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Es war eine dunkle und stürmische Nacht, und Waashton war wie eine alternde Hure: darum bemüht, die Stellen, die ins Auge fielen, ein wenig herauszuputzen und sich in den Hüften zu wiegen, während sie so tat, als wären ihre besten Zeiten noch nicht lange her. Doch wenn man genauer hinschaute, unter den viel zu dick aufgetragenen Gesichtspuder und hinter die grell geschminkten Lippen, dann trat unweigerlich der Zerfall zutage und der strenge Geruch von Verwahrlosung und Krankheit.
Und neuerdings Blut - sehr viel Blut! -, wie Detective Ray Maaloo in dieser Nacht erfahren sollte...
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Seitenzahl: 150
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Was bisher geschah...
Der Vampir von Waashton
Leserseite
Vorschau
Impressum
Am 8. Februar 2012 hält ein gewaltiger Komet Kurs auf die Erde! Man beschießt ihn mit Atomraketen. Drei Stratosphärenjets sollen die Auswirkung beobachten. Commander der Staffel ist der US-Pilot Matthew Drax. Doch die Raketen verpuffen auf dem Himmelskörper. »Christopher-Floyd« schlägt in Asien ein. Die Druckwelle trifft auch die drei Jets und fegt sie davon...
Als Matthew und sein Copilot Professor Dr. Jacob Smythe aus einer Ohnmacht erwachen, trudelt ihr Jet auf die Alpen zu! Smythe steigt per Schleudersitz aus, Matt kann die Maschine notlanden. Er wird von Barbaren gefunden, die ihn als Gott ansehen und »Maddrax« nennen. Statt einer verwüsteten Erde sieht er sich fremdartigen Lebewesen und Pflanzen gegenüber: Die Druckwelle hat die Fliegerstaffel durch einen Zeitstrahl um 520 Jahre in die Zukunft geschleudert! Dieser Strahl, der seit Urzeiten vom Mars zur Erde reicht, sicherte vor 4,5 Mrd. Jahren den Marsbewohnern, den Hydree, das Überleben. Der vermeintliche Komet war die Arche einer Wesenheit namens »Wandler«, deren Dienerrasse, die Daa'muren, sich die Erde untertan machen will, indem sie Fauna und Fauna mutieren und die Menschen verdummen lässt. Nur die Bunkermenschen, sogenannte Technos, bewahren sich ihr Wissen, büßen dafür aber über die Jahrhunderte ihr Immunsystem ein.
Zusammen mit Aruula, einer telepathisch begabten Kriegerin, beginnt Matt Drax seinen Feldzug. Er findet Freunde – unter anderem die Hydriten, die sich aus den Hydree entwickelt haben und in den Meerestiefen leben –, kämpft gegen die Daa'muren und Mutanten wie die blutsaugenden Nosfera, und gerät an Schurken, allen voran Jacob Smythe, der wahnsinnig wurde und die Weltherrschaft anstrebt, bis Matt ihn endlich unschädlich macht. Auch Smythes Zwilling aus einem Parallelwelt-Areal stirbt, während seine verrückte Freundin Haaley entkommt. Diese Areale, die überall auf der Erde aufbrechen, sind das Ergebnis von Zeitreisen, die die Menschen einer fernen Zukunft unternahmen, um technische Artefakte zu sammeln. Matt und seine Verbündeten – zu denen sogar zwei Daa'muren zählen, Grao und Ira – können alle schließen, wobei ihnen das Pflanzenbewusstsein GRÜN zur Seite steht.
Auch Colonel Aran Kormak stammt aus einer dieser Parallelwelten – zumindest will er Matt dies weismachen. In Wahrheit ist er sein skrupelloser Zwilling aus dieser Welt, von dem Matt glaubt, er wäre tot. Doch Kormak, Befehlshaber der Dark Force, scheint sich zu besinnen und verbündet sich mit Matt, als eine neue Bedrohung auftaucht. Denn kaum ist das letzte Areal in Afrika versiegelt, wobei GRÜN beinahe vernichtet wird, sehen sich die Gefährten einer kosmischen Bedrohung namens »Streiter« gegenüber, die noch immer den Wandler auf der Erde vermutet. In einem furiosen Endkampf kann Matt die Entität versteinern.
