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Flucht durch die Wüste: Der fesselnde historische Kriminalroman »Letzter Akt in Palmyra« von Lindsey Davis jetzt als eBook bei dotbooks. Rom, 72 nach Christus. Marcus Didius Falco, der erfahrenste Privatermittler am Tiber, muss sich auf seine längste und gefährlichste Reise begeben. Der Geheimauftrag des Kaisers führt ihn ins ferne Petra, wo er unter der brütenden Sonne die Möglichkeiten eines Bündnisses ausloten soll: Statt aber neue Verbündete zu finden, stößt er in den heiligen Opferstätten der Oase auf einen ertränkten Mann. Als Falco selbst unter Verdacht gerät, muss er sich überstürzt einer reisenden Theatergruppe auf dem Weg ins weit entfernte Palmyra anschließen. Doch der Tod folgt ihm durch die Wüste – und bald ist Falco sich sicher, dass der verschlagene Mörder sich in den eigenen Reihen verbirgt und jederzeit wieder zuschlagen kann … »Rasant, witzig und voller Atmosphäre. Sollten Sie Marcus Didius Falco noch nicht kennen, ist dies der richtige Moment.« Mail on Sunday Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der packende historische Roman »Letzter Akt in Palmyra« von Bestsellerautorin Lindsey Davis – der sechste Fall ihrer Reihe historischer Kriminalromane rund um den römischen Ermittler Marcus Didius Falco. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 632
Veröffentlichungsjahr: 2021
Über dieses Buch:
Rom, 72 nach Christus. Marcus Didius Falco, der erfahrenste Privatermittler am Tiber, muss sich auf seine längste und gefährlichste Reise begeben. Der Geheimauftrag des Kaisers führt ihn ins ferne Petra, wo er unter der brütenden Sonne die Möglichkeiten eines Bündnisses ausloten soll: Statt aber neue Verbündete zu finden, stößt er in den heiligen Opferstätten der Oase auf einen ertränkten Mann. Als Falco selbst unter Verdacht gerät, muss er sich überstürzt einer reisenden Theatergruppe auf dem Weg ins weit entfernte Palmyra anschließen. Doch der Tod folgt ihm durch die Wüste – und bald ist Falco sich sicher, dass der verschlagene Mörder sich in den eigenen Reihen verbirgt und jederzeit wieder zuschlagen kann …
»Rasant, witzig und voller Atmosphäre. Sollten Sie Marcus Didius Falco noch nicht kennen, ist dies der richtige Moment.« Mail on Sunday
Über die Autorin:
Lindsey Davis wurde 1949 in Birmingham, UK, geboren. Nach einem Studium der Englischen Literatur in Oxford arbeitete sie 13 Jahre im Staatsdienst, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Ihr erster Roman Silberschweine wurde ein internationaler Erfolg und der Auftakt der mittlerweile 20 Bände umfassenden Marcus-Didius-Falco-Serie. Ihr Werk wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Diamond Dagger der Crime Writers' Association für ihr Lebenswerk.
Bei dotbooks erscheinen die folgenden Bände der Serie historischer Kriminalromane des römischen Privatermittler Marcus Didius Falco:
»Silberschweine«
»Bronzeschatten«
»Kupfervenus«
»Eisenhand«
»Poseidons Gold«
»Die Gnadenfrist«
»Zwielicht in Cordoba«
»Drei Hände im Brunnen«
»Den Löwen zum Fraß«
»Eine Jungfrau zu viel«
»Tod eines Mäzens«
»Eine Leiche im Badehaus«
»Mord in Londinium«
»Tod eines Senators«
»Das Geheimnis des Scriptors«
»Delphi sehen und sterben«
»Mord im Atrium«
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eBook-Neuausgabe Januar 2022
Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1995 unter dem Originaltitel »Last Act in Palmyra« bei Century, London.
Copyright © der englischen Originalausgabe 1995 by Lindsey Davis
Copyright © der deutschen Erstausgabe 1996 Vito von Eichborn GmbH & Co. Verlag KG, Frankfurt am Main
Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Kolonko, Eric Issellee, Firdes Sayilan
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)
ISBN 978-3-96655-757-3
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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: info@dotbooks.de. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags
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Lindsey Davis
Letzter Akt in Palmyra
Ein Fall für Marcus Didius Falco
Aus dem Englischen von Susanne Aeckerle
dotbooks.
Für Janet
(»Six o’clock; first there bags a table …«)
ohne Schüsse – und mit nur einer Anwaltsbeleidigung!
»Im Leben jedes Menschen kommt der Moment, wo er sich zum Schauspieler berufen fühlt. Etwas in seinem Inneren sagt ihm, er sei der kommende Mann und werde eines Tages die Welt begeistern. Dann brennt in ihm das Verlangen, allen zu zeigen, wie es gemacht wird, und ein Gehalt von dreihundert pro Woche einzustreichen …«
Jerome K. Jerome
»Und laßt jene, die eure Possenreißer spielen, nicht mehr sprechen, als ihr Text ihnen vorgibt; denn es wird unter ihnen welche geben, die selbst lachen, um griesgrämige Zuschauer zum Mitlachen zu bringen. Doch dabei besteht die Gefahr, daß wichtige Fragen des Stückes untergehen …«
William Shakespeare
Personen im normalen Leben(na ja, fast normal)
Falco: Ein Mann der Tat und Gelegenheitsautor mit einer Schwäche für schwierige Aufträge
Helena: Eine entschlossene Frau, die ihre Sinne beisammen, aber eine Schwäche für Falco hat
Thalia: Eine Schlangentänzerin mit Durchblick, die es zu einer Führungsposition gebracht hat
Jason: Ein kleiner neugieriger Python
Zeno: Ein großer Python, der keine Fragen stellt
Pharao: Eine ganz andere Art von Schlange
Anacrites: Ein hinterhältiger Oberspion (mit kleinem Büro)
Der Bruder: Höchster Minister von Petra (dessen Motive vielleicht nicht brüderlich sind)
Musa: Ein junger Dushara-Priester (der nebenbei für den Bruder arbeitet)
Shullay: Ein älterer Priester, der nebenbei mehr weiß, als man denkt
Sophrona: Eine vermißte Musikerin auf der Suche nach Liebe
Khaleed: sucht nicht nach Liebe, aber sie findet ihn trotzdem
Habib: Ein schwer aufzutreibender syrischer Geschäftsmann
Leute, die sich als Habib ausgeben: (was von Geschäftstüchtigkeit zeugt)
Alexander: Eine rückwärts schauende Ziege, ein erfolgloser Tropf
Alexanders Besitzer: der sich begreiflicherweise auf seine Frühpensionierung freut
Die Truppe
Heliodorus: Ein Gelegenheitsdramatiker (verstorben), der nicht viel beizutragen hat
Chremes: Schauspieler und Direktor eines Wandertheaters; ein hoffnungsloser Fall
Phrygia: Eine Schaupielerin von Format (ziemlich groß); Chremes’ Frau
Davos: der so zuverlässig wirkt, daß es nicht echt sein kann
Philocrates: Ein Schönling, der tief fallen wird
Philocrates’ Muli: Noch ein munterer Schauspieler, der auf die Pausen wartet
Byrria: Ein wunderschönes Mädchen, das nur Karriere machen will (die alte Geschichte!)
Tranio: Ein weltgewandter Possenreißer (ein Widerspruch in sich)
Grumio: Ein gerissener Alleinunterhalter (ein weiterer Widerspruch?)
Congrio: Ein Wandschreiber mit großen Ideen (ein weiterer Komiker?)
Aus dem Orchester
Ione: Tamburin: ein Trio, mit dem nicht zu spaßen ist
Afrania: Tibia: ein Trio, mit dem nicht zu spaßen ist
Plancina: Panflöte: ein Trio, mit dem nicht zu spaßen ist
Ribes: ein Lyraspieler, der seine Muse sucht
Aus »Der redselige Geist«
»Moschion«: Ein Prototyp
Ort der Handlung: Rom, in Neros Circus und in einem kleinen Hinterzimmer des Kaiserpalastes auf dem Palatin. Zeit: 72 n. Chr.
Synopsis: Die junge Helena, Tochter des Camillus, ist enttäuscht von Falco, einem Gauner, der ihr offenbar die Ehe versprochen hat. Nun behauptet er, von Vespasian, einem Kaiser und seinem Vorgesetzten, gelinkt worden zu sein. Gerade zur rechten Zeit tauchen Thalia, eine erstklassige Unterhaltungskünstlerin, und Anacrites, ein drittklassiger Spion, auf und machen Vorschläge, wie Falco seiner mißlichen Lage entfliehen könnte. Er muß jedoch dafür sorgen, daß man ihm nicht auf die Schliche kommt, da sonst ein Chor der Mißbilligung auftreten wird.
»Das ist doch gefährlich! Dabei könnte jemand umkommen«, rief Helena.
Ich grinste, den Blick erwartungsvoll auf die Arena gerichtet. »Darum geht es ja gerade.« Den blutrünstigen Zuschauer zu mimen, fällt einem Römer nicht schwer.
»Ich mache mir Sorgen um den Elefanten«, murmelte sie. Das Tier machte einen zögernden Schritt die Rampe hinauf. Der Trainer war verwegen genug, es an den Zehen zu kitzeln.
Meine Sorge galt eher dem Mann daneben, der, sollte der Elefant fallen, dessen volles Gewicht abbekommen würde. Allerdings hielt sich meine Besorgnis in Grenzen. Ich war froh, ausnahmsweise nicht selbst in Gefahr zu sein.
Helena und ich saßen sicher in der ersten Reihe von Neros Circus auf der anderen Seite des Flusses außerhalb von Rom. Der Circus hatte eine blutige Geschichte, wurde aber dieser Tage nur noch für vergleichsweise harmlose Wagenrennen benutzt. Ein Obelisk aus rotem Granit, den Caligula aus Heliopolis importiert hatte, beherrschte das langgestreckte Areal. Der Circus lag in den Gärten der Agrippina am Fuße des Mons Vaticanus. Ohne die Menschenmengen und die in lebende Fackeln verwandelten Christen herrscht eine geradezu friedliche Stimmung. Nur gelegentliche kurze »Hopp!«-Rufe der übenden Akrobaten und Seiltänzer und leise Ermutigungen des Elefantentrainers waren zu hören.
Wir waren die einzigen Zuschauer dieser recht gefahrvollen Übung. Zufällig kannte ich die Direktorin der Truppe. Das Nennen ihres Namens hatte mir am Startgatter Einlaß verschafft und ich wartete jetzt auf eine Gelegenheit, mit ihr zu reden. Ihr Name war Thalia. Sie war eine gesellige Person, die sich nicht damit aufhielt, ihre körperlichen Reize unter etwas so Überflüssigem wie Kleidern zu verbergen, also war meine Freundin mitgekommen, um mich zu beschützen. Als Senatorentochter hatte Helena Justina strikte Ansichten über das Maß an moralischer Gefahr, der sich der Mann, mit dem sie zusammenlebte, aussetzen durfte. Als Privatermittler mit unbefriedigender Auftragslage und dunkler Vergangenheit hatte ich mir das wohl selbst zuzuschreiben.
Über uns wölbte sich ein Himmel, den ein schlechter Poet mit Sicherheit als azurblau bezeichnet hätte. Es war Anfang April, und der Morgen kündigte einen schönen Tag an. Auf der anderen Seite des Tiber war jedermann in der Kaiserstadt damit beschäftigt, Girlanden für die bevorstehenden Frühlingsfeste zu winden. Wir befanden uns im dritten Jahr der Regierung Vespasians, und es war eine Zeit eifrigen Wiederaufbaus der in den Bürgerkriegen zerstörten und ausgebrannten öffentlichen Gebäude. Auch mir stand der Sinn nach ein wenig Aufmöbelung.
Thalia hatte offensichtlich genug von den Vorgängen in der Arena, denn sie sagte den Trainern ein paar barsche Worte über ihre kaum sittsam bedeckte Schulter hinweg und kam herüber, um uns zu begrüßen. Hinter ihr sahen wir die Männer den noch sehr jungen Elefanten die Rampe zu einem Podium hinauflocken; von dort aus hatten sie hoffnungsvoll ein Drahtseil gespannt. Der kleine Elefant konnte das Seil noch nicht sehen, wußte aber bereits, daß ihm das bisherige Trainingsprogramm ganz und gar nicht gefiel.
Thalias Näherkommen ließ auch meine Bedenken wachsen. Diese Frau hatte nicht nur einen interessanten Beruf, sondern auch ungewöhnliche Freunde. Einer davon lag wie ein Schal um ihren Hals drapiert. Ich hatte ihn schon einmal näher kennengelernt, und die Erinnerung daran ließ mich nach wie vor erbleichen. Ihr Freund war eine Schlange von bescheidener Größe, aber gewaltiger Neugier. Ein Python – eine dieser beklemmenden Arten. Offensichtlich erinnerte er sich an unser letztes Treffen, denn er reckte sich mir so entzückt entgegen, als wolle er mich am liebsten zu Tode quetschen. Züngelnd erkundete er die Luft.
Auch im Umgang mit Thalia war Vorsicht geboten. Mit ihrer eindrucksvollen Größe und der rauhen Stimme, die durch die Arena hallte, war sie eine beeindruckende Erscheinung. Außerdem gelang es nur wenigen Männern, die Augen von ihren Formen loszureißen. Momentan waren diese in alberne, safrangelbe Gazestreifen gehüllt, befestigt mit enormen Broschen, die jedem die Knochen brechen würden, der sie aus Versehen auf den Fuß bekam. Ich mochte Thalia. Und ich hoffte inständig, daß sie mich auch mochte. Wer will sich schon mit einer Frau anlegen, die sich mit einer lebenden Pythonschlange schmückt?
»Falco, du lächerliche Mißgeburt!« Nach einer der Grazien benannt zu sein, hatte ihr Benehmen nicht beeinflußt.
Mit gespreizten Beinen das Gewicht der Schlange ausgleichend, blieb sie vor uns stehen. Ihre schwellenden Hüften waren unter dem dünnen Gewebe unübersehbar. Reifen, so groß wie die Ruderdollen einer Tireme, schlossen sich fest um ihre Arme. Ich begann mit dem Vorstellen, doch keiner hörte mir zu.
»Ihr Gigolo wirkt ziemlich schlapp!« schnaubte Thalia, an Helena gewandt, und nickte dabei in meine Richtung. Die beiden waren sich noch nie begegnet, aber Thalia scherte sich nicht um irgendwelche Etikette. Der Python beäugte mich jetzt von Thalias ansehnlichem Busen aus. Er schien träger als sonst, erinnerte mich aber trotzdem mit seiner geringschätzigen Haltung an meine Verwandten. Seine kleinen Schuppen fügten sich zu einem hübschen, rombenförmigen Muster zusammen. »Was ist los, Falco? Bist du gekommen, um mein Angebot anzunehmen?«
Ich probierte meine Unschuldsmiene. »Ich hatte doch versprochen, mir mal deine Nummer anzusehen, Thalia.« Das klang, als sei ich noch grün hinter den Ohren, kaum der Toga praetexta entwachsen, und hielte meine erste feierliche Rede vor dem Gericht in der Basilica. Zweifellos hatte ich den Fall bereits verloren, noch bevor der Gerichtsdiener die Wasseruhr in Gang setzen konnte.
Thalia zwinkerte Helena zu. »Mir hat er erzählt, er wäre von Zuhause ausgerissen, um Löwenbändiger zu werden!«
»Helena zu bändigen, nimmt all meine Zeit in Anspruch«, warf ich ein.
Helena antwortete Thalia, als hätte ich nie den Mund aufgemacht. »Mir hat er erzählt, er wäre Großgrundbesitzer mit einer riesigen Olivenplantage in Samnium, und wenn es mir gelänge, ihn bei Stimmung zu halten, würde er mir die sieben Weltwunder zeigen.«
»Tja, wir machen alle mal Fehler«, meinte Thalia mitfühlend.
Helena Justina überkreuzte die Fesseln und brachte den bestickten Besatz ihres Rockes zum Schwingen. Es waren überwältigende Fesseln. Sie konnte ein überwältigendes Geschöpf sein.
Thalia unterzog sie einer erfahrenen Musterung. Von unseren früheren Begegnungen kannte Thalia mich als zwielichtigen Privatermittler, der sich für einen Hungerlohn mit trostlosen Aufträgen abplagte und dafür auch noch von der Allgemeinheit verachtet wurde. Und jetzt stand sie meiner unerwartet vornehmen Freundin gegenüber. Helena gab sich als kühle, ruhige, ernsthafte Person, die aber eine Kohorte betrunkener Prätorianer mit ein paar scharfen Worten zum Schweigen bringen konnte. Außerdem trug sie ein exorbitant teures Filigranarmband aus Gold, das allein der Schlangentänzerin schon einiges sagen mußte: Obwohl sie hier mit jemand so Unbedeutendem wie mir saß, war mein Mädchen eine Patrizierin mit altem Geld.
Nachdem sie den Schmuck taxiert hatte, wandte sich Thalia mir wieder zu. »Dein Glück hat sich gewendet!« Das stimmte. Ich nahm das Kompliment mit glücklichem Lächeln entgegen.
Helena ordnete anmutig die Falten ihrer seidenen Stola. Sie wußte, daß ich sie nicht verdiente und das auch wußte.
Sanft nahm Thalia den Python ab, wand ihn um einen Pfahl und setzte sich zu uns. Das Geschöpf, das mich die ganze Zeit in Unruhe versetzt hatte, streckte sofort seinen stumpfen, dreieckigen Kopf vor und schaute uns aus seinen geschlitzten Augen finster an. Ich widerstand dem Drang, meine Füße anzuziehen und weigerte mich, mir von diesem beinlosen Ungeheuer Angst machen zu lassen. Außerdem können sich hastige Bewegungen in Gegenwart einer Schlange als fatal erweisen.
»Jason hat dich richtig ins Herz geschlossen!« kicherte Thalia.
»Ach, er heißt also Jason?«
Noch ein Ideechen näher, und ich würde Jason mit meinem Messer aufspießen. Ich hielt mich nur zurück, weil ich wußte, wie sehr Thalia an ihm hing. Jason in einen Schlangenledergürtel zu verwandeln, hätte sie wahrscheinlich verärgert. Der Gedanke an das, was Thalia wohl mit jemand anstellte, der sie verärgerte, war noch beunruhigender, als sich von ihrer Schlange knutschen zu lassen.
»Er sieht momentan ein bißchen krank aus«, erklärte sie Helena. »Sehen Sie, wie milchig seine Augen sind? Er wird sich bald wieder häuten. Jason wächst noch und braucht alle paar Monate was Neues zum Anziehen. Das macht ihn für über eine Woche ziemlich launisch. Für öffentliche Auftritte ist er dann nicht zu gebrauchen; man weiß nie, was ihm gerade einfällt. Glauben Sie mir, das ist schlimmer, als mit einem Trupp junger Mädchen zu arbeiten, die sich jeden Monat wimmernd ins Bett verkriechen …«
Helena schien eine passende Antwort parat zu haben, aber ich unterbrach die beiden Frauen, bevor ihr Gespräch in allzu weibliche Gefilde abglitt. »Und wie läuft das Geschäft, Thalia? Der Mann am Tor sagt, du hättest Frontos Nachfolge angetreten.«
»Jemand mußte die Sache in die Hand nehmen. Entweder ich, oder irgendein verdammter Mann.« Thalia hatte nie viel für Männer übrig gehabt. Keine Ahnung, warum, ihre Bettgeschichten waren allerdings schrecklich.
