Meinen Michl halt ich fest - Stefanie Valentin - E-Book

Meinen Michl halt ich fest E-Book

Stefanie Valentin

0,0

Beschreibung

Mit viel Herz und Verstand geht die Heimat-Heidi zur Sache, denn sie ist eine schöne Wirtin voller Tatendrang, die ihren Gästen und Mitmenschen jederzeit hilfreich zur Seite steht. Unterstützt, wenn auch nicht unbedingt immer in ihrem Sinne, wird Heidi dabei von ihrer nicht ganz volljährigen Tochter Steffi, einem feschen Mädel mit losem Mundwerk, und ihrer Mutter Luise, die keineswegs gewillt ist, kürzerzutreten und Heidi mit der Leitung des Bergerhofs alleinzulassen. Für schwungvollen, heiteren Familienzündstoff ist also bei aller Herzenswärme unserer Titelheldin jederzeit gesorgt! »Schau mal, bei so einem Sauwetter kommen doch tatsächlich zwei Touristen vom Geierstein herunter.« Die Berger-Heidi stand am Fenster der Küche und sah hinaus. Es war Ende August, sonst die trockenste Zeit im Oberallgäu, doch in jenem Jahr bestätigten sich die katastrophalen Wetterprognosen insofern, daß auch im Sommer längere Regenperioden immer nur von einzelnen Sonnentagen unterbrochen wurden. »Manche interessiert das Wetter halt net«, erwiderte ihre Schwiegermutter Luise. »Die sind nur heilfroh, aus der Stadt heraus zu sein und nehmen dafür alles in Kauf. Auch ein Wetter wie dieses.« »Das da sind offensichtlich Großvater und Enkelin, jedenfalls dem Alter nach«, sagte Heidi. Luise wischte sich die Hände ab und stellte sich neben ihre Schwiegertochter. Sie sah ebenfalls den herankommenden Touristen entgegen. Plötzlich stutzte sie. »Du«, murmelte sie, »irgendwoher kenn' ich die.« »Du meinst, sie waren schon mal hier?« Heidi zuckte mit den Schultern. »Ich kann mich jedenfalls net an sie erinnern.« Luise schüttelte den Kopf. »Nein nein, es waren keine Gäst'. Ich kenn die beiden woanders her.«

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 117

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Heimat-Heidi – 9–

Meinen Michl halt ich fest

Starke Gefühle auf der Alm

Stefanie Valentin

»Schau mal, bei so einem Sauwetter kommen doch tatsächlich zwei Touristen vom Geierstein herunter.« Die Berger-Heidi stand am Fenster der Küche und sah hinaus.

Es war Ende August, sonst die trockenste Zeit im Oberallgäu, doch in jenem Jahr bestätigten sich die katastrophalen Wetterprognosen insofern, daß auch im Sommer längere Regenperioden immer nur von einzelnen Sonnentagen unterbrochen wurden.

»Manche interessiert das Wetter halt net«, erwiderte ihre Schwiegermutter Luise. »Die sind nur heilfroh, aus der Stadt heraus zu sein und nehmen dafür alles in Kauf. Auch ein Wetter wie dieses.«

»Das da sind offensichtlich Großvater und Enkelin, jedenfalls dem Alter nach«, sagte Heidi.

Luise wischte sich die Hände ab und stellte sich neben ihre Schwiegertochter. Sie sah ebenfalls den herankommenden Touristen entgegen. Plötzlich stutzte sie.

»Du«, murmelte sie, »irgendwoher kenn’ ich die.«

»Du meinst, sie waren schon mal hier?« Heidi zuckte mit den Schultern. »Ich kann mich jedenfalls net an sie erinnern.«

Luise schüttelte den Kopf. »Nein nein, es waren keine Gäst’. Ich kenn die beiden woanders her.«

»Wenn es keine Gäst’ sind«, erwiderte Heidi, »dann müßten es Einheimische sein. Und die würd’ ich auch kennen. Du mußt dich irren.«

»Ich irr’ mich net«, murmelte Luise, »ich kenn’ sie. Das heißt, das Madel kenn’ ich auch net. Aber ihn, ihn kenn’ ich ganz bestimmt, ich hab’ ihn schon irgendwo gesehen.«

Heidi lächelte. »Vielleicht ein verflossener Liebhaber von dir? Wer weiß, vielleicht hat er sich an dich erinnert und möcht’ schauen, wie es dir geht.«

Im gleichen Augenblick wurde Luise blaß. So blaß hatte Heidi ihre Schwiegermutter noch nicht gesehen.

