Märchen-Haft - Martin Cordemann - E-Book

Märchen-Haft E-Book

Martin Cordemann

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Beschreibung

Ein Buch in drei Teilen – vielleicht für drei verschiedene Altersgruppen? Es beginnt mit "Geschichten zum Vorlesen", so geschrieben, dass man sie Kindern vorlesen kann. Im zweiten Teil folgen dann Märchen, geschrieben im klassischen Märchenstil, mal witzig, mal böse, aber stark inspiriert von denen der Brüder Grimm – und die sind auch oft nichts für Zartbesaitete. Der dritte Teil dann sind Geschichten und Gedichte, mal besinnlich, mal bedenklich – da müssen Eltern dann selber schauen, was davon für welche Altersgruppe geeignet ist. Ein Buch, vielleicht für drei Geschwister in unterschiedlichem Alter, vielleicht aber auch für ein Kind, dem sich die verschiedenen Teile erst mit steigendem Alter eröffnen, das also in gewisser Weise mit dem Kind selbst wächst. Trotzdem gilt am Anfang: Eltern lesen für ihre Kinder!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 162

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Martin Cordemann

Märchen-Haft

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Hallo du!

Die alte Uhr

Morgentau

Das leere Zimmer

Der Spielzeug-Pirat

Florians Reise beginnt

Im dunklen Wald

Florians Reise findet ein unerwartetes Ende

Gute Nacht!

Man steckte ihn in Märchen-Haft…

Das Märchen von der Müllerin…

Der König und die drei Töchter

Der schlaue Peter und seine Spießgesellen

Der König und sein Sohn

Der kleine Hans zieht in die Welt

Das Märchen von Hexe und König

Die Hexe im Wald

Die verwunschene Prinzessin

Die fünf Gesandten des Königs

Der volle Krug

Lieschen und der Wolf

Anwalt für Märchenrechte

Über und unter

Die Einleitung der Einleitung

Auf seltsamen Pfaden

Begegnung mit dem Herbst

Die Schönheit

Die Prinzessin aus der Disco

Er zählt

Liebe ´s so nett

Fenster zum Glück

DIE ZEIT DER UHR

Gibt es ein Leben nach der Schule?

Zeit verrinnt

Liebes, Erklärung

Die Hochzeit der Hoheit

Weihnächtliche Begegnung

Die Legende vom Weihnachtsmann

Weihnachten wie früher

Und wieder ist Weihnacht

Weihnachtsbegegnung

Wunderbare Weihnacht

Nur Liebe wäret ewiglich

Ich schriebe...

Verschwommene Erinnerungen an den

Englischunterricht

Der alte Kämpfer

Sackgasse

Die Geschichte von der Ampel…

Peter und der Molch

Er kam zurück

Die Erde ist tot

Etwas für Kinder?

Fensterblicke?

Die Hexe im Wald

Geschichte einer Geschichte

Schrot und Korn

Lesung im Knast

Wenn Sie...

Lesung zum Thema Drogen

Old Scotch Whisky

Wer Sucht Der Findet

Die Kuhfürstin

Wie S euch gefällt

Sonne Geschichte

Verträumt

Undichte Dichter

Geh dächtnis

Text ohne Titel

Titel ohne Text

Impressum neobooks

Hallo du!

Guten Tag! Ich möchte mich dir gerne vorstellen. Ich bin das Buch!

Du hast noch nie gehört, dass sich ein Buch vorstellt? Na, da musst du nicht überrascht sein. Ich dachte, es wäre nur höflich. Immerhin werden wir beide einige Zeit miteinander verbringen. Also, wie heißt du?

...

Hallo! Freut mich, dich kennen zu lernen. Weißt du, ich möchte dir nämlich ein kleines Geheimnis anvertrauen: Ich bin extra für dich geschrieben worden! Jawohl! Ganz allein für dich. Um dir die Zeit zu vertreiben.

Und ich bin so gedacht, dass ich dir vorgelesen werde. Denn wahrscheinlich bist du ja noch zu klein, um mich selber zu lesen. Deshalb hat man mich extra so geschrieben, dass ich dir von deiner Mama vorgelesen werde.

Oder von deinem Papa.

Oder von Mamis Mann.

Oder Papis neuer Freundin.

Oder dem Babysitter.

Oder deinem Bruder oder deiner Schwester.

Oder von dem Schauspieler, den man beauftragt hat, das Hörbuch vorzulesen, das du gerade hörst.

Und wenn du alt genug bist, kannst du mich dann selber lesen.

Es sei denn natürlich, du hast nur das Hörbuch.

Okay, das wollte ich dir nur gesagt haben. Wenn du Fragen hast, frag einfach. Obwohl Erwachsene auch nicht alles wissen. Und vielleicht findest du die Antworten ja auch selber, wenn du die Geschichten ganz bis zu Ende hörst.

Also mach’s dir gemütlich, setz dich bequem hin...

...und jetzt geht’s los!

Die alte Uhr

Es war ein Sonntagmorgen. Ganz früh war es noch. Und sehr leise. So leise, dass man den Pendel der Standuhr hörte. Kannst du es dir vorstellen?

Tick. – Tick. – Tick.

Und dann – ganz plötzlich – schlägt die Uhr.

GONG! – GONG! – GONG!

Achtmal schlägt sie, denn es ist acht Uhr.

GONG! – GONG!

Ganz ruhig und wohlklingend.

GONG! – GONG!

Aber sie schlägt ganz leise, so dass sie niemanden weckt. In einem brummigen, tiefen Ton.

Oh! Warte mal! Was hatte ich gesagt? Wie spät war es doch gleich?

Ach ja! Acht Uhr.

Aber wie oft hat die Uhr geschlagen? Was meinst du?

...

Naja, vielleicht ist es ja auch erst sieben Uhr? Oder vielleicht ist die Uhr kaputt?

Nein, warte. Es ist eine alte Uhr. Sehr alt. In einem Gehäuse aus Holz. Und es ist noch früh am Tag. Sie gönnt sich nur eine kleine Pause und...

GONG!

Ja, jetzt stimmt es. Arme alte Uhr. Sie hat es nicht leicht in diesen Tagen. Zu jeder vollen Stunde muss sie schlagen. Damit jeder weiß, wie spät es ist. Das kann ganz schön anstrengend sein. Deshalb mag sie es, wenn es Nacht ist.

Nein, dann bleibt sie nicht einfach still, weil sie glaubt dass ihr niemand zuhört. Aber sie muss dann weniger oft schlagen. Zum Beispiel um ein Uhr morgens. Ein einziger Schlag. Ganz leise. Ganz sanft. Und dann schweigt sie wieder.

Aber vor Mitternacht, da hat sie angst! Nicht, weil dann die Geisterstunde ist. Sondern weil sie dann ganze zwölf Mal schlagen muss. Das ist anstrengend. Und auch schwierig. Denn sie darf sich nicht verzählen.

Eines Nachts war sie auf einmal durcheinander gekommen. Alle standen um sie herum. Um kurz vor Mitternacht. Das war Silvester. Da geht ein altes Jahr vorbei und ein neues fängt an. Da sind dann auf einmal alle völlig aufgeregt und stehen um die alte Uhr herum und warten darauf, dass sie was zu sagen hat. Also, dass sie schlägt.

Das macht die Uhr dann immer ganz aufgeregt. Und einmal, zu Mitternacht, an Silvester, da hat sie sich dann in all der Aufregung plötzlich verzählt. Statt zwölf Mal hat sie plötzlich dreizehn Mal geschlagen. Sowas war ihr noch nie passiert. Aber die vielen Menschen und das laute Gekicher und die Kerzen, all das hat sie abgelenkt. Und ehe sie sich’s versah schlug es plötzlich 13 anstatt 12.

Aber zum Glück waren die anderen auch alle abgelenkt und niemand hat was gemerkt. Seitdem hatte die alte Uhr immer ein bisschen Angst vor Mitternacht. Und natürlich vor dem Mittag. Denn da muss sie genauso oft schlagen.

Aber das ist noch nicht alles, was der armen, alten Uhr zu schaffen macht. Das Schlagen allein ist ja schon eine kleine Tortur für sie. Noch schlimmer aber ist die Zeit bis zum Schlagen. Denn da muss sie ganz genau zählen. Alle Sekunden. Bis es wieder so weit ist.

Warum das so ist?

Na, sie darf ja nicht zu früh schlagen. Oder zu spät. Sie muss ganz genau zur vollen Stunde schlagen. Das ist ihre Aufgabe. Und die hat sie bislang immer erfüllt.

Bis auf einmal. Da stellte man plötzlich eine neue Uhr auf den Schrank. So ein kleines Ding. Ohne Zeiger. Nur mit Zahlen. Die leuchteten frech. Und kein Ticken. Einfach nur Zahlen. Kein Pendel, keine Rädchen, wie bei der alten Uhr. Ganz klein war diese neue, und immer ganz genau. Präzise. Auf die Sekunde. Wie es sich für eine Uhr gehörte.

Die alte Uhr konnte es nicht fassen. Wollte man sie ersetzen? Durch dieses leise, präzise, stille, kleine Ding? Das war ja unglaublich. Hatte jetzt tatsächlich ihr letztes Stündlein geschlagen? Sie war so verwirrt, sie wusste nicht, was sie tun sollte. Da blieb sie einfach stehen.

Man brachte sie zum Uhrmacher und der reparierte sie dann. Danach war alles wieder gut. Und die neue, stille, freche kleine Uhr verschwand wieder. Und die alte Uhr tat das, was sie immer tat.

Sie zählte die Sekunden.

Und schlug zu jeder vollen Stunde.

Morgentau

Es geschah an einem Sonntagmorgen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen. Wie ein seidenes Tuch hing der Nebel über den Feldern. Leise schlug die Uhr. Acht Uhr morgens.

Das Gras war ganz weiß. Nicht, weil es geschneit hatte. Das hatte es leider nicht. Schon lange nicht mehr. Nur einmal, kurz vor Weihnachten. Aber es war nicht viel Schnee gewesen. Nicht genug für eine Schneeballschlacht. Und erst recht nicht genug für einen Schneemann. Nur ein ganz klein wenig Schnee, kaum der Rede wert.

Früher war das mal anders gewesen. Da hatte es im Winter richtig geschneit. Oft sogar tagelang. Manchmal sogar so stark, dass man nicht in die Schule konnte. Die war dann geschlossen worden. Und die Kinder konnten draußen sein und im Schnee spielen. Sie konnten Schlitten fahren und Iglus bauen. Weißt du noch, was ein Iglu ist?

Nein, das ist kein Fischstäbchen! Ein Iglu ist ein kleines Haus, das man aus Schnee baut. Genau genommen baut man erst kleine Steine aus Schnee, so ähnlich wie die Teile eines Schneemanns. Nur nicht so rund. Eher viereckig. Aus den Teilen baut man dann das Haus. Den Iglu. Am Nordpol leben die Menschen in solchen Häusern. Denn die haben ja genug Schnee, um sich daraus welche zu bauen. Jedenfalls hat man uns das früher immer erzählt.

Aber es war kein Schnee, der die Wiese weiß erscheinen ließ. Es war Raureif. Den gibt es manchmal, wenn es kalt ist. Manchmal wird er begleitet von ein wenig Nebel. Zusammen liegen die beiden dann über den Wiesen und lassen das Land wie verzaubert aussehen.

Bis die Sonne aufgeht. Wenn die Sonne mit ihren warmen Strahlen über den Horizont kommt, verschwinden die beiden langsam wieder. Der Nebel löst sich auf und der Raureif schmilzt dahin.

Die Uhr schlug leise zum achten Mal. Und die Sonne war noch nicht aufgegangen. Wie weißer Puderzucker lag der Raureif über dem Gras. Kannst du dir das vorstellen. Eine Wiese. Eine Pferdekoppel vielleicht. Und hinter der Wiese ein kleines Wäldchen. Über allem liegt ein grauer Schleier. Leichter Nebel, nicht zu dicht. Man kann die Bäume noch erkennen. Und die Wiese: weißlich. Dünner Tau liegt auf den Blättern.

Ruhig liegt diese Wiese vor dem Haus. Wie Schnee sieht es aus, wie ein verzauberter Wald. Niemand ist um diese Zeit unterwegs. Die Pferde sind in ihrem Stall. Die Menschen liegen in ihren warmen Betten. Und die Uhr steht an der Wand und zählt die Sekunden.

Ruhig ist es. Für die Vögel ist es noch zu dunkel. Sie warten lieber, bis die Sonne aufgegangen ist. Erst dann beginnen sie mit ihrem Gesang. Kaum ein Geräusch ist zu hören. Nur ein leiser Wind.

Doch was ist das?

Der Boden! Er ist nicht unberührt. Man kann deutlich Spuren darauf erkennen. Die Spuren von Füßen. Dort ist jemand gelaufen. Du weißt, wie so etwas aussieht. Wie wenn jemand durch den Schnee gestapft ist. Dann kann man darin die Abdrücke erkennen.

So ist es jetzt auch. Man sieht ganz deutlich, dass jemand über die Wiese gelaufen ist. Die Spuren führen zum Wald. Direkt über die Wiese hinüber.

Aber wo kommen sie her?

Vom Haus!

Ist jemand zu einem kleinen Spaziergang in der Frühe aufgebrochen? Oder zum Joggen?

Nein! Die Haustür ist verschlossen. Und die Spur führt zu keiner der anderen Türen.

Sie beginnt unter einem Fenster. Das Fenster ist offen. Es ist Florians Fenster. Und Florians Zimmer... ist leer!

Das leere Zimmer

Leise klapperten die Fensterläden. TOCK. TOCK. TOCK. Immer, wenn ein Windstoß sie erfasste und sie gegen die Hauswand wehte. TOCK. TOCK. Kühle Luft drang in das kleine Zimmer. Ein paar Blätter, die vorher auf dem Schreibtisch unter dem Fenster gelegen hatten, waren nun über den Boden verstreut. Der Wind hatte sie vom Tisch gehoben und auf den Fußboden gewirbelt. Und das Zimmer war leer. Florian war nirgendwo zu finden.

Das war nicht immer so gewesen. Früher, da war alles ganz anders. Da war das Zimmer erfüllt gewesen von Lachen und Vergnügen. Da hatte Florian noch gerne hier gelebt. Und da war er nicht alleine gewesen. Er hatte einen Freund gehabt. Einen Freund, der immer für ihn da war und für den er immer da war. Sein Name war Hans gewesen.

Ja, mit Hans hatte Florian immer viel Spaß gehabt. Sie hatten gemeinsam in dem kleinen Zimmer gewohnt, in dem es jetzt durch den Wind langsam unangenehm kühl wurde. Das waren schöne Zeiten gewesen. Es gab ein Hochbett, es gab jede Menge Spielzeug und es gab jede Menge Spaß.

Hans hatte immer gerne mit Florian gespielt. Oft waren sie die einzigen, die zusammen unterwegs waren. Hans hatte Florian auch gezeigt, wie man aus dem Fenster kletterte. Und dann waren die beiden auf Entdeckungsreise gegangen. Alles hatten sie erkundet. Die Wiese, das kleine Wäldchen, den Bach, der sich zwischen den Bäumen hindurch schlängelte und das Tal, das hinter dem Wald begann. Überall waren sie zusammen gewesen. Gemeinsam hatten sie viele neue Orte kennen gelernt.

Florian war gerne mit Hans zusammen. Er mochte ihn. Denn Hans hatte viel Phantasie. Und er brachte ihm eine ganze Menge bei. Wenn die beiden zusammen waren, das wusste Florian, dann war alles möglich.

Jetzt war ihr Zimmer leer. Es war dunkel. Kannst du es dir vorstellen. Es ist ganz früh am Morgen. Das Fenster ist auf. Papier liegt auf dem Fußboden. Der Wind spielt damit. Da steht ein Kleiderschrank. Seine Türen sind rot. Ein paar Kinderzeichnungen hängen daran. Unter dem Fenster steht der Schreibtisch. Darauf liegen ein paar alte Schulhefte. An der Wand steht ein Hochbett. Es war für Hans und seinen Bruder. Das Zimmer ist aufgeräumt. Nirgendwo liegt Spielzeug herum. Das war nicht immer so!

Wenn Hans da war, gab es in ihrem Zimmer niemals Ordnung. Immer lag überall etwas herum. Ob es ein aufgeklappter Malkasten war, eine kleine Armee von Zinnsoldaten oder die neusten Comichefte war egal. War es einmal in das Zimmer von Hans und Florian gekommen, stand sein Schicksal fest: Es würde irgendwo herumliegen. Und das würde Mutter zur Weißglut treiben. Sie würde ins Zimmer gestürmt kommen und über eine der herumliegenden Sachen stolpern. Und dann würde sie Hans sagen, er solle endlich das Zimmer aufräumen.

Aber Hans räumte das Zimmer nicht auf. Und Florian auch nicht. Denn sobald Mutter die Tür hinter sich geschlossen hatte, nahm Hans Florian bei der Hand und die beiden begaben sich auf eine Reise. Florian wusste nie, wo es hingehen würde. Aber er wurde niemals enttäuscht.

Hans kannte Orte, die sonst niemand kannte. Er zeigte Florian Wege, die niemals jemand vor ihnen gegangen war und die wahrscheinlich niemals wieder jemand gehen würde. Sie entdeckten phantastische Dinge. Sie erlebten unglaubliche Geschichten.

Früher hatte Florian nicht viel von der Welt gewusst. Aber wenn er mit Hans zusammen war, wuchs er plötzlich über sich hinaus. Dann war er plötzlich ein weiser Spurenleser oder ein listiger Kämpfer. Wenn er mit Hans zusammen war, wurde er zum Astronauten oder zum Piloten. Er konnte tauchen, schwimmen und fliegen. Es war eine tolle Zeit.

Bis Hans verschwand. Irgendwann ging er. Einfach so. Ohne ein Wort des Abschieds. Niemand sagte Florian, was passiert war. Niemand brachte es übers Herz, ihm die Wahrheit zu sagen. Er merkte nur, dass etwas nicht stimmte. Und dass sein bester Freund nicht mehr da war.

Es war nicht mehr dasselbe ohne Hans. Florian fühlte sich einsam. Er wartete. Jeden Tag wartete er und hoffte, dass er bald nicht mehr allein wäre. Doch er hoffte vergebens.

Die Tage vergingen. Hans war nie wiedergekommen und das Zimmer war zu Florians Zimmer geworden. Er hatte auf dem leeren Bett gesessen und Pläne geschmiedet. Pläne, was er tun könnte. Pläne, wie er Hans wieder finden könnte.

Und dann, nach einiger Zeit, hatte er beschlossen, zu gehen. Er würde das Haus verlassen. Er würde sein Zimmer verlassen. Bei Nacht, so dass ihn niemand dabei sehen konnte.

Hier wollte er nicht mehr bleiben. Er wollte Hans suchen. Denn er wusste, mit Hans würde alles besser werden. Zusammen konnten die beiden alles erreichen. Wenn er mit Hans zusammen war, konnte Florian tanzen und singen, er konnte schwierige Rätsel lösen, Motoren reparieren, Auto fahren und sogar fliegen. Hans hatte es möglich gemacht, dass Florian das konnte. Denn Florian war ein Spielzeug-Pirat!

Der Spielzeug-Pirat

Florian war einer von vielen. Vielleicht hast du ihn ja mal gesehen? In seiner kleinen Verpackung aus Pappe hinter einem Fenster aus durchsichtigem Plastik, wie er in einem Spielzeuggeschäft an der Wand hängt und darauf wartet, dass du ihn kaufst? Viele Kinder wollten mit ihm spielen. Viele Eltern haben ihn gekauft. Um ihren Kindern eine Freude zu machen. Und eine große Freude für Kinder, das war Florian.

Natürlich war Florian nicht sein richtiger Name. Eigentlich hieß er „Kapitän Hakennase“. Warum, kannst du dir sicher denken. Richtig, wegen seiner großen Nase. Und selbstverständlich hatte er auch eine Augenklappe, wie sich das für einen Piraten gehört. Und einen breiten Säbel hatte er auch. Und ein Schiff und eine Mannschaft, aber die musste man extra kaufen.

Stolz hing Florian in seiner Verpackung in den Spielwarenläden. Er war einer von vielen – und doch war er etwas besonderes. Oder er wurde dazu, als Hans ihn zum ersten Mal sah. Es war an einem verregneten Nachmittag. Hans war mit seinen Eltern in der Stadt. Er sollte neue Schuhe bekommen. Du weißt wie das ist: Da sitzt man im Schuhladen herum und probiert stundenlang Schuhe an. Die sind entweder zu groß oder zu klein oder in der falschen Farbe und wenn man dann endlich ein schönes Paar gefunden hat, gibt es das nicht in der richtigen Größe. So war es auch diesmal. Draußen regnete es und drinnen zog Hans ein Paar Schuhe nach dem anderen an und lief damit hin und her, bis ihm die Füße wehtaten. Und natürlich dauerte es, bis sie ein Paar gefunden hatten, dass ihm und auch seiner Mutter gefiel. So verging der Nachmittag, während der Regen geduldig vom Himmel fiel und Florian in seiner Verpackung darauf wartete, dass er gekauft wurde.

Weil Hans das Schuhekaufen aber brav durchgestanden hatte, wollte seine Mutter ihm eine Freude machen und so gingen sie in einen Spielwarenladen. Es war kurz vor Weihnachten und da gab es eine ganze Menge neue Sachen. Eisenbahnen, Modellbausätze, Computerspiele. Es gab Puppen in bunten Kleidern, Autos mit Fernsteuerung und sprechende Hunde. Da waren Haustiere aus Plastik, Dinosaurier aus Stoff und Teddybären aus Taiwan. Aber Hans hatte nur Augen für eine Sache. Ein Regal, das gerade aufgestellt worden war. Ein Regal, an dem viele neue Spielfiguren hingen. Das Regal mit Florian!

Ohne lange nachzudenken ging Hans hin, nahm sich Florian und keinen anderen der Piratenkapitäne und lief damit zu seiner Mutter. Es musste genau dieser sein, das wusste Hans. Keiner aus der Reihe darunter oder darüber. Keiner, der hinter ihm hing oder daneben. Es musste genau dieser „Kapitän Hakennase“ sein, nein, nicht „Kapitän Hakennase“ – Florian, das war sein Name!

Er sah aus wie ein Florian, fand Hans. Mit seiner Augenklappe und der komischen Mütze und dem breiten Säbel. Er war nicht irgendein komischer hakennasiger Kapitän. Mit sojemandem möchte man doch nicht spielen. Da wollte man doch jemand, auf den man sich verlassen konnte. Jemanden, dem man vertrauen konnte. Mit dem man gerne zusammen war. Und das war doch sicher kein Piratenkapitän. Nein, er sah aus wie ein Freund. Sein Freund Florian, mit dem er viele Abenteuer erleben konnte.

Strahlend kam Hans auf seine Mutter zu. Die Strapazen des Schuhekaufens waren vergessen. Der ständig tropfend Regen machte Hans keine Sorgen mehr. Er hatte etwas gefunden, was er seit langem gesucht hatte. Ein Spielzeug, das er lieben konnte. Einen Begleiter, mit dem er alles unternehmen konnte. Einen Freund.

Die Mutter lächelte ihren Sohn überrascht an. Sie schüttelte den Kopf, wie Mütter das gerne machen, wenn die Kinder ein neues Spielzeug gefunden haben. Aber dann sah sie einen Anflug von Traurigkeit in den Augen ihres Sohnes und so nickte sie... und die Freundschaft zwischen Hans und Florian begann!

Florians Reise beginnt

Das Fenster stand offen. Das Zimmer war leer. Florian war nicht mehr da.

Über die Tau bedeckte Wiese führten Fußspuren. Sie begannen genau unter dem Fenster und liefen weg vom Haus. Florian war fort. Er hatte das leere Zimmer verlassen.

Es war aufregend für ihn. Zum ersten Mal seit Hans weg war, war er wieder unterwegs. Zum ersten Mal seit langem befand er sich wieder auf Erkundungsreise durch die Umgebung. Es wurde Zeit für ein neues Abenteuer.