Notärztