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Ein römischer Detektiv in Britannien: Der fesselnde historische Kriminalroman »Mord in Londinium« von Lindsey Davis jetzt als eBook bei dotbooks. Britannien, 75 nach Christus. Marcus Didius Falco, der brillanteste Privatermittler Roms, wird unvermittelt aus seinem wohlverdienten Urlaub gerissen: Ein ehemaliger Vertrauter des britischen Königs wurde ermordet aufgefunden, noch dazu in einem der anrüchigsten Viertel Londiniums. Falco erkennt sofort das diplomatische Gewicht des Mordes, und weil ein Konflikt mit Rom ohne sein Eingreifen unvermeidlich scheint, nimmt er die Ermittlungen auf. Mit Scharfsinn und Beharrlichkeit kommt er einer düsteren Verschwörung auf die Spur – und gerät plötzlich selbst in Gefahr: Ein alter Feind ist erneut erwacht, und er sinnt nach Rache … »Wie immer kombiniert Lindsey Davis eine fesselnde Handlung mit kernigen Dialogen und einer komischen – aber nicht cartoonhaften – Darstellung der Vergangenheit in all ihrer blutigen Pracht.« The Guardian Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der packende historische Roman »Mord in Londinium« von Bestsellerautorin Lindsey Davis – der 14. Fall ihrer Reihe historischer Kriminalromane rund um den römischen Ermittler Marcus Didius Falco. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 537
Veröffentlichungsjahr: 2022
Über dieses Buch:
Britannien, 75 nach Christus. Marcus Didius Falco, der brillanteste Privatermittler Roms, wird unvermittelt aus seinem wohlverdienten Urlaub gerissen: Ein ehemaliger Vertrauter des britischen Königs wurde ermordet aufgefunden, noch dazu in einem der anrüchigsten Viertel Londiniums. Falco erkennt sofort das diplomatische Gewicht des Mordes, und weil ein Konflikt mit Rom ohne sein Eingreifen unvermeidlich scheint, nimmt er die Ermittlungen auf. Mit Scharfsinn und Beharrlichkeit kommt er einer düsteren Verschwörung auf die Spur – und gerät plötzlich selbst in Gefahr: Ein alter Feind ist erneut erwacht, und er sinnt nach Rache …
»Wie immer kombiniert Lindsey Davis eine fesselnde Handlung mit kernigen Dialogen und einer komischen – aber nicht cartoonhaften – Darstellung der Vergangenheit in all ihrer blutigen Pracht.« The Guardian
Über die Autorin:
Lindsey Davis wurde 1949 in Birmingham, UK, geboren. Nach einem Studium der Englischen Literatur in Oxford arbeitete sie 13 Jahre im Staatsdienst, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Ihr erster Roman »Silberschweine« wurde ein internationaler Erfolg und der Auftakt der Marcus-Didius-Falco-Serie. Ihr Werk wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Diamond Dagger der Crime Writers' Association für ihr Lebenswerk.
Bei dotbooks erscheinen die folgenden Bände der Serie historischer Kriminalromane des römischen Privatermittlers Marcus Didius Falco:
»Silberschweine«
»Bronzeschatten«
»Kupfervenus«
»Eisenhand«
»Poseidons Gold«
»Letzter Akt in Palmyra«
»Die Gnadenfrist«
»Zwielicht in Cordoba«
»Drei Hände im Brunnen«
»Den Löwen zum Fraß«
»Eine Jungfrau zu viel«
»Tod eines Mäzens«
»Eine Leiche im Badehaus«
»Mord in Londinium«
»Tod eines Senators«
»Das Geheimnis des Scriptors«
»Delphi sehen und sterben«
»Mord im Atrium«
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eBook-Neuausgabe März 2022
Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2002 unter dem Originaltitel »The Jupiter Myth« bei Century, London.
Copyright © der englischen Originalausgabe 2002 by Lindsey Davis
Copyright © 2006 für die deutschsprachige Ausgabe by Knaur Taschenbuch.Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München.
Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/cosma, Roboca
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)
ISBN 978-3-96655-982-9
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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags
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Lindsey Davis
Mord in Londinium
Ein Fall für Marcus Didius Falco
Aus dem Englischen von Susanne Aeckerle
dotbooks.
Für Ginny,
die es verdient hat
Also, hör mal,
du wirst ja wohl kaum eine halbe Seite
sentimentales Geschwätz erwarten.
Dass du ein Schatz und eine Inspiration
und eine treue Freundin bist,
die ein Jahr lang unter Stress leiden musste,
werde ich selbstverständlich nicht erwähnen.
Schließlich handelt es sich hier
um eine britische Widmung!
M. Didius Falco: ein Revisor auf Urlaub
Helena Justina: Gefährtin seines Lebens und Herzens, das arme Ding
Maia Favonia: Falcos Schwester, eine Witwe (steuert auf Ärger zu)
L. Petronius Longus: ein Offizier der Vigiles (steuert auf Maia zu)
S. Julius Frontinus: Statthalter von Britannien (meint, er habe das Sagen in der Provinz)
G. Flavius Hilaris: Finanzprokurator (der wirklich das Sagen hat)
Aelia Camilla: Helenas Tante, seine Frau (die das Sagen über Flavius Hilaris hat)
König Togidubnus: ein römischer Verbündeter mit eigenem Kopf
Verovolcus: Vergangenheit; Opfer eines britannischen Raubüberfalls
Flavia Fronta: eine »anständige« Schankkellnerin, angeblich
Crixus: ein respektloser Zenturio, der alles weiß
Silvanus: noch ein Zenturio, der es besser wissen sollte
Norbanus Murena: ein »charmanter« Immobilienmensch; vielleicht ein Verdächtiger
Popillius: ein »ehrlicher« Anwalt; definitiv verdächtig
Amazonia ... alias Chloris: eine Kämpferin mit Zukunft ... Ärger aus der Vergangenheit
»Der Sammler«: arbeitet im Büro; ein feiger Zuhälter
Epaphroditus: ein mutiger Bäcker in wirklich echten Schwierigkeiten
Albia: eine verstörte junge Überlebende
Firmus: ein Sonnenanbeter im Zolldienst
Amicus: der offizielle Folterknecht
Spleiß: eine andere Art Überzeugungskünstler
Pyro: ein überzeugender Brandstifter
zu zahlreiche Kinder, um sie zu erwähnen: vor allem Julia, Favonia, Marius, Cloelia, Ancus, Rhea und Flavia
Hunde desgleichen
Schankwirte, Gladiatorinnen, Ganoven, Soldaten, Sklaven usw.
Ein Bär
Eine müde Biene
Londinium, Britannien: August 75 n. Chr.
»Das hängt davon ab, was wir unter Zivilisation verstehen«, sinnierte der Prokurator.
Angesichts der Leiche war ich nicht in Stimmung für philosophische Diskussionen. Wir befanden uns in Britannien, wo die Armee das Gesetz vertrat. So weit von Rom entfernt funktionierte das Gesetz nach Faustregeln, aber hier bedeuteten die besonderen Umstände, dass sich dieser Mord nur schwer beiseite wischen ließ.
Wir waren vom Zenturio eines kleinen örtlichen Militärtrupps gerufen worden. Die Anwesenheit des Militärs in Londinium diente hauptsächlich dazu, den Statthalter Julius Frontinus und seinen Stellvertreter, den Prokurator Hilaris, zu schützen, aber da die Provinzen nicht mit Vigiles bemannt sind, müssen die Soldaten für Ruhe und Ordnung sorgen. Also begab sich der Zenturio an den Tatort, wo er zu einem sehr besorgten Mann wurde. Bei genauerer Betrachtung nahm ein anscheinend lokales Routineverbrechen eine ganz andere »Entwicklung« an.
Der Zenturio berichtete uns, er sei in die Schenke gekommen und habe nur eine normale Messerstecherei oder Prügelei erwartet. Einen Ertrunkenen mit dem Kopf voran in einem Brunnen zu finden war etwas ungewöhnlich, vielleicht sogar aufregend. Der »Brunnen« war ein tiefes Loch in einer Ecke des kleinen Hinterhofs der Schenke. Hilaris und ich beugten uns vor und schauten hinein. Das Loch war mit den wasserfesten Dauben eines massiven germanischen Weinfasses ausgekleidet; das Wasser stand fast bis zum Rand. Hilaris teilte mir mit, dass diese importierten Fässer größer als ein Mensch waren, und nachdem der Wein geleert war, wurden sie oft auf diese Weise weiterverwendet.
Als wir ankamen, war die Leiche natürlich schon entfernt worden. Der Zenturio hatte das Opfer an den Stiefeln herausgezogen und vorgehabt, den Kadaver in eine Ecke zu hieven, bis der örtliche Dungkarren ihn abtransportierte. Des Weiteren hatte er vorgehabt, sich mit einem Becher Wein auf Kosten des Hauses hinzusetzen, während er die Attraktionen der Schankkellnerin beäugte.
Doch da gab es nicht viel Attraktives zu beäugen. Nicht nach aventinischen Maßstäben. Das hängt davon ab, was wir unter attraktiv verstehen, hätte Hilaris sinnieren können, wenn er der Typ dazu gewesen wäre, Kommentare über Kellnerinnen abzugeben. Ich wiederum war der Typ dazu, und sobald wir die schummrige Kaschemme betraten, bemerkte ich, dass die fesche Maid vier Fuß groß war, lüstern schielte und wie alte Stiefelsohlen stank. Sie war zu stämmig, zu hässlich und zu schwer von Begriff für mich. Aber ich stamme aus Rom. Ich lege hohe Maßstäbe an. Das hier war Britannien, erinnerte ich mich.
