Mord im Atrium - Lindsey Davis - E-Book
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Mord im Atrium E-Book

Lindsey Davis

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Beschreibung

Eine Bedrohung für das Reich: Der fesselnde historische Kriminalroman »Mord im Atrium« von Lindsey Davis jetzt als eBook bei dotbooks. Rom, 76 nach Christus. Ausgerechnet während den Saturnalien, einer Zeit rauschender Feste und Gelage, muss Privatermittler Marcus Didius Falco seinen bislang brenzligsten Fall lösen: Die Seherin Veleda, die an der Spitze der germanischen Revolte gegen das römische Imperium steht, wurde gefangen genommen und nach Rom gebracht. Doch der berüchtigten Freiheitskämpferin gelingt die Flucht. Falco wird die brisante Mission erteilt, Veleda aufzuspüren, bevor sie im Untergrund Unruhen anzetteln kann. Aber um eine Chance zu haben, die Flüchtige im Durcheinander der Straßenfeste zu fassen, ist er auf die Hilfe seines schlimmsten Feindes angewiesen – des arglistigen Meisterspions Anacrites … »Rom wird anschaulich zum Leben erweckt – fremd und doch seltsam vertraut. Und die Geschichte galoppiert in einem ungeheuren Tempo voran, wobei Humor und Spannung gleichermaßen vorhanden sind.« Daily Express Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der packende historische Roman »Mord im Atrium« von Bestsellerautorin Lindsey Davis – der 18. Fall ihrer Reihe historischer Kriminalromane rund um den römischen Ermittler Marcus Didius Falco. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 577

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Über dieses Buch:

Rom, 76 nach Christus. Ausgerechnet während den Saturnalien, einer Zeit rauschender Feste und Gelage, muss Privatermittler Marcus Didius Falco seinen bislang brenzligsten Fall lösen: Die Seherin Veleda, die an der Spitze der germanischen Revolte gegen das römische Imperium steht, wurde gefangen genommen und nach Rom gebracht. Doch der berüchtigten Freiheitskämpferin gelingt die Flucht. Falco wird die brisante Mission erteilt, Veleda aufzuspüren, bevor sie im Untergrund Unruhen anzetteln kann. Aber um eine Chance zu haben, die Flüchtige im Durcheinander der Straßenfeste zu fassen, ist er auf die Hilfe seines schlimmsten Feindes angewiesen – des arglistigen Meisterspions Anacrites …

Über die Autorin:

Lindsey Davis wurde 1949 in Birmingham, UK, geboren. Nach einem Studium der Englischen Literatur in Oxford arbeitete sie 13 Jahre im Staatsdienst, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Ihr erster Roman »Silberschweine« wurde ein internationaler Erfolg und der Auftakt der Marcus-Didius-Falco-Serie. Ihr Werk wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Diamond Dagger der Crime Writers' Association für ihr Lebenswerk.

Die Website der Autorin: www.lindseydavis.co.uk

Bei dotbooks erscheinen die folgenden Bände der Serie historischer Kriminalromane des römischen Privatermittlers Marcus Didius Falco:

»Silberschweine«

»Bronzeschatten«

»Kupfervenus«

»Eisenhand«

»Poseidons Gold«

»Letzter Akt in Palmyra«

»Die Gnadenfrist«

»Zwielicht in Cordoba«

»Drei Hände im Brunnen«

»Den Löwen zum Fraß«

»Eine Jungfrau zu viel«

»Tod eines Mäzens«

»Eine Leiche im Badehaus«

»Mord in Londinium«

»Tod eines Senators«

»Das Geheimnis des Scriptors«

»Delphi sehen und sterben«

»Mord im Atrium«

Ebenfalls bei dotbooks erscheint der historische Roman »Die Gefährtin des Kaisers«.

***

eBook-Neuausgabe April 2022

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2003 unter dem Originaltitel »Saturnalia« bei Century, London.

Copyright © der englischen Originalausgabe 2007 by Lindsey Davis

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2011 für die deutschsprachige Ausgabe by Knaur Taschenbuch. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Amator

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-98690-059-5

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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***

Besuchen Sie uns im Internet:

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blog.dotbooks.de/

Lindsey Davis

Mord im Atrium

Ein Fall für Marcus Didius Falco

Aus dem Englischen von Susanne Aeckerle

dotbooks.

Für Andrew Wallace-Hadrill mit Dank für die langjährige Hilfe und Unterstützung der British School in Rom

Dramatis Personae

* bezeichnet historische Personen

Nux

eine Nuss, aber nie geworfen

Jacinthus

ein Koch, der alles andere sein möchte

Apollonius

ein Weinkellner, der nichts erwartet

*Vespasian Augustus

Kaiser auf Dauer

*Titus Cäsar

Kaiser-für-einen-Tag, der Gutes tun will

Ti Claudius Laeta

ein Schriftrollensekretär

scharf auf die magische Bohne

Ti Claudius Anacrites

Oberspion

auch scharf auf die magische Bohne

Momus

ein Schleimer

auch scharf auf die magische Bohne

*Q. Julius Cordinus G. Rutilius Gallicus

ein Haufen Namen, die man im Auge behalten sollte

M. Quadrumatus Labeo

dessen Haus weniger sicher ist, als er denkt

Drusilla Gratiana

seine Frau, die ihre eigene Medizin nimmt

S. Gratianus Scaeva

ihr Bruder, ein Katarrh-Geplagter

Phryne

eine loyale alte Gefolgsfrau (der nicht zu trauen ist)

Ein Flötenjunge

schweigsam oder zum Schweigen gebracht?

Angestellte Medizinexperten

Aedemon

bietet ägyptischen Empirismus (Entschlackung)

Cleander

bietet griechische Pneumatologie (Ruhe)

Mastarna

bietet etruskischen Dogmatismus (das Messer)

Pylaemenes

bietet chaldaeische Traumtherapie (Gequassel)

Zosime

bietet wohltätige Sozialarbeit für Aesculapius (umsonst)

* Ein valde importantus captivus

auf der Flucht

* Ganna

eine Akolythin, frei herumlaufend

Die IV. Kohorte der Vigiles

L. Petronius Longus

hält sein Trinkvermögen unter Beobachtung

M. Rubella

ein Tribun mit zwei hübschen Nadeln

T. Fusculus

ein Mann vieler Wörter

Scythax

ein Arzt, der keine Hoffnung bietet (und schiefe Stiche)

Sergius

der Mann mit dem weichen Herzen

Legionäre, aus dem Urlaub gerufen

Clemens

Zenturio vom Dienst

Cattus

sein Diener, der nichts vom Dienst hält

Scaurus, Gaudus, Sentius, Paullus, Gaius, Lusius, Minnius, Granius – und es gibt immer einen namens Titus

plus Lentullus

der Dämliche

Dora & Delia (aber nicht Daphne)

professionelle Damen mit einem Eimer voller Knochen

Zoilus

ein Unhold, den man mieten kann

sowie in wichtigen Nebenrollen Prätorianergarden, Vigiles, Spitzel, Kurpfuscher, Gemüse, entlaufene Sklaven, Priester, Priesterinnen, Haushofmeister, Pförtner, Mitglieder der germanischen Gemeinde von Rom, einschließlich:

Ermanus

der Knackarsch, der gerne feiert

und einer ältlichen Vestalin

Auszug aus dem Eid des Hippokrates

»Ich schwöre bei Apollon dem Arzt ... Ich werde ärztliche Verordnungen treffen zum Nutzen der Kranken nach meinem besten Vermögen und Urteil, vor Schädigung und Unrecht aber werde ich sie bewahren.

Ich werde nicht schneiden, sogar Steinleidende nicht, sondern werde das den Männern überlassen, die dieses Handwerk ausüben.

In alle Häuser, in die ich komme, werde ich zum Nutzen der Kranken hineingehen, frei von jedem bewussten Unrecht und jeder Übeltat ...«

Rom: Dezember 76 n. Chr.

Kapitel I

Eines musste man meinem Vater zugutehalten: Er hatte seine Frau nie verprügelt.

»Er hat sie geschlagen!« Die Worte sprudelten regelrecht aus Papa heraus, so begierig war er, meiner Frau Helena zu erzählen, dass ihr Bruder sich häuslicher Gewalt schuldig gemacht hatte. »Er hat’s direkt zugegeben. Camillus Justinus hat Claudia Rufina geschlagen!«

»Ich wette, das hat er dir im Vertrauen gesagt«, schnauzte ich. »Woraufhin du keine fünf Minuten später hier reinplatzt und es uns brühwarm erzählst!« Justinus musste sich bei ihm ein Geschenk besorgt haben, um wieder gut Wetter zu machen. Kaum hatte Papa dem Übeltäter ein exorbitantes »Vergib mir, Liebling«-Präsent verhökert, war mein Vater direkt zu uns geeilt, um zu petzen.

»Mich wirst du bei so was nie erwischen«, prahlte er selbstgerecht.

»Stimmt. Deine Verfehlungen sind heimtückischer.«

In Rom gab es viele trunksüchtige Maulhelden und viele unterdrückte Frauen, die sich weigerten, ihre Männer zu verlassen, doch während ich den Frühstückshonig von meinen Fingern leckte und mir wünschte, Papa würde verschwinden, war mir einmal mehr bewusst, dass es sich bei ihm um eine sehr viel subtilere Persönlichkeit handelte. Marcus Didius Favonius, der sich aus nur ihm bekannten Gründen in Geminus umbenannt hatte, war äußerst kompliziert. Die meisten Menschen nannten meinen Vater einen liebenswerten Schlawiner. Daher waren die meisten Menschen erstaunt, dass ich ihn verabscheute.

»Ich habe deine Mutter nie geschlagen!«

Möglicherweise hörte man mir den Überdruss an. »Nein, du hast sie und deine sieben Kinder einfach im Stich gelassen, hast es Mutter überlassen, uns so gut wie möglich großzuziehen.«

»Ich habe ihr Geld geschickt.« Die Zuwendungen meines Vaters waren ein Bruchteil des Vermögens, das er als Auktionator, Antiquitätenhändler und Verkäufer von Marmorreproduktionen angesammelt hatte.

»Wenn Mama für jeden dämlichen Käufer bröckeliger griechischer ›Originalstatuen‹, die du ihnen angedreht hast, einen Denarius bekommen hätte, dann hätten wir alle nur Pfauen gespeist, und meine Schwestern hätten eine Mitgift bekommen, von der sie sich Tribune als Ehemänner hätten kaufen können.«

Na gut, ich gebe es zu. Papa hatte recht, als er murmelte: »Deinen Schwestern Geld zu geben wäre eine ganz schlechte Idee gewesen.«

Was Papa betrifft, konnte er sich, wenn es absolut unvermeidlich war, auf einen Kampf einlassen. Diesem Kampf zuzuschauen wäre durchaus lohnenswert, falls man vor der nächsten Verabredung noch eine halbe Stunde Zeit und ein Stück Lukanerwurst zum Kauen hatte, während man dort stand. Doch für ihn war die Vorstellung eines Ehemannes, der es wagte, seine streitsüchtige Ehefrau zu schlagen (die einzige Art, die mein Vater kannte, da er vom Aventin stammte, wo Frauen keinen Pardon geben), ebenso abwegig wie die, eine Vestalin dazu zu bringen, ihm einen Becher Wein zu spendieren. Außerdem wusste er, dass Quintus Camillus Justinus der Sohn eines angesehenen, durch und durch liebenswürdigen Senators war. Er war der jüngere Bruder meiner Frau und für gewöhnlich ihr Liebling. Alle sprachen in den höchsten Tönen von Quintus. Davon abgesehen, war er auch mein Liebling. Wenn man über ein paar Schwächen hinwegsah – kleine Marotten wie das Klauen der Braut seines eigenen Bruders oder der Rückzug aus einer ansehnlichen Berufslaufbahn, um nach Nordafrika zu verschwinden und dort Silphion anzubauen (das ausgestorben ist, was ihn aber nicht davon abhielt) –, war er ein netter Bursche. Helena und ich hatten ihn beide sehr gern.

Vom Augenblick ihres Durchbrennens an hatten Claudia und Quintus ihre Schwierigkeiten gehabt. Die übliche Geschichte. Er war zu jung zum Heiraten, sie war viel zu erpicht darauf. Damals waren sie ineinander verliebt, was mehr ist, als die meisten Paare von sich behaupten können. Nach der Geburt ihres kleinen Sohnes hatten wir alle angenommen, dass sie ihre Probleme beiseiteschieben würden. Wenn sie sich scheiden ließen, würde man sowieso von ihnen erwarten, sich erneut zu verheiraten, was noch schlimmer ausgehen könnte. Justinus, der eigentliche Schuldige in ihrer stürmischen Beziehung, würde am meisten verlieren, denn das eine, was er mit Claudia erworben hatte, war der ungehinderte Zugriff auf ihr gewaltiges Vermögen. Sie besaß ein hitziges Temperament, wenn’s darauf ankam, und hatte sich inzwischen angewöhnt, ihre Smaragde bei jeder Gelegenheit zu tragen, um ihn daran zu erinnern, was er verlieren würde (abgesehen von seinem süßen kleinen Sohn Gaius), wenn sie sich trennten.

Helena Justina, meine besonnene Gattin, schaltete sich ein und machte deutlich, auf wessen Seite ihre Sympathien liegen würden. »Beruhige dich, Geminus, und erzähl uns, aus welchem Grund der arme Quintus solchen Ärger hat.« Sie tippte meinem immer noch erregten Vater auf die Brust, um ihn zu besänftigen. »Wo ist mein Bruder jetzt?«

»Dein edler Vater hat verlangt, dass der Schurke das Familienheim verlässt!« Quintus und Claudia lebten bei seinen Eltern, was sicherlich nicht hilfreich war.

Papa, dessen Kinder und Enkel jede Art von Beaufsichtigung ablehnten, vor allem durch ihn, schien vom Heldenmut des Senators beeindruckt zu sein. Er gab sich missbilligend, was bei dem verkommensten Subjekt des Aventin einfach lächerlich wirkte. Papa beäugte mich mit diesen verschlagenen braunen Augen und fuhr sich mit den Händen durch die wirren grauen Locken, die nach wie vor seinen niederträchtigen alten Kopf bedeckten. Er forderte mich geradezu heraus, schnippisch zu werden. Ich wusste, wann ich besser die Klappe hielt. Ich war ja nicht verrückt.

»Und wo soll er dann hin?« Ein merkwürdig hysterischer Ton hatte sich in Helenas Stimme geschlichen.

»Er sagte mir, er hätte sich in dem alten Haus deines Onkels einquartiert.« Der Senator hatte das Anwesen neben seinem eigenen geerbt. Ich wusste, dass das Haus momentan leer stand. Der Senator brauchte die Miete, doch die letzten Mieter waren ganz plötzlich ausgezogen.

»Na, wie praktisch.« Helena klang forsch; sie war eine praktische Frau. »Hat mein Bruder gesagt, warum er der lieben Claudia eine gescheuert hat?«

»Anscheinend«, der Ton meines Vaters war düster – der Drecksack genoss jeden Augenblick –, »ist eine alte Freundin deines Bruders in der Stadt.«

»Oh, ›Freundin‹ ist viel zu hoch gegriffen, Geminus!« Ich blickte Helena zärtlich an und überließ es ihr, sich zu kompromittieren. »Ich weiß natürlich, wen du meinst – Veleda ist ihr Name.« Ganz Rom kannte die Vergangenheit dieser berüchtigten Dame – wenn auch bisher nur wenigen bewusst war, dass je eine Verbindung zwischen Quintus und ihr bestanden hatte. Seine Frau musste jedoch etwas gehört haben. Vermutlich war Quintus selbst so dumm gewesen, es ihr zu erzählen. »Quintus mag der Frau ja einst begegnet sein«, verkündete Helena in dem Versuch, sich selbst zu beruhigen, »aber das war vor langer Zeit, lange bevor er verheiratet war oder auch nur von Claudia gehört hatte, und alles, was damals zwischen ihnen vorgefallen ist, geschah in weiter Ferne.«

»In einem Wald, glaube ich!« Papa rümpfte die Nase, als wären Bäume was Abscheuliches.

Helena wurde hitzig. »Veleda ist eine Barbarin, eine Germanin aus der Gegend hinter der Grenze des Imperiums ...«

»Stammt deine Schwägerin nicht auch von außerhalb Italiens?« Papa setzte jetzt ein anzügliches Grinsen auf, seine Spezialität.

»Claudia stammt aus Hispania Baetica. Absolut zivilisiert. Hintergrund und Situation sind vollkommen anders. Spanien ist seit Generationen romanisiert. Claudia ist römische Bürgerin, während die Seherin ...«

»Oh, diese Veleda ist eine Seherin?«, schnaubte Papa.

»Nicht gut genug, ihr eigenes Verderben vorauszusehen!«, blaffte Helena. »Sie wurde gefangen genommen und für die Hinrichtung auf dem Kapitol nach Rom gebracht. Veleda kann meinem Bruder keine Hoffnung auf Romantik bieten und ist keine Bedrohung für seine Frau. Selbst Claudia mit ihrer ganzen Empfindsamkeit sollte kapieren, dass er mit dieser Frau nichts mehr zu tun haben kann. Was zum Hades mag ihn dann dazu getrieben haben, sie zu schlagen?«

Ein hinterlistiger Ausdruck erschien auf Papas Gesicht. Die Leute behaupten, wir sähen uns sehr ähnlich. So einen Ausdruck hatte ich sicherlich nicht geerbt.

»Möglich wäre«, spekulierte mein Vater (der den Grund natürlich längst kannte), »dass Claudia Rufina ihn zuerst geschlagen hat.«

Kapitel II

Die Saturnalien eigneten sich bestens für einen Familienstreit, da er leicht in dem jahreszeitlich bedingten Spektakel untergehen konnte. Dieser Streit jedoch leider nicht.

Helena Justina spielte den Vorfall herab, solange Papa noch bei uns herumlungerte. Wir lieferten ihm keinen weiteren Tratsch. Schließlich gab er auf. Kaum war er fort, zog Helena einen warmen Mantel über, ließ einen Tragestuhl kommen und eilte fort, um ihren Bruder in dem leeren, eleganten Haus ihres verstorbenen Onkels an der Porta Capena zu trösten. Ich machte mir nicht die Mühe, sie zu begleiten, da ich bezweifelte, dass sie Justinus dort finden würde. Er besaß genug Grips, sich nicht in eine Verliererposition zu manövrieren wie ein zum Untergang verdammter Spielstein auf einem Spielbrett, direkt vor der Nase wütender weiblicher Verwandter.

Mein geliebtes Weib und die Mutter meiner Kinder war eine hochgewachsene, ernste, manchmal eigensinnige junge Frau. Sie bezeichnete sich selbst als »ruhiges Mädchen«, worüber ich nur laut lachen konnte. Allerdings hatte ich gehört, wie sie mich Fremden als talentiert und von gutem Charakter beschrieb, also besaß Helena ein beachtliches Urteilsvermögen. Empfindsamer, als ihr kühles Äußeres verriet, war sie wegen ihres Bruders so beunruhigt, dass ihr der für mich bestimmte Bote des kaiserlichen Palastes entging. Wenn sie ihn bemerkt hätte, wäre sie noch nervöser geworden.

Bei dem Boten handelte es sich um den üblichen faden Sklaven. Er war zurückgeblieben und rachitisch, sah aus, als hätte sein Wachstum mit zehn Jahren aufgehört, obwohl er älter war – älter sein musste, um vertrauenswürdig genug zu sein, allein mit Botschaften auf die Straße geschickt zu werden. Er trug eine zerknitterte, locker gewebte Tunika, kaute an seinen dreckigen Fingernägeln, ließ seinen verlausten Kopf hängen und behauptete auf die herkömmliche Manier, nichts über seinen Auftrag zu wissen.