Der Fronto, auf den ich anspielte, war ein Importeur exotischer Raubtiere für die Arena und ein Organisator noch exotischerer Vorstellungen für dekadente Bankettgäste gewesen. Er war einer plötzlichen Unpäßlichkeit zum Opfer gefallen in Form eines Panthers, der ihn verspeiste. Offenbar leitete Thalia inzwischen die von ihm hinterlassenen Geschäfte.
»Hast du immer noch den Panther?« witzelte ich.
»Aber ja!« Ich wußte, daß Thalia das Biest aus Respekt für Fronto behielt, für den Fall, daß es noch etwas von ihrem ehemaligen Chef intus hatte. »Hast du die trauernde Witwe erwischt?« herrschte sie mich plötzlich an. Frontos Witwe hatte in der Tat nicht sehr überzeugend getrauert – ein normaler Vorgang in Rom, wo das Leben billig ist und der Tod nicht von ungefähr kommt, wenn ein Mann einer Frau zu sehr auf den Wecker geht. Während meiner Nachforschungen über eine mögliche Absprache zwischen der Witwe und dem Panther war ich Thalia und ihrer Schlangentruppe zum ersten Mal begegnet.
»Keine ausreichenden Beweise, um sie vor Gericht zu bringen, aber wir konnten sie von weiteren Erbschleichereien abhalten. Sie ist jetzt mit einem Anwalt verheiratet.«
»Eine schwere Strafe, selbst für so ein Miststück wie die!« Thalia grinste boshaft.
Ich grinste zurück. »Sag mal, hat mich dein Aufstieg ins Management um die Chance gebracht, deinen berühmten Schlangentanz zu sehen?«
»Meine Nummer mache ich immer noch. Die Menge zum Schaudern zu bringen, gefällt mir.«
»Aber Sie treten nicht mit Jason auf, weil er seine Tage hat?« Helena lächelte. Die beiden hatten einander akzeptiert. Helena verschenkte ihre Freundschaft nicht leichtfertig. Ihr näherzukommen, konnte so schwierig sein, wie Öl mit einem Schwamm aufzuwischen. Ich hatte sechs Monate gebraucht, bevor ich irgendwelche Fortschritte machte, obwohl Witz, gutes Aussehen und jahrelange Erfahrung für mich sprachen.
»Ich nehme Zeno«, erwiderte Thalia, als bedürfe dieses Reptil keiner weiteren Beschreibung. Ich hatte bereits gehört, daß an Thalias Auftritt eine Riesenschlange beteiligt war, von der sogar sie mit Ehrfurcht sprach.
»Ist das auch ein Python?« fragte Helena neugierig.
»Mehr als das.«
»Und wer übernimmt das Tanzen – die Schlange oder Sie? Oder liegt der Trick darin, das Publikum glauben zu lassen, Zeno würde mehr tun, als er in Wirklichkeit tut?«
»Genau wie mit einem Mann im Bett … Kluges Mädel, was du dir da aufgegabelt hast«, meinte Thalia trocken zu mir. »Sie haben recht«, bestätigte sie, zu Helena gewandt. »Ich tanze; Zeno hoffentlich nicht. Zwanzig Fuß Boa Constrictor sind einfach zu schwer zum Herumwirbeln.«
»Zwanzig Fuß!«
»Und noch einiges mehr.«
»Ihr Götter! Wie gefährlich ist die Sache denn?«
»Tja …« Thalia tippte sich an die Nase, dann schien sie uns ein Geheimnis anzuvertrauen. »Pythons fressen nur, was zwischen ihre Kiefer paßt, und sind außerdem in Gefangenschaft sehr wählerisch. Sie haben enorme Kräfte, deshalb hält man sie im allgemeinen für bösartig. Aber mir ist noch keiner begegnet, der auch nur das geringste Interesse daran zeigte, einen Menschen zu töten.«
Ich lachte auf, weil ich an mein Bibbern wegen Jason dachte, und mich betrogen fühlte. »Deine Nummer ist also in Wirklichkeit reichlich zahm.«
»Willst du mal mit meinem kleinen Zeno tanzen?« forderte Thalia mich sarkastisch heraus. Ich winkte dankend ab. »Nein, eigentlich hast du recht, Falco. Ich hatte mir auch schon überlegt, die Nummer aufzupeppen. Vielleicht sollte ich mir eine Kobra zulegen, um das Ganze ein bißchen gefährlicher zu machen. Die könnte dann auch gleich die Ratten vertilgen, die diese Menagerie anzieht.«
Helena und ich schwiegen beklommen, Kobrabisse sind bekanntlich tödlich.
Die Unterhaltung nahm eine andere Richtung. »Jetzt wißt ihr Bescheid«, meinte Thalia. »An welcher Sache bist du gerade dran, Falco?«
»Hm. Eine schwierige Frage.«
»Mit einer einfachen Antwort«, mischte Helena sich obenhin ein. »An gar nichts.«
Das stimmte nicht ganz. Erst am Morgen war mir ein Auftrag angeboten worden, von dem Helena allerdings noch nichts wußte. Die Sache war geheim. Na ja, ich würde nicht nur verdeckt arbeiten müssen, sondern wollte es auch vor Helena geheimhalten, weil sie schwerste Einwände gegen den Klienten haben würde.
»Du nennst dich doch Privatermittler, oder?« sagte Thalia. Ich nickte, obwohl ich nur halb bei der Sache war, weil ich fieberhaft überlegte, wie ich die wahren Hintergründe des Auftrages vor Helena verbergen konnte.
»Sei doch nicht so zurückhaltend!« stichelte Thalia. »Du bist unter Freunden. Uns kannst du alles gestehen.«
»Er ist ein ziemlich guter Ermittler«, sagte Helena, die mich bereits mißtrauisch zu mustern schien. Sie mochte zwar nicht wissen, was ich vor ihr verbarg, ahnte aber mit Sicherheit, daß da etwas war. Ich versuchte, ans Wetter zu denken.
Thalia legte den Kopf schräg. »Und was ist deine Arbeit, Falco?«
»Hauptsächlich Informationen sammeln. Beweise für Anwälte finden – den Teil kennst du ja – oder, und das kommt am häufigsten vor, mir einfach Klatsch und Tratsch anhören. Kandidaten vor Wahlen helfen, ihre Gegner anzuschwärzen; Ehemännern helfen, Scheidungsgründe zu finden, wenn sie ihre Frauen satt haben. Frauen helfen, sich gegen die Erpressung fallengelassener Liebhaber zu wehren. Den Liebhabern helfen, die Frauen loszuwerden, die sie durchschaut haben.«
»Ach, ein Sozialdienst«, spöttelte Thalia.
»Allerdings. Ein wahrer Segen für die Gesellschaft … Manchmal spüre ich auch gestohlene Antiquitäten auf«, fügte ich hinzu, um der Sache einen vornehmeren Anstrich zu geben. Es klang aber nur, als würde ich gefälschten ägyptischen Amuletten oder pornographischen Schriftrollen hinterherjagen.
»Suchst du auch nach Vermißten?« wollte Thalia wissen, als sei ihr plötzlich eine Idee gekommen. Wieder nickte ich, diesmal eher zögernd. Ich vermeide es nach Möglichkeit, den Leuten irgendwelche Flöhe ins Ohr zu setzen über meine Arbeit, weil diese sich im allgemeinen als zeitaufwendig und für mich unprofitabel erweisen. Ich hatte recht mit meiner Vorsicht. Die Schlangentänzerin trompetete fröhlich: »Hach! Wenn ich das Geld hätte, würde ich dich für eine Suchaktion engagieren.«
»Wenn wir von Luft allein leben könnten«, erwiderte ich milde, »würde ich dein verlockendes Angebot gern annehmen.«
In diesem Moment entdeckte der kleine Elefant das Drahtseil und begriff, warum man ihn die Rampe hinaufgelockt hatte. Mit wildem Trompeten schaffte er es irgendwie, sich umzudrehen, und versuchte nun, die Rampe hinabzustürmen. Die Trainer sausten nach allen Seiten davon. Thalia bat Helena, auf die Schlange aufzupassen. Offenbar konnte man mir diese Aufgabe nicht anvertrauen.
Helena und Jason sahen interessiert zu, wie Thalia die Rampe hinaufging, um den Elefanten zu beruhigen. Wir konnten sie mit den Trainern schimpfen hören; sie liebte Tiere, war aber offensichtlich davon überzeugt, daß Hochleistung nur durch Furcht zu erreichen sei – bei ihren Angestellten selbstverständlich. Genau wie ich, hatten sie inzwischen festgestellt, daß die Übung zum Scheitern verurteilt war. Selbst wenn es ihnen gelänge, ihren unbeholfenen grauen Akrobaten zu einem Schritt über den Abgrund zu bewegen, würde mit Sicherheit das Seil reißen. Ich fragte mich, ob ich sie darauf hinweisen sollte. Keiner würde es mir danken, also hielt ich die Klappe. Exakte Informationen haben in Rom keinen hohen Stellenwert.
Helena und Jason verstanden sich gut. Schließlich hatte sie auch einige Erfahrung mit unzuverlässigen Reptilien; sie kannte mich.
Da sonst nichts von mir erwartet wurde, begann ich nachzudenken. Ermittler verbringen viel Zeit zusammengekauert in dunklen Hauseingängen, um irgendwelche Skandale zu belauschen, die ihnen vielleicht einen schmierigen Denarius von einem unsympathischen Kunden einbringen. Ein äußerst langweiliger Zeitvertreib. Man legt sich automatisch die eine oder andere schlechte Angewohnheit zu. Andere Ermittler amüsieren sich mit Ausschweifungen. Darüber war ich hinaus. Meine Schwäche war, privaten Gedanken nachzuhängen.
Der Elefant war mit einem Sesamkuchen getröstet worden, wirkte aber immer noch bedrückt. Genau wie ich. Mir ging der Auftrag im Kopf herum, den man mir angeboten hatte. Ich suchte nach Gründen, um ihn abzulehnen.