Jetzt, wo Hilaris und ich vor Ort waren, bestand für niemanden mehr die Chance, umsonst etwas zu trinken zu bekommen. Wir waren Offizielle. Ich meine echte Offizielle. Einer von uns war von verdammt hohem Rang. Ich nicht. Ich war nur ein neuer Emporkömmling im mittleren Rang. Jeder mit Geschmack und Stil hätte sofort mein plebejisches Herkommen gerochen.
»Ich würde die Schenke meiden«, witzelte ich leise. »Wenn in deren Wasser Tote schwimmen, dann ist der Wein garantiert verdorben.«
»Ich werde ihn jedenfalls nicht probieren«, stimmte Hilaris mit taktvollem Unterton zu. »Wir wissen ja nicht, was die so in ihre Amphoren stopfen ...«
Der Zenturio starrte uns an, zeigte seine Verachtung für unsere Art von Humor.
Die Sache kam für mich noch ungelegener als für den Soldaten. Er musste sich nur Sorgen darüber machen, ob er die unangenehmen »Entwicklungen« in seinem Bericht erwähnen sollte. Ich musste entscheiden, ob ich Gaius Flavius Hilaris – dem Onkel meiner Frau – erzählen sollte, dass ich wusste, wer der Tote war. Und davor musste ich noch einschätzen, ob Hilaris selbst die Leiche im Fass gekannt hatte.
Hilaris war hier der Wichtige. Er war Prokurator der Finanzen in Britannien. Um die Sache ins rechte Licht zu rücken: Ich war ebenfalls Prokurator, aber meine Rolle – die theoretisch mit der Aufsicht über die Heiligen Gänse der Juno zu tun hatte – war eine der hunderttausend bedeutungslosen Ehren, die der Kaiser vergab, wenn er jemandem einen Gefallen schuldig und zu geizig war, ihn bar zu bezahlen. Vespasian war der Meinung, meine Dienste hätten genug gekostet, also beglich er verbliebene Schulden mit einem Witz. Das war ich: Marcus Didius Falco, der kaiserliche Possenreißer. Wohingegen der ehrenwerte Gaius Flavius Hilaris, dessen Bekanntschaft mit Vespasian aus ihrer lange zurückliegenden gemeinsamen Armeezeit stammte, nun nur noch direkt unter dem Provinzstatthalter stand. Da der Prokurator Vespasian persönlich kannte, fungierte der liebe Gaius (wie dem Statthalter durchaus bewusst sein würde) als Augen und Ohren des Kaisers, um zu bewerten, wie der neue Statthalter die Provinz führte.
Mich musste er nicht bewerten. Das hatte er vor fünf Jahren getan, als er mich kennen lernte. Ich glaube, ich hatte ganz gut abgeschnitten. Ich wollte gut abschneiden. Das war sogar noch bevor ich mich in die elegante, gewitzte, überlegene Nichte seiner Frau verknallte. Als Einziger im Imperium hatte Hilaris schon immer gemeint, dass sich Helena mit mir zusammentun würde. Wie dem auch sei, er und seine Frau hatten mich jetzt als einen angeheirateten Neffen empfangen, so, als sei das vollkommen natürlich und sogar eine Freude.
Hilaris sah wie ein ruhiger, leicht verstaubter, unschuldiger Bürohengst aus, aber ich hätte nicht mit ihm gewürfelt – zumindest, wenn ich nicht mit den gezinkten Würfeln meines Bruders Festus spielen konnte. Hilaris ging mit der Situation auf seine übliche Art um: neugierig, gründlich und unerwartet energisch. »Hier haben wir einen Briten, der von der römischen Zivilisation nicht sonderlich profitiert hat«, hatte er gesagt, als ihm die Leiche gezeigt wurde. Das war der Moment, als er trocken hinzufügte: »Hängt allerdings wohl davon ab, was wir unter Zivilisation verstehen.«
»Er hat Wasser mit seinem Wein geschluckt, meinst du?« Ich grinste.
»Lieber nicht scherzen.« Hilaris war nicht prüde, und es war kein Tadel.
Er war ein schlanker, gepflegter Mann, nach wie vor aktiv und wach – allerdings grauer und hagerer, als ich ihn in Erinnerung hatte. Er hatte immer schon den Eindruck gemacht, von schwacher Gesundheit zu sein. Seine Frau Aelia Camilla wirkte seit meinem letzten Besuch wenig verändert, und ich war froh, meine Frau und das Jungvolk zu ihnen mitgebracht zu haben.
Bemüht, nicht zu zeigen, dass ich ihn beobachtete, entschied ich, dass er den Toten zu seinen Füßen kannte. Als Berufsdiplomat würde ihm klar sein, warum dieser Tod uns Probleme machen würde. Aber bisher erwähnte er mir gegenüber seine Kenntnis nicht.
Das war interessant.
»Tut mir Leid, Sie hierher gerufen zu haben, Prokurator«, murmelte der Zenturio. Er schien zu wünschen, den Mund gehalten zu haben. Offenbar rechnete er sich aus, auf wie viel zusätzliche Berichterstattung er sich eingelassen hatte, und erkannte verspätet, dass sein Kommandeur ihm den Hades heiß machen würde, weil er die Zivilbehörden eingeschaltet hatte.
»Sie haben das Richtige getan.« Ich hatte Hilaris nie Schwierigkeiten ausweichen sehen. Seltsam, sich vorzustellen, dass dieser Mann in der Armee gedient hatte (Zweite Augusta, meine eigene Legion, zwanzig Jahre vor mir). Er war auch Teil der Invasionstruppen gewesen, zu einer Zeit des pragmatischen Umgangs mit den Einheimischen. Aber drei Jahrzehnte der Bürokratie hatten ihn in dieses seltene, erfolgreiche Wunder verwandelt, einen Beamten im öffentlichen Dienst, der sich an die Vorschriften hielt. Und was noch seltener war, statt hier draußen zu versauern, hatte er die Kunst gemeistert, die Vorschriften funktionieren zu lassen. Hilaris war gut. Das sagte jeder.
Im Gegensatz dazu überdeckte der Zenturio seine Unbeholfenheit durch langsame Bewegungen, wenig Äußerungen und noch weniger Taten. Er war breit gebaut und hatte einen kurzen Hals. Die Füße hielt er weit gespreizt, seine Arme hingen locker herab. Sein Halstuch war mit gerade genug Lässigkeit in seine Rüstung gestopft, um Verachtung für Autorität zu demonstrieren, doch seine Stiefel waren poliert, und sein Schwert und sein Dolch sahen scharf aus. Er war der Typ, der herumsitzen, seine Waffen zwanghaft schleifen und über höhere Offiziere nörgeln würde. Ich bezweifelte, dass er über den Kaiser nörgelte. Vespasian war ein Soldatengeneral.
Vespasian würde wissen, dass die Armee voll mit solchen Gestalten war: nicht so gut, wie ihre Vorgesetzen es sich gewünscht hätten, aber brauchbar genug, um in einer fernen Provinz durchzuhalten, wo es an den Grenzen ruhig und offene Rebellion kein Thema mehr war. Die Legionen in Britannien waren keine Schaumschläger. Bei einer echten Krise ließ sich aus diesem Zenturio etwas machen.
Dies hier war eine Krise. Das hatte der Zenturio zu Recht gespürt. Und um gerecht zu sein, er hatte richtig reagiert. Er hatte den weißen Streifen um den Hals des Toten entdeckt, wo normalerweise ein Torques saß, und die Abschürfungen gesehen, die entstanden sein mussten, als das schwere, ineinander verflochtene Metall von dem Dieb oder den Dieben abgerissen wurde. Er begriff, dass die Sache ernst war. Nicht der Diebstahl selbst war das Problem, doch bei den Stämmen Britanniens wurden schwere Torques aus Gold und Elektrum nur von den Reichen und hoch Geborenen getragen. Dieser Torques, der jetzt fehlte, war ein Abzeichen für Rang. Menschen von Status sterben für gewöhnlich keinen schäbigen Tod allein in einer Schenke, aus welcher Kultur auch immer sie sein mögen. Hier war etwas passiert. Daher hatte der Zenturio einen Boten zum Statthalter geschickt.
Julius Frontinus war das erste Jahr im Amt. Als die Nachricht kam, frühstückte er mit seinem Adlatus bei einer frühmorgendlichen Besprechung. Wir alle waren in der offiziellen Residenz untergebracht, also war ich auch da. »Gaius, gehen Sie hin und schauen Sie, ob Sie das Opfer erkennen«, sagte Frontinus zu Hilaris, der seit Jahrzehnten in Britannien war und daher absolut jeden kannte. Da der Statthalter schon früher mit mir bei der Jagd nach einem Mörder in Rom zusammengearbeitet hatte, fügte er hinzu: »Klingt, als wär das was für Sie, Falco. Sie sollten auch mitgehen.«
Also war ich hier. Ich war als Experte für unnatürliche Todesfälle zum Tatort beordert worden. Aber ich war tausend Meilen von meiner eigenen Wirkungsstätte entfernt. Woher sollte ich das Motiv für den Mord an einem einheimischen Briten kennen oder wo nach dem Mörder suchen? Ich war auf Urlaub und hatte vor zu behaupten, dass ich nichts beizusteuern hätte. Meine offizielle Mission in Britannien war beendet; danach hatte ich Helena nach Londinium gebracht, um ihre Verwandten zu besuchen, aber wir waren eigentlich unterwegs nach Hause.
Als uns dann der Zenturio die klatschnasse Leiche präsentierte, wurde Hilaris still, und auch mir wurde etwas schwummrig. Ich wusste sofort, dass ich möglicherweise in direktem Zusammenhang damit stand, wie das Opfer hierher gekommen war.
Bisher wusste nur ich das.
»Ich frag mich, wer das ist.« Der Zenturio stieß die Leiche mit der Seite seines Stiefels an – nicht mit der Spitze, wo sein großer nackter Zeh das tote Fleisch hätte berühren können. »Wer er war!«, verbesserte er sich mit einem boshaften Lachen.
Der Tote war groß und gut genährt gewesen. Die Strähnen seines langen Haares, die ihm an Kopf und Hals klebten und sich in den Borten seiner Wolltunika verheddert hatten, waren einst wirr und rotgold gewesen. Die Augen, jetzt geschlossen, hatten vor Neugier gestrahlt und pflegten vor gefährlichem Schalk zu blitzen. Ich nahm an, dass sie blau waren, aber ich konnte mich nicht erinnern. Seine Haut war bleich und vom Wasser aufgequollen, aber er war immer hellhäutig gewesen, mit den rötlichen Augenbrauen und Wimpern, die zu einer solchen Hautfarbe gehören. An seinen Unterarmen begannen die feinen Härchen zu trocknen. Er trug eine blaue Hose, teure Stiefel und einen Gürtel mit Lochmuster, in dem sich die karierte Tunika dicht gebauscht hatte. Keine Waffe. Immer, wenn ich ihn lebend sah, hatte er ein langes britannisches Schwert getragen.
Er war stets in Bewegung gewesen. Er sauste herum, war voller Vitalität und ungehobeltem Humor, sprach mich mit lauter Stimme an, warf den Frauen ständig anzügliche Blicke zu. Es kam mir seltsam vor, ihn so still zu sehen.
Ich bückte mich, zog den Ärmel des Opfers hoch und schaute an seiner Hand nach Ringen. Ein großer aus gedrehtem Golddraht war noch da, vielleicht zu eng, um ihn in der Hast herunterzuzerren. Als ich mich aufrichtete, begegnete mein Blick kurz dem von Hilaris. Er hatte gemerkt, dass auch ich wusste, wer der Mann war. Tja, wenn er darüber nachdachte, musste ihm klar sein, dass ich gerade aus Noviomagus Regnensis gekommen war und es daher wissen würde.
»Das ist Verovolcus«, teilte er dem Zenturio undramatisch mit. Ich hielt den Mund. »Ich bin ihm ein oder zwei Mal offiziell begegnet. Er war ein Gefolgsmann, und möglicherweise Verwandter des Großen Königs – Togidubnus vom Stamme der Atrebaten, unten an der Südküste.«
»Wichtig?«, wollte der Zenturio wissen, mit halb begierigem Seitenblick. Hilaris antwortete nicht. Der Soldat kam zu seiner eigenen Schlussfolgerung. Er zog eine beeindruckte Grimasse.
König Togidubnus war ein langjähriger Freund und Verbündeter Vespasians. Für Jahre der Unterstützung war er üppig belohnt worden. In seiner Provinz war er möglicherweise selbst mit dem Statthalter gleichrangig. Er konnte dafür sorgen, dass Flavius Hilaris nach Rom zurückberufen und seiner schwer verdienten Ehren beraubt wurde. Er konnte mir den Schädel einschlagen und mich in einen Graben werfen lassen, ohne dass Fragen gestellt wurden.
»Aber was hat Verovolcus in Londinium gemacht?«, überlegte Hilaris. Es schien eine allgemeine Frage zu sein, obwohl ich spürte, dass sie an mich gerichtet war.
»Weitere offizielle Angelegenheiten?«, fragte der Zenturio unterwürfig.
»Nein. Davon würde ich wissen. Und selbst wenn er aus privaten Gründen nach Londinium gekommen war«, fuhr der Prokurator ruhig fort, »warum würde er dann eine Spelunke wie diese aufsuchen?« Jetzt schaute er mich direkt an. »Ein britannischer Aristokrat, behängt mit teurem Schmuck, setzt sich genauso dem Risiko aus, in einem Loch wie diesem bestohlen zu werden, wie ein einsamer Römer. Hier verkehren nur die Einheimischen – und auch die müssen mutig sein!« Ich ließ mich nicht in das Gespräch hineinziehen, sondern ging über den Hof in die Schenke und schaute mich um. Für eine Weinschenke fehlte es dieser an Charme und Besonderem. Wir hatten sie auf der Mitte einer kurzen, engen Gasse auf dem abfallenden Hügel oberhalb der Kais gefunden. Auf ein paar grob abgeschliffenen Borden standen Karaffen. Zwei Fenster mit Eisengittern ließen etwas Licht ein. Von dem mit dreckigen Binsen bestreuten Boden bis zu den niedrigen, im Schatten liegenden Dachsparren war die Schenke so mies, wie Schenken nur sein können. Und ich hatte schon viele gesehen.
Ich näherte mich der Frau, die anscheinend die Kaschemme führte.
»Ich weiß von nichts«, sprudelte es sofort aus ihr heraus, bevor ich sie irgendwas fragen konnte.
»Sind Sie die Besitzerin?«
»Nein, ich bediene nur.«
»Selbstverständlich!« Dabei gab es kein selbstverständlich. Ich musste nicht in Britannien leben, um zu wissen, dass sie das Verbrechen vertuscht hätte, wenn es möglich gewesen wäre. Stattdessen hatte sie kapiert, dass Verovolcus vermisst werden würde. Es würde Ärger geben, und wenn sie nicht dafür sorgte, dass die Sache heute gut aussah, würde der Ärger für sie noch schlimmer werden. »Wir haben ihn heute Morgen gefunden.«
»Sie haben ihn gestern Abend nicht bemerkt?«
»Wir hatten viel zu tun. Waren ’ne Menge Gäste da.« Ich betrachtete sie mit ruhigem Blick. »Welche Art von Gästen?«
»Was eben so kommt.«
»Könnten Sie das genauer beschreiben? Ich meine ...«
»Ich weiß, was Sie meinen«, schnauzte sie.
»Unzüchtige Mädchen, die hinter Seeleuten und Händlern her sind?«, warf ich ihr trotzdem zu.
»Anständige Leute. Geschäftsleute!« Schmutzige Geschäfte, darauf hätte ich gewettet.
»Hat dieser Mann gestern Abend hier getrunken?«
»Keiner kann sich an ihn erinnern, obwohl es sein könnte.«
Sie sollten sich erinnern können. Er musste jemand aus einer höheren Klasse als die Stammgäste gewesen sein, selbst höher als die anständigen Geschäftsleute. »Wir haben ihn hier bloß mit zappelnden Füßen gefunden ...«
»Wie bitte? Seine Füße haben gezappelt? War der arme Kerl noch am Leben?« Sie wurde rot. »Nur so eine Redensart.«
»Also war er nun tot oder nicht?«
»Er war tot. Natürlich war er tot.«
»Woher wussten Sie das?«
»Was?«
»Wenn nur seine Füße zu sehen waren, woher konnten Sie wissen, in welchem Zustand er sich befand? Hätte es eine Möglichkeit gegeben, ihn wiederzubeleben? Sie hätten es wenigstens versuchen können. Ich weiß, dass es Ihnen völlig egal war; der Zenturio musste ihn rausziehen.«
Sie senkte den Blick, ließ sich aber nicht einschüchtern. »Der war hin. Das war doch ganz klar.«
»Vor allem, wenn Sie bereits wussten, dass er gestern Abend in den Brunnen gestopft worden war.«
»Ich hatte keine Ahnung! Wir waren alle überrascht!«
»Nicht so überrascht, wie er es gewesen sein muss«, sagte ich.
Hier war nichts mehr zu holen. Wir überließen es dem Zenturio, die Leiche zu verwahren, bis der Große König benachrichtigt worden war. Gaius und ich traten auf die Gasse hinaus, die als offener Abfluss benutzt wurde. Vorsichtig bahnten wir uns einen Weg, vorbei an dem täglichen Müll und den ausgeleerten Nachttöpfen. Das war schon eklig genug. Wir befanden uns auf terrassenförmig angelegtem Grund unterhalb der beiden niedrigen Geröllhügel, auf denen Londinium stand, nicht weit vom Fluss entfernt. Das ist in jeder Stadt eine üble Gegend. Die beiden Leibwächter des Prokurators folgten uns in diskretem Abstand, zwei Frontsoldaten, die zu diesem Dienst abkommandiert waren und an ihren Dolchen herumfummelten. Sie gaben uns Schutz – teilweise.
Von der schlecht gepflasterten Straße, die diese Enklave mit ausgedehnteren, vielleicht weniger unfreundlichen Gegenden verband, hörten wir das Knarren der Kräne auf den Kais entlang des Tamesis. Es stank beißend nach frisch gegerbtem Leder, einem Haupthandelsgut. Manche Städte schrieben vor, dass sich Gerbereien nur draußen auf dem Land ansiedeln durften, weil sie einen derartigen Gestank verbreiteten, aber Londinium war entweder nicht so pingelig oder nicht so gut organisiert. Angezogen von der Nähe des Flusses, gingen wir dort hinunter.
Wir kamen zwischen neuen Lagerhäusern mit schmalen, dem Flussufer zugewandten Stirnseiten heraus, die sich von den voll gepackten Schiffsanlegern in sicheren Speichertunneln nach hinten erstreckten. Das Flussufer war davon gesäumt, als sei es so geplant worden. Eine große hölzerne Plattform, erst vor kurzem errichtet, diente als Landungsbrücke und Bollwerk gegen die Gezeiten.