Ich spielte mit. »Was will Laeta denn?«

»Darf ich nicht sagen.«

»Dann gibst du also zu, dass Claudius Laeta dich zu mir geschickt hat?«

In die Enge getrieben, verfluchte er sich selbst. »Nicht übel, Falco ... Er hat Arbeit für dich.«

»Wird sie mir gefallen? Spar dir die Antwort.« Mir gefiel nie etwas, was aus dem Palast kam. »Ich hole meinen Mantel.«

Rempelnd bahnten wir uns den Weg über das Forum, vollgestopft mit misslaunigen Haushaltsvorständen, die grüne Zweige zur Dekoration heimschleppten, niedergeschlagen wegen der inflationären Saturnalienpreise und dem Wissen, eine Woche vor sich zu haben, in der sie Groll und Streitigkeiten zu vergessen hätten. Viermal erteilte ich Frauen mit harten Gesichtszügen, die Wachskerzen von Tabletts verkauften, eine Abfuhr. Betrunkene lungerten bereits auf den Tempelstufen herum und feierten im Voraus. Bis zu den Festtagen mussten wir noch fast zwei Wochen hinter uns bringen.

Ich hatte schon früher kaiserliche Missionen durchgeführt, für gewöhnlich im Ausland. Diese Aufträge waren immer schrecklich und wurden durch das rücksichtslose Intrigieren unter den kaiserlichen Bürokraten noch verzwickter. Die Hälfte der Zeit drohten ihre internen Machtkämpfe meine Bemühungen zu vernichten und mir den Tod zu bringen.

Zwar offiziell als Schriftrollensekretär bezeichnet, hatte Claudius Laeta einen höheren Rang; er hatte eine Art undefinierte Aufsichtsfunktion über die Innere Sicherheit und den Auslandsgeheimdienst. Das einzig Gute an ihm war in meinen Augen sein endloser Kampf, seinen unerbittlichen Rivalen Anacrites, den Oberspion, zu überlisten, auszutricksen, zu überdauern und niederzumachen. Der Spion arbeitete mit der Prätorianergarde zusammen. Er sollte seine Nase aus der Außenpolitik heraushalten, mischte sich aber ständig ein. Er besaß mindestens eine äußerst gefährliche Außenagentin, eine Tänzerin namens Perella, doch für gewöhnlich taugten seine Hilfskräfte nichts. Bisher hatte das Laeta die Oberhand verschafft.

Anacrites und ich hatten gelegentlich zusammengearbeitet. Lassen Sie mich nicht den Eindruck vermitteln, ich würde ihn verabscheuen. Er war eine schwärende Fistel mit pestilenzialischem Eiter. Etwas so Bösartiges behandle ich nur mit Respekt. Unsere Beziehung basierte auf der reinsten aller Emotionen: Hass.

Verglichen mit Anacrites war Claudius Laeta zivilisiert. Nun ja, er sah harmlos aus, als er sich von der Liege erhob, um mich in seinem feinst ausgemalten Büro zu begrüßen, aber er war ein redegewandter Schleimer, dem ich noch nie getraut hatte. Mich betrachtete er als schmierigen Gauner, allerdings einen, der Intelligenz besaß und noch über andere nützliche Talente verfügte. Wenn wir dazu gezwungen waren, gingen wir höflich miteinander um. Ihm war bewusst, dass zwei seiner drei Herren – der Kaiser selbst und Vespasians älterer Sohn Titus Cäsar – große Achtung vor meinen Fähigkeiten hatten. Laeta war viel zu gerissen, das zu ignorieren. Durch den alten Bürokratentrick, Übereinstimmung mit den festen Ansichten seiner Vorgesetzten zu heucheln, hielt er an seinem Posten fest. Nur vor der Vortäuschung, die Auftragsvergabe an mich sei auf seine Empfehlung hin geschehen, machte er halt. Diese Art von Kriecherei hätte Vespasian sofort durchschaut.

Ich war mir ziemlich sicher, dass es Laeta gelungen war, von der unterschwelligen Fehde zwischen Domitian Cäsar, dem jüngeren Prinzlein, und mir Wind zu bekommen. Ich wusste etwas über Domitian, das der am liebsten aus dem Gedächtnis gelöscht sähe. Er hatte einst ein junges Mädchen getötet, und ich besaß immer noch die Beweise dafür. Außerhalb der kaiserlichen Familie blieb es ein Geheimnis, doch die bloße Tatsache, dass ein Geheimnis existierte, war den scharfen Augen der Obersekretäre zwangsläufig nicht entgangen. Claudius Laeta besaß garantiert eine kodierte Notiz auf einer Schriftrolle, die als Gedächtnisstütze in seinem Columbarium verborgen lag, um mein gefährliches Wissen eines Tages gegen mich zu verwenden.

Nun ja, ich besaß auch Informationen über ihn. Er mauschelte zu viel, um eine reine Weste zu haben. Ich machte mir keine Sorgen.

Trotz dieser Intrigen und Eifersüchteleien wirkte der alte Palast des Tiberius immer erstaunlich frisch und geschäftsmäßig. Das Imperium wurde seit einem Jahrhundert von diesem altersschwachen Monument aus regiert, von guten Kaisern und verkommenen; einige der aalglatten Sklaven dienten hier bereits in der dritten Generation. Der Bote hatte sich davongemacht, als wir durch den Kryptoportikus eingetreten waren. Die Wachen fühlten sich kaum bemüßigt, auch nur mit dem Speer zu fuchteln, und ich suchte mir meinen Weg durch das Innere, betrat Prunkräume, die ich erkannte, und andere, an die ich mich nicht erinnern konnte. Dann geriet ich an die Ordnungskräfte.

Eine Einladung war keine Garantie, auch willkommen zu sein. An den Lakaien vorbeizugelangen erwies sich als das übliche nervtötende Prozedere. Vespasian war bekannt dafür, mit den paranoiden Sicherheitsvorkehrungen Schluss gemacht zu haben, durch die sich Nero vor Attentaten geschützt hatte – inzwischen wurde niemand mehr durchsucht. Das mochte die Öffentlichkeit beeindruckt haben, doch ich wusste es besser. Selbst unser liebenswertester aller Kaiser seit Claudius war zu gewitzt, Risiken einzugehen. Macht zieht Verrückte an. Immer würde es einen Durchgeknallten geben, der in der abartigen Hoffnung auf Berühmtheit mit dem Schwert Amok laufen würde. Daher wurde ich auf der Suche nach Laetas Büro von Prätorianern herumgeschubst, von Kämmerern aufgehalten, die Listen konsultierten, auf denen ich nicht aufgeführt war, musste stundenlang auf Fluren warten und wurde ganz einfach in den Wahnsinn getrieben. Kurz bevor ich ausrastete, ließen mich Laetas ordentlich gekleidete Speichellecker endlich ein.

»Wenn Sie das nächste Mal was von mir wollen, sollten wir uns auf einer Parkbank treffen!«

»Didius Falco! Wie schön, Sie zu sehen. Immer noch mit Schaum vor dem Mund, wie ich sehe.«

Sich weiter aufzuregen wäre genauso sinnlos gewesen wie die Forderung, sich in einer hektischen Imbissbude zur Mittagszeit das Wechselgeld nachzählen zu lassen. Ich zwang mich, ruhiger zu werden. Laeta merkte, dass er es fast zu weit getrieben hatte. Er lenkte ein. »Tut mir ja so leid, dass Sie warten mussten, Falco. Hier ändert sich nichts. Zu viel zu tun und zu wenig Zeit, es zu erledigen – und natürlich herrscht mal wieder Panik.«

»Ich frag mich, was die wohl ausgelöst haben mag!« Womit ich andeutete, dass ich über private Informationen verfügte.

Ich verfügte über nichts.

»Darauf komme ich noch ...«

»Dann machen Sie es kurz.«

»Titus Cäsar schlug vor, ich sollte mit Ihnen reden ...«

»Und wie geht es dem prinzlichen Titus?«

»Oh, hervorragend, hervorragend.«

»Vögelt immer noch die schöne Königin Berenike? Oder haben Sie sich einen Trick ausgedacht, sie in ihre Wüste zurückzuscheuchen und Peinlichkeit abzuwenden?«

Ammen scheinen den aus Ton gebrannten Nuckelflaschen der Säuglinge irgendein Elixier beizufügen, das aristokratische Römer dazu bringt, sich nach exotischen Frauen zu verzehren. Kleopatra hatte ja schon einige der höchsten Tiere Roms vernascht. Titus Cäsar, wie ich ein gutaussehender Bursche in den Dreißigern, war ein liebenswürdiger Prinz, der eine hübsche fünfzehnjährige Patrizierin mit breiten Hüften heiraten sollte, um die nächste Generation flavischer Kaiser zu zeugen, doch stattdessen zog er es vor, sich auf purpurnen Kissen mit der wollüstigen Königin von Judäa rumzuwälzen. Man sagte, es sei wahre Liebe. Tja, von seiner Seite ganz bestimmt; Berenike war ein heißer Feger, aber älter als er, und hatte einen grausigen Ruf für Inzest (womit Rom umgehen konnte) und politische Einmischung (was ganz schlecht war). Das konservative Rom würde niemals diese hoffnungsvolle Dame als kaiserliche Gefährtin akzeptieren. Scharfsinnig in allen anderen Belangen, hielt Titus an dieser unsinnigen Liebesaffäre fest wie ein starrsinniger Halbwüchsiger, den man angewiesen hat, nicht mehr mit dem Küchenmädchen zu knutschen.

Während ich gelangweilt auf eine Antwort wartete, hatte ich mich in diesen düsteren Gedanken verloren. Ohne wahrnehmbare Zeichen waren Laetas Handlanger alle verschwunden. Er und ich waren jetzt allein, und er hatte eine Miene aufgesetzt wie ein Schwertschlucker auf dem Höhepunkt seiner Vorführung: Schau mich an. Die Sache ist äußerst gefährlich! Ich bin kurz davor, mich zu entleiben ...