Manchmal arbeitete ich für Vespasian. Ein neuer Kaiser, aus dem gemeinen Volk stammend und bemüht, ein wachsames Auge auf die nichtsnutzigen Snobs der alten Elite zu haben, brauchte ab und zu jemanden, der ihm einen Gefallen tat. Ich meine, die Art von Gefallen, die er nicht erwähnen würde, wenn dereinst seine großartigen Errungenschaften in Bronzelettern auf Marmormonumenten verewigt wurden. Rom war voller Verschwörer, die Vespasian nur allzu gern vom Thron befördert hätten, allerdings nur unter Verwendung eines langen Stockes, damit er nicht herumfahren und sie beißen könnte. Es gab auch andere Ärgernisse, derer er sich entledigen wollte – dickschädelige Langweiler, die dank modriger alter Stammbäume auf hohen Posten hockten, Männer, die weder Hirn noch Energie oder Moral besaßen und die der neue Kaiser durch fähigere Köpfe ersetzen wollte. Irgend jemand mußte die Verschwörer zur Strecke und die Idioten in Mißkredit bringen. Ich war schnell und diskret, und Vespasian konnte sich darauf verlassen, daß ich die Dinge zu Ende brachte. Die mir erteilten Aufträge wurden einwandfrei ausgeführt.
Vor achtzehn Monaten hatten wir zum ersten Mal miteinander zu tun. Und wenn ich jetzt mehr Gläubiger als üblich hatte oder vergaß, wie sehr ich diese Arbeit verabscheute, ließ ich mich auf ein kaiserliches Engagement ein. Obwohl ich mich aufs tiefste verachtete, weil ich ein Werkzeug des Staates geworden war, hatte ich damit doch einiges Geld verdient. In meiner Lage ist Bargeld stets willkommen.
Dank meiner Anstrengungen waren Rom und einige Provinzen jetzt sicherer. Aber letzte Woche hatte die kaiserliche Familie ein wichtiges Versprechen gebrochen. Statt mich in den nächsten Stand zu erheben, damit ich Helena Justina heiraten und ihre vergrätzte Familie beschwichtigen konnte, hatten mich die Caesaren mit leeren Händen die Palatinstufen hinuntergeworfen, als ich mein Honorar einforderte. Daraufhin hatte Helena erklärt, Vespasian hätte mir seinen letzten Auftrag gegeben. Ihm selbst war gar nicht aufgefallen, daß ich mich wegen einer so nichtigen Sache wie einer fehlenden Belohnung betrogen fühlen könnte; keine drei Tage später bot er mir die nächste diplomatische Mission im Ausland an. Helena würde außer sich sein vor Zorn.
Zum Glück kam ich gerade die Treppen von meiner Wohnung hinunter, um beim Friseur ein wenig Klatsch aufzuschnappen, als die Vorladung aus dem Palast eintraf. Die Botschaft wurde mir von einem mickrigen Sklaven überbracht, dessen struppige Augenbrauen unter einem hirnlosen Schädel zusammenwuchsen – das Übliche für einen Palastboten. Es gelang mir, ihn an seiner kurzen Tunika zu packen und schnurstracks in die Wäscherei im Erdgeschoß hinunterzubefördern, ohne daß Helena ihn zu Gesicht bekam. Lenia, die Wäschereibesitzerin, bestach ich mit einer kleinen Summe, damit sie den Mund hielt. Dann scheuchte ich den Sklaven zurück zum Palatin und warnte ihn davor, mir häuslichen Ärger einzubrocken.
»Ach, Sie können mich mal, Falco! Ich gehe, wohin man mich schickt.«
»Wer hat dich eigentlich geschickt?«
Er warf mir einen nervösen Blick zu – mit gutem Grund. »Anacrites.«
Ich knurrte leise. Das war schlimmer, als zu Vespasian oder einem seiner Söhne gerufen zu werden.
Anacrites war der offizielle Oberspion des Palastes. Wir waren seit langem Widersacher. Unsere Rivalität war von der bittersten Sorte: rein beruflich. Er betrachtete sich als Experte im Umgang mit durchtriebenen Gestalten in gefährlichen Situationen, doch in Wahrheit führte er ein zu bequemes Leben und hatte das Händchen dafür verloren; außerdem hielt Vespasian ihn ziemlich knapp, also wurde er ständig von jämmerlichen Untergebenen belagert und hatte nie genügend Schmiergeld zur Hand. Nicht flüssig zu sein, ist in unserem Beruf tödlich.
Jedesmal, wenn Anacrites einen heiklen Auftrag vermasselte, war ihm bewußt, daß Vespasian mich schicken würde, um die Sache in Ordnung zu bringen. (Ich streckte sämtliche Auslagen vor, außerdem war ich billig.) Meine Erfolge hatten seine permanente Eifersucht geweckt. Obwohl er mir gegenüber in der Öffentlichkeit immer freundlich tat, wußte ich, daß Anacrites nur darauf lauerte, mich eines Tages endgültig beseitigen zu können.
Ich gab seinem Boten noch ein paar saftige Ratschläge, was seine Karriere betraf, und stapfte dann hinein, eine hitzige Konfrontation erwartend. Anacrites’ Büro war nicht größer als der Lampenschrank meiner Mutter. Spione genossen unter Vespasian kein Ansehen; ihm war es egal, ob jemand schlecht über ihn redete. Vespasian mußte Rom wieder aufbauen und war der Meinung, seine Leistungen für die Öffentlichkeit würden seinen Ruf genügend sichern, ohne daß er auf Terrortaktiken zurückgreifen müßte.
Unter dieser entspannten Herrschaft hatte Anacrites sichtbar zu kämpfen. Er hatte sein Büro mit einem bronzenen Klappstuhl ausgestattet, mußte sich aber in die Ecke des Zimmers quetschen, um seinem Schreiber Platz zu machen. Der Schreiber war ein großer, mißgestalteter Thraker mit Schafsgesicht in einer protzigen roten Tunika, die er bestimmt von einem Balkongeländer geklaut hatte, wo sie zum Lüften hing. Seine riesigen Füße in den plumpen, mit Tinte und Lampenöl befleckten Sandalen füllten den Großteil des Fußbodens aus. Anacrites’ Anwesenheit zum Trotz gelang es seinem Schreiber, den Eindruck zu erwecken, daß er die wichtige Person sei, an die Besucher sich zu wenden hätten.
Der Raum wirkte irgendwie unprofessionell. Es roch eigenartig nach terpentingetränktem Hühneraugenpflaster und kaltem Röstbrot. Überall lagen zerknitterte Schriftrollen und Wachstafeln herum, die wohl Auslagenabrechnungen enthielten. Vermutlich Forderungen von Anacrites und seinen Laufburschen, die der Kaiser nicht zahlen wollte. Vespasian war für seinen Geiz berüchtigt, und Spione kennen keine Scham, wenn es um Reisekostenerstattung geht.
Als ich eintrat, kaute der Meisterspion auf einem Stilus und starrte verträumt auf eine Fliege an der Wand. Sobald er mich sah, richtete Anacrites sich auf und tat wichtig. Er schlug sich so krachend aufs Knie, daß der Schreiber und ich zusammenzuckten; dann sank er wieder zurück und schaute völlig gleichgültig. Ich zwinkerte dem Schreiber zu. Er wußte genau, was für ein Schuft sein Vorgesetzter war, wagte aber trotzdem, mein Grinsen offen zu erwidern.
Anacrites bevorzugte Tuniken in Grau und Braun, als wolle er sich damit unauffällig dem Hintergrund anpassen, doch seine Kleidung hatte stets einen etwas eleganteren Schnitt, und sein öliges Haar war mit solcher Präzision zurückgekämmt, daß mir ganz schlecht wurde. Die Eitelkeit seiner Erscheinung entsprach seiner Ansicht über seine beruflichen Fähigkeiten. Er war ein guter Redner, fähig, jeden mit Leichtigkeit in die Irre zu führen. Männern mit derart gepflegten Fingernägeln und hinterlistiger Wortgewandtheit traue ich nicht.
Mein staubiger Stiefel landete auf einem Haufen Schriftrollen. »Was ist das denn? Noch mehr giftige Beschuldigungen unschuldiger Bürger?«
»Kümmern Sie sich um Ihre Angelegenheiten, Falco, und überlassen Sie mir die meinen.« Es gelang ihm, den Eindruck zu erwecken, als seien seine Angelegenheiten äußerst relevant und faszinierend, meine Motive und Methoden dagegen stänken wie ein Faß toter Tintenfische.
»Aber mit Vergnügen«, erwiderte ich. »Muß wohl die falsche Botschaft bekommen haben. Jemand behauptete, Sie würden mich brauchen …«
»Ich habe Sie herbeordert.« Er mußte immer so tun, als würde er mir Befehle erteilen. Ich übersah die Beleidigung – zumindest vorläufig.
Dem Schreiber drückte ich eine Kupfermünze in die Hand. »Geh und kauf dir einen Apfel.« Anacrites warf mir wütende Blicke zu, weil ich seinen Angestellten herumkommandierte. Während er noch über einen Gegenbefehl nachdachte, verschwand der Thraker. Ich lümmelte mich auf den leer gewordenen Stuhl des Schreibers, streckte die Beine weit von mir, griff nach einer Schriftrolle und entrollte sie mit viel Geknister.
»Das Dokument ist geheim, Falco.«
Mit erhobenen Augenbrauen machte ich weiter. »Oh, ihr Götter, das hoffe ich aber auch! Sie würden doch wohl nicht wollen, daß dieser Unrat öffentlich bekannt wird …« Ich ließ die Schriftrolle hinter meinen Stuhl fallen, außerhalb seiner Reichweite. Er wurde rosa vor Wut, weil er nicht sehen konnte, welche Geheimnisse ich da studiert hatte.
In Wahrheit hatte ich mir nicht die Mühe gemacht, die Rolle zu lesen. Aus diesem Büro kam nie etwas anderes als blanker Unsinn. Das meiste, was Anacrites für listige Ränkespiele hielt, wäre dem normalen Müßiggänger auf dem Forum total albern vorgekommen. Ich zog es vor, mich nicht mit diesem Schwachsinn zu belasten.