Trübsinnig schaute ich auf den Fluss. Der Tamesis war viel breiter als der Tiber bei uns zu Hause, bei Flut mehr als tausend Schritte, bei Ebbe allerdings um ein Drittel schmaler. Gegenüber unseres Kais befanden sich mit Schilf bewachsene Inseln, die bei Flut fast überschwemmt wurden, wenn an der vier Meilen entfernten Flussmündung des Tamesis das Sumpfland völlig überspült war. Straßen von den Häfen im Süden führten dort drüben zum Südufer, trafen an einem Punkt zusammen, von dem aus schon immer Fähren den Fluss überquert hatten. Es gab eine Holzbrücke von der Hauptinsel, in einem etwas seltsamen Winkel.
Der Prokurator neben mir teilte sichtbar meine melancholische Stimmung. Tod und neblig graue Flussufer rufen dieselbe Wirkung hervor. Wir waren Männer von Welt, aber uns schmerzte das Herz.
Niedergeschlagen durch unsere Umgebung, war ich noch nicht bereit, den Tod von Verovolcus anzusprechen. »Ihr habt die Brücke reparieren lassen, wie ich sehe.«
»Ja. Boudicca benützte sie, um zu den Siedlungen auf dem Südufer zu kommen – und ihre Truppen haben sich sehr bemüht, die Brücke zu zerstören.« Hilaris klang trocken. »Wenn dir die hier ziemlich schief vorkommt, dann liegt es daran, dass sie nicht dauerhaft gebaut ist.« Das Brückenthema amüsierte ihn eindeutig. »Falco, ich erinnere mich an die nach der Invasion errichtete Brücke, die ausschließlich für militärische Zwecke bestimmt war. Das waren bloß überdeckte Pontons. Später wurden feste Stützen eingerammt – aber immer noch aus Holz, also haben wir sie wieder rausgerissen. Man entschied, eine anständige Steinbrücke würde ein Ausdruck von Dauerhaftigkeit in der Provinz sein, daher wurde diese gebaut.«
Ich machte bei der Satire mit. »Du sagtest, auch die hier sei nicht dauerhaft?«
»Nein. Die dauerhafte Brücke wird in gerader Linie über den Fluss zum Forum führen, damit die Menschen beim Ankommen einen großartigen Blick haben, quer über den Fluss und den Hügel hinauf.«
»Und für wann ist die dauerhafte Brücke geplant?«, fragte ich lächelnd.
»Für in etwa zehn Jahren, würde ich sagen«, meinte er düster. »Bis dahin haben wir diese, die wir die dauerhaft provisorische Brücke nennen könnten – oder die provisorisch dauerhafte.«
»Sie ist versetzt gebaut, damit man, während die endgültige Version errichtet wird, weiterhin einen Übergang hat?«
»Genau! Wenn du den Fluss jetzt überqueren willst, würde ich dir raten, die Fähre zu benutzen.«
Ich hob die Augenbrauen. »Warum?«
»Die Brücke ist provisorisch, darum halten wir sie nicht instand.«
Ich lachte.
Hilaris verfiel dann in eine nachdenkliche Stimmung. Er genoss es, Geschichtsunterricht zu geben. »Ich erinnere mich noch daran, als es hier gar nichts gab. Nur ein paar runde Hütten, die meisten davon am anderen Ufer. Auf dieser Seite Obstgärten und Wäldchen. Beim Jupiter, war das hier unwirtlich! Eine zivilisiertere Siedlung entstand erst nach der römischen Invasion. Aber wir saßen noch draußen in Camulodunum, der Provinzhauptstadt der Briten. Das war verdammt lästig, kann ich dir sagen. Unsere Anwesenheit rief böses Blut hervor; während der Rebellion war es der erste Ort, den wir verloren.«
»In Neros Zeit war Londinium schon attraktiv genug für Boudiccas Energie«, erinnerte ich mich bitter. »Ich habe es gesehen ... Na ja, ich sah, was hinterher davon übrig geblieben war.«
Hilaris hielt inne. Er hatte vergessen, dass ich während des Aufstands der Icener hier gewesen war, ein junger Bursche, der von grausigen Erfahrungen fürs Leben gekennzeichnet wurde. Spuren der Feuersbrunst waren bis heute zu sehen. Erinnerungen an Leichen und abgeschlagene Köpfe in den Flüssen würden nie vergehen. Die ganze Atmosphäre hier bedrückte mich immer noch. Ich würde froh sein, wenn ich hier wegkam.
Hilaris war damals auch in Britannien gewesen. Ich war ein einfacher Fußsoldat, und das in einer Legion, die Schande über sich gebracht hatte; er war ein junger Beamter im Elitestab des Statthalters. Unsere Wege hätten sich nie gekreuzt. Nach einem Augenblick fuhr er fort. »Du hast Recht; die Brücke wird alles verändern. Der Fluss bildete eine natürliche Grenze. Die Atrebaten und Cantii durchstreiften den Süden, die Trinovanten und Catuvellauni den Norden. Die Überschwemmungsgebiete waren Niemandsland.«
»Wir Römer waren die Ersten, die den Korridor ausnutzten, den Fluss zur Wasserstraße machten?«
»Bevor wir vernünftige Straßen gebaut haben, war er am besten für den Nachschubtransport geeignet, Marcus. Die Flussmündung ist bis hier herauf schiffbar – und in den Anfängen waren Schiffe sicherer als der Transport über Land. Die Schiffe können mit der einen Flut hereinkommen und mit der nächsten wieder auslaufen. Nach der Rebellion machten wir Londinium zur Provinzhauptstadt, und jetzt ist es ein bedeutendes Importzentrum.«
»Neue Stadt, neues formelles Verwaltungszentrum ...«
»Und neue Probleme«, sagte Hilaris mit ungewöhnlicher Heftigkeit.
Welche Probleme? Wusste er bereits, womit wir es zu tun hatten? Es schien ein Stichwort zu sein, um über den Tod des Briten zu sprechen.
»Verovolcus«, gab ich zu, »könnte in diesem Viertel nahe dem Fluss gewesen sein, um eine Überfahrt nach Gallien in die Wege zu leiten.«
Ich stellte keine offenkundige Verbindung zu den Problemen her. Was auch immer die sein mochten, das konnte warten. Hilaris wandte mir sein sauber gekämmtes Haupt zu und betrachtete mich. »Du wusstest über Verovolcus’ Schritte Bescheid? Warum wollte er nach Gallien?«
»Exil. Er war in Ungnade gefallen.«
»Exil!« Andere hätten mich sofort gefragt, wieso. Ganz der pedantische Beamte, wollte Hilaris wissen: »Hast du das dem Statthalter gesagt?«
»Noch nicht.« Jetzt blieb mir keine andere Wahl mehr. »Oh, ich mag Frontinus. Ich hab schon früher mit ihm zusammengearbeitet, Gaius, und ebenfalls in vertraulicher Mission. Aber du bist der alte Hase in dieser Provinz. Ich hätte es eher dir erzählt.« Ich lächelte, und der Prokurator erkannte das Kompliment an. »Ist eine blöde Geschichte. Verovolcus hat einen Beamten ermordet. Seine Motive waren fehlgeleitet, er erwartete königlichen Schutz – aber er hatte Togidubnus falsch eingeschätzt.«
»Du hast ihn bloßgestellt.« Eine Feststellung, keine Frage. Hilaris wusste, wie ich arbeitete. »Und du hast es dem König gesagt?«
»Ich musste.« Das war alles andere als leicht gewesen. Verovolcus war ein enger Vertrauter des Königs gewesen. »Es war eine heikle Situation. Der König ist praktisch unabhängig, und wir befanden uns in seinem Stammesgebiet. Ihm eine römische Lösung aufzudrängen war nicht leicht. Zum Glück ist Togi an freundschaftlichen Beziehungen gelegen, also stimmte er schließlich zu, dass dieser Mann verschwinden musste. Mord ist ein Kapitalverbrechen, aber es schien das Beste, was ich erreichen konnte. Von unserer Warte aus hatte ich das Gefühl, dass ich mich eher auf das Exil einlassen konnte, statt auf ein öffentliches Gerichtsverfahren und eine Hinrichtung. Verovolcus nach Gallien zu schicken war mein Angebot für uns alle, um über die Affäre Stillschweigen zu bewahren.«
»Sauber gelöst«, stimmte Hilaris, der Pragmatiker, zu. Britannien war seit der Rebellion eine schwierige Provinz. Die Stämme hätten es vielleicht nicht hingenommen, dass ein angesehener Gefolgsmann des Königs für den Mord an einem römischen Beamten bestraft worden wäre. Verovolcus hatte den Mord begangen (davon war ich überzeugt), aber dem Statthalter hätte es nicht gefallen, die rechte Hand des Königs zum Tode verurteilen zu müssen, und wenn Frontinus öffentlich Milde hätte walten lassen, hätte er schwach gewirkt, sowohl hier als auch in Rom.
»Verovolcus war mit Gallien einverstanden?«
»Er war nicht erpicht darauf.«
»Londinium wurde ihm nicht als Alternative gestattet?«
»Kein Ort in Britannien. Ich hätte Londinium offiziell zum Sperrgebiet erklärt, wenn ich je daran gedacht hätte, dass Verovolcus hier auftauchen könnte.«
»Und der König?«
»Er wusste, dass Gallien besser war als die übliche einsame Insel.«
»Aber da Verovolcus stattdessen in einer Schenke in Londinium getötet wurde, könnte der König ziemlich ausrasten«, meinte Hilaris düster.