»Und dann ist da noch Veleda«, sagte Claudius Laeta mit seinem höflichen Bürokratenakzent.

Ich hörte mit dem Tagträumen auf.

Kapitel III

»Veleda ...« Ich tat so, als würde ich mich zu erinnern versuchen, wer sie war. Laeta durchschaute mich.

Ich ließ mich auf einer freien Liege nieder. Mich im Palast zu entspannen gab mir immer das Gefühl, eine eklige Raupe zu sein. Wir Privatschnüffler sind nicht dazu gemacht, uns auf daunengefüllten Kissen auszustrecken, in schimmernder Seide mit imperialen Motiven bestickt. An meinen Stiefeln klebte vermutlich Eselsdung. Ich machte mir nicht die Mühe, auf dem Marmorboden nachzusehen.

»Als Titus Sie vorschlug, habe ich mir Ihre Unterlagen angeschaut, Falco«, erklärte Laeta. »Vor fünf Jahren wurden Sie auf eine Mission nach Germanien geschickt, um bei der Niederwerfung noch verbliebener Rebellen zu helfen. Einiges ist auf mysteriöse Weise aus dem Schriftrollenkasten verschwunden – man fragt sich, warum –, aber es steht eindeutig fest, dass Sie Civilis getroffen haben, den batavischen Rebellenführer, und den Rest kann ich mir denken. Ich nehme an, Sie haben den Rhenus überquert, um mit der Priesterin zu verhandeln?«

Damals, im Vierkaiserjahr, als das Imperium in blutiger Rechtlosigkeit versunken war, waren Civilis und Veleda zwei germanische Aktivisten, die versucht hatten, ihr Gebiet von der römischen Besetzung zu befreien. Civilis war einer der Unseren, ein ehemaliger Auxiliar, ausgebildet in den Legionen, aber Veleda stellte sich uns von fremdem Territorium aus entgegen. Nachdem Vespasian den Thron bestiegen und den Bürgerkrieg beendet hatte, blieben sie beide Unruhestifter – zumindest für eine Weile.

»Falsche Richtung.« Ich lächelte. »Ich setzte aus Batavia über und schlug mich dann nach Süden durch, um sie zu finden.«

»Kleinkram«, schnaubte Laeta.

»Ich war bemüht, am Leben zu bleiben. Offizielle Verhandlungen waren schwierig, solange die Brukterer auf unser Blut aus waren. Sinnlos, geköpft zu werden und unsere Köpfe als Opfergaben im Fluss landen zu lassen.«

»Nicht, wenn man sich mit einer hübschen Blonden oben auf einem Signalturm anfreunden und sich dann ihr Schiff für die Heimreise borgen kann.« Laeta kannte alle Einzelheiten. Er musste meinen »vertraulichen« Bericht gelesen haben. Ich hoffte, er hatte keine Ahnung von den Fakten, die ich weggelassen hatte.

»Was ich tat, und das sehr schnell. Germania Libera ist kein Ort, an dem ein Römer lange verweilen möchte.«

»Tja, die Dinge haben sich verändert ...«

»Zum Besseren?« Das bezweifelte ich. »Bei meiner Abreise hatten sich sowohl Civilis als auch Veleda widerwillig mit Rom versöhnt. Zumindest hatte keiner von beiden weitere bewaffnete Revolten gegen Rom vor, und Civilis saß in seinem Heimatgebiet fest. Welchen Ärger macht die dralle Bruktererin denn jetzt wieder?«

Claudius Laeta stützte nachdenklich sein Kinn auf die Hand. Nach einer Weile fragte er mich: »Ich glaube, Sie kennen Quintus Julius Cordinus Gaius Rutilius Gallicus?«

Ich würgte. »Teilen von ihm bin ich schon begegnet. Allerdings hat er dabei nicht diese ganze Schriftrolle von Namen verwendet.« Er musste adoptiert worden sein. Das war die einzige Möglichkeit, seinen Status zu verbessern. Irgendein wohlhabender Patron auf der verzweifelten Suche nach einem Erben und mit wenig Urteilsvermögen hatte ihn eine gesellschaftliche Stufe hinaufgehievt und ihm einen doppelten Namenszug verpasst. Wahrscheinlich würde er die zusätzlichen Namen so schnell fallen lassen, wie es mit Anstand möglich war.

Laeta rang sich ein mitleidiges Lächeln ab. »Der ehrenwerte Gallicus ist inzwischen Statthalter von Germania Inferior. Er hat’s jetzt mit Förmlichkeit.« Dann war er ein Idiot. Dieser Wunderknabe mit sechs Namen würde immer noch der nichtssagende Senator sein, dem ich zuerst in Tripolitanien begegnet war, wo er als Sonderbeauftragter Land vermessen hatte, um Stammesfehden zu unterbinden. Später hatten wir zusammen eine Lesung unserer Gedichte abgehalten. Wir machen alle Fehler. Meine neigen zur Peinlichkeit.

»Wenn ich mich recht erinnere, ist er nichts Besonderes.«

»Trifft das überhaupt auf einen von denen zu?« Jetzt gab sich Laeta kumpelhaft. »Trotzdem, der Mann macht seine Aufgabe als Statthalter ausgezeichnet. Ich nehme nicht an, dass Sie die Entwicklungen verfolgt haben – die Brukterer sind wieder aktiv. Gallicus ist in Germania Libera eingedrungen, um gegen sie vorzugehen. Während er dort war, hat er Veleda gefangen genommen ...« Und dabei zweifellos meine Wegbeschreibung zu ihrem Versteck benutzt.

Ich war verärgert. »Also hat es überhaupt keine Rolle gespielt, dass ich – auf Vespasians Befehl – der Frau versprochen habe, es würde keine Vergeltungsmaßnahmen geben, sobald sie ihre gegen Rom gerichtete Aufwiegelung einstellen würde?«

»Genau. Das spielte keine Rolle.« Immer noch unter der Vorspiegelung, wir wären Freunde, ließ Laeta jetzt seinen Zynismus raushängen. »Die offizielle Erklärung lautet: Da die Brukterer die Stabilität der Region erneut bedrohten, war davon auszugehen, dass sie ihre Agitation nicht beendet hatte.«

»Andererseits«, meinte ich, »hatte sie sich mit ihrem Stamm zerstritten. Wenn die Brukterer heutzutage Kriegsrüstung anlegen, hat das nichts mit ihr zu tun.«

Eine Pause entstand. Was ich da gesagt hatte, war korrekt. (Ich verfolge Entwicklungen durchaus!) Veleda war sich mit ihren Landsleuten zunehmend uneins geworden. Ihr lokaler Einfluss hatte abgenommen, und selbst wenn Rutilius Gallicus glaubte, er müsse ihre Stammesangehörigen niederwerfen, hätte er Veleda in Ruhe lassen können – lassen sollen.

Er brauchte sie für eigene Zwecke. Veleda war ein Symbol.

Also hatte sie keine Chance.

»Streiten wir uns nicht um Kleinigkeiten, Falco. Gallicus hat einen mutigen Vorstoß auf das Gebiet von Germania Libera gemacht, in legitimer Weise eine gefährliche Feindin Roms entfernt ...«

Ich beendete den Satz für ihn. »Und hofft jetzt auf einen Triumphzug?«

»Triumphzüge sind nur Kaisern vorbehalten. Als General steht Gallicus das Recht auf eine Ovation zu.« Nicht viel anders als ein Triumphzug, nur eine kürzere Prozession, dasselbe in billig. Trotzdem, Ovationen waren selten. Sie kennzeichneten den außerordentlichen Dank der Bürger an einen General, der einen heldenhaften Krieg in uneroberten Gebieten geführt hatte.

»Reine Terminologie! Wird das von Vespasian gefördert?

Oder nur von Rutilius’ Freund bei Hofe – Domitian?«

»Steht Gallicus auf freundschaftlichem Fuße mit Domitian?«

Laeta spielte den Ahnungslosen.

»Sie teilen eine tiefe Bewunderung für grauenhafte epische Dichtkunst ... Sind Germania Libera und all seine fiesen, gewalttätigen, Rom hassenden, mit Wolfsfellen behängten Einwohner nun dank des heroischen Rutilius Teil des Imperiums?«

»Nicht ganz.« Laeta meinte, überhaupt nicht. Nachdem Augustus die drei Varus-Legionen vor siebzig Jahren im Teutoburger Wald verloren hatte, war es offensichtlich, dass Rom niemals in der Lage sein würde, gefahrlos über den Rhenus vorzudringen. Niemand wusste, wie weit sich die dunklen Wälder nach Osten ausdehnten oder wie viele bösartige Stämme das riesige unkartierte Gebiet bewohnten. Ich war kurz dort gewesen. Da gab es nichts für uns. Ich sah ein theoretisches Risiko, dass die feindlichen Stämme eines Tages aus den Wäldern kommen, den Fluss überqueren und uns angreifen würden, aber genau das war es – rein theoretisch. Für sie wäre es kein Vorteil. So lange sie auf ihrer Seite blieben, würden wir auf unserer bleiben.

Außer wenn ein selbstherrlicher General wie Rutilius Gallicus sich veranlasst fühlte, ein verrücktes Abenteuer einzugehen, um seinem hundsmiserablen Status daheim mehr Glanz zu verleihen ...

Missbilligung legte sich wie ein schlechter Geschmack auf meine Zunge. Rutilius war nicht nur ein Idiot, sondern Claudius Laeta war ein Narr, diesem Mann auch nur einen Deut Respekt entgegenzubringen. Legt man die Politik in die Hände solcher Dummköpfe, kann man die Götter schallend lachen hören.