»Was ist denn?« fragte sie. »Dir ist ja alles Blut aus dem Gesicht gewichen.«

»Mar’ und Josef…« Luise Bergers Stimme klang ganz anders als sonst.

»Was ist denn?« Heidi starrte ihre Schwiegermutter betroffen an, deren Gesicht langsam wieder stärker durchblutet war.

»Weißt du wer das ist?« fragte die. »Also das rätst du nicht. Bei allem was recht ist. Niemals hätt’ ich damit gerechnet, den Hans noch mal wiederzusehen.«

»Von wem redest du?« fragte Heidi.

»Na, von ihm…!« Luise zeigte nach draußen. Noch wenige Meter, dann würden der ältere Herr und das junge Mädchen den Bergerhof erreicht haben.

»Du kennst ihn wirklich?« Heidi schien daran gezweifelt zu haben.

Ihre Schwiegermutter nickte. »Ja, ich kenne ihn. Hans Burger heißt er. Er ist vor… oje, das ist lange her, vor vierzig Jahren etwa, ausgewandert. Und zwar in die USA. Anfangs hat er noch geschrieben, doch irgendwann kam dann keine Post mehr.«

Heidi sah ihre Schwiegermutter einen Augenblick lang nachdenklich an.

»Ich weiß jetzt net, wie ich fragen soll«, sagte sie, »aber ist das der Hans, mit dem du… ich mein’…«

»Ja«, bestätigte Luise, »es ist der Hans, mit dem ich mal befreundet gewesen bin.«

»Herrschaftseiten«, murmelte Heidi. »Das ist ja eine Sach’. Und jetzt kommt er einfach so daher? Das kann einen ganz schön aushebeln, oder?«

»Na, ja«, Luise atmete tief durch, »aushebeln tut’s mich net grad’, aber es berührt mich auf eine ganz seltsame Art.«

Die beiden Bergwanderer waren inzwischen vorne im Bergerhof verschwunden.

»Willst du hingehen?« fragte Heidi. »Oder soll besser ich den ersten Kontakt aufnehmen? Dann hättest ein bisserl Zeit, dich vorzubereiten.«

Luise schüttelte den Kopf. »Ich muß mich net vorbereiten. Ich hab’ plötzlich das Gefühl, als wenn ich den Hans gestern erst verabschiedet hätt’. Wieso das so ist, weiß ich net. Ich hab’ früher oft an ihn denken müssen, aber jetzt schon länger nimmer. Doch plötzlich ist’s, als wenn er nie weggewesen wär’.«

»Oje«, Heidi lächelte, »schau ihn dir mal aus der Nähe an, dann wirst schon sehen, daß er net der gleiche geblieben ist, der er mal war.«

»Ich geh’ erst mal hinauf, mich ein bisserl herrichten«, sagte Luise. »Als Küchenweiberl muß mich der Hans ja net grad’ wiedersehen.«

Heidi lächelte. »Ist schon recht. Ich versteh’ was du meinst.«

Daraufhin verschwand Luise aus der Küche und als sie die Treppe hinaufging, murmelte sie vor sich hin: »Gar nix verstehst du. Du kannst es gar net verstehen. Denn niemand außer mir weiß, wie nah ich dem Hans mal gestanden bin.«

*

»Die Luise ist mir näher gestanden als jeder andere Mensch«, erklärte am gleichen Morgen Hans Burger am Frühstückstisch seiner Nichte. »Aber sie hat es nicht gewußt. Ich nehme das jedenfalls an. Ich war derart verliebt in sie, daß ich alles Mögliche getan hätte, um sie zu bekommen. Aber leider«, er zuckte mit den Schultern, »es hat nicht sollen sein.«

»Hast du nicht mal gesagt, sie sei verheiratet gewesen?« Katrin sah ihren Onkel fragend an.