»Wird er bestimmt«, sagte ich.
Er räusperte sich, als zögerte er. »Wird er vermuten, dass du den Mord organisiert hast?« Ich zuckte die Schultern.
Da ihm die Arbeit von Geheimagenten nicht fremd war, wandte sich mir Flavius Hilaris direkt zu und fragte offen:
»Hast du?«
»Nein.«
Er fragte nicht, ob ich es getan hätte, wenn es mir eingefallen wäre. Ich kaute am Fingernagel, fragte es mich selbst.
»Du hast gesagt, Verovolcus hätte jemanden umgebracht«, fuhr Hilaris fort. »Könnte dieses Ertränken eine Art von Rache sein, Marcus?«
»Unwahrscheinlich.« Ich war mir ziemlich sicher. »Es gibt niemanden, der daran Interesse haben könnte. Er hat den Architekten umgebracht, den Projektleiter für den neuen Palast des Königs.«
»Was? Pomponius?« Als Finanzprokurator musste Hilaris letztlich alle Rechnungen für den Palast des Königs abzeichnen. Daher wusste er, wer der Architekt war – und dass er tot war. Er musste auch meine Berichterstattung danach gesehen haben. »Aber in deinem Bericht stand ...«
»Alles, was drinstehen musste.« Ich spürte ein leichtes Unbehagen, als hätten Hilaris und ich uns in dieser Sache vor unterschiedlichen Herren zu verantworten. »Ich war auf der Baustelle, um die Probleme zu beseitigen. Ich habe den Tod des Architekten als ›tragischen Unfall‹ bezeichnet. Es war nicht nötig, durch die Angabe, dass Togis Mann ihn getötet hatte, einen Skandal hervorzurufen. Der König wird seine Leute an die Kandare nehmen, und es werden keine Verbrechen mehr geschehen. Ein Ersatzmann leitet die Baustelle, und er leitet sie gut.«
Hilaris hatte mich ausreden lassen, blieb aber unglücklich. Der Bericht, über den wir sprachen, war an den Statthalter gerichtet, aber ich hatte meine eigene Kopie an Vespasian geschickt. Ich hatte immer vorgehabt, dem Kaiser später einen exakteren Bericht zu übergeben – wenn er es wissen wollte. Die Geschichte ruhen zu lassen könnte ihm helfen, die guten Beziehungen zu seinem Freund, dem König, aufrechtzuerhalten. Mir war das egal. Ich wurde für Ergebnisse bezahlt.
Die Ergebnisse, die Vespasian wollte, bestanden darin, einer Schwemme weit überhöhter Kosten für eine sehr teure Baustelle ein Ende zu bereiten. Er hatte mich geschickt, nominell ein Privatermittler, da ich ein erstklassiger Revisor war. Ich hatte eine Fehde zwischen dem König als Klienten und seinem offiziell ernannten Architekten entdeckt. Als sie mit tödlichen Resultaten aufflammte, standen wir plötzlich ohne jemanden da, der ein chaotisches Multimillionsesterzenprojekt beaufsichtigte. Verovolcus, der diesen Schlamassel verursacht hatte, war nicht mein Lieblingsbrite. Er hatte verdammtes Glück gehabt, dass mir Gallien als schlimmste Bestrafung für ihn eingefallen war.
»Hatte Pomponius Verwandte?« Hilaris war immer noch mit seiner Rachetheorie beschäftigt.
»In Italien. Er hatte einen Lustknaben in Britannien, den es ziemlich getroffen hat, aber der arbeitet auf der Baustelle. Wir haben ihm mehr Verantwortung übertragen; das sollte ihn ruhig halten. Ich kann überprüfen, ob er noch dort ist.«
»Ich werde einen Boten schicken.« Falls Hilaris sich über mich hinwegsetzte, dann tat er es taktvoll – bisher. »Wie heißt er?«
»Plancus.«
»Hat Verovolcus die Tat allein ausgeführt?«
»Nein. Er hatte einen Komplizen. Einen Vorarbeiter. Wir haben ihn verhaftet.«
»Wo befindet er sich jetzt?« Den Göttern sei Dank, dass ich gewissenhaft genug gewesen war, lose Enden zu verknüpfen.
»In Noviomagus. Unter Aufsicht des Königs.«
»Die Strafe?«
»Das weiß ich nicht ...« Jetzt kam ich mir wie ein Schuljunge vor, der seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Flavius Hilaris mochte zwar der Onkel meiner Frau sein, aber wenn ich es vermasselt hatte, würde ich Senge bekommen. »Mandumerus hat nur eine zweitrangige Rolle gespielt, und er ist ein Einheimischer, daher habe ich ihn Togidubnus überlassen.«
»Mandumerus, sagst du.« Hilaris hakte sofort nach. »Ich werde es rausfinden.«
Ich entgegnete nichts. In absehbarer Zeit würde ich nach Rom verschwinden. Dort würde man mich vielleicht in die Mangel nehmen, aber das machte mir nichts aus. Hilaris musste mit den Auswirkungen dieses Schenkenmordes leben, so lange er in Britannien blieb. Die königliche Verbindung war schon unangenehm genug. Zudem befand sich eines von Hilaris’ Privathäusern in Noviomagus, nur eine Meile vom Palast des Königs entfernt. Wodurch der arme Onkel Gaius einen Nachbarschaftsstreit am Hals hatte, als ob der Rest nicht ausreichte.
»Marcus, glaubst du, dass Togidubnus selbst Verovolcus auf diese Weise bestraft hat?«
»Was für ein grauenhafter Gedanke!« Ich grinste. Ich mochte Hilaris, aber die hinterhältigen Gedanken der Bürokraten hören nie auf, mich in Erstaunen zu versetzen. »Der König war verärgert über die hitzköpfige Tat des Mannes – aber noch verärgerter war er darüber, dass ich ihn überführt hatte.«
»Nun ja, wir sind ihm bisher einen Schritt voraus.«
»Ich hoffe doch nicht, dass du vorschlägst, die Sache zu vertuschen!«, meinte ich sarkastisch.
Daraufhin schaute Flavius Hilaris echt schockiert. »Gute Götter, nein. Aber wir haben eine Gnadenfrist, herauszufinden, was passiert ist – bevor der König anfängt, uns mit Ballistabolzen zu beschießen.« Dass dieser ruhige, zivilisierte Mann einen solchen Militärausdruck benutzte, erinnerte mich daran, wie viel mehr an dem netten Schreibstubenhengst Onkel Gaius dran war, als die meisten Menschen bemerkten.
Ich sah voraus, was kommen würde. »Du meinst, ich hätte die Zeit, das zu tun?«
»Selbstverständlich.« Er strahlte mich an.
Ich seufzte. »Na, vielen Dank.«
»Didius Falco, wir können von außerordentlichem Glück sagen, dass wir dich hier haben.«
O ja. Das war eine absolut vertraute Situation, eine, die schon früher von Klienten ausgenutzt worden war: Ich war darin verwickelt. Ich hatte dafür gesorgt, dass das Opfer seine vertraute Umgebung verließ, und obwohl ich mir einredete, es sei nicht meine Schuld, dass er tot in einer fremden Schenke gelandet war, fühlte ich mich schuldig. Also saß ich fest.
»O Juno! Ich dachte, wir hätten den ganzen Blödsinn hinter uns«, maulte meine Schwester Maia. Alle meine Schwestern sind bekannt dafür, meine Arbeit zu verabscheuen. Maia war zwar tausend Meilen von zu Hause weg, aber sie hielt sich an die aventinische Tradition. »Marcus! Britannien mag nur eine kleine Provinz am Arsch des Imperiums sein, aber muss denn alles, was hier passiert, mit allem anderen in Zusammenhang stehen?«
»Es ist ziemlich ungewöhnlich, in einem Weinfass ertränkt zu werden«, warf Aelia Camilla milde ein.
»Was für ein Fass?«, schnauzte Maia. »Ich dachte, der Mann sei in einen Brunnen gestopft worden.«
»Das bleibt sich gleich. Wein ist eine sehr beliebte Importware. Aus dem Gebiet des Flusses Rhenus in Germanien wird er oft in riesigen Holzfässern geliefert, die sich für wenig Geld gut als Brunnenverschalung eignen.«
Aelia Camilla, die Ehefrau des Prokurators, war eine ruhige, intelligente Frau, die unerschütterliche Mutter einer ganzen Reihe Furcht erregend kluger Kinder. Wie ihr Mann war sie sowohl kompetenter als auch viel umgänglicher, als sie wirkte. Das aufopferungsvolle Paar schien dazu geboren zu sein, das Imperium im Ausland zu vertreten. Sie waren weise, sie waren gerecht. Sie verkörperten edle römische Qualitäten.
Das machte sie bei Kollegen nicht beliebt. Tut es nie. Sie schienen es nicht zu bemerken und beschwerten sich nie. Fachkenntnisse der britannischen Situation ließen sie durchhalten. Unter einem anderen Kaiser hätten sie in die Versenkung verschwinden können. Unter Vespasian blühten sie in erstaunlicher Weise auf.
Die leichte Spannung zwischen Aelia Camilla und meiner Lieblingsschwester Maia machte Helena und mich traurig. Mehrfache Mutter zu sein war nicht genug an Gemeinsamkeit, um Wärme zwischen ihnen hervorzurufen. Maia – modisch, schnippisch, wütend und unverblümt – war ein anderer Typ. Ja, Maias Stern leuchtete in einem anderen Himmel als dem der meisten Menschen. Das war ihr Problem.
