länder friedlich zu einen.
Auch um Kormak weiterhin im Auge zu halten, geht Matt auf seinen Vorschlag ein, zusammen mit Aruula im Auftrag des Weltrats eine schnelle Eingreiftruppe zu bilden und für ein Bündnis unter dem Dach der WCA zu werben.
Dies sind ihre Abenteuer...
Weitere Informationen und Hintergründe zur Serie findet ihr unter https://de.maddraxikon.com im Internet!
Helter Skelter
von Kolja van Horn
Wang'kul blinzelte irritiert, während die letzten Sekunden der Kalibrierung auf den Monitoren der Tunnelfeldanlage angezeigt wurden. Der Hydree glaubte, aus dem Augenwinkel eine Art Wimmeln wahrgenommen zu haben, als hätte sich etwas nahe des Zeitstrahls bewegt, der aus einer Plattform in der Mitte eines kleinen Sees nach oben strebte und in der Höhlendecke verschwand. Aber als er hinschaute, war da nichts.
Wieder richtete er den Blick auf die Anzeige. Der Zeitstrahl, der fast unsichtbar und fließend wie Wasser für Äonen den Mars mit der Erde verbunden hatte und neu ausgerichtet worden war, um die Marsbevölkerung vor dem Streiter zu retten, war jetzt wieder auf den Loch Lomond im Norden Britanas justiert. Leider hatte die zeitliche Justierung nicht ganz so gut funktioniert; der Strahl war um etwa eine Woche verzögert. Besser bekam er es nicht hin, was ihn ärgerte. Das seltsame Wimmeln hatte er darüber bereits wieder vergessen.
Britana im Frühjahr 2555
»Merkwürdig«, brummte Matthew Drax, ehe er der Kriegerin neben sich auf dem Sessel des Copiloten einen kurzen Blick zuwarf. »Wieder keine Antwort.«
Aruula hob die Achseln. Das weiße Rauschen war auch ihr nicht entgangen, nachdem Matt den Funkspruch abgesetzt hatte, um ihre Ankunft am Hort des Wissens anzukündigen. »Die Funkstation ist nicht rund um die Uhr besetzt, oder?«
»Das nicht, aber der Leiter bekommt eintreffende Meldungen über ein Signal angezeigt.«
»Vielleicht liegen noch alle in den Federn«, vermutete Aruula und warf einen Blick aus dem Seitenfenster des Gleiters, der sich in mäßiger Geschwindigkeit und einer Höhe von tausend Metern über eine Inselgruppe bewegte, die dem rauen Norden Britanas vorgelagert war. Südöstlich konnte man eine Hügelkette aus dem morgendlichen Hochnebel aufragen sehen, und die Navigation zeigte an, dass sie ihr Ziel bei konstanter Geschwindigkeit in zweiunddreißig Minuten erreichen würden.
Loch Lomond im Skoothenland.1 Dort war im ehemaligen Wasserkraftwerk von Sloy seit einigen Jahren der Hort des Wissens untergebracht, jene Sammlung seltener Gerätschaften, Bücher und Dokumente, die der verstorbene Rulfan – jener aus dieser Welt, nicht der Parallelwelt-Rulfan, der seinen Platz eingenommen hatte, aber als verschollen galt – einst zusammentrug, um Wissen und Weisheit der Menschheit vor dem Vergessen zu bewahren. Ex-Technos und Retrologen hüteten, erweiterten und katalogisierten die Sammlung unermüdlich, jetzt unter der Leitung von Rulfans Sohn Juefaan und dessen Halbbruder Leonard Pellam.
Doch der Hort hütete noch etwas anderes: Die Mündung des Zeitstrahls, eine Verbindung, die einst die Hydree vom Mars zur Erde errichtet hatten, befand sich über dem Loch Lomond, an dessen Ufer die Sloy Power Station lag.
Und genau diese war das Ziel von Matt und Aruula. Denn ein Sprung durch den Zeitstrahl bewirkte einen erstaunlichen Nebeneffekt: Die Zellen des Reisenden wurden durch eine Tachyonenummantelung für fünfzig Jahre vor dem Verfall geschützt. Einer der Gründe, weshalb Commander Matthew Drax, geboren im Jahr 1980, auch mit fünfhundertfünfundsiebzig noch blendend aussah.