Hans Burger nickte. »Ja, das war sie.«

»Und du hast sie trotzdem geliebt?« fragte Katrin. Daran, wie sie ihren Onkel ansah, erkannte man, daß sie ihn sehr mochte. »Geht denn so was?«

»Oje, Kind.« Hans Burger lächelte. »Du kannst fragen. Sicher geht so was. Du meinst sicher, ob so was erlaubt war?«

Katrin nickte. »Das trifft den Sachverhalt.«

»Natürlich war es nicht erlaubt«, erklärte ihr Onkel daraufhin. »Wir haben es auch geheim gehalten, jedenfalls soweit es eben noch ging. Die Luise und ich, wir haben uns wirklich nichts vorzuwerfen. Jedenfalls nichts, dessen wir uns hätten schämen müssen.«

»Das heißt, ihr habt nie… ich meine, ihr habt bei allem was ihr getan habt respektiert, daß die Luise verheiratet war.«

Hans Burger nickte. »So ist es. Wenn ich mir was vorzuwerfen habe, dann nur, daß ich aufgegeben habe. Ich hätte um Luise oder meine Liebe kämpfen müssen, das weiß ich heute. Damals kam ich mir sogar edel vor, als ich aufgegeben und schließlich die Auswanderung in die Staaten vorangetrieben habe.«

»Dann war Luise deine einzige große Liebe?« Katrin sah ihren Onkel ungläubig an.

Die beiden saßen noch am Frühstückstisch. Sie bewohnten ein ausgesprochen schönes Appartement im besten Hotel Franz Vordereggers in Balding; hatten vom Balkon des Wohnraums eine phantastische Aussicht auf die Allgäuer Berge und fühlten sich rundherum wohl.

Das Appartement hatte außerdem zwei Schlafräume, zwei Bäder und eine Eßbar, so daß man sich das Frühstück auch im Appartement servieren lassen konnte, was sie bisher jedoch nicht getan hatten. Sie frühstückten in einem der dafür vorgesehenen Speiseräume, wie auch an jenem Tag.

»Ja, sie war meine ganz große Liebe«, antwortete Hans Burger.

»Hast du deswegen nie geheiratet?«

Burger nickte. »So ist es. Wenn ich eine Frau kennenlernte, dann dachte ich sofort an Luise und dem Vergleich hat nicht eine standgehalten.«

Katrin war ein sehr hübsches Mädchen, dreiundzwanzig Jahre alt und die Tochter von Hans Burgers Nichte Monika. Im Grund genommen war Katrin also seine Großnichte.

Katrins Eltern lebten, wie Hans Burger früher auch, in der Nähe von Kempten. Katrin hatte nach dem Abitur ein Sportstudium begonnen und war vor einem Jahr auf Einladung ihres Onkels in die USA gereist, um dort ihr Studium fortzusetzen.

Das eingeplante Jahr war rasend schnell vorübergegangen und Katrin wollte in München weiterstudieren. Wochenlang hatte sie versucht, ihren Onkel zu überreden, mit nach Deutschland zu kommen, doch der hatte immer abgelehnt.

Bis er, wenige Tage vor Katrins Abreise, zu grübeln begonnen und schließlich zugestimmt hatte.

Katrin hatte sich riesig gefreut. Vor allem, weil sie ihren Großonkel sehr gern hatte und er inzwischen so etwas wie ein Großvaterersatz geworden war.

Schließlich hatte sie vorgeschlagen, nach Hinterjoch zu fahren, was ihr Onkel jedoch nicht wollte.