Die Szene spielte sich nach dem Mittagessen ab. Sämtliche Beamte wohnten in der Residenz des Prokurators, da der Palast des Statthalters noch nicht gebaut war. Das Leben im Ausland ist ein gemeinschaftliches. Diplomaten sind daran gewöhnt. Das Mittagessen hatte ohne den Statthalter stattgefunden; Frontinus hatte ein Tablett mit in sein Büro genommen. (Wohingegen er beim Abendessen, das immer formell und eine ziemliche Strapaze war, präsidierte.) Daher verspeisten der Prokurator und seine Frau sandiges Brot und verschrumpelte Oliven in alleiniger Gesellschaft der vier Erwachsenen aus meiner Reisegesellschaft. Das Paar war gastfreundlich. Als es darauf bestanden hatte, dass ich Helena Justina zu einem Besuch herbringen sollte, hatte es gewusst, dass wir von unseren beiden kleinen Töchtern begleitet wurden – aber nicht, dass ich auch noch meine launische Schwester, ihre vier lebhaften Kindern, zwei ausgelassene Hunde und meinen mürrischen alten Freund Petronius dabeihatte. Zum Glück waren die beiden ständig streitenden Brüder Helenas und mein großmäuliger Neffe im Süden geblieben, um jagen und saufen zu gehen. Sie konnten jeden Moment hier auftauchen, aber das hatte ich noch nicht erwähnt.
Hilaris, dem ich nähere Einzelheiten versprochen hatte (während ich gleichzeitig hoffte, genau das vermeiden zu können), lag auf einer etwas entfernt stehenden Leseliege, offenbar vertieft in eine Schriftrolle. Ich wusste, dass er zuhörte. Seine Frau sprach für ihn, so wie Helena oft meine Besucher befragte – ob ich anwesend war oder nicht. Der Prokurator und seine Frau teilten sich ihre Gedanken mit, genau wie wir es taten. Wir beide führten wahrhafte römische Ehen: vertrauten unseren ernsten, empfindsamen Frauensleuten Dinge an, die wir niemals unseren männlichen Freunden erzählt hätten. Das hätte zur Dominanz der Frauen führen können – aber die weiblichen Mitglieder der Familie Camillus waren sowieso willensstark. Das war der Grund, warum ich mein Eheweib so mochte. Keine Ahnung, ob das auch auf Hilaris und das seine zutraf.
Petronius Longus, mein bester Freund, fand das nicht gut. Aber er war dieser Tage insgesamt ein Miesepeter. Er war nach Britannien gekommen, um entweder mich oder meine Schwester zu sehen, und mit uns nach Londinium gereist, doch offenbar wollte er eigentlich nur nach Hause. Momentan hockte er auf einem Schemel und schaute gelangweilt. Allmählich wurde er peinlich für mich. Er war in Gesellschaft früher nie ungesellig oder unbeholfen gewesen. Helena glaubte, er sei verliebt. Wohl kaum. Irgendwann war er hinter Maia her gewesen, aber sie sprachen kaum noch miteinander.
»Also, Marcus, Verovolcus war in Schwierigkeiten. Erzähl uns, was mit dem Architekten passiert ist«, gab mir Aelia Camilla das Stichwort. Für eine Diplomatenfrau verhielt sie sich informell, dabei war sie eigentlich schüchtern, und ich hatte immer noch nicht herausbekommen, welchen ihrer beiden Namen sie im persönlichen Gebrauch vorzog.
»Das ist leider vertraulich.«
»Vertuscht?«, warf Helenas Tante gleich ein. Man konnte ihren großen dunklen Augen unmöglich ausweichen. Es war mir immer schwer gefallen, in ihrer Anwesenheit den harten Mann zu spielen. Während sie sich sanft und schüchtern gab, hatte sie mir stets alle möglichen Antworten abgeluchst. »Also, wir stehen alle im Regierungsdienst, Marcus. Wir wissen, wie diese Dinge laufen.«
»Ach, es war ziemlich blöd.« Als ich nachgab, spürte ich Helena lächeln. Sie liebte es, wenn ihre Tante die Oberhand über mich gewann. »Vorstellungen, die aufeinander prallten. Der König und sein Architekt waren wie zwei Kampfhähne, und Verovolcus nahm es auf sich, den Geschmack seines königlichen Herrn auf extreme Weise zu verteidigen.«
»Ich habe Pomponius kennen gelernt«, sagte Aelia Camilla.
»Ein typischer Künstler. Er wusste genau, was seinem Klienten zu gefallen hatte.«
»Stimmt. Aber König Togidubnus befindet sich jetzt in der dritten Umbauphase seines Palastes; er hat feste Ansichten und kennt sich sehr gut mit Architektur aus.«
»War das, was er verlangte, zu teuer? Oder wollte er dauernd Änderungen haben?« Aelia Camilla kannte alle Fallstricke öffentlicher Bauvorhaben.
»Nein, er weigerte sich nur, Entwürfe zu akzeptieren, die ihm nicht gefielen. Verovolcus bekam das alles ab; er sollte zwischen den beiden vermitteln, aber Pomponius verabscheute ihn. Verovolcus wurde für ihn zu einer bloßen Null. Der Brite räumte Pomponius aus dem Weg, damit ein gefügigerer Architekt das Projekt übernehmen konnte.
Es klingt verrückt, aber ich glaube, es war für ihn die einzige Möglichkeit, seine eigene Kontrolle wieder geltend zu machen.«
»Das wirft ein interessantes Licht auf die britannische Situation.« Helena saß auf einem Korbstuhl von der Art, die sie am liebsten mochte. Die Hände über einem gewebten Gürtel gefaltet und die Füße auf einer kleinen Fußbank, hätte sie für die Gedenksteine unterwürfiger Gattinnen Modell sitzen können. Ich wusste es besser. Groß gewachsen, anmutig und ernst, las Helena Justina sehr viel und hielt sich über weltliche Dinge auf dem Laufenden. Dazu geboren, Senatorenkinder auszutragen und großzuziehen, vermittelte sie den meinen Kultur und gesunden Menschenverstand. Und sie behielt mich in der Hand. »Als Vertreter des Fortschritts hatten wir den Großen König: ein idealer Provinzmonarch – zivilisiert, begierig darauf, Teil des Imperiums zu sein, absolut fortschrittsgläubig. Dann war da Verovolcus, sein engster Berater, im Herzen immer noch ein Stammeskrieger. Den römischen Projektleiter zu ermorden war für den König abstoßend, aber Verovolcus verehrte dunklere Götter.«
»Ich habe nie ausführlich über seine Motive nachgedacht«, gab ich zu. »Also war es wirklich nur eine künstlerische Fehde, die aus dem Ruder lief – oder war es politischer? Drückte Verovolcus den Hass der Barbaren auf Rom aus?«
»Wie hat er reagiert, als du ihn mit dem Verbrechen konfrontiert hast?«, fragte Aelia Camilla.
»Er kochte vor Wut. Hat alles abgestritten und geschworen, es mir heimzuzahlen.«
»Genau wie jeder andere in die Enge getriebene Verbrecher«, bemerkte Helena. Unsere Blicke trafen sich. Solche allgemeinen Diskussionen machten mich unruhig. Ein privater Schlafzimmeraustausch wäre mir wesentlich lieber gewesen.
»Also, Marcus, damit ich es richtig verstehe«, drängte ihre Tante weiter. Sie lehnte sich gegen das bestickte Kissen in ihrem Rücken, wobei sich ihre Armreifen bewegten und kleine goldene Lichtpunkte über die kunstvolle Kassettendecke huschten. »Du hast Verovolcus gesagt, er würde nicht des Mordes angeklagt werden, müsse aber ins Exil gehen. Die Strafe für einen Römer wäre die Ausweisung aus dem Imperium.«
»Aber für ihn schlug ich Gallien vor.«
Wir lächelten alle. Gallien war schon länger Teil des Imperiums als Britannien, doch wir waren Römer, und für uns gehörte selbst Gallien zum Hinterwäldlerterritorium.
»Er hätte von Novio direkt nach Gallien segeln können.« Gaius’ nachdenkliche Stimme von seiner Liege aus bewies mir, dass ich Recht hatte: Er hatte zugehört.
»Stimmt. Ich ging davon aus, dass er das tun würde.«
»Würde ein Ritt nach Londinium für seine Freunde nicht vielleicht weniger offensichtlich sein? Weniger beschämend?« Maia mochte Rätsel.
»Oder war er unterwegs zu einem anderen Ziel?«, versuchte es Helena. »Nein. Wenn man sich in Londinium ein Transportmittel sucht, geht es immer direkt hinüber nach Gallien. Er gewann nichts dadurch, hierher zu kommen.«
Petronius sprach, mürrisch wie ein schlecht gelauntes Orakel: »Hinter Britannien gibt es nichts mehr. Der einzige Weg ist zurück!« Er hasste Britannien.
Genau wie ich. Das überspielte ich, solange ich Gast des Prokurators war. Hilaris war schon so lange in Britannien, dass er die nostalgische Sehnsucht nach der wirklichen Welt verloren hatte. Tragisch.
»Wenn Verovolcus nach Londinium kam«, sinnierte Aelia Camilla, »hätte er sich dann verstecken müssen?«
»Vor mir?« Ich lachte. Wie es auch zu viele meiner Freunde und Verwandten taten.
»Er dachte, er sei ein Flüchtling, aber in Wahrheit«, sagte Aelia Camilla zurückhaltend, »hattest du dem Statthalter nichts davon erzählt!« Ich versuchte, mich nicht schuldig zu fühlen.