»Falco, Sie bringen mein Büro in Unordnung.«
»Dann sagen Sie, was Sie auf dem Herzen haben, und ich verzieh mich wieder.«
Anacrites war zu sehr Berufsspion, um sich mit mir zu kabbeln. Er riß sich zusammen und senkte die Stimme. »Eigentlich sollten wir auf derselben Seite stehen«, meinte er, wie ein betrunkener alter Freund, der einem gerade gestehen will, warum er seinen alten Vater über den Klippenrand geschubst hat. »Ich weiß nicht, weshalb wir nicht besser miteinander zurecht kommen.«
Ich hätte genügend Gründe anführen können. Er war ein bösartiger Hai mit üblen Motiven, der jeden manipulierte. Er bekam ein gutes Gehalt für so wenig Arbeit wie möglich. Ich war nur ein freiberuflicher Held, der sein Bestes in einer ungerechten Welt gab, schlecht dafür bezahlt wurde und ständig Schulden hatte. Anacrites blieb im Palast und tüftelte komplizierte Pläne aus, während ich draußen war, mich dreckig machte, zusammenschlagen ließ und das Imperium rettete.
Ich lächelte leise. »Keine Ahnung.«
Er wußte, daß ich log. Dann traf er mich mit den Worten, die ich bei jedem Bürokraten verabscheue. »Zeit, daß wir die Sache bereinigen. Marcus Didius, alter Freund, lassen Sie uns was trinken gehen …«
Er schleppte mich in ein Thermopolium, das von den Palastsekretären frequentiert wurde. Ich war schon mal dort gewesen. Es war voller gräßlicher Typen, die meinten, sie würden die Welt regieren. Wenn diese Papyruswürmer aus ihren Büros gekrochen kamen, fühlten sie sich draußen nur unter ihresgleichen wohl.
Sie konnten sich noch nicht mal eine anständige Kneipe suchen. In dieser schäbigen Weinschenke mit hohem Tresen roch es sauer, und ein Blick in die Runde machte klar, wieso. Die wenigen Schüsseln hatten wochenalte verkrustete Soßenränder; eine vertrocknete alte Essiggurke auf einem angeschlagenen Teller versuchte, unter zwei kopulierenden Fliegen eindrucksvoll auszusehen. Ein mißgestalteter, schlecht-gelaunter Schankkellner warf Gewürze in die Trinkgefäße mit dem heißen, auf die Farbe getrockneten Blutes eingekochten Wein.
Selbst um diese frühe Stunde drängten sich acht oder zehn Tintenkleckser in schmuddeligen Tuniken am Tresen. Alle klagten über ihren entsetzlichen Beruf und die verpaßten Aufstiegschancen. Trübselig kippten sie ihren Wein hinunter, als hätte ihnen gerade jemand erzählt, daß die Parther fünftausend römische Veteranen hingeschlachtet hatten und der Preis für Olivenöl gefallen sei. Schon ihr Anblick machte mich krank.
Anacrites bestellte. Als er auch noch zahlte, wußte ich, daß ich in Schwierigkeiten steckte.
»Wieso das? Ich dachte, jeder Palastangestellte würde wie ein geölter Blitz zur Latrine flitzen, wenn es ans Zahlen geht.«
»Machen Sie nur Ihre Witze, Falco.« Wieso glaubte er, das sei ein Witz?
»Auf Ihre Gesundheit«, sagte ich höflich, bemüht darum, ihn nicht merken zu lassen, daß ich ihm in Wirklichkeit eine Warzenplage und Sumpffieber an den Hals wünschte.
»Auf die Ihre! Tja, Falco, hier sind wir nun …« Von einer schönen Frau beim Ablegen der Tunika gemurmelt, hätte das eine vielversprechende Bemerkung sein können. Von ihm klang sie eher bedrohlich.
»Hier sind wir«, grummelte ich und nahm mir vor, sobald wie möglich anderswo zu sein. Dann schnüffelte ich an meinem Wein, der wie dünner Essig roch, und wartete schweigend darauf, daß er zur Sache kam. Anacrites zur Eile anzutreiben, würde ihn nur noch langatmiger werden lassen.
Nach einer halben Stunde, wie es mir vorkam – obwohl ich nur einen Fingerbreit des scheußlichen Weins runtergewürgt hatte –, schlug Anacrites zu: »Ich habe alles über Ihre Abenteuer in Germanien gehört.« Sein Versuch, seine abgrundtiefe Feindseligkeit mit Bewunderung zu überspielen, reizte mich zum Grinsen. »Wie war es denn so?«
»Nicht übel, wenn man scheußliches Wetter, aufgeblasene Legionäre und erstaunliche Beispiele von Unfähigkeit der höheren Ränge mag. Nicht übel, wenn man gern in einem Wald überwintert, wo die Angriffslust wilder Tiere nur noch von der schlechten Laune behoster Barbaren übertroffen wird, die einem ihre Speerspitzen an den Hals drücken.«
»Sie reden gern.«
»Und ich hasse Zeitverschwendung. Was soll dieses alberne Geplauder, Anacrites?«
Er schenkte mir ein beruhigendes, gönnerhaftes Lächeln. »Der Kaiser denkt an eine weitere exterritoriale Expedition – durchgeführt von einem diskreten Mann.«
Meine Antwort mag zynisch geklungen haben. »Sie meinen, er hat Sie angewiesen, die Sache selbst durchzuführen, aber Sie wollen sich lieber davor drücken? Ist die Mission nur gefährlich oder sind damit auch eine unbequeme Reise, übles Klima, völliger Mangel an Annehmlichkeiten der Zivilisation und ein tyrannischer König verbunden, der seine Römer am liebsten über heißem Feuer kroßgebraten genießt?«
»Oh, es ist eine durchaus zivilisierte Gegend.«
Das traf nur auf sehr wenige Ecken außerhalb des Reiches zu, die alle eins gemeinsam hatten – sie wollten außerhalb bleiben. Was zu einem unfreundlichen Empfang für unsere Gesandten führte. Je mehr wir behaupteten, in friedlicher Absicht zu kommen, desto sicherer wußten sie, daß ihr Land für eine Annektion vorgesehen war. »Das gefällt mir nicht. Bevor Sie fragen, meine Antwort ist nein.«
Anacrites’ Miene blieb ausdruckslos. Er schlürfte seinen Wein. Ich hatte ihn fünfzehn Jahre alten Albanier trinken sehen und wußte, daß er den Unterschied durchaus schmeckte. Es amüsierte mich, das Flackern in seinen merkwürdig hellen Augen zu beobachten, während er versuchte, sich das Unbehagen über dieses saure Getränk und die ebenso verabscheute Gesellschaft nicht anmerken zu lassen. Er fragte: »Weshalb glauben Sie, daß der Alte mich mit dieser Aufgabe betraut hat?«
»Wenn er mich will, Anacrites, sagt er mir das persönlich.«
»Vielleicht hat er mich ja nach meiner Meinung gefragt, und ich habe ihm erklärt, Sie seien neuerdings unempfänglich für Aufträge des Palastes.«
»Dafür war ich schon immer unempfänglich.« Den vor kurzem empfangenen Arschtritt wollte ich nur ungern erwähnen, obwohl Anacrites dabei war, als Vespasians Sohn Domitian mein Gesuch, in den Bürgerstand erhoben zu werden, abgelehnt hatte. Ich hegte sogar den Verdacht, daß Anacrites hinter diesem Akt kaiserlicher Undankbarkeit steckte. Er mußte meinen Zorn bemerkt haben.
»Ich kann Ihre Gefühle nur allzugut verstehen«, sagte der Oberspion in einem, wie er wohl hoffte, gewinnenden Ton. Er war sich offensichtlich nicht bewußt, daß er gerade einige gebrochene Rippen riskierte. »Sie hatten ja doch einiges investiert, um in den Bürgerstand zu kommen. Die Ablehnung muß ein harter Schlag gewesen sein. Das ist wohl auch das Ende Ihrer Beziehung zu dem Camillus-Mädchen, oder?«
»Mit meinen Gefühlen komme ich schon klar. Und sparen Sie sich Ihre Spekulationen über mein Mädchen.«
»Verzeihung!« murmelte er demütig. Ich knirschte mit den Zähnen. »Schauen Sie, Falco, ich dachte, ich könnte Ihnen vielleicht einen Gefallen tun. Der Kaiser hat mir die Leitung dieser Angelegenheit übertragen; ich kann damit beauftragen, wen ich will. Nach dem, was neulich im Palast passiert ist, ist Ihnen die Gelegenheit, Rom so weit wie möglich hinter sich zu lassen, vielleicht gerade recht …«
Manchmal klang Anacrites, als hätte er an meiner Türschwelle gelauscht, während ich mit Helena über das Leben plauderte. Da wir im sechsten Stock wohnten, war es unwahrscheinlich, daß einer seiner Unterlinge zum Horchen zu uns hochgetappt war, trotzdem umschloß ich den Weinbecher mit festerem Griff und musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen.
»Kein Grund, gleich in die Defensive zu gehen, Falco.« Er war wirklich ein unangenehm aufmerksamer Beobachter. Dann zuckte er die Schultern und hob leicht die Hand. »Wie Sie wollen. Wenn ich keinen passenden Gesandten finde, kann ich immer noch selbst gehen.«
»Wohin denn eigentlich?« rutschte es mir raus.
»Nabatäa.«
»Arabia Petraia?«
»Überrascht Sie das?«
»Nein.«
Durch mein häufiges Rumlungern auf dem Forum betrachtete ich mich als Experten in Sachen Außenpolitik. Die meisten der Klatschmäuler auf den Stufen des Saturntempels waren nie aus Rom rausgekommen, oder zumindest nicht weiter als bis zu den kleinen Villen in Mittelitalien, von denen ihre Großväter stammten; ich dagegen war bis an den Rand des Imperiums vorgedrungen. Ich wußte, was an den Grenzen los war, und wenn der Kaiser über sie hinaussah, wußte ich auch, warum.