»Unsere alte Entscheidung, gebietsmäßig nicht über den Fluss hinaus vorzudringen, steht immer noch.« Laeta war so selbstgefällig, dass ich ihm am liebsten Tinte aus seinem silbernen Tintenfass über seine makellose weiße Tunika gekippt hätte. »Trotzdem gibt es da ein heikles Gebiet gegenüber von Moguntiacum ...« Dort befand sich eines unserer großen Legionslager auf halber Strecke den Rhenus hinab. »Der Kaiser war einverstanden, dass Gallicus das Gebiet aus Sicherheitsgründen konsolidiert. Wenn er zurückkehrt ...«

»Zurückkehrt?«, warf ich ein.

Laeta blickte verschlagen. »Wir geben nie bekannt, wo sich unsere Statthalter befinden, wenn sie sich außerhalb ihrer Provinz aufhalten ...«

»Oh, er hat sich einen Zwischenurlaub gegönnt.« Das taten sie alle. Sie mussten nachschauen, was ihre Frauen zu Hause anstellten.

Beharrlich fuhr Laeta fort: »Das ist das Problem, verstehen Sie, Falco? Das Problem mit Veleda.«

Ich setzte mich auf. »Er hat sie mit nach Rom gebracht?«

Laeta schloss die Augen nur länger als gewöhnlich und antwortete mir nicht. Ich hatte bereits seit Wochen gewusst, dass Veleda hier war, und war vorzeitig aus Griechenland zurückgekehrt, nur um Ärger mit Justinus zuvorzukommen. »Ah, verstehe! Rutilius hat sie mit nach Rom gebracht – aber Sie geben das nicht zu?«

»Sicherheit ist kein Spiel, Falco.«

»Ich hoffe, Sie sind der bessere Spieler, wenn dem so ist.«

»Der Statthalter wollte aus wohldurchdachten Gründen eine so hochrangige, heikle Gefangene nicht zurücklassen. Das Risiko war zu groß. Eine weibliche Gefangene in einem Armeelager ist immer ein Unruheherd wie auch Anlass für Streiche, die aus dem Ruder laufen können. Ohne den eisernen Griff von Gallicus hätte ihr Stamm eine Rettungsmission in Gang setzen können. Rivalisierende Stämme hätten versuchen können, sie zu ermorden. Die gehen sich doch ständig an die Gurgel. Veleda hätte vielleicht von sich aus fliehen können.«

Die Liste möglicher misslicher Vorfälle klang wie eine nachträgliche Ausrede. Dann machte mich die fast unmerkliche Art, wie Laeta meinem Blick auswich, stutzig. Große Götter. Ich konnte kaum glauben, was passiert sein musste. »Also, Claudius Laeta, lassen Sie es mich ganz deutlich aussprechen: Rutilius Gallicus hat die Priesterin mit nach Rom gebracht, aus ›Sicherheitsgründen‹, und hat sie dann hier entkommen lassen?«

Veleda war eine enorm einflussreiche Barbarin, eine berühmte Feindin, die einst einen ganzen Kontinent aufgewiegelt hatte, gegen Rom zu revoltieren. Sie hasste uns. Sie hasste alles, was wir verkörperten. Sie hatte das nördliche Europa vereint, während wir mit unserem Machtgerangel beschäftigt waren, und uns auf dem Höhepunkt ihrer Aktivität beinahe um Batavia, Gallien und Germanien gebracht. Und jetzt musste ich von Laeta erfahren, dass sie frei herumlief, hier in unserer eigenen Stadt.

Kapitel IV

Claudius Laeta schürzte die Lippen. Er hatte den sorgenvollen Ausdruck eines Spitzenbeamten, der fest entschlossen ist zu verhindern, dass seiner Abteilung die Schuld zugeschoben wird.

»Ist es Ihr Problem?«, murmelte ich boshaft.

»Fällt in den Aufgabenbereich des Oberspions«, verkündete er entschieden.

»Dann betrifft es alle!«

»Sie äußern sich sehr offen über Ihre Differenzen mit Anacrites, Falco.«

»Irgendjemand muss ja offen sein. Dieser Dummkopf wird eine Menge Schaden anrichten, wenn man ihm nicht Einhalt gebietet.«

»Wir halten ihn für kompetent.«

»Dann sind Sie verrückt.«

Wir verstummten beide. Ich dachte über die Auswirkungen von Veledas Flucht nach. Sie konnte hier zwar keinen militärischen Angriff starten, aber ihre Anwesenheit in Rom war eine Katastrophe. Dass sie von einem Exkonsul, einem hochrangigen Provinz-Verwaltungsbeamten, einem der Favoriten des Kaisers hergebracht worden war, würde das Vertrauen der Öffentlichkeit erschüttern. Rutilius Gallicus hatte eine Dummheit gemacht. Das würde Entrüstung und Bestürzung hervorrufen. Der Glaube an den Kaiser würde schwinden. Die Armee würde eine klägliche Figur abgeben. Rutilius – nun ja, wenige Menschen hatten bisher von Rutilius gehört, außer in Germanien. Doch wenn sich das bis dorthin rumsprach, könnte es eine gefährliche Wirkung auf die germanischen Provinzen haben. Veleda war immer noch ein mächtiger Name zu beiden Seiten des Rhenus. Als eine sogenannte Seherin hatte die Frau stets einen Schauder des Entsetzens ausgelöst, der in keinem Verhältnis zu ihrem tatsächlichen Einfluss stand. Trotzdem hatte sie ganze Rebellenarmeen aufgeboten, und diese Rebellen hatten verheerende Schäden angerichtet.

»Jetzt läuft sie frei in Rom herum – und Sie haben nach mir geschickt.«

»Sie sind ihr schon begegnet, Falco. Sie werden sie wiedererkennen.«

»Einfach so?«

Er hatte keine Ahnung. Veledas Aussehen war bemerkenswert. Als Erstes würde sie sich die Haare färben. Die meisten Römerinnen wären gerne blond, aber ein Besuch bei einer kosmetischen Apotheke, und Veleda wäre gut getarnt.

»Sie könnten einen Zuschlag in Rechnung stellen.« Laeta ließ mich geldgierig erscheinen. Er übersah die Tatsache, dass er ein beträchtliches Jahresgehalt erhielt – plus Schmiergelder, plus Pension, plus Hinterlassenschaft, wenn der Kaiser starb –, wohingegen ich mit dem auskommen musste, was ich auf freiberuflicher Basis zusammenkratzen konnte. »Das ist ein nationaler Notfall. Titus meint, Sie besäßen die nötigen Fähigkeiten, Falco.«

Er nannte das Honorar, und mir gelang es, keinen Pfiff auszustoßen. Der Palast betrachtete es tatsächlich als Notfall.

Ich nahm den Auftrag an. Laeta klärte mich über die Hintergründe auf. Es war schlimmer, als ich gedacht hatte. Das waren Missionen des Palastes immer. Nicht viele waren so schlimm wie diese, aber sobald ich Veledas Namen vernommen hatte, war mir klar gewesen, dass dies ein Fiasko von besonderer Art sein würde.

Rutilius Gallicus war vor mehreren Wochen nach Italien zurückgekehrt, hatte im Palast Bericht erstattet, von seinen edlen Bekannten den neuesten Forumsklatsch erfahren und sich dann in den Norden nach Augusta Taurinorum verzogen, wo seine Familie lebte. Das lag kurz vor den Alpen. Mir ging durch den Kopf, dass er durch seine Herkunft Sympathien für die Barbaren in Germanien hegen musste, da er direkt nebenan geboren und aufgewachsen war. Praktisch war er selber Germane.

Ich hatte Minicia Paetina, seine ziemlich provinzielle Frau, kennengelernt. Sie fand mich nicht sympathisch. Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Sie hatte die Dichterlesung besucht, die Rutilius und ich einst zusammen abgehalten hatten, und hatte deutlich gemacht, dass sie mich für einen plebejischen Emporkömmling hielt, der ihrem Gatten nicht das Wasser reichen konnte. Die Tatsache, dass unser Publikum meine bissigen Satiren seinen endlosen Auszügen aus einem zweitklassigen Epos vorzog, trug auch nicht zur Verbesserung von Minicias Einstellung bei.

Das Publikum ebenfalls nicht. Rutilius Gallicus hatte Domitian Cäsar als seinen Ehrengast eingeladen, wohingegen ich von den schrillen Pfiffen meiner aventinischen Familienmitglieder unterstützt wurde. Wenn ich mich recht erinnerte, war auch Anacrites dabei gewesen. Ich wusste nicht mehr, ob das in die grausige Zeit fiel, als er versucht hatte, mit meiner Schwester Maia anzubandeln, oder in die der noch schlimmeren Episode, als alle dachten, der Spion hätte sich zum Gigolo meiner Mutter gemacht.

Helena Justina war höflich zu Minicia Paetina gewesen, und sie umgekehrt ebenfalls, doch wir waren froh, als die Rutilii nach Hause gingen. Ich konnte mir vorstellen, wie steif sich die Saturnalien gestalteten, die sie jetzt in Augusta Taurinorum feiern würden. »Um es uns besonders gemütlich zu machen, können wir zum Abendessen alle schlichte Tuniken tragen statt der Togen ...«

»Keine Aussicht, dass Rutilius seinen Urlaub abkürzt und hier aufkreuzt, um seinen Schlamassel aufzuräumen?«

»Nicht die geringste, Falco.«

Was Veleda betraf, erzählte mir Laeta, Rutilius habe sie nach Rom gebracht, wo sie in einem sicheren Haus versteckt wurde. Irgendwo musste man sie ja unterbringen. Sie für die nächsten zwei Jahre in eine Gefängniszelle zu sperren, bis Rutilius seine Amtsperiode als Statthalter beendet hatte, kam nicht in Frage. Veleda hätte den Dreck und die Krankheiten nie überlebt. Es brachte nichts, eine berühmte Rebellin an Gefängnisfieber sterben zu lassen. Sie musste bei guter Gesundheit bleiben, um bei der triumphalen Prozession grimmig um sich zu blicken. Wenn man dann noch behaupten konnte, sie sei Jungfrau, wäre das ein Bonus; traditionsgemäß würde sie vor ihrer Hinrichtung von ihrem Kerkermeister vergewaltigt werden. Rom liebt solchen Schweinkram. Daher würde niemand wollen, dass sich irgendein vertrauensseliger Jungkerkermeister in sie verguckte und sie in ihrer Zelle tröstete, ganz zu schweigen von abenteuerlustigen Konsulnsöhnen, die sich mit Bestechungsgeld eine rasche Nummer im Stroh erkauften.