»Man kann die Uhr nicht zurückdrehen«, hatte er gesagt, »und wenn ich die Luise sehe, nachher ist alles ganz anders, als ich mir vorstelle. Ich möchte mir meine Illusionen bewahren und alles soll so bleiben, wie ich es in meinen Gedanken seit Jahrzehnten mit mir herumtrage.«

Katrin hatte das Thema dann fallengelassen, vor allem, als ihre Mutter sie ermahnt hatte, des Onkels Gefühle zu respektieren. Doch nach einer Woche in Kempten hatte Hans Burger plötzlich Heimweh nach Hinterjoch bekommen. Kurz entschlossen hatte er herumtelefoniert und das beste Appartement genommen, das die Fremdenverkehrsbetriebe Franz Vordereggers bieten konnten.

Jetzt waren sie drei Tage da und in Hans Burger war der Wunsch, Luise wiederzusehen, immer größer geworden.

Durch geschicktes Fragen hatte er inzwischen herausbekommen, daß Luise Witwe, daß Luises Sohn Peter vor neun Jahren tödlich verunglückt war und daß ihre Schwiegertochter Heidi den Bergerhof bewirtschaftete.

»Der Bergerhof ist in der Gegend das ursprünglichste Gasthaus«, hatte Franz Vorderegger gesagt, »ich bin oft droben bei den beiden Madeln. Es ist immer lustig und die Luise ist die beste Köchin, der ich je begegnet bin.«

»Morgen gehen wir auf den Geierstein«, hatte Hans Burger daraufhin zu Katrin gesagt, »ich erinnere mich noch an die Aufstiege, es war immer ganz wunderschön.«

Katrin hatte geahnt, daß es nicht bei der Besteigung des Geiersteins bleiben würde, sie hatte aber nichts gesagt. Der Vorschlag ihres Onkels, nachmittags hinunter zum Bergerhof zu gehen, kam dann auch nicht überraschend für sie.

»Bist du gar nicht aufgeregt?« fragte Katrin, als sie beim Abstieg vom Geierstein den Bergerhof schon sehen konnten.

»Natürlich bin ich aufgeregt«, antwortete Hans Burger, »ich versuch’ es mir lediglich nicht anmerken zu lassen.«

»Was dir sehr gut gelingt«, sagte Katrin, die ihren Onkel dann ständig beobachtete, aber keinerlei Anzeichen von Aufgeregtheit feststellen konnte.

Erst als sie dem Bergerhof schon sehr nah waren, blieb Hans Burger stehen und sah mit einem nachdenklichen Blick hinunter zu dem einmalig schön liegenden Gasthaus.

»Diese Seite des Tals«, sagte er nach einer Weile, »nennt man die Sonn’leiten, weil sie ganztägig in der Sonne liegt. Drüben das ist die Schattseite. Aber heut’, wo’s regnet, merkt man den Unterschied kaum.«

Dann gingen sie schweigend weiter. Kurz bevor sie den Berger-Hof betraten, fragte Katrin, ob er immer noch so cool sei wie vorher.

»Ich sterb’ bald vor Aufregung«, sagte Hans Burger, als er die Tür zur Gaststube öffnete. »Ich komm’ mir vor wie ein Pennäler vor dem ersten Rendezvous.«

Dann betraten sie die Gaststätte und sahen sich um.

»Hier ist einiges anders geworden«, sagte Hans Burger. »Ein Teil ist angebaut worden, aber so geschickt, daß man kaum erkennen kann, was neu und was alt ist.«

»Grüß Gott!« Gerti, die langjährige Bedienung des Bergerhofs kam vorbei und fragte, ob sie behilflich sein könne.

»Hier hat sich einiges verändert in den letzten Jahren«, sagte Hans. »Es gab mal eine wunderschöne alte Gaststube mit holzgetäfelten Wänden und…«

»Die gibt’s auch heut’ noch«, sagte Gerti, dann zeigte sie in eine bestimmte Richtung. »Da finden S’ die gesuchte Gaststub’ mit all den Trophäen und alten Bildern, ganz so, wie’s früher einmal gewesen ist.«

Hans bedankte sich, dann ging er voran in die gezeigte Richtung und als er schließlich die alte Gaststube betrat, in der kein Gast saß, da erkannte er vieles wieder, was zu seiner Zeit schon so gewesen war.

»Das darf nicht wahr sein«, murmelte er, während er sich umsah und vor Staunen weiterzureden vergaß.