Nabatäa lag zwischen unseren aufmüpfigen Besitzungen in Judäa, die Vespasian und sein Sohn Titus vor kurzem befriedet hatten, und der kaiserlichen Provinz Ägypten. Hier liefen die großen Handelswege vom Fernen Osten quer durch Arabien zusammen: Gewürze und Pfeffer, Edelsteine und Perlen, exotische Hölzer und Duftstoffe. Die Nabatäer überwachten diese Karawanenwege, machten das Land für die Händler und Kaufleute sicher und ließen sich das teuer bezahlen. In Petra, ihrer gut geschützten und geheimnisumwitterten Hauptstadt, hatten sie ein wichtiges Handelszentrum errichtet. Die Höhe ihrer Zölle waren berüchtigt, und da Rom der unersättliche Abnehmer für Luxusgüter war, zahlten letztlich die Römer. Mir war völlig klar, warum Vespasian nun überlegte, ob man die reichen und mächtigen Nabatäer nicht ermutigen sollte, sich dem Römischen Reich anzuschließen und so ihr lebhaftes, lukratives Handelszentrum unserer direkten Kontrolle zu unterstellen.
Anacrites mißverstand mein Schweigen als Interesse an seinem Vorschlag. Er kam mir mit der üblichen Schmeichelei, daß nur wenige Agenten dieser Aufgabe gewachsen seien.
»Das heißt, Sie haben schon zehn andere gefragt, die seltsamerweise plötzlich alle krank wurden.«
»Der Auftrag könnte Aufmerksamkeit auf Sie lenken.«
»Sie meinen, falls ich ihn zur Zufriedenheit ausführe, wird es heißen, daß es wohl nicht allzu schwierig war.«
»Sie sind zu lange im Geschäft!« Er grinste. Für einen kurzen Augenblick fand ich ihn sympathischer als sonst. »Sie schienen mir der geeignetste Kandidat für die Sache, Falco.«
»Ach, hören Sie doch auf! Ich war noch nie außerhalb Europas.«
»Sie haben Verbindungen zum Osten.«
Ich lachte kurz auf. »Nur durch die Tatsache, daß mein Bruder dort gestorben ist.«
»Das verschafft Ihnen einen Vorteil …«
»In der Tat. Den Vorteil, ganz genau zu wissen, daß ich die verdammte Wüste nie mit eigenen Augen sehen will!«
Ich empfahl Anacrites, sich in ein Weinblatt zu wikkeln und kopfüber in eine Amphore mit ranzigem Öl zu springen, dann goß ich verächtlich den Rest aus meinem Becher zurück in seine Karaffe und stapfte hinaus.
Ich wußte genau, daß der Oberspion mir ein nachsichtiges Lächeln hinterher schickte. Er war davon überzeugt, daß ich mir sein faszinierendes Angebot überlegen würde und zurückgekrochen käme.
Etwas hatte Anacrites dabei allerdings nicht bedacht: Helena.
Schuldbewußt wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder dem kleinen Elefanten zu.
Helena beobachtete mich. Sie sagte nichts, sah mich aber mit einem ganz bestimmten ruhigen Blick an. Der hatte die gleiche Wirkung auf mich wie ein Gang durch eine dunkle Gasse zwischen hohen Häusern, die als Schlupfwinkel bewaffneter Räuberbanden berüchtigt sind.
Ich brauchte gar nicht zu erwähnen, daß mir eine neue Mission angeboten worden war; Helena wußte es bereits. Jetzt bestand mein Problem nicht mehr darin, es ihr irgendwie beizubringen, sondern so zu klingen, als hätte ich schon die ganze Zeit damit rausrücken wollen. Ich unterdrückte einen Seufzer. Helena schaute weg.
»Wir gönnen dem Elefanten erstmal eine Pause«, grummelte Thalia, als sie sich uns wieder zugesellte. »Ist er brav gewesen?« Sie meinte den Python. Vermutlich.
»Er ist ein Schatz«, erwiderte Helena im gleichen trockenen Ton. »Thalia, wie war das mit einem möglichen Auftrag für Marcus?«
»Ach, nichts.«
»Wenn es nichts wäre«, sagte ich, »dann hättest du es auch nicht erwähnt.«
»Nur ein Mädchen.«
»Marcus mag Aufträge, bei denen es um Mädchen geht«, bemerkte Helena.
»Das kann ich mir denken!«
»Einmal habe ich dabei ein nettes kennengelernt«, warf ich gedankenvoll ein. Das Mädchen, das ich mal kennengelernt hatte, griff auf ziemlich nette Weise nach meiner Hand.
»Alles nur Gerede«, tröstete Thalia sie.
»Tja, er hält sich für einen Dichter.«
»Stimmt: alles nur Lippenbekenntnisse und Libido«, ergänzte ich; reine Selbstverteidigung.
»Nichts als Angabe«, knurrte Thalia. »Genau wie der Dreckskerl, der mit meiner Wasserorgelspielerin durchgebrannt ist.«
»Ist das die vermißte Person?« Ich zwang mich, Interesse zu heucheln, um einerseits meine Professionalität unter Beweis zu stellen, vor allem aber, um Helena abzulenken.
Thalia räkelte sich auf den Arenasitzen. Die Wirkung war dramatisch. Ich hielt den Blick fest auf den Elefanten gerichtet. »Drängel mich nicht, wie der Hohe Priester zu seinem Helfer sagte … Sophrona war ihr Name.«
»Wie konnte es auch anders sein.« All die billigen Flittchen, die Musikinstrumente spielten, nannten sich heutzutage Sophrona.
»Sie war wirklich gut, Falco!« Ich wußte, was das hieß. (Da es von Thalia kam, bedeutete es, daß sie es tatsächlich war.) »Sie konnte spielen«, bestätigte Thalia. »Es gab genügend Speichellecker, die von dem Interesse des Kaisers profitierten.« Damit meinte sie Nero, den Wasserorgelfanatiker, nicht unser jetziges liebenswertes Exemplar. Vespasians berühmteste musikalische Leistung bestand darin, während Neros Leierspiel eingeschlafen zu sein, und er konnte von Glück sagen, daß er mit ein paar Monaten Exil davongekommen war. »Sophrona war eine wirkliche Künstlerin.«
»Auf musikalischem Gebiet?« fragte ich unschuldig.
»Was die für Griffe draufhatte … Und wie sie aussieht! Wenn Sophrona das Instrument bediente, hob es die Männer von ihren Sitzen.«
Ich fragte nicht nach und schaute auch Helena nicht an, die schließlich in anständiger Umgebung aufgewachsen war. Trotzdem hörte ich sie schamlos kichern, bevor sie fragte: »War sie lange bei Ihnen?«
»Schon als Baby. Ihre Mutter war eine schlaksige Tänzerin aus einer Theatertruppe, der ich mal begegnete. Mir war gleich klar, daß die kein Kind aufziehen konnte. Keine Lust dazu hatte, trifft wohl eher zu. Ich rettete das Blag, kümmerte mich, bis es ein nützliches Alter erreicht hatte und brachte dem Mädel dann alles Wissenswerte bei. Für eine Akrobatin war sie zu groß, erwies sich aber glücklicherweise als musikalisch, und als ich sah, daß die Hydraulis das Instrument der Stunde war, ergriff ich die Gelegenheit und ließ Sophrona daran ausbilden. Ich zahlte dafür, zu einer Zeit, als es mir noch nicht so gut ging wie heute; deshalb ärgert es mich, daß sie weg ist.«
»Was ist passiert, Thalia?« fragte ich. »Wie kann eine Expertin wie du derart fahrlässig sein und ein so wertvolles Talent ihrer Truppe verlieren?«
»Ich habe sie nicht verloren!« schnaubte Thalia. »Das war Fronto, dieser Trottel. Er führte ein paar mögliche Mäzene herum – Besucher aus dem Osten, die er für Theaterbesitzer hielt, aber das war reine Zeitverschwendung.«
»Die wollten nur einen kostenlosen Blick auf die Menagerie werfen?«
»Und auf die nackten Akrobatinnen. Wir wußten sofort, daß hier wenig Aussicht auf ein Engagement bestand. Selbst wenn sie uns engagiert hätten, wäre alles nur Sodomie und miese Trinkgelder gewesen. Also haben wir sie kaum beachtet. Das war alles, kurz bevor der Panther ausbüchste und Fronto verspeiste; danach ging es natürlich ziemlich hektisch zu. Die Syrer tauchten nochmal auf, aber da ließen wir einfach die Planen runter. Sie müssen Rom verlassen haben, und erst danach stellten wir fest, daß auch Sophrona verschwunden war.«
»Steckt ein Mann dahinter?«
»Mit Sicherheit!«
Ich sah, wie Helena über Thalias verächtlichen Ausbruch lächelte. Dann fragte Helena: »Zumindest wissen Sie, daß diese Besucher aus Syrien kamen. Wer waren sie also?«
»Keine Ahnung. Fronto hat mit ihnen verhandelt«, grummelte Thalia. »Nachdem Fronto im Panther verschwunden war, konnten wir uns nur noch erinnern, daß sie Griechisch mit einem seltsamen Akzent gesprochen hatten, gestreifte Gewänder trugen und etwas, das sie ›die zehn Städte‹ nannten, für den Mittelpunkt der zivilisierten Welt hielten.«
»Von der Dekapolis habe ich schon mal gehört«, meinte ich. »Das ist ein hellenistischer Städtebund in Zentralsyrien. Ziemlich weit weg, um nach einer Musikerin zu suchen, die sich dünne gemacht hat.«
»Abgesehen von der Tatsache«, warf Helena ein, »daß du – egal, in welcher Reihenfolge du diese zehn städtischen Kleinodien abklapperst – Sophrona unter Garantie erst im letzten findest. Bis du dort ankommst, bist du zu erschöpft, um dich mit ihr herumzustreiten.«
»Es hat sowieso keinen Zweck«, ergänzte ich. »Wahrscheinlich hat sie inzwischen Zwillinge bekommen und leidet an Sumpffieber. Hast du denn keine anderen Fakten zu bieten, Thalia?«
»Nur einen Namen, an den sich einer der Tierpfleger erinnert – Habib.«
»Oh je. Der ist im Osten bestimmt so häufig wie Gaius«, sagte Helena. »Oder Marcus«, fügte sie kokett hinzu.