Priesterinnen bezeichnen sich immer als Jungfrauen. Sie müssen sich in Mysterien hüllen. Aber Veleda hatte in der Vergangenheit zumindest ein Techtelmechtel gehabt. Ich wusste auch, mit wem. Warum hätte sie uns wohl sonst das Schiff überlassen?

»Erzählen Sie mir von Ihrem sogenannten sicheren Haus, Laeta.«

»Nicht meinem!« Ich fragte mich, wem es dann gehörte. Hatte demnach Anacrites das arrangiert? »Alle notwendigen Überprüfungen wurden durchgeführt, Falco. Rigorose Maßnahmen wurden ergriffen. Ihr Gastgeber ist absolut verlässlich. Außerdem hat sie uns ihr Ehrenwort gegeben. Alles war vollkommen sicher.« Die üblichen Ausreden der Bürokratie. Ich wusste, wie viel die bedeuteten.

»Daher ist es unglaublich, nicht wahr, dass sie irgendwie verschwinden konnte? Wer war der glückliche Gastgeber?«

»Quadrumatus Labeo.« Nie von ihm gehört.

»Wer war für die Sicherheit verantwortlich?«

»Ah!« Laetas augenblicklicher Enthusiasmus für das Thema verriet mir, dass er aus dem Schneider war. »Das ist ein interessanter Punkt, Falco!«

»Im Palatinjargon bedeutet ein ›interessanter Punkt‹ im Allgemeinen totaler Scheißdreck ...« Ich bedrängte Laeta, bis er die Sauerei zugab. Rutilius Gallicus hatte Veleda mit einer Eskorte von Soldaten aus Germanien heimgebracht. Dann war Verwirrung entstanden. Die Legionäre hatten angenommen, sie hätten ihre Verantwortung an die Prätorianergarde abgegeben. Die Soldaten hatten damit gerechnet, sich für drei Monate in Bordelle und Weinschenken verziehen zu können, bis sie Rutilius zurück nach Germanien bringen mussten. Niemand hatte den Prätorianern mitgeteilt, dass sie das Zauberweib übernehmen sollten.

»Also, Laeta, wer hätte es den Prätorianern sagen sollen? Rutilius selbst?«

»Oh, er hat in Rom keine Zuständigkeit. Und er ist ein Pedant, der es mit Vorschriften ganz genau nimmt.«

»Natürlich ist er das! Also ist der Pedant in eine Kutsche gesprungen und nach Norden entfleucht, mit seinen Saturnaliengeschenken im Gepäckkasten ... Wusste Titus Cäsar, dass Veleda hier ist?«

»Werfen Sie ihm nichts vor. Titus mag zwar der nominelle Kommandeur der Prätorianer sein, aber er gibt keine Tagesbefehle aus. Seine Rolle ist rein zeremoniell ...«

»Er wird den Gardisten, die sie entwischen ließen, garantiert einen zeremoniellen Anschiss verpassen.«

»Vergessen Sie nicht, Falco, dass ihr Eintreffen ein Geheimnis bleiben sollte.«

»Wenn es geheim bleiben sollte, hat dann jemand Anacrites benachrichtigt?«

»Jetzt weiß er es auf jeden Fall«, murmelte Laeta gereizt. »Er ist damit beauftragt worden, sie zu finden.«

Das war schlimmer, als ich gedacht hatte. »Dann wiederhole ich meine Frage: Wusste er vorher davon?«

»Ich habe keine Ahnung.«

»Hören Sie doch auf.«

»In die Strategien des Geheimdienstes bin ich nicht eingeweiht.«

»Aber in deren Pfusch schon! Also die nächste peinliche Frage: Wenn Anacrites die Aufsicht darüber hat, sie wieder einzufangen, warum beauftragen Sie dann mich? Weiß er, dass Sie mich hinzuziehen?«

»Er war dagegen.« Das hätte ich mir denken können. »Titus will Sie«, sagte Laeta. Seine Stimme wurde ungewöhnlich flach. »Bei der Flucht der Frau gibt es ein paar seltsame Umstände ... Genau das Richtige für Sie, Falco.« Später wurde mir klar, dass ich da sofort hätte nachhaken sollen, aber der Anflug von Schmeichelei lenkte mich ab, und dann fügte Laeta listig hinzu: »Anacrites glaubt, seine Ressourcen würden ausreichen.«

»Ressourcen? Arbeitet er immer noch mit Momus und diesem Zwerg mit den riesigen Füßen? Und ich mag ja wissen, wie Veleda aussieht, aber er hat nicht den geringsten Schimmer. Der erkennt die Frau doch nicht mal, wenn sie ihm auf die Zehen tritt und ihm seine Armbörse klaut. Vermutlich haben die Soldaten, die Rutilius mit aus Germanien gebracht hat, um sie während der Reise zu bewachen, sie alle gesehen? Sie sollten sie wiedererkennen können. Hat jemand daran gedacht, sie zurückzubeordern?«

»Titus. Titus hat ihren Urlaub gestrichen.« Titus Cäsar war fähig, in einer Krise zu denken. »Sie gehören alle Ihnen.« Rasch schob mir Laeta eine Schriftrolle mit den Namen hin. »Anacrites will die Prätorianergarde einsetzen. Allerdings konnten wir nicht die ganze Eskorte für Sie auftreiben – einige müssen losgezogen sein, um ihre Mütter am Arsch der Welt zu besuchen –, aber diese zehn Männer und ihr Offizier sind angewiesen worden, sich morgen in Ihrem Haus zu melden, in Zivilkleidung.«

Das mussten diejenigen sein, die von ihren Müttern so wenig geliebt wurden, dass die sich weigerten, sie daheim zu haben. »Ich muss meiner Frau beibringen«, schnaubte ich, »dass sie zehn missmutige Legionäre, deren Heimaturlaub gestrichen wurde, über die Saturnalien in unserem Haus bewirten muss.«

»Sie müssen halt vorgeben, dass es Ihre Verwandten sind«, sagte Laeta gehässig. Damit wollte er meine Familie beleidigen. Er war meinen echten Verwandten noch nie begegnet; so schlimm wie die konnte niemand sein. »Die edle Helena Justina wird zweifellos damit fertig werden. Sie kann uns die Kosten in Rechnung stellen.« Darum ging es nicht. »Ich denke doch, dass die Haushaltsführung Ihrer jungen Frau einwandfrei ist. Die Männer haben den ausdrücklichen Befehl, sich höflich zu benehmen ...« Selbst Laeta ging die Puste aus, da er voraussah, welche häuslichen Konflikte mir nun bevorstanden.

»Während eines Festes, das der Zügellosigkeit geweiht ist? Sie sind ein Optimist, Laeta!« Nach einem Blick auf die Namensliste sank mir das Herz noch mehr. Einen von ihnen erkannte ich wieder. Rutilius Gallicus musste die Art von blitzgescheitem Kommandeur sein, der instinktiv die nutzlosesten Männer für die heikelsten Aufgaben herauspickt.

»Nun gut ...« Ich stählte mich innerlich. »Ich brauche einen vollständigen Bericht über Veledas Gastgeber und sein sogenanntes sicheres Haus, über diesen Labeo.« Widerspruchslos reichte mir Laeta eine weitere Schriftrolle. Ich machte mir nicht die Mühe, sie zu entrollen. »Was ist das Enddatum für meinen Auftrag?«

»Das Ende der Saturnalien?«

»Oh, verdammte Inzucht!«

»Mein lieber Falco!« Laeta lächelte jetzt verschlagen. »Ich weiß, Sie werden es als Wettlauf gegen die Zeit betrachten, als eine Herausforderung, Anacrites zu schlagen.«

»Und da ist noch etwas: Ich will nicht von ihm angepisst werden. Ich will das Recht, mich über ihn hinwegzusetzen. Ich will das Kommando über diese Angelegenheit.«

Laeta gab sich schockiert. »Das lässt sich nicht machen, Falco.«

»Dann bin ich aus der Sache raus.«

Er hatte mit Ärger gerechnet. »Ich biete Ihnen ein Zugeständnis an. Anacrites wird keine Befehlsgewalt über Sie haben. Er hat sich an den normalen Dienstweg zu halten; Sie bleiben freier Mitarbeiter. Sie werden natürlich mir zuarbeiten, aber nominell handeln Sie direkt im Auftrag von Titus Cäsar. Wird das reichen?«

»Muss wohl. Ich will nicht, dass der verdammte Anacrites vor mir seine verkommenen Hände an die Priesterin legt ...«

Ich grinste wollüstig. »Vergessen Sie nicht, Claudius Laeta, ich weiß, wie sie aussieht. Die Priesterin Veleda ist ein wunderschönes Mädchen!«

Kapitel V

Eine echte Jungfrau wartete auf meiner Schwelle, als ich nach Hause zurückkehrte. Das geschah jetzt nicht mehr oft. Allerdings hatte ich es stets vorgezogen, dass meine Frauen über ein gewisses Maß an Erfahrung verfügten. Unschuld führt zu allen möglichen Missverständnissen, und das bereits, bevor man sich in Gewissensbissen verheddert.

Diese teilte mir mit, ihr Name sei Ganna. Sie war noch keine zwanzig und in Tränen aufgelöst, und sie bat mich flehentlich, ihr zu helfen. Gewisse Privatschnüffler bekämen schon Herzklopfen, wenn sie nur daran dächten. Ich lud sie höflich ein, hereinzukommen, und versorgte mich mit einer Anstandsdame.