Die Freude währt nur kurz, als Aruula mit dem Gleiter RIVERSIDE verschwindet. Matt und ein Dark-Force-Trupp folgen ihr bis nach Südamerika, stürzen über Peru wegen plötzlichen Energieverlusts ab und finden die havarierte RIVERSIDE und das Wrack eines Flugzeugträgers mitten im Dschungel. Sowie eine blinde Passagierin, die mit nach Amraka kam: Haaley.
Auf der USS Nimitz trifft Matt auf eine feindlich gesinnte Mannschaft und einen gewaltigen roten Diamanten. In der Zwischenzeit wird sein Trupp dezimiert. Die letzte Dark-Force-Soldatin stirbt beim Kampf gegen einen mutierten Jaguar – ein heiliges Tier, wie Matt und Haaley erfahren, als sie von Eingeborenen überwältigt werden. Sie müssen eine Götterprobe bestehen und den »Spiegel von Pachacámac«, mit dem sich weitere Diamanten herstellen lassen, aus einer Todeszone bergen – was ihnen auch gelingt.
Sie werden freigelassen und beobachten den Angriff eines Ameisenvolks auf die Nimitz. Mabuta, der »vielbeinige Gott«, nimmt sie gefangen. Dabei stellt sich heraus, dass Haaley – wie Aruula – vom Volk der Dreizehn Inseln abstammt und latent telepathisch begabt ist, was die Kommunikation mit Mabuta erleichtert. Der wird von einem Pilzgeflecht bedroht, und Matt soll ein Mittel dagegen finden. Es gelingt ihm, den Pilz in dieser Region mit Fungizid abzutöten. Zum Dank bringt Mabuta ihn und Haaley auf die Nimitz, wo sie als Ameisen vergeblich nach Aruula suchen, aber von einem bevorstehenden Angriff auf Mabuta erfahren.
Der versetzt Matt und Haaley unter einer Bedingung zurück in ihre Körper: Sie sollen Dak'kar töten! Doch Matt verbündet sich mit ihm, um mit seiner Hilfe zu dem Pilz in der Todeszone vorzustoßen, den er für intelligent hält und der mehr über Aruulas Verbleib wissen könnte. Im Gegenzug will er Dak'kar die Formel beschaffen, mit der rote Diamanten hergestellt werden können. Denn die braucht Dak'kar, um seine heimatliche Community in Macapá, Brasilien, zu retten, in der künstliche Lymphozyten, die eigentlich die Immunschwäche der Ex-Technos heilen sollten, zu einer tödlichen Krankheit führten. Die Diamantstrahlung kann diese Lymphozyten abschalten, doch der einzige Splitter wurde von Dak'kars damaligem Freund Toma'bar gestohlen.
In der Zwischenzeit versuchen die Daa'muren Grao und Ira, eine Spur der beiden Freunde zu finden. Sie stoßen auf die Community Macapá, geraten aber in die Gewalt von Nosfera, die dank der Lymphozyten, die sie von Toma'bar erhielten, neue telepathische Kräfte entwickeln.
Um Mabuta zu täuschen, will Dak'kar seinen Tod vorgaukeln. Das geht schief, und die Gefährten retten sich in die Todeszone, geraten in das unterirdische Reich der Nocturno und baden – bis auf Dak'kar – in einem See, der ihre Körper langsam verholzen lässt. Auf ihrer Flucht nehmen sie die Nocturna Tautropfen mit, die Kontakt zu einer fernen Stimme hat, welche das Verderben aufhalten könnte. Nachdem Dak'kar den Ort lokalisiert hat, bringt er die Gefährten zu der fernen Stimme –die sich als Pflanzenentität GRÜN entpuppt, die Aruula zu ihrer Regeneration benötigte. Der Giftangriff auf den Pilz hat GRÜN schwer geschädigt, was Aruula ihre telepathischen Kräfte kostete. Entsprechend wütend ist sie auf Matt und weist ihn ab, um sich bei GRÜN zu erholen. Haaley bleibt bei ihr, während Matt und Dak'kar Kurs auf die Nimitz nehmen.