»Und wir wissen, wie häufig der ist!« bestärkte Thalia.
»Sucht das Mädchen vielleicht ihre Mutter?« fragte ich, da ich einige Erfahrung im Aufspüren von Pflegekindern hatte.
Thalia schüttelte den Kopf. »Sie weiß nicht, wer ihre Mutter ist.«
»Kann es sein, daß die Mutter nach ihrer Tochter gesucht hat?«
»Das bezweifle ich. Seit zwanzig Jahren habe ich nichts mehr von ihr gehört. Vielleicht arbeitet sie unter einem anderen Namen. Tja, wahrscheinlich ist sie inzwischen tot, Falco.«
Ich nickte ernst. »Was ist mit dem Vater? Könnte Sophrona von ihm gehört haben?«
Thalia prustete los. »Welcher Vater? Es gab diverse Kandidaten, von denen sich keiner festnageln lassen wollte. Soweit ich mich erinnere, war nur einer halbwegs ansehnlich, und natürlich hat die Mutter den keines zweiten Blickes gewürdigt.«
»Einmal muß sie doch zumindest hingeschaut haben«, witzelte ich.
Thalia warf mir einen mitleidigen Blick zu und meinte dann zu Helena: »Erklären Sie ihm die Tatsachen des Lebens, Liebchen! Nur weil man mit einem Mann ins Bett geht, muß man den Kerl doch nicht anschauen!«
Helena lächelte erneut, doch der Ausdruck ihrer Augen war weniger freundlich. Ich beschloß, daß es an der Zeit war, dem Geplauder ein Ende zu machen. »Uns bleibt also nichts als die ›Junge Liebe‹-Theorie?«
»Steiger dich nicht zu sehr hinein, Falco«, riet mir Thalia mit ihrer üblichen Unverblümtheit. »Sophrona war mir lieb und teuer. Aber ich kann nicht deine Überfahrt bezahlen, nur damit du im Orient herumschnüffelst. Du kannst ja an mich denken, wenn du das nächste Mal in der Wüste zu tun hast.«
»Es sind schon seltsamere Dinge passiert.« Ich wählte meine Worte mit Sorgfalt. Helena beobachtete mich nachdenklich. »Im Osten tut sich zur Zeit eine Menge. Alle Welt redet davon. Seit der Eroberung Jerusalems ist die ganze Gegend wirtschaftlich interessant.«
»Das ist es also!« murmelte Helena. »Ich wußte doch, daß da was im Busch war.«
Thalia schaute überrascht. »Gehst du tatsächlich nach Syrien?«
»In die Nähe, möglicherweise. Man hat mir da bestimmte Vorschläge zugeflüstert.« Einen Augenblick lang war es mir leichter vorgekommen, Helena die Neuigkeit in Gegenwart einer Zeugin mitzuteilen, die stark genug war, mich vor einer Tracht Prügel zu retten. Wie die meisten meiner guten Ideen, erwies sich auch diese rasch als wenig überzeugend.
Ohne zu merken, woher der Wind wehte, fragte Thalia: »Würde ich dich bezahlen müssen, wenn du für mich ein bißchen herumfragst?«
»Für eine Freundin arbeite ich auch auf Erfolgshonorarbasis.«
»Und was ist mit dem Geld für die Überfahrt?«
»Ach, vielleicht findet sich jemand, der dafür aufkommt …«
»Hab ich’s mir doch gedacht!« fuhr Helena ärgerlich dazwischen. »Und heißt dieser Jemand zufällig Vespasian?«
»Weißt du, ich hatte vor, dir alles in Ruhe …«
»Du hast es versprochen, Marcus. Du hast versprochen, nie mehr für ihn zu arbeiten.« Sie sprang auf und stakste durch die Arena zu dem Elefanten, um ihn zu streicheln. Ihr Rücken ließ erkennen, daß es angeraten war, ihr nicht zu folgen.
Ich sah ihr nach, diesem hochgewachsenen, dunkelhaarigen Mädchen mit der aufrechten Haltung. Helena zu betrachten, war ebenso angenehm wie Falerner in einen Weinbecher gluckern zu hören, besonders, wenn es mein Becher war.
Mein mochte sie zwar sein, aber ich hatte immer noch schwere Bedenken, sie zu verärgern.
Thalia musterte mich scharf. »Du bist verliebt!« Warum die Leute das nur immer mit dieser Mischung aus Verwunderung und Abscheu sagten?
»Du hast’s erfaßt.« Ich grinste.
»Was ist das Problem zwischen euch?«
»Es gibt kein Problem zwischen uns. Nur, daß andere Leute denken, es sollte eins zwischen uns geben.«
»Welche anderen Leute?«
»Die meisten Einwohner Roms.«
Thalia hob die Augenbrauen. »Klingt, als würde das Leben anderswo leichter sein.«
»Wer will schon ein leichtes Leben?« Sie wußte, daß das gelogen war.
Zu meiner Erleichterung schlenderte Helena, deren Wut verraucht schien, mit dem ihr jetzt völlig ergebenen Elefanten im Schlepptau wieder zu uns herüber. Ihm war wohl klar, daß er mich aus dem Weg räumen mußte, bevor er irgendwas erreichen würde. Er nibbelte auf eine Weise an ihrem Ohr, wie ich es auch gern tat, während sie genauso resigniert den Kopf wegdrehte, als wolle sie sich einer meiner lästigen Aufmerksamkeiten entziehen.
»Helena will nicht, daß du sie verläßt«, bemerkte Thalia.
»Wer hat was von Verlassen gesagt? Helena Justina ist meine Partnerin. Wir teilen Gefahr und Verderben, Freude und Triumph miteinander …«
»Ach, wie reizend!« krächzte Thalia skeptisch.
Helena hatte meiner kleinen Ansprache auf eine Weise zugehört, die mich ermutigte, ihr eine zweite folgen zu lassen: »Im Moment hätte ich nichts dagegen, aus Rom zu verschwinden«, sagte ich. »Besonders, wenn mir die Reise aus der Staatskasse finanziert wird. Die einzige Frage ist, ob Helena mitkommen will.«
Ruhig erwiderte sie meinen Blick. Auch sie suchte nach Möglichkeiten, ohne Einmischung oder den Druck von anderen mit mir zusammenzuleben. Reisen war die einzige Methode, die uns da manchmal half. »Solange ich bei der Entscheidung mitreden kann, gehe ich mit dir, Marcus Didius.«
»So ist’s recht, Liebchen«, stimmte Thalia ihr zu. »Mitzuzockeln und ein Auge auf die Jungs zu haben, ist immer das beste!«
Etwa einen Monat später. Der Schauplatz ist zunächst Petra, eine abgelegene Wüstenstadt, umgeben von dramatisch aufragenden Bergen. Dann ein hastiger Wechsel nach Bostra.
Synopsis: Falco, ein Abenteurer, und Helena, eine unbesonnene junge Frau, kommen als neugierige Reisende getarnt in eine fremde Stadt. Sie wissen nicht, daß Anacrites, ein eifersüchtiger Gegner, bereits den einen Mann, den es hier zu meiden gilt, von ihrem Besuch informiert hat. Als Heliodorus, ein Stückeschreiber, einen bedauerlichen Unfall erleidet, bittet Chremes, ein Schauspieler und Theaterdirektor, um ihre Hilfe, doch da versuchen bereits alle Beteiligten, die Stadt per Kamel so schnell wie möglich zu verlassen.
Wir waren den beiden Männern bis hinauf zum Hohen Opferplatz gefolgt. Von Zeit zu Zeit hörten wir ihre Stimmen von den Felsen widerhallen. Sie wechselten gelegentlich kurze Sätze, wie Bekannte, die Höflichkeiten austauschen. Kein angeregtes Gespräch, kein Streit, aber man war sich auch nicht fremd. Fremde hätten den Aufstieg entweder schweigend bewältigt oder sich mehr umeinander bemüht.
Ich überlegte, ob es wohl Priester auf dem Weg zu einem Ritual waren.
»Wenn ja, sollten wir lieber umkehren«, meinte Helena. Ihr Ton war kühl, vernünftig und machte auf subtile Weise klar, daß ich ein gefährlicher Idiot sei, weil ich uns hierher geführt hatte.
Das verlangte nach einer gelassenen Antwort; ich gab mich nonchalant: »In religiöse Angelegenheiten mische ich mich nie ein, vor allem, wenn der Gott des Berges womöglich ein Menschenopfer verlangt.« Wir wußten wenig von der Religion der Peträer, nur daß ihr Hauptgott durch Steinblöcke symbolisiert wurde und daß diese seltsame, mysteriöse Gottheit angeblich nur durch blutrünstige Opferrituale auf dem von ihm beherrschten Berggipfel zu besänftigen war. »Meine Mutter hätte es gar nicht gern, wenn ihr Goldjunge diesem Dushara geopfert würde.«
Helena sagte nichts.
In der Tat sagte Helena während des ganzen Aufstiegs so gut wie nichts. Wir hatten eine gewaltige Auseinandersetzung der stummen Art. Aus diesem Grund hörten wir zwar die beiden Männer vor uns, ihnen war aber höchstwahrscheinlich nicht klar, daß wir ihnen folgten. Wir unternahmen nichts, um auf uns aufmerksam zu machen. Zu dem Zeitpunkt schien das unwichtig.