Zu einem Pförtner hatte ich es nie gebracht. Gannas verängstigtes Klopfen mit unserem Delphintürklopfer hatte Albia auf den Plan gerufen, unsere Pflegetochter, die sich nur vor wenigem fürchtete, außer vielleicht vor dem Verlust ihres Platzes in unserer Familie. Als Säugling während der Boudicca-Rebellion in Britannien zur Waise geworden, war Albia in Gannas Alter, lebte bei uns und lernte, römisch zu sein. Mit erbitterten Abwehrtaktiken gegen jede junge Frau, die wie eine Rivalin aussah, hatte sie Ganna befohlen, draußen zu warten. Dann hatte sie vergessen, Helena gegenüber zu erwähnen, dass eine neue Klientin eingetroffen sei.

Eine junge Klientin, die hochgewachsen war, schlank und goldhaarig ... Wie ich es genießen würde, meinem Freund Petronius Longus von Ganna zu erzählen! Er würde vor Eifersucht kochen.

Ich sorgte dafür, dass Helena sofort davon erfuhr. Ich hatte Ganna allein in dem kleinen blauen Salon untergebracht, in dem wir unerwartete Besucher empfingen. Dort gab es nichts zu klauen und keinen Weg nach draußen. Nux, unsere Hündin, saß an der Tür wie ein Wachhund. Nux war in Wirklichkeit ein verrückter, freundlicher, miefiger kleiner Köter, immer erpicht darauf, unseren Besuchern eine Führung durch die Räume zu geben, in denen wir unsere Wertgegenstände zur Schau stellten. Trotzdem hatte ich Ganna empfohlen, keine hastigen Bewegungen zu machen, und mit etwas Glück würde ihr entgehen, dass Nuxie mit ihrer schäbigen Rute wedelte.

Draußen auf dem Flur setzte ich eine besorgte Miene auf und versuchte wie ein Mann auszusehen, dem Helena vertrauen konnte. Helenas Kinn war gereckt. Sie sah aus wie eine Frau, die genau wusste, was für einen Burschen sie da geheiratet hatte. Mit leiser Stimme fasste ich kurz zusammen, womit Laeta mich beauftragt hatte. Helena hörte zu, wirkte jedoch bleich und angespannt. Zwischen ihren dunklen, markanten Brauen hatte sich eine leichte Falte gebildet, die ich sanft mit dem Finger wegstrich. Sie sagte, es sei ihr nicht gelungen, ihren Bruder zu finden. Niemand wisse, wo Justinus sei. Er sei am Morgen aus dem Haus gestürmt und immer noch nicht heimgekehrt. Abgesehen davon, dass Papa ihn in den Saepta Julia gesehen habe, sei Justinus verschwunden.

Ich verbarg ein Lächeln. Also war es dem in Ungnade gefallenen Quintus gelungen, einer Konfrontation auszuweichen.

»Lach nicht, Marcus! Sein Streit mit Claudia war eindeutig ernst.«

»Ich lach ja gar nicht. Warum Geld für ein sehr teures Geschenk ausgeben und es dann Claudia nicht überreichen?«

»Dann machst du dir genauso viele Sorgen um ihn wie ich, Marcus?«

»Selbstverständlich.«

Tja, er würde vermutlich heute Abend stockbesoffen hier aufkreuzen und sich zu erinnern versuchen, in welcher üblen Kaschemme er Claudias Geschenk vergessen hatte.

Wir gingen zu Ganna hinein.

Sie hockte auf der Kante ihres Sitzes, eine dünne, zusammengesackte Gestalt in einem braunen Gewand mit geflochtenem Gürtel. Ihr goldener Halstorques verriet uns auf subtile Weise, dass sie aus einer überwiegend keltischen Gegend stammte und Zugang zu Schätzen hatte. Vielleicht war sie die Tochter eines Stammesführers. Ich hoffte, ihr Papa würde sich nicht hierher auf die Suche nach ihr machen. Sie hatte eisblaue Augen in einem lieblichen Gesicht, dessen verängstigter Ausdruck sie verletzlich wirken ließ. Ich wusste genug über Frauen, um das zu bezweifeln.

Wir setzten uns ihr gegenüber, Seite an Seite, förmlich wie ein Ehepaar auf einem Grabstein. Würdevoll und kurz angebunden, mit ihren besten Achaten über einem sattblauen Gewand, das ihren herrlichen Busen bedeckte, übernahm Helena die Führung des Gesprächs. Sie hatte während der letzten sieben Jahre mit mir zusammengearbeitet und übernahm regelmäßig Befragungen, bei denen meine direkte Beteiligung nicht als ehrbar betrachtet worden wäre. Bei Witwen und Jungfrauen und bei gutaussehenden verheirateten Frauen mit draufgängerischer Vergangenheit.

»Das hier ist Marcus Didius Falco, und ich bin Helena Justina, seine Frau. Ihr Name ist Ganna? Woher kommen Sie, Ganna, und ist Ihnen unsere Sprache geläufig?«

»Ich lebe bei den Brukterern im Wald auf der anderen Seite des großen Flusses. Ich spreche Ihre Sprache«, erwiderte Ganna mit demselben höhnischen Unterton, den Veleda gehabt hatte, als sie vor fünf Jahren ebenfalls mit ihren Sprachkenntnissen geprahlt hatte. Sie lernten es von Händlern und gefangengenommenen Soldaten. Der Grund dafür, Latein zu lernen, lag einzig darin, ihre Feinde auszuspionieren. Es gefiel ihnen, dass ihr Latein uns verblüffte. »Oder würden Sie lieber Griechisch sprechen?«, forderte Ganna sie heraus.

»Was immer Ihnen angenehmer ist!«, gab Helena zurück, auf Griechisch – was dem Blödsinn ein Ende machte.

Als Bittstellerin war Ganna grimmig, aber verzweifelt. Ich hörte zu und beobachtete sie schweigend, während Helena ihr die Geschichte entlockte. Das Mädchen war Veledas Akolythin gewesen. Zusammen mit Veleda gefangen genommen, war sie als ihre Gefährtin mit hierhergebracht worden, um nach außen die Schicklichkeit zu wahren. Wie sie berichtete, hatte Rutilius Gallicus ihnen gesagt, in Rom würden sie Ehrengäste sein. Er hatte anklingen lassen, dass man sie als edle Geiseln behandeln werde, wie die Prinzen in der Vergangenheit, die man römische Lebensweise gelehrt und sie dann in ihre heimatlichen Königreiche zurückgebracht hatte, um als befreundete Klientelherrscher zu fungieren. Das war die Erklärung dafür, die Frauen in einem sicheren Haus unterzubringen, bei dem Senator Quadrumatus Labeo, einem Mann, den Gallicus kannte. Dort hatten sie einige Wochen verbracht, bis Veleda mitbekam, dass man sie in Wirklichkeit bei einem Triumphzug in Ketten vorführen und rituell töten würde.

»Sehr verstörend für sie.« Helena war der Meinung, intelligente Frauen hätten das voraussehen sollen.

»Und Sie nennen uns Barbaren!«, höhnte Ganna.

Wie Kleopatra vor ihr war Veleda entschlossen, sich nicht zum Spektakel für die römische Menge machen zu lassen.

»Zum Glück haben die Brukterer noch nie von Nattern gehört«, murmelte ich Helena zu.

Ganna sagte, Veleda habe sich entschieden, sofort zu fliehen – und da sie sowohl entschlossen als auch einfallsreich war, hatte sie das getan. Sie verschwand allein. Das war sehr plötzlich passiert. Ganna wurde zurückgelassen. Bei der darauffolgenden überstürzten Ermittlung erfuhr sie zu ihrem Entsetzen, dass der Oberspion vorhatte, sie zu verhören, vermutlich unter Folter. Sie benutzte das Durcheinander im Hause Quadrumatus und lief ebenfalls fort, ohne zu wissen, wie sie ihre Gefährtin finden oder in einer Stadt überleben sollte. Veleda hatte Ganna erzählt, dass es einen Mann in Rom gebe, der ihnen helfen könne, in den Wald zurückzukehren, und hatte ihr meinen Namen genannt.

Ich gelte gern als Mann der Ehre, aber diese Frauen in die undurchdringlichen Wälder tausend Meilen im Norden zurückzubringen würde schwieriger sein, als es Ganna klar zu sein schien. Allein schon die Logistik wäre haarsträubend. Aber ich hatte keinesfalls vor, den Damen zu gestatten, zu den freien germanischen Stämmen zurückzukehren und unter ihnen weitere Geschichten römischer Doppelzüngigkeit zu verbreiten. Selbst wenn es mir gelänge und die Wahrheit herauskäme, würde man mich hier als Verräter an einer Via Publica kreuzigen und dem Vergessen anheimgeben.

Es kam noch mehr. Mit zusätzlichen Tränen und Flehen rang Ganna die Hände und beschwor mich, ihr bei einem verzweifelten Problem zu helfen. Sie wollte, dass ich Veleda fand, bevor ihr etwas Schreckliches zustieß.

»Das ist ein sehr ernstes Ansinnen«, sagte ich würdevoll. Helena Justina blickte mich scharf an. Ich nehme gerne Doppelaufträge an, solange sie auch doppelt bezahlt werden. »Und für einen Privatermittler vielleicht unpassend.« Helena warf mir einen weiteren sarkastischen Blick zu.

Ganna ließ sich davon nicht beirren. Sie hatte sich darauf versteift, dass ich der Mann für diese Sache sei, aus sehr ähnlichen Gründen wie Laeta – ich kannte Veleda. Ganna glaubte, das würde mich mitfühlender mit ihrer verschwundenen Gefährtin machen, für die sie noch schlimmere Befürchtungen hegte. Mit weiteren dieser bezaubernden Tränen, die ihr aus den verführerischen blauen Augen über das bleiche Gesicht rannen, sagte Ganna, Veleda leide seit ihrer Ankunft in Rom unter einer mysteriösen Krankheit.

Veleda war krank? Das war wirklich eine schlechte Nachricht. Gefangene, die dazu gedacht sind, die Ovationen berühmter Generäle zu schmücken, haben davor nicht aus natürlichen Ursachen abzukratzen.