Mabuta schlägt zu, als sie das Rezept für die Diamanten aus dem Dorf der Indios beschaffen. Die Nimitz-Besatzung droht zu unterliegen, da greift Haaley an und besiegt Mabuta auf mentaler Ebene! Mit der Abschrift der Formel können die Nimitz-Leute nun zur Community Macapá aufbrechen. Dort erfahren sie, dass die Daa'muren Grao und Ira in die Gewalt von Nosfera gefallen sind. Sie werden befreit, doch die Nosfera ziehen unter ihrem Anführer Clauzer gen Waashton. Dort wollen sie sich mit ihren neuen Kräften am Weltrat rächen – und übernehmen tatsächlich das Pentagon!
Die Herstellung eines Diamanten gelingt, die Lymphozytische Degeneration ist gestoppt! Dann erfährt Matt, was die Nosfera vorhaben. Er bricht nach Waashton auf, doch unterwegs erreicht ihn ein Notruf des Androiden Miki Takeo aus Sub'Sisco! Clauzer, der in Takeo eine Gefahr sieht, weil er ihn nicht beeinflussen kann, zerstört den Androiden. Matt kommt zu spät – doch Takeos Kopf mit dem Persönlichkeits-Chip ist verschwunden und wird von dem Hydriten Quart'ol in einen Klonkörper verpflanzt!
Suzi Quinn, als Kommandantin eingesetzt, überwindet Clauzers Beeinflussung und verschafft Matt einen Großraumgleiter, mit dem er weitere Verbündete suchen kann. Die holt er sich zuerst in Yucatán, wo er in dem ehemaligen Parallelwelt-Areal 300 Sauroiden rekrutiert, bevor er nach Independence weiterfliegt, um in einem weiteren Areal 30 Roboter von dort angesiedelten Retrologen zu erringen.
Der Vampirvon Waashton
von Kolja van Horn
Waashton war wie eine alternde Hure: darum bemüht, die Stellen, die ins Auge fielen, ein wenig herauszuputzen und sich in den Hüften zu wiegen, während sie so tat, als wären ihre besten Zeiten noch nicht lange her. Doch wenn man genauer hinschaute, unter den viel zu dick aufgetragenen Gesichtspuder und hinter die grell geschminkten Lippen, dann trat unweigerlich der Zerfall zutage und der strenge Geruch von Verwahrlosung und Krankheit.
Es handelte sich um keine neue Erkenntnis, doch in Adam's Morgan, dem Vergnügungsviertel jenseits der ehemaligen Universität, offenbarte sie sich dem Besucher gern auf besonders drastische Weise – als würde die alte Hure Waashton ihm hier mit gelüpftem Rock ihre derangierte Kehrseite präsentieren.
Die Stoßdämpfer ächzten, als Detective Ray Maaloo den altersschwachen Schrotthaufen, den er sein Dienstfahrzeug nannte, mit den linken Rädern auf den Bordstein fuhr. Einer struppigen Ratze gelang es gerade noch rechtzeitig, beiseite zu springen und hinter ein paar überquellenden Mülltonnen zu verschwinden, ehe sein Vorderreifen sie überrollen konnte.
Er hämmerte auf die Hupe, die wie ein Ziegenbock mit Raucherhusten klang. Zweimal kurz, einmal lang – das Zeichen für Imelda, seine Partnerin, dass er unten auf sie wartete. Dann griff er nach der Packung mit den Kiffetten, zündete sich eine an und ließ den Blick über den Straßenzug schweifen, in der für einen Cop üblichen Mischung aus Wachsamkeit, professionellem Interesse und resignierter Routine.