Ich entschied, daß die beiden Stimmen kein Grund zur Aufregung waren. Selbst wenn es Priester sein sollten, gingen sie bestimmt nur hinauf, um die Reste der gestrigen Opferung aufzukehren (in welch unappetitlicher Form die auch stattgefunden haben mochten). Es mochten Einwohner Petras auf einem Picknickausflug sein. Wahrscheinlich waren es aber Touristen wie wir, die aus reiner Neugier zu diesem himmelhohen Altar hinaufkeuchten.
Also kletterten wir weiter, mehr mit der Steilheit des Pfades und unserem Streit beschäftigt als mit irgend etwas um uns herum.
Verschiedene Wege führten zum Hohen Opferplatz. »Irgendein Spaßvogel unten beim Tempel wollte mir weismachen, daß auf diesem Weg die als Opfer auserkorenen Jungfrauen hinaufbefördert werden.«
»Dann hast du ja nichts zu befürchten!« geruhte Helena zu murmeln.
Wir waren die zunächst ganz harmlos wirkenden Stufen links vom Theater hinaufgeklettert. Sie wurden rasch steiler und waren neben einer engen Schlucht in den Fels gehauen. Anfangs waren wir auf beiden Seiten von Felsen eingeschlossen, die kunstvoll behauen drohend den Weg überragten; bald kamen wir zu einem nach rechts führenden schmalen, zunehmend spektakulärer werdenden Hohlweg. Grünpflanzen hatten an seinen Seiten Fuß gefaßt – speerblättriger Oleander und Tamarisken, die zwischen den roten, grauen und bernsteinfarbenen Steinformationen wuchsen. Diese waren am auffälligsten an den unbewachsenen Stellen, wo man sehen konnte, mit welcher Hingabe die Nabatäer beim Aushauen ihrer Prozessionsstiege die seidenweichen Muster des Sandsteins freigelegt hatten.
Das war kein Ort der Eile. Der sich windende Pfad führte durch einen felsigen Korridor und über die Schlucht, wo er sich kurz zu einem etwas offeneren Platz erweiterte. Dort blieb ich zum ersten Mal stehen, schnappte nach Luft und beschloß, noch mehr solche Pausen einzulegen, bevor wir den höchsten Punkt erreichten. Auch Helena war stehengeblieben, tat aber so, als hielte sie nur an, weil ich ihr im Weg war.
»Willst du an mir vorbei?«
»Ich kann warten.« Sie rang nach Luft. Ich grinste sie an. Dann drehten wir uns um. Auch von hier aus war der Blick auf Petra und den breitesten Teil der Schotterstraße, die sich am Theater und einigen geschmackvollen Felsengräbern vorbei zu der weiter entfernt liegenden Stadt schlängelte, bereits wunderschön.
»Willst du den ganzen Tag mit mir streiten?«
»Wahrscheinlich«, grummelte Helena.
Beide versanken wir wieder in Schweigen. Helena betrachtete die staubigen Riemen ihrer Sandalen. Sie dachte offenbar über die Ursache unseres Streites nach. Ich blieb still, weil ich wie üblich nicht genau wußte, worum es eigentlich ging.
Nach Petra zu kommen, war nicht so schwierig gewesen wie befürchtet. Anacrites hatte voller Wonne angedeutet, daß meine Reise hierher mit unüberwindlichen Hindernissen gespickt sein würde. Ich hatte uns einfach per Schiff nach Gaza gebracht. Dort hatte ich einen Ochsenkarren »gemietet« – zu einem exorbitanten Preis, der mindestens der Kaufsumme gleichkam –, ein Transportmittel, mit dem ich viel Erfahrung hatte, und mich dann nach den Handelswegen erkundigt. Fremde wurden in diesem Gebiet nicht zu Reisen ermutigt, aber Karawanen bis zu tausend Tieren durchquerten Nabatäa jedes Jahr. Sie erreichten Petra aus verschiedenen Richtungen und trennten sich nach Verlassen der Stadt wieder. Manche zogen westwärts nach Nordägypten. Andere nahmen die durch das Landesinnere führende Route nach Bostra, dann weiter nach Damaskus oder Palmyra. Viele reisten durch Judäa an die Küste, um in der geschäftigen Hafenstadt Gaza große Schiffsladungen für die immer hungrigen Märkte Roms zusammenzustellen. Bei den Dutzenden von Kaufleuten, die mit riesigen, langsam vorankommenden Kamel- oder Ochsenkarawanen nach Gaza zogen, fiel es mir als ehemaligem Kundschafter der Armee nicht schwer, ihren Weg zurückzuverfolgen. Kein Handelszentrum kann geheim bleiben, und seine Bewacher können keine Fremden davon abhalten, die Stadt zu betreten. Petra war im Grunde ein für alle zugänglicher Ort.
Schon vor unserer Ankunft dort prägte ich mir viele Dinge ein, die ich Vespasian berichten wollte. Die felsige Umgebung war eindrucksvoll, aber es gab auch viel Grün. Nabatäa besaß reichlich Frischwasserquellen. Berichte über Viehzucht und Ackerbau erwiesen sich als zutreffend. Es mangelte an Pferden, dafür gab es überall Kamele und Ochsen. Entlang der Bergtäler wurde eifrig Bergbau betrieben, und wir entdeckten bald, daß die Einheimischen feinste Keramik in großen Mengen herstellten, alle mit Blumen- und anderen Mustern reich verziert. Kurz, selbst ohne die Einnahmen aus den Zöllen gab es hier genug, um das wohlwollende Interesse Roms zu wecken.
»Na ja«, entfuhr es Helena. »Ich schätze, du kannst deinem Herren berichten, daß das reiche Königreich Nabatäa mit Sicherheit einer Annexion durch das Imperium würdig ist.« Sie verglich mich mit einem habgierigen, Provinzen einheimsenden Patrioten, was für eine Beleidigung!
»Mach mich nicht an, Prinzessin …«
»Wir haben ihnen ja so viel zu bieten!« stichelte sie; unter der politischen Ironie galt ihr Spott mir.
Ob die reichen Nabatäer die Dinge ebenso sehen würden wie Rom, war allerdings eine ganz andere Sache. Helena wußte das. Das Land hatte seine Unabhängigkeit seit Jahrzehnten erfolgreich verteidigt und sah seine Aufgabe darin, die Karawanenwege durch die Wüste sicher zu machen und Händlern aller Art einen Markt zu bieten. Die Nabatäer waren erfahren in Friedensverhandlungen mit Möchtegern-Invasoren, von den Nachfolgern Alexanders bis zu Pompeius und Augustus. Sie besaßen eine freundliche Monarchie. Ihr derzeitiger König Rabel war ein Jüngling, dessen Mutter als seine Regentin fungierte, was offenbar nicht zu Problemen führte. Der Hauptteil der routinemäßigen Regierungsarbeit fiel dem höchsten Minister zu. Diese eher finstere Figur wurde »der Bruder« genannt. Ich hatte eine vage Vorstellung, was das bedeutete. Doch solange die Einwohner Petras offenbar im Überfluß schwelgten, konnten sie wohl jemanden verkraften, der ihnen Furcht und Haß einflößte. Jeder hat gern eine Autoritätsfigur, über die er sich aufregen kann. Man kann nicht für alles dem Wetter die Schuld geben.
Das Wetter war übrigens fabelhaft. Warmes Sonnenlicht wärmte die Felsen und überzog alles mit funkelndem Schleier.
Wir setzten unseren Aufstieg fort.
Als wir zum zweiten Mal anhielten, jetzt weit mehr außer Atem, löste ich die Wasserflasche von meinem Gürtel. Wir saßen Seite an Seite auf einem großen Stein, zu erhitzt zum Streiten.
»Was ist los?« Eine von Helenas Bemerkungen hatte einen Nerv getroffen. »Hast du rausgefunden, daß ich für den Oberspion arbeite?«
»Anacrites!« schnaubte sie verächtlich.
»Na und? Er ist ein Schleimer, aber auch nicht schlimmer als die anderen Kriecher in Rom.«
»Ich dachte, du würdest wenigstens für Vespasian arbeiten. Du hast mich die ganze Zeit in dem Glauben gelassen, daß …«
»Ein Versehen.« Inzwischen war ich selbst davon überzeugt. »Wir sind nur zufällig nie auf das Thema gekommen. Außerdem, was macht das schon für einen Unterschied?«
»Ein Anacrites, der auf eigene Faust aktiv wird, ist eine Bedrohung für dich. Ich traue dem Mann nicht.«
»Ich auch nicht; du kannst dich also wieder abregen.« Sie hier raufzuschleppen, war eine gute Idee gewesen; ihr blieb ganz offensichtlich keine Kraft, sich mit mir zu zanken. Ich gab ihr mehr zu trinken und hielt sie auf dem Felsen fest. Der weiche Sandstein war eine einigermaßen erträgliche Rückenstütze, wenn man einen muskulösen Rücken besaß; ich lehnte mich dagegen und brachte Helena dazu, sich an mich zu lehnen. »Genieß die Aussicht und sei wieder nett zu dem Mann, der dich liebt.«
»Ach, der!« spottete sie.
Unser Streit hatte ein Gutes: Als wir gestern unsere vor der Stadt liegende Karawanserei verlassen hatten und Petra durch die berühmte enge Schlucht betraten, hatten wir uns so heftig gestritten, daß keine der Wachen uns groß beachtete. Ein Mann, der die Schimpfkanonaden seiner Frau zu ertragen hat, kann fast überall ungehindert einreiten; bewaffnete Geschlechtsgenossen behandeln ihn stets mit Sympathie. Während die Männer uns den erhöhten Damm entlang und durch die enge Felsspalte dirigierten und uns dann unter dem monumentalen Bogen hindurchscheuchten, war ihnen nicht bewußt, daß Helena trotz ihrer wüsten Schimpferei gleichzeitig mit den scharfen Augen und dem wachen Geist eines Caesaren ihre Befestigungsanlagen auskundschaftete.
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