»Das wusste Verovolcus nicht. Hat er sich vielleicht deswegen in diese üble Gegend verkrochen?«
»Welche üble Gegend, Falco?«, fragte Petronius. Eine berufsmäßige Frage. In Rom war er ein Mitglied der Vigiles.
»Eine Schenke in einer dreckigen Gasse.«
»Welche Schenke?« Zumindest hatte er sich berappelt und zeigte wieder Interesse. Petro war ein großer, aktiver Mann, der sich in schönen Innenräumen eingesperrt zu fühlen schien. Er hätte sich auf einer gepolsterten Liege mit Löwenkopffüßen entspannen können, wie ich es tat, aber er zog es vor, das zu übersehen, was hier als Bequemlichkeit durchging, umklammerte unbequem seine Knie auf dem niedrigen Hocker und scharrte die Wollteppiche mit seinen robusten Militärstiefeln auf.
Ich verspürte ein seltsames Widerstreben, ihm von dem Tatort zu erzählen. »Ein paar düstere kleine Baracken hinter den Kais.«
»Wo genau, Falco?« Seine braunen Augen sahen mich durchdringend an. Petronius spürte, wenn ich ihn aus irgendeinem Grund hinhielt. »Wie kommt man dort hin?«
»Du willst doch nicht sagen, dass du es dir anschauen willst?«
»Nehmen Sie die Straßen vom Forum hinab, biegen Sie links ab und gehen Sie in die schlimmsten Gassen, die Sie sehen«, erklärte Hilaris. »Die Schenke heißt ›Goldener Regen‹ – ziemlich unpassend. Draußen an der Wand war eine verblasste Zeichnung. Hast du die bemerkt, Falco?« Hatte ich nicht. Die Bruchbude war kaum der Ort, wo Jupiter, verkleidet als goldener Regen – oder was auch immer –, durch ein Fenster hereinschießen würde, um sich in die Arme seiner Angebeteten zu werfen. Die Schankkellnerin, die wir dort angetroffen hatten, würde Götter mit Sicherheit abweisen. »Welches Interesse haben Sie daran, Lucius Petronius?«, fragte Hilaris dann. Er sprach höflich, aber ich schätzte, er betrachtete Petro als ein unbekanntes Element, das man unter Beobachtung halten sollte.
»Überhaupt keins.« Petro hatte sämtliches Interesse verloren. Anscheinend.
»Außerhalb unserer Zuständigkeit«, sagte ich mitfühlend. Petro vermisste Rom.
Er warf mir ein bitteres, ziemlich zweideutiges Lächeln zu. Er vermisste sogar seine Arbeit, wie es schien. Vielleicht quälte ihn sein Gewissen. Ich hatte ihm immer noch nicht entlocken können, wie er es geschafft hatte, sich zwei Monate Urlaub zu nehmen. Ich wusste, dass er sich zwischen zwei Posten befand, aber mit seiner Bitte um Versetzung vom Aventin musste er sich sämtliches Wohlwollen seines alten Vigilestribuns verscherzt haben. Der neue würde Petro vermutlich so schnell wie möglich in seinem Wachlokal haben wollen.
»Jede Schenke ist ein guter Hafen für Lucius Petronius!«, meinte meine Schwester bissig. Sie hatten sich gestritten, seit Petro uns erreicht und ihr ihre Kinder gebracht hatte. Er hatte ihr einen Gefallen getan – was Maia überhaupt nicht so sah.
»Gute Idee«, schnauzte Petro zurück, sprang auf und schlenderte zur Tür. Früher wäre ich hinter im hergelaufen, aber ich war inzwischen ein guter Ehemann und Vater. (Na ja, in der Öffentlichkeit gelang es mir meist, mich wie ein solcher zu gebärden.) Helena sog besorgt an ihren Zähnen. Maia warf Petro einen überlegenen Blick nach. Aus Zufall oder absichtlich knallte er hinter sich die Tür zu.
Der Prokurator und seine Frau bemühten sich, nicht zu zeigen, wie überdrüssig sie der Streitereien zwischen ihren Gästen waren.
Ich schloss die Augen und tat, als würde ich einnicken. Keiner fiel darauf herein.
»Bisher war ich der Meinung«, beschwerte sich Helena später bei mir, als wir allein waren, »dass Lucius Petronius und Maia beide zu entscheiden versuchten, was sie wollen. Leider scheinen sie das inzwischen zu wissen – und sie wollen einander nicht.«
Meine Schwester und mein Freund hatten beide eine tragische Vergangenheit. Petro, der einst anscheinend solide, häuslich und nett zu Katzen gewesen war, hatte sich in eine haarsträubende Affäre gestürzt. Er war schon vorher fremdgegangen, aber bei dieser handelte es sich um die Frau eines Kriminellen, was eine Katastrophe war. Selbst sein Tribun reagierte empfindlich darauf, und Petros Frau ließ sich von ihm scheiden. Silvia nahm ihre gemeinsamen Töchter mit nach Ostia, wo sie jetzt mit einem mickrigen Salatverkäufer zusammenlebte; sie demütigte Petronius, wo sie nur konnte.
Maia, die ein ebenso geregeltes Leben geführt hatte, war plötzlich Witwe geworden. So was wird oft begrüßt, aber selbst die Penner und Nichtsnutze, die meine Schwestern heirateten, wurden selten in tripolitanischen Arenen von Löwen gefressen, nachdem sie wegen Blasphemie zum Tode verurteilt worden waren. Wenige Familien auf dem Aventin konnten mit so etwas angeben, und wir versuchten, um Maias Kinder willen, Stillschweigen über die Entehrung zu bewahren. Darüber lügen zu müssen trug zweifellos zu ihrem Gefühl der Vereinsamung bei. Sie hatte auch andere Fehler begangen. Schlimme Fehler. Zum einen hatte sie sich mit Anacrites, dem Oberspion, zum Narren gemacht. Das war eine Situation, über die wir überhaupt nicht sprechen konnten.
»Ich dachte, sie bräuchten bloß Zeit«, seufzte Helena.
»Oh, man könnte sie auch jetzt noch zusammentreiben – aber man bräuchte einen langen Stock dazu.« Petronius Longus war ein großer, kräftiger Kerl, und meine Schwester konnte explosiv sein.
»Besser, wir mischen uns nicht ein, Marcus.«
»Du hast Recht.«
Wenn das Schlechte an der Unterbringung in einer offiziellen Residenz das ständige, oberflächliche Geplauder war, dann war das Gute daran die Gelegenheiten, zu denen Helena und ich uns wegschleichen konnten und total allein waren. Nux, meine Hündin, kratzte zwar gerade draußen an der Tür, aber wir konnten so tun, als hörten wir sie nicht. Unsere beiden kleinen Töchter waren zusammen mit Maias Kindern in der sicheren Obhut von Aelia Camillas Kindermädchen. Selbst unser eigenes nutzloses Kindermädchen war eingespannt worden; ich träumte davon, dass sie bei unserer Abreise hier bleiben würde.
»Das gefällt mir«, sagte ich und streckte mich faul aus. »Was wir brauchen, ist ein Haus mit so vielen Zimmern, dass niemand uns finden kann, und Kohorten gehorsamer Dienstboten, unterwiesen darin, sich geräuschlos zu bewegen und alle zermatschten Essensspuren der Kinder mit tolerantem Lächeln zu beseitigen.«
»Die haben hier einen griechischen Verwalter, der die Tibia spielen kann.«
»Die Doppelflöte! Wir könnten uns so einen besorgen. Wir bräuchten kein neues Kindermädchen, wenn der mit seinem Gedudel die Kinder einschläfert.«
»Dieser hier hat dich gestern Abend jedenfalls ganz schön eingelullt!«, spottete Helena.
»Er spielt miserabel. Außerdem muss ich zugeben, dass ich mit Petro vor dem Essen ein bisschen zu viel getrunken hatte. Ich hab versucht, ihn aufzumuntern.«
»Hat wohl nicht geklappt, Marcus.«
»Lucius Petronius ist kein glücklicher Junge.«
»Sollte er aber sein! Er gerät auf die schiefe Bahn, oder? Das macht er absichtlich«, sagte Helena schneidend. »Und er sollte es verdammt nochmal genießen.«
»Mir hat die schiefe Bahn damals Spaß gemacht. Ich weiß nicht, warum er so unfähig ist ...«
»Hat noch nicht die richtige Seiltänzerin gefunden.«
Helena spielte auf eine alte Freundin von mir an. Sie hatte die Frau zwar nie kennen gelernt, aber sie ließ mich nie vergessen, dass sie von meiner bewegten Vergangenheit wusste.
Um mich zu rächen, schloss ich die Augen mit einem Lächeln, das glückselige Erinnerungen andeuten sollte. Was natürlich ein Fehler war. Meine Gedanken wanderten tatsächlich in die falsche Richtung. Helena wusste das. Sie schlug mich mit einem Kissen, genau auf die Stelle, wo mein Magen das unbefriedigende britannische Mittagessen verdaute.
Petronius hatte jetzt in der Tat aufgehört, eine gesellschaftliche Peinlichkeit zu sein. Er war total verschwunden, hatte mir eine grob verfasste Nachricht hinterlassen, dass er sich verpissen würde. Er teilte nicht mit, ob er die Provinz verlassen würde oder wo ich ihn erreichen könnte. Ich erkundigte mich diskret bei den Dienstboten des Prokurators: Petro war beim Verlassen der Residenz des Statthalters gesehen worden, in einer sehr dreckigen Tunika, wie mir mein pingeliger Sklaveninformant mitteilte. (Also war er wenigstens nicht darauf aus, irgendeine Frau mit karottenrotem Haar zu vögeln, die er vor zehn Jahren zum Reifen zurückgelassen hatte.) Ich fand seine sämtlichen Sachen, noch in seinem Gepäck, unter dem Bett des Gästezimmers, in dem er untergebracht worden war. Wenn sich Petro auf die schiefe Bahn begab, dann in dem dazu passenden schäbigen Stil.