Allerdings waren sein und Aruulas Tachyonenmantel durch die Benutzung der Wurmlöcher vollständig abgebaut geworden. Seitdem alterten sie wieder normal, sodass ein erneuter Sprung durch den Zeitstrahl dringend angeraten war.
»Versuch's doch einfach noch mal.«
Matt verzog die Lippen, aber er tat wie geheißen. Zum vierten Mal binnen einer Dreiviertelstunde. »Gleiter mit Kurs Nordostost, Ankunft beim Hort in ...«, er warf einen Blick auf die Instrumente, »voraussichtlich neunundzwanzig Minuten. Hey, Fooks, hier sind Commander Drax und Aruula. Solltet ihr gerade unpässlich sein, sagt uns wenigstens, wenn wir stören.«
Aruula grinste schief angesichts Matts unvermittelter Improvisation, aber der lockere Spruch brachte ihnen abermals nur wortloses Rauschen ein. Matt beugte sich vor, drehte am Frequenzregler und wartete. Vergeblich.
Kopfschüttelnd stellte er wieder die Frequenz ein, von der er wusste, dass der Hort sie benutzte. Und zuckte überrascht zurück, als im nächsten Augenblick ein eigentümlicher Laut ertönte, der klang, als würde sich jemand schnäuzen und gleichzeitig räuspern. Danach krächzte eine Stimme im Äther: »Bist du das, Matt?«
Matthew war sich nicht sicher angesichts der schlechten Verbindung, doch er glaubte, die Stimme von Leonard Pellam zu erkennen. »In voller Pracht«, antwortete er. »Leonard, bist du's? Der Funkkontakt ist grausig. Seid ihr an den Grund des Loch umgezogen?«
Das Lachen auf der anderen Seite klang merkwürdig hechelnd, danach sagte Pellam: »Häschen in der Grube, so sieht das aus. Ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen soll.«
Aruula, die die Anzeigen studierte, schüttelte den Kopf. »Die Wetterdaten zeigen kein Gewitter an, das den schlechten Empfang erklären würde.«
Pellam begann leise zu summen, ehe er unvermittelt und heftig nieste.
»Alles okay, Leo?«, fragte Matt. »Wir versuchen schon seit fast einer Stunde, Kontakt zu euch aufzunehmen.«
»Aber sicher doch ...« Pellam hustete, räusperte sich, antwortete: »Wir sind leider ein wenig aus dem Takt, Imperator. Sowas kommt schon mal vor, in reeeegelmäßigen Ab! Ständen!« Er hickste laut.
Aruula und Matt tauschten einen ratlosen Blick, während es in der Funkverbindung sekundenlang nur knisterte.
Leonard Pellam hörte sich an, als hätte er gehörig einen über den Durst getrunken. Allerdings wusste Matt nichts von einer derartigen Vorliebe bei Juefaans Halbbruder. Ansonsten hätte der ihm wohl auch kaum den Hort anvertraut.
Um einen gleichmütigen Tonfall bemüht, fragte Matthew: »Ist Juefaan in der Nähe? Ich hätte ihn gern gesprochen.«
Pellam lachte keckernd; die Laute erinnerten Matt an Ydiel, seinen Sauroiden-Freund. Mit Leonard stimmte definitiv etwas nicht.
»Jütte? Der ist doch auf Taaahiiiti!« Pellam gluckste amüsiert. »Da müsster wohl mit meeeiner Wendigkeit vorliiieb nehm' ...« Eine kurze Pause entstand, dann brüllte Pellam so laut ins Mikrofon, dass Aruula zusammenzuckte: »Aber nuuuuur, wenn's keine Umstände macht!«
»Okay«, sprach Matt ins Mikro. Er hatte genug gehört. »Wir sind in ein paar Minuten bei euch, Leonard. Over and out.«
Oberflächlich betrachtet machte der Hort des Wissens den Eindruck, als sei alles so wie vor zwei Jahren bei ihrem letzten Aufenthalt. Das massive Gebäude, in den Hang gebaut, ruhte wie ein stiller Wächter über dem riesigen Binnensee, ohne dass Matt oder Aruula offensichtliche Schäden erkennen konnten. Die aufsteigende Sonne brachte das tiefe Wasser des Loch Lomond zum Glitzern.