»Ist was nicht in Ordnung?« fragte Katrin.

»Doch, doch«, murmelte ihr Onkel, »hier drinnen schaut’s nur aus, als wenn die Welt stehen geblieben wär’. Seit ich weg bin, sind ein paar Trophäen und ein paar Bilder hinzugekommen, aber sonst ist ’s, als wenn ich nie weggewesen wär’.«

»Das muß ja unheimlich sein«, sagte Katrin. »Wie lang ist’s her, daß du das Allgäu verlassen hast.«

»Sechsundvierzig Jahre«, erwiderte Hans Burger, dessen Stimme plötzlich einen sentimentalen Klang hatte, »für manche ein ganzes Menschenleben.«

*

Als Luise aus der Küche hinauf in ihre Zimmer ging, klopfte ihr Herz heftiger als sonst und als sie spürte, wie nervös sie war, schalt sie sich eine Närrin.

»Da kommt ein Mann daher, der dir mal nah stand und der vor über vierzig Jahren ausgewandert ist, und du fängst das Spinnen an, alte Närrin«, murmelte sie vor sich hin.

Eilig zog sie ihre Küchenkleider aus, ging ins Bad, richtete sich sorgfältig her und als sie dann eines ihrer schönsten Dirndl angezogen hatte, atmete sie tief durch.

»Luise«, murmelte sie, »du spinnt. Was soll das Theater? Fängst auf deine alten Tage an, wunderlich zu werden?«

Trotzdem legte sie etwas Rouge auf, zog die Lippen nach und als sie dann in den Spiegel sah, meinte sie, in einer Zirkusveranstaltung zu sein.

Sie wischte alles Make-up weg, zog auch das Dirndl aus, dafür ihre alltägliche Kleidung wieder an, dann richtete sie sich mit ein paar Handgriffen die Haare und ging nach unten.

Die Heidi sah sie verwundert an und fragte, ob sie sich nicht ein wenig habe herrichten wollen, worauf Luise antwortete, sie sei keine Zirkusbraut.

Heidi sah dann, wie Luise sich die Schürze glattstrich und entschlossen die Küche verließ. Unterwegs fragte sie die Gerti, ob sie einen Großvater mit Enkelin gesehen habe, woraufhin die Gerti sagte, die würden in der alten Gaststube sitzen.

Als Luise dann raschen Schrittes in diese Richtung ging, hätte man annehmen können, die bevorstehende Begegnung sei für sie wie jede andere. Sie hatte den Türdrücker schon in der Hand, als sie offensichtlich Angst vor der eigenen Courage bekam und zögerte.

»Mar’ und Josef, Luise«, murmelte sie leise vor sich hin. »Der Hans war über vierzig Jahr’ lang weg, was bildest du dir denn ein? Spinnst jetzt vollkommen?«

Dann drückte sie die Tür auf und betrat die alte Gaststube. Hans und Katrin standen mit dem Rücken zur Tür und sahen sich gerade Bilder an.

Als Hans sich umdrehte und Luise ansah, meinte die, ihr Atem bleibe stehen. Er trat einen Schritt in die Gaststube hinein und fragte mit belegter Stimme: »Luise…?«

»Grüß dich, Hans«, erwiderte die. »Als ich dich eben den Geierstein hab’ herunterkommen sehen, hab’ ich erst gemeint, ich würd’ träumen.«

Hans kniff ein wenig die Augen zusammen, weil es in der alten Gaststube nicht so hell war. Er trat noch einen Schritt auf Luise zu und als er nah genug bei ihr war, blieb er stehen.

»Luise«, murmelte er dann mit immer noch belegter Stimme, »ich weiß net, was ich sagen soll.«

Luise sah Hans Burger lange an, keinen Millimeter seines Gesichts ließ sie aus, dann lächelte sie ihn sehr lieb an.

»Du bist noch ein genauso fescher Kerl wie damals«, sagte sie schließlich. »Über vierzig Jahr sieht, hört und liest man nix von ihm und wenn er dann wieder da ist, der Burger-Hans, da meint man, er wär’ gar net weggewesen.«