Ich unterdrückte meinen Neid.
In Rom hätte ich angenommen, dass er für die Vigiles eine Überwachung durchführte, und mir nichts dabei gedacht. Hier, einen Kontinent entfernt von seinem offiziellen Revier, konnte diese Erklärung nicht zutreffen. Dass er einfach verschwand, ohne sich vorher mit mir abzusprechen, beunruhigte mich; ich fragte mich, ob er vielleicht noch unglücklicher war, als ich angenommen hatte.
Maia war weniger mitfühlend. »Jetzt weißt du, wie sich Helena fühlt, wenn du einfach wegbleibst, ohne ihr den Grund zu nennen«, wies sie mich zurecht. »Na ja, er ist ein Mann. Er ist gedankenlos und selbstsüchtig. Mehr kann man nicht erwarten.« Sie hatte ihm den Laufpass gegeben, also war es ihr vermutlich egal, aber ihre Kinder mochten ihn seit ihrer langen gemeinsamen Reise quer durch Europa sehr gern; sie bestürmten ihre Mutter, wollten wissen, wo er war. Maia hatte keine Antwort – eine Situation, die ihr noch nie behagt hatte.
»Soll ich heute Abend für ihn mit decken?«, fragte Aelia Camilla, eher besorgt und verwirrt als verärgert. Sie war eine liebenswürdige Frau.
»Nein«, schnaubte Maia. »Und decken Sie nicht mal für ihn mit, wenn er plötzlich wieder auftaucht!«
Petronius tauchte nicht wieder auf.
Von Petronius allein gelassen, begab ich mich am Nachmittag an die Arbeit. Die Bitte, den Verovolcus-Fall aufzuklären, würde mich länger in Londinium festhalten, als ich geplant hatte, aber ich konnte sie dem Prokurator und dem Statthalter nicht abschlagen.
Der Statthalter fand es amüsant, mir das aufzuhalsen. Sextus Julius Frontinus war in den Vierzigern, ein pflichtbewusster Exkonsul, den ich vor zwei Jahren in Rom kennen gelernt hatte. Wir hatten bei den Ermittlungen zu einer Reihe grausamer Frauenmorde zusammengearbeitet. Die meisten Konsuln sind miese Kerle; er schien anders zu sein und hatte mir gefallen. Frontinus besaß alle Voraussetzungen für einen altmodischen Römer von Einfluss: Er war soldatisch, kultiviert, fasziniert von jeder Art administrativem Problem, anständig und absolut aufrichtig. Er hatte mich namentlich als Problemlöser angefordert, um die Rechnungsprüfung für Togidubnus’ Palast durchzuführen. Mein dortiger Erfolg machte mich noch beliebter.
»Wenn irgendjemand rausfinden kann, was mit dem Kumpel des Königs passiert ist, dann sind Sie das, Falco.«
»Süße Worte!« Ich behandle Männer von Rang nie mit falschem Respekt. Wenn er mein Verhalten zu barsch fand, hatte er eben Pech gehabt. Frontinus wusste, dass ich gute Arbeit leisten würde; ich hatte eine ganz gute Vorstellung, worum es bei dem Verbrechen ging, und äußerte die offen: »Ich schätze, dass sich Verovolcus nach Londinium verdrückt hat, in der Hoffnung, unbemerkt zu bleiben. Er wollte nicht aus Britannien weg. Dann hat er sich mit irgendwelchen Einheimischen in der Schenke angelegt. Der Hitzkopf hat sich aufgespielt. Sie wurden sauer. Jemand hat ihn mit dem Arsch nach oben in das mit Fassdauben ausgekleidete Wasserloch gestopft. Während er am Gurgeln war – oder bevor sie ihn reinstopften –, haben sie ihm den Torques runtergezerrt. Dann sind sie abgehauen. Jeder Offizier Ihres Stabes mit etwas Ortskenntnis sollte die Diebe aufspüren können. Sobald man den Torques findet, ist ihre Schuld bewiesen.«
»Nette Theorie«, gab der Statthalter unbewegt zurück. »Ich kann sie akzeptieren. Jetzt beweisen Sie sie, Falco, bevor Togidubnus von der Tragödie erfährt und mit fliegenden Fahnen hier angeprescht kommt.«
Er war sehr prosaisch. Man hatte ihn wohl für Britannien ausgewählt, weil der Kaiser ihn sowohl für tüchtig als auch anpassungsfähig hielt. Aus der Unterhaltung mit Frontinus wusste ich bereits, dass er ein volles Programm vor sich hatte. In den drei Jahren, in denen er Britannien verwalten sollte, hatte Frontinus vor, die Provinz vollkommen zu romanisieren. Er stand kurz davor, eine bedeutende militärische Expansion in die Wege zu leiten, einschließlich einer großen Kampagne gegen die ungezähmten westlichen Stämme, dann vielleicht eine weitere Kampagne in den Norden. Im stabilisierten Inneren des Landes wollte er zehn oder zwölf neue Provinzzentren einrichten, selbstverwaltete coloniae, in denen die Stämme halb autonom waren. Londinium, sein Winterhauptquartier, sollte zu einer Stadt mit Selbstverwaltung werden, und es waren gewaltige Verschönerungsprogramme geplant. Wenn das alles gelang, und davon ging ich aus, würde Britannien verändert sein. Julius Frontinus würde dem Imperium diese unbedeutende barbarische Provinz sauber einverleiben.
Britannien war immer ein schwerer Posten gewesen. Es forderte allen seinen Tribut ab. Flavius Hilaris hatte die Rolle des Finanzprokurators übernommen, nachdem sein Vorgänger, der Gallier, der nach Boudicca wieder Ordnung geschaffen hatte, im Dienst gestorben war. Die Statthalterschaft hatte eine noch schlimmere Geschichte. Suetonius Paullinus war formell in Rom wegen Inkompetenz angeschwärzt worden. Im Vierkaiserjahr wurde sein Nachfolger Turpillianus von seinen militärischen Legaten abgesetzt, die dann – unvorstellbar – Britannien als Komitee regierten. Petilius Cerialis, Frontinus’ direkter Vorgänger, war für absurde Versehen bekannt geworden; er hatte den Posten nur bekommen, weil er mit Vespasian verwandt war.
Frontinus würde seine Sache gut machen. Er war sowohl bestimmt wie auch versöhnlich. Aber das Letzte, was er brauchen konnte, während er sich noch einarbeitete, war eine heikle Situation mit einer toten britannischen Standespersönlichkeit. »Die Sache hat das Potenzial, übel auszugehen, Falco.«
»Ich weiß, Herr.« Ich wandte meinen offenen und vertrauenswürdigen Blick an. Das war ein Blick, den ich früher bei Frauen benutzt hatte und heute noch bei Gläubigern einsetzte. Frontinus könnte durchaus aufgefallen sein, dass ich ein verschlagenes, betrügerisches Ekel war, aber er nahm es hin. Meine nächste Frage war eine aufrichtige: »Flavius Hilaris erwähnte, dass es administrative Probleme gebe. Besteht die Chance, dass ich erfahre, um was es sich handelt?«
»Da fragen Sie lieber ihn. Er kennt sich damit bestens aus.«
Der Statthalter wählte die klassische Ausflucht. Unmöglich zu sagen, ob er überhaupt von den Problemen wusste.
Ich fragte Hilaris. Er schien sich jetzt nicht mehr an seine Erwähnung erinnern zu können.
Na toll. Vielen Dank, Jungs! Sitzt ihr großmächtigen Legaten des Augustus nur weiter gemütlich in euren mit Fresken geschmückten Hauptquartieren und lest Berichte, während ich mich ins Getümmel stürze.
Warum musste ich nur immer an Klienten geraten, die üble Situationen zu verbergen versuchten? Ich verbrachte mehr Zeit damit, die Leute unter die Lupe zu nehmen, die mich anheuerten, statt das zu untersuchen, worum sie mich gebeten hatten.
Wie gewöhnlich weigerte ich mich, meine geheimniskrämerischen Auftraggeber damit durchkommen zu lassen. Wenn da schon ein Scheißhaufen auf dem Marmor liegt, bin ich durchaus in der Lage, selbst reinzutreten. Aufwischen können dann die anderen.
Zuerst suchte ich den Zenturio auf.
Ich dachte, ich würde ihn im Stützpunkt antreffen. Leichter gesagt, als getan. Erstmal musste ich den finden. Ich erinnerte mich an eine Einfriedung aus Holz und Grassoden, hastig errichtet nach der Rebellion, etwas östlich vom Forum. Wir hatten sie hauptsächlich benutzt, um Überlebende zu schützen. Als ich das Gelände fand, war deutlich zu erkennen, dass es schon vor Jahren aufgegeben worden war.
In der Hauptstadt hatte es nie permanent stationierte Legionen gegeben; sie wurden dazu gebraucht, die Grenzen zu bewachen. Dreißig Jahre nach der Eroberung durch Rom gab es immer noch vier aktive Legionen in Britannien – mehr als in jeder anderen Provinz. Das war völlig überzogen und blödsinnig teuer. Es zeigte Roms Furcht nach unserer Beinahe-Niederlage durch Boudicca.