Seit ihrem Gespräch mit Leonard Pellam ging es Matt nicht mehr vornehmlich darum, ihre Zellen vor der Alterung zu schützen. Er wollte wissen, was im Hort des Wissens los war. Er drosselte die Triebwerke, während sie sich dem Gebäude näherten, und ließ den Gleiter gleichzeitig langsam in Richtung des Dachs absinken, das als Landeplatz diente.
»Was ist denn mit denen los?«, fragte Aruula leise. Inzwischen waren sie Sloy nah genug gekommen, um durch die Außenfenster mehr erkennen zu können. Und es wurde deutlich, dass der erste Eindruck getäuscht hatte – da unten war längst nicht alles in Ordnung.
Auf dem Platz vor dem Haupteingang, von dem die Uferstraße abging in Richtung Glesgo, breiteten sich Berge von Müll aus. Matratzen und Lumpenhaufen, Kartons, Kisten und leere Fässer, zerbrochenes Mobiliar und allerlei anderer Unrat waren verstreut, aber Matt glaubte auch einige Dinge von Wert dort liegen zu sehen, wie einen großen Globus, der bei seinem letzten Besuch noch in der Bibliothek gestanden hatte.
Noch beunruhigender aber waren die Leute auf dem Dach.
»Tanzen die etwa?« Ratlos hob Aruula eine Augenbraue, während sie Matt anschaute.
»Sieht ganz so aus«, brummte der Commander und legte die Stirn in Falten, während er den Gleiter vorsichtig zur Landefläche steuerte. »Tango, scheint mir.«
Das Paar bewegte sich mit Hingabe über die Dachfläche und bewies dabei durchaus Talent. Tief ließ die Frau sich im Griff des Mannes rückwärts fallen, warf den Kopf in den Nacken und drückte das Kreuz durch, ehe ihr Partner sie schwungvoll wieder nach oben zog und sie eine anderthalbfache Drehung vollführten, theatralisch und leidenschaftlich.
Nur die Kleidung der beiden mochte nicht recht zu ihrer Darbietung passen. Er trug ein rotweiß gestreiftes, ärmelloses Trikot und darunter eine lange wollene Unterhose, sie einen Badeanzug, bedruckt mit Palmen und tropischen Vögeln.
Draußen nieselte es, und die Temperatur lag bei elf Grad.
Matthew bemerkte noch eine dritte Person auf dem Dach. Der korpulente Mann saß am anderen Ende in einer Ecke neben einem Verschlag, aus dem Lüftungsrohre ragten. Er hatte die Beine weit gespreizt und türmte vor seinem Schoß Steinchen aufeinander. Völlig in sich versunken, nahm er weder von den Tänzern noch vom sich nähernden Gleiter Notiz.
»Das ist ... bizarr«, murmelte Matt und starrte zu dem Dicken hinüber, was ihn für ein paar Sekunden vom Tanzpaar ablenkte, das aus dem Sichtfeld der Frontfenster verschwunden war.
»Vorsicht!« Aruulas scharfe Stimme ließ ihn den Kopf herumreißen, und sofort erkannte er die Gefahr. In seliger Zweisamkeit glitt das Tanzpärchen über die Dachplatten, direkt auf die zischenden Strahlen der Bremsdüsen zu.
Matt riss den Steuerknüppel herum, gab gleichzeitig Umkehrschub. Der Gleiter bekam für einen Moment Schlagseite, bewegte sich abrupt rückwärts, wodurch die Nase nach oben ging und beide in ihren Sitzen hin und her geschleudert wurden.