Für mich war es ebenfalls eine schlechte Nachricht. »Honorarkürzung« war das Motto des flavischen Kaisers. Ich würde eine extrem großzügige Entlohnung verlieren, die mir von Titus Cäsar versprochen worden war, falls Veleda, wenn ich sie fand, bereits tot war.

Ich teilte Ganna mit, ich sei gezwungen, für Geld zu arbeiten, und sie versicherte mir, sie habe welches. Als Pfand hinterließ sie ihren goldenen Halsreif. Ich sage »hinterließ«, weil ich sie rasch hinausbeförderte. Mir war nicht wohl dabei, sie in unserem Haus zu behalten. Abgesehen von Albias Feindseligkeit gab es da noch das anstehende Problem mit den zehn missmutigen Grobianen aus den germanischen Legionen. Sie würden wissen, wer Ganna war, und uns vielleicht wegen Unterbringung einer Flüchtigen der Obrigkeit melden. Helena wusste bisher noch nichts von ihnen, daher behielt ich die Sache mit den Soldaten für mich.

Ich überredete meine Mutter, die blauäugige Waldjungfrau bei sich aufzunehmen. Mama litt schlimm unter Linsentrübungen. Obwohl sie es hasste, eine Führerin in ihrer eigenen Küche zu benötigen, bereitete ihr das Sehen solche Schwierigkeiten, dass sie zugab, Hilfe brauchen zu können. Ganna wusste bisher nichts über römische Haushaltsabläufe, doch bis meine Mutter mit ihr fertig war, würde sie es wissen. Helena amüsierte es, sich vorzustellen, dass Ganna eines Tages in die Wildnis des Brukterergebiets zurückkehren und fähig sein würde, eine ausgezeichnete Soße aus zerstoßenen grünen Kräutern zuzubereiten. In Germania Libera würde sie zwar nie die Rauke und den Koriander finden, um damit bei Stammesfesten anzugeben, doch sie würde ihr restliches Leben lang von Mamas Eiweiß-Hühner-Soufflé träumen ...

Ich wollte Ganna irgendwo haben, wo sie unter meiner Kontrolle blieb. Abgesehen von der Tatsache, dass sie dadurch nicht in Anacrites’ Fänge geriet, ließ ich mich von ihren Tränen und dem Händeringen nicht zum Narren halten. Diese junge Dame verschwieg uns eindeutig etwas. Bei Mama würde sie unter strikter Bewachung stehen, bis ich das Geheimnis entweder selber herausfand oder Ganna bereit war, es mir zu verraten.

Ich hatte recht damit, dass sie etwas verheimlichte. Als ich herausfand, was sie bei ihrer Geschichte ausgelassen hatte, verstand ich den Grund. Sie hätte sich aber denken können, dass ich es entdecken würde. Am nächsten Tag würde ich das Haus des Quadrumatus aufsuchen.

Kapitel VI

Der nächste Morgen war kühl und frisch, und die Luft war so schneidend, dass sie in der Lunge schmerzte, wenn man erkältet war. Was auf die meisten Menschen in Rom zutraf. In dieser Jahreszeit wurde jeder Besuch einer öffentlichen Bibliothek von Husten, Niesen und Schnauben untermalt wie von dem Rasseln der Handtrommeln und Quieken der Flöten bei einem schwacherleuchteten Festmahl, bei dem das Abschiedsgeschenk des millionenschweren Gastgebers auch die hübschen Servierknaben mit einschließt. Falls man zu Beginn des Tages noch kein Kitzeln in der Nase verspürte, fing man sich im Lauf des Tages garantiert was ein. Ich musste am Tiberufer entlang zum Forum Boarium, wo irgendein rotzender Standinhaber mich beim Vorübergehen bestimmt mit seiner dreckigen Spucke treffen würde.

Ich wollte einen Senator mit konsularischen Verbindungen besuchen, also hatte ich mich entsprechend feingemacht. Ich trug einen guten, durch Öl wasserfesten Wollmantel und meine momentan besten Stiefel, aus Leder mit Bronzeschnallen an den Riemen, dazu einen verführerischen griechischen Hermeshut. Ich brauchte nur noch Flügel an meinen Stiefeln, um wie ein Götterbote auszusehen. Unter diesem schicken Äußeren befanden sich drei Lagen langärmliger Wintertuniken, zwei seit der letzten Wäsche fast ungetragen, ein Gürtel mit nur drei ausgerissenen Löchern, eine leere, am Gürtel befestigte Geldbörse und eine weitere Geldbörse, halb voll, versteckt unter der zweiten und dritten Tunika, um Diebstähle im Transtiberim zu vereiteln. Wenn ich für irgendwas bezahlen wollte, das mehr kostete als ein matschiger Apfel, würde ich meine Manneszier enthüllen müssen, während ich unter den Stofflagen nach meinem Geld fummelte. Ich war nicht so protzig aufgemacht, weil mich Senatoren beeindruckten, sondern weil ihre aufgeblasenen Pförtner unweigerlich jeden abwiesen, der auch nur im Geringsten schäbig aussah.

Ich war ein Privatschnüffler. Ich hatte Jahre damit verbracht, gestohlene Kunstwerke aufzuspüren, glücklosen Witwen zu helfen, sich Hinterlassenschaften anzueignen, die ihnen von skrupellosen Stiefkindern vorenthalten wurden, ausgerissene junge Mädchen davor zu bewahren, von gutaussehenden Zustellboten geschwängert zu werden, und die blutbesudelten Mörder nörgelnder Schwiegermütter dingfest zu machen, wenn die Vigiles zu viel mit dem Feuerlöschen zu tun hatten und mit Hühnerrennen und Streitereien über ihre Bezahlung beschäftigt waren. Während ich diese sinnvolle Arbeit für die Gemeinschaft durchführte, hatte ich alles gelernt, was es über Arroganz, Tölpelhaftigkeit, Unfähigkeit und Vorurteile übelgesinnter Pförtner der Stadt Rom zu lernen gab. Das waren nur diejenigen, die beim ersten Anblick beschlossen, mein munteres Gesicht nicht leiden zu können. Dazu gab es noch genug Faultiere, Klatschbasen, Besoffene, Kleinkriminelle, Nachbarschaftsvergewaltiger und Taugenichtse, die zu sehr mit ihrem eigenen Fortkommen beschäftigt waren, um mich einzulassen. Mein einziger Schutz bestand darin, herauszufinden, dass ein Pförtner eine leidenschaftliche Affäre mit der Dame des Hauses hatte, und ihm drohen zu können, all das seinem eifersüchtigen Herrn zu enthüllen. Was nur selten funktionierte. Im Allgemeinen scherte es die verkommene Herrin nicht im Geringsten, ob ihre Eskapaden bekannt wurden, doch selbst wenn sie sich vor Enthüllungen fürchtete, war der Pförtner meist so gewalttätig, dass sein betrogener Herr Angst vor ihm hatte.

Ich hatte keinen Grund, anzunehmen, dass Quadrumatus Labeo einen Pförtner hatte, der unter irgendeine dieser Kategorien fiel, doch man brauchte eine ganze Weile bis zu seinem Haus, und so vertrieb ich mir unterwegs die Zeit mit den Überlieferungen meines Gewerbes. Ich wollte meinen Geist in Bewegung halten. Vor allem bei diesem kalten Wetter, in dem meine Füße beim Stapfen über den Travertin so kalt wurden, dass richtiges Denken zu anstrengend wurde. Kein Ermittler kann es brauchen, dass sein einst so scharfer Geist zu einem Schneesorbet eingefroren ist, wenn er zu einer wichtigen Befragung eintrifft. Vorbereitung zählt. Jede sorgfältige Planung eindringlicher Fragen wird zwecklos, wenn man ins Koma fällt, sobald einem ein warmes Begrüßungsgetränk in die Hand gedrückt wird. Selbst der beste Ermittler kann vom Schlürfen eines heimtückischen warmen Glühweins mit einem Hauch Zimt in die Nutzlosigkeit gelullt werden.

Also nichts trinken, wenn Sie was ergründen wollen. Heißer Glühwein nach einer langen Wanderung schlägt außerdem sofort auf die Blase. Sie werden den Schatzmeister der Gilde nie zu dem Geständnis bringen, den Bestattungsverein hintergangen zu haben, um drei Freundinnen mit an den Trasimenischen See zu nehmen, wenn Ihre Blase kurz vor dem Platzen ist.

Quadrumatus Labeo wohnte außerhalb der Stadt an der alten Via Aurelia. Ich trottete durch die Porta Aurelia aus Rom hinaus und stapfte weiter, bis ich einen Wegweiser mit roter Schrift fand, der verkündete, die richtige Villa liege hinter der nächsten Kutscheneinfahrt. Dafür brauchte ich weniger als eine Stunde, selbst im tiefsten Winter, wo die Tage kurz sind und daher auch die Stunden, in die sie geteilt werden, die kürzesten sind.

Ich vermutete, dass Quadrumatus dank der Lage seines Landguts als möglicher Gastgeber für Veleda in Frage gekommen war. Er besaß eine einsam gelegene Villa auf der westlichen Seite Roms, wodurch sie aus Ostia hergebracht und in sein Haus befördert werden konnte, ohne durch irgendein Stadttor zu kommen und ohne zu viel Aufmerksamkeit bei neugierigen Nachbarn und Händlern zu erregen.

Allerdings gab es einen entscheidenden Nachteil. Die Priesterin fiel in den Zuständigkeitsbereich der Prätorianergarde. Mir erschien es als bedenklich, dass das Prätorianerlager ebenfalls außerhalb der Stadt lag, wenn auch auf der östlichen Seite. Die Gefangene und ihre Aufpasser waren daher durch eine dreistündige Wanderung durch das gesamte Rom voneinander getrennt, oder durch eine vierstündige, wenn man unterwegs einen Imbiss zu sich nahm. Was meiner Meinung nach unumgänglich war.