Schräg gegenüber beluden zwei junge Kerle einen Lieferwagen, der tatsächlich noch schäbiger aussah als Maaloos Gefährt, mit Kartons, Möbelstücken und allerlei Hausrat. Entweder hatte jemand das Glück, von hier weg in eine bessere Gegend zu ziehen – und das traf auf fast alle Bezirke von Waashton zu –, oder er wurde gerade Zeuge einer besonders dreisten Plünderung. Da die beiden Männer auf sein Hupen hin aber nur mit kurzen gelangweilten Blicken reagiert hatten, obwohl sie die Aufschrift mit dem Stern auf der Seitentür bemerkt haben mussten, war wohl Ersteres der Fall.
Nun ja... oder die zwei waren noch abgezockter, als er es ihnen zutraute.
Für einen Moment spielte Maaloo mit dem Gedanken, auszusteigen und auf einen kurzen Plausch rüberzuschlendern, doch dann tauchte eine korpulente schwarze Matrone im Hauseingang hinter den Youngstern auf und ließ wild gestikulierend einen Wortschwall über die beiden niedergehen, worauf sie die Köpfe einzogen und beim Beladen einen Gang zulegten.
Maaloo verlor das Interesse. Seine Augen wanderten weiter über das regennasse Kopfsteinpflaster bis hin zum Varieté an der nächsten Straßenecke, dessen Außenbeleuchtung immer noch in einem ungesunden Gelb glomm, obwohl die Sonne bereits ihre ersten matten Strahlen durch die dünnen Wolkenschleier über der Stadt schickte.
Vor fünf Tagen waren sie in den Circus Li'l Vaudeville zu einem Einsatz gerufen worden – vom Barkeeper und Geschäftsführer, was an sich schon ungewöhnlich genug gewesen war, denn im Allgemeinen regelten die Leute hier ihre Meinungsverschiedenheiten unter sich.
Erst seit sich immer mehr dieser bleichgesichtigen Nosfera in den Spelunken blicken ließen, die angeblich kein Blut mehr soffen und neuerdings Menschenfreunde sein sollten, gab es öfter Anrufe bei der City Police, weil die Wirte ihre unheimliche neue Kundschaft loswerden wollten. Egal, was die Regierung der Bevölkerung von Waashton weiszumachen versuchte: Kaum jemand konnte dem Gedanken etwas abgewinnen, dass die wandelnden Moorleichen plötzlich Menschen sein sollten, die einfach nur unter einer Blutkrankheit gelitten haben sollten.
Im Circus Li'l Vaudeville am letzten Wochenende waren Maaloo und Imelda zu spät gekommen, weil die verfluchte Rostlaube mal wieder nicht hatte anspringen wollen. Bei ihrem Eintreffen waren sowohl die drei Nosfera längst aus dem Theater verschwunden als auch der Mann, mit dem sie aneinandergeraten waren: Theodore Haanson, im Nachtleben von Waashton durchaus eine Berühmtheit. Von manchen wurde er als Scharlatan verachtet, von anderen – auch Mitgliedern der Oberschicht und gerüchteweise selbst des Weltrats – als Medium und Wahrsager verehrt.
Haanson hatte sich im Rahmen seiner Show wohl einen Spaß daraus gemacht, die Nosfera aus der Reserve zu locken, und war dabei auf wenig Toleranz gestoßen. Das Ganze endete in einem kleinen Eklat auf offener Bühne, danach widersprachen sich die Aussagen der Zeugen derart, dass Maaloo Imelda gegenüber den Verdacht geäußert hatte, hier sei es zu einer Art spontaner Massenpsychose gekommen.
»Oder einer Massenhypnose des Maestros Haanson«, war ihr Gegenvorschlag gewesen, ehe sie pflichtschuldig den Bericht geschrieben und Meldung bei ihrem Vorgesetzten, Captain Tibor Douran, gemacht hatten. Douran, kein Bewunderer von Haanson, hatte ihnen aufgetragen, »bei Gelegenheit« noch einmal zu schauen, ob der Mann okee sei, und die Sache dann zu den Akten zu legen.
Vorgestern waren sie routinemäßig bei Haansons Villa vorstellig geworden, und man hatte sie mit dem Hinweis abgefertigt, der hohe Herr sei wohlauf, fühle sich aber derzeit nicht bereit, Besuch zu empfangen.