Doch das Manöver gelang. Offenbar unbeeindruckt von der Hitze der Strahlen, die sie fast zu Asche verbrannt hätten, lief das Paar haarscharf am Tode vorbei und vollführte zwei Pirouetten, dann waren sie unter dem Gleiter hindurch und aus der Gefahrenzone.
Matt beeilte sich, den Flieger zu Boden zu bringen. Als die Kufen auf dem Dach aufsetzten, schienen die Tänzer sie immerhin zur Kenntnis zu nehmen, denn sie hatten mit dem Tango aufgehört. Der Mann legte der Frau den Arm um die Hüften, und sie schauten mit neugierigen Augen fast wie Kinder auf den Gleiter.
Matt sprang aus dem Sessel und drückte auf den Knopf, der die Ausstiegsrampe herunterließ. »Denen lese ich die Leviten«, knurrte er aufgebracht. Aruula legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Kein Grund, ihnen gleich den Kopf abzureißen«, beschwichtigte sie ihren Gefährten. »Du weißt nicht, was los ist – niemand tanzt bei klarem Verstand in den sicheren Tod.«
Widerwillig nickte Matthew, als sie Seite an Seite den Gleiter verließen und auf das Dach traten.
Der Mann hinten in der Ecke setzte einen flachen Stein auf den Turm vor sich. Er blickte konzentriert auf sein Werk und tat so, als existierten sie nicht.
Dafür kamen der Tänzer im Streifentrikot und die Badeanzugträgerin ein paar Schritte näher. Das Shirt spannte sich über dem Bauch des Mannes; es glänzte feucht vom Sprühregen, der aus den grauen Wolken fiel. Der Tänzer war groß, sicher über eins neunzig, und hatte eine von lockigem dunkelbraunem Haar umkränzte Stirnglatze. Die Schultern hingen herab, die Haut an den dünnen Armen war faltig und schlaff und der Stoff der Unterhose schlackerte um seine knochigen O-Beine.
»Was zum Geier stimmt nicht mit Ihnen?«, polterte Matt, immer noch wütend. »Sie hätten tot sein können!«
Aruula erkannte, wie recht er damit hatte. Der linke Arm des Mannes war gerötet, und es schienen sich bereits Brandblasen auf der Haut zu bilden. Doch weder er noch die Frau an seiner Seite machten den Anschein, als wüssten sie, wie knapp es gerade gewesen war. Beide grinsten dümmlich, und der Kerl starrte Aruula jetzt auf eine Weise an, die ihr nicht gefallen konnte. Seine Zunge glitt wie ein nervöses Reptil zwischen den Zähnen hindurch und leckte über die Lippen.
Die Frau schaute zu ihm auf und legte die Stirn in Falten. Sie schien die Lüsternheit ihres Partners zu bemerken – und dass sich dessen Aufmerksamkeit von ihr abgewandt hatte.
Matt blieb stehen und stemmte die Hände in die Hüften. »Verstehen Sie überhaupt, was ich sage?«, fragte er das Paar.
Das Grinsen des Mannes wurde breiter. Nun konnte Aruula erkennen, dass rechts oben zwei Eckzähne fehlten. Noch nicht lange, wie es aussah, denn das Zahnfleisch war an der Stelle blutig.
Urplötzlich stieß der Mann die Frau von sich, die mit einem überraschten Kieksen zu Boden ging. Er grunzte, streckte die Hände voran in der Parodie eines Bären und stürzte sich auf Aruula.
Er war nur drei Schritte von ihr entfernt gewesen, deshalb reagierte sie erst im letzten Moment, und er bekam noch eine ihrer Brüste zu fassen. Dann hatte sie sich geschmeidig halb zur Seite gedreht, wich eine Armlänge zurück und packte den Kerl mit einer Hand am linken Ellenbogen und mit der anderen im Nacken. Sie nutzte den Schwung ihres Gegners, riss das Knie nach oben und ließ Flieh- und Schwerkraft ihren Lauf. Mehr war nicht nötig, um den Mann abheben zu lassen.
Sein Sturz war deutlich weniger elegant als der Tanz zuvor, und der Kerl knallte schmerzhaft mit dem Gesicht auf den grobporigen Beton der Dachplatten. Matt fuhr herum, und in seinem Gesicht zeichneten sich Überraschung und eine Spur von Mitgefühl ab, als er sah, wie die Nase des Mannes brach.
Hinter erklang ein Kreischen. Aruula und Matt wirbelten gleichzeitig herum. Die Frau war wieder auf den Beinen und schien ihrem Tanzpartner gegenüber immer noch loyal, obwohl er sie gestoßen hatte. Sie stürmte in Rage auf Aruula zu.
Diesmal war die Kriegerin von den Dreizehn Inseln vorbereitet. Während Matt seine Kombiwaffe vom Magnetholster riss, sprang sie einfach zur Seite, ließ die Furie ins Leere taumeln und hieb ihr den Ellbogen in den Nacken. Die Frau fiel auf die Knie und zuckte noch zweimal, bevor sie neben ihrem Gefährten bäuchlings zu Boden sank.
Die Gefährten wechselten einen Blick. Aruula murmelte kopfschüttelnd: »Was zum Orguudoo war das denn?«
Darauf hatte Matt keine Antwort, deshalb zuckte er nur wortlos mit den Achseln, ehe er an ihr vorbeischaute. Aruula folgte seinem Blick.
Der Mann in der Ecke neben dem Lüftungshäuschen hatte sein Türmchen gerade umgeworfen. Jetzt griff er nach einem flachen Kieselstein und begann sein Werk von Neuem.
Der Zugang, der direkt vom Dach ins Kraftwerk führte, war fest verrammelt, also blieb ihnen nichts anderes übrig, als über die Freitreppe an der Seite des Gebäudes nach unten zu gehen.
Das namenlose Pärchen hatten sie in Gesellschaft des Steinturmbauers zurückgelassen, nachdem Aruula ihr Schwert aus dem Gleiter geholt und Matt seine Kombiwaffe vom Holster genommen hatte. Beide ahnten, dass die Begrüßung auf dem Dach nur die Ouvertüre für Schlimmeres bilden konnte.
Der Müll auf dem Vorhof, den sie bereits beim Landeanflug gesehen hatten, stank zum Himmel. Sie gingen an aufgeplatzten Säcken mit Essensresten vorbei, in denen Maden wimmelten; offensichtlich war das Chaos hier nicht erst vor Kurzem ausgebrochen, sondern schien die Bewohner des Horts schon vor einer Weile aus der Bahn geworfen zu haben.
Die große Eingangstür stand weit offen, und sie traten mit dem kühlen Wind im Rücken ein, ohne dort jemanden anzutreffen. Doch auch hier Zeichen der Verwahrlosung: Ein Pflanzenkübel am Fuß der nach oben führenden Treppe war umgefallen, die Erde auf den Bodenkacheln verteilt. Grüne Scherben von Flaschen lagen inmitten einer Pfütze vor dem abknickenden Korridor, der nach links zur Küche und dem Speiseraum führte. Über dem Pfosten des Treppengeländers hing ein zerrissenes Lederwams mit roten Knöpfen, das Matt vage bekannt vorkam.
Sie durchmaßen das Foyer vorsichtig und schauten sich in alle Richtungen um. Matthew hatte seine Projektil-Laserpistole nicht mehr weggesteckt.
»Hallo? Ist jemand hier?« Matt merkte selbst, dass er die Stimme gesenkter hielt, als er es eigentlich beabsichtigt hatte. Niemand kam zu ihrer Begrüßung, aber sie hörten leises Schnarchen aus dem Korridor zur Rechten. Dort befanden sich Vorratskammern und Lagerräume und am Ende eine Halle, die groß genug war für sportliche Betätigungen.
Matt ging vor, Aruula folgte ihm dichtauf. Hinter dem von Vorhängen gesäumten Durchgang lag eine Art Alkoven im Zwielicht des Flurs, der sich vor ihnen über fast dreißig Meter bis zu hohen Fenstern mit Bleirippen in der Rückwand zog und durch die das Licht der Mittagssonne hereinfiel.