Maaloo rümpfte angewidert die Nase, als links von ihm ein Fenster im Erdgeschoss geöffnet wurde und jemand einen Kübel mit undefinierbarem Inhalt und ekelhaftem Geruch auf das Pflaster des Bürgersteigs ausschüttete.
Die grünliche Brühe lief träge über die abfallenden Betonplatten auf seinen Wagen zu, und er öffnete den Mund, um den oder die Verantwortliche lautstark anzugehen, als das Fenster bereits scheppernd geschlossen wurde.
Maaloo schloss den Mund wieder und schüttelte resignierend den Kopf, ehe er sich aus dem heruntergekurbelten Fenster beugte und hinauf zum zweiten Stock spähte.
Imelda ließ nach wie vor auf sich warten.
Eine Schande, dass sie als Polizistin in einem derartigen Rattenloch hausen musste. Doch von den mickrigen Gehältern, die man ihnen zahlte, bekam man nur mit Beziehungen eine bessere Wohnung. Maaloo selbst hatte das Glück, ein kleines Haus von den Eltern geerbt zu haben, unten am Potomac. Nichts Besonderes, aber im Vergleich hierzu...
Er starrte auf das Fenster, von dem er wusste, dass sich dahinter die Küche von Imeldas winzigem Drei-Zimmer-Apartment befand. Klein und schlicht, mit zwei kaputten Fensterscheiben, einer feuchten Decke im Bad und einem rostigen Boiler, der das Wasser nur dann ausreichend erhitzte, wenn draußen mal wieder eine Hitzewelle herrschte, das aber liebevoll eingerichtet und penibel sauber gehalten war.
Wo zum Geier bleibst du, Imelda?
Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich, denn zu trödeln war absolut nicht ihre Art. Im Gegenteil, meistens erwartete sie ihn bereits ungeduldig vor dem Hauseingang, von einem Fuß auf den anderen tretend.
Er warf seine Kiffette fort, die zischend in der Brühe auf dem Bürgersteig erlosch. Dann drückte er noch einmal auf die Hupe. Der Ziegenbock röhrte und die beiden Burschen gegenüber blinzelten irritiert, bevor sie hinter der dicken Schwarzen im Schlund des Treppenhauses verschwanden.
Maaloos Finger trommelten einen nervösen Rhythmus auf dem zerschlissenen Hartgummi des Lenkrads, bis er eine weitere Minute später die Geduld verlor und nach dem Türgriff langte.
Die Tür schwang auf; gleichzeitig öffnete sich eines der Fenster des Mietshauses und Imelda streckte ihren äußerst ansehnlichen Kopf heraus.
Doch es war nicht das Küchenfenster ihrer eigenen Wohnung in der zweiten Etage, sondern eines im Parterre. Und Imeldas Gesichtsausdruck und -farbe, die vom gewohnten Milchkafibraun zu ungesunder Blässe gewechselt hatte, verhießen nichts Gutes.
Maaloo sprang aus dem Wagen, vergaß die Pfütze und was sie mit seinen Schuhen anstellte, und starrte seine Partnerin fragend an. Die fuchtelte nur kurz mit ihrer Hand und rief ihm mit gesenkter Stimme zu: »Komm rein, Ray – rapido!«
Die Wohnungstür war nur angelehnt, und nach einem kurzen Blick auf das verblasste Schild daneben stieß Maaloo sie auf und trat ein, bevor er sie hinter sich wieder schloss.
Er bemerkte den metallischen Geruch sofort, noch während er sich in dem schmalen Eingangsflur umschaute. Ringsum waren keine Blutspuren zu entdecken, also musste es irgendwo anders umso mehr davon geben, wenn ihm die Ausdünstung derart penetrant in die Nase stieg.
»Ich bin hier hinten!«, ließ Imelda sich vernehmen. Ihre Stimme klang gepresst, und Maaloo wappnete sich, während er an zwei geschlossenen Türen vorbei um eine Ecke des im Halbdunkel liegenden Korridors ging, bis er den Eingang zur Küche vor sich sah.
Die eigentlich schwarzweißen Bodenfliesen schillerten rot im Licht der durch das Fenster einfallenden Morgensonne.
Maaloo verzog das Gesicht, als er gegen eine tiefhängende Deckenlampe stieß und damit einige Motten aufschreckte, die flatternd den vergilbten Papierschirm verließen. Fahrig wedelte er mit der Hand vor dem Gesicht herum, bis sie verschwunden waren, dann schluckte er und trat in den Eingang zur Küche.
Der Anblick war – milde ausgedrückt – entsetzlich.
»Ist das... war das deine Vermieterin?«, brachte er hervor und schaute zum Fenster hinaus. Nicht, weil der Anblick da draußen sonderlich erbaulich war, sondern weil er sich wenigstens einige Augenblicke vom hiesigen erholen musste.
Imelda, die neben der Leiche hockte, schaute zu ihm auf und nickte. »Die Miete war fällig«, erklärte sie, und dabei schürzten sich ihre vollen Lippen zu einem missbilligenden Schmollmund.
»Dafür hättest du ihr nicht gleich den Kopf abtrennen müssen.« Als er ihren pikierten Gesichtsausdruck registrierte, hob er entschuldigend die Achseln und brummte: »Stand die Tür offen, als du heruntergekommen bist?«
»Exakt«, entgegnete sie. »Deshalb bin ich ja rein. Und hab sofort den Geruch bemerkt.«
Maaloo nickte und sah sich aufmerksam in der kleinen Küche um, ohne einen weiteren Schritt hinein zu tun.
Sie waren an einem Tatort, Schauplatz eines außergewöhnlich brutalen Mordes. Und auch wenn er nicht daran glaubte, dass in dieser heruntergekommenen Gegend ernsthaft Spuren gesichert und nach dem Täter gesucht werden würde, wollte er nicht den Fehler begehen, Hinweise zu zerstören.
Die Küche war ordentlich und sauber, sah man von den unmittelbaren Auswirkungen des Verbrechens ab. Auf dem kleinen Esstisch mit zwei Stühlen standen ein paar Gewürzstreuer und eine winzige Vase mit Trockenblumen, daneben lag ein Programmheft des Circus Li'l Vaudeville, dem Varietétheater am Ende der Straße. Maaloo glaubte einen blutigen Fingerabdruck auf dem Titelblatt zu erkennen. An einer Pinnwand über der Küchenspüle hingen neben Fotografien auch eine Menge Eintrittskarten mit dem Logo des Varietés. Die Frau schien ein regelmäßiger Besucher gewesen zu sein.
»Hast du etwas verändert?«, fragte er und erntete dafür abermals einen missfallenden Blick.
»Für wen hältst du mich, Ray?« Sie richtete sich auf und trat zwei Schritte zurück. Dabei hinterließen die Sohlen ihrer Stiefel rote Abdrücke auf den Bodenfliesen; dort, wo das Blut noch nicht hingelaufen war.
Beide tauschten einen Blick, und nach einem Moment meinte sie: »Ich musste...«
»Schauen, ob sie tot ist?« Maaloo rollte mit den Augen. »Sie hat keinen Kopf mehr, Imelda.«
Die Kollegin ballte die Hände zu Fäusten und senkte den Blick. Eine Reaktion auf offene Kritik, die er von der jungen Polizeianwärterin, die er vor ein paar Monaten unter seine Fittiche genommen hatte, bereits kannte. Einerseits würde sie gern widersprechen, andererseits wusste sie, dass ihr dafür die Argumente fehlten. Und der Knoten, der dadurch in ihrem Kopf entstand, brachte sie manchmal an den Rand einer Erstickung.
Um dem vorzubeugen, klopfte Maaloo seiner Partnerin beschwichtigend auf die Schulter. »Schon gut. Nicht weiter schlimm. Hast du irgendwas gehört oder gesehen, heute Nacht oder gestern Abend?«
Imelda schaute ihn an. »Du hast mich vor sechs Stunden hier abgesetzt, Ray. Und davor waren wir fast zwanzig Stunden im Einsatz. Ich habe geschlafen wie ein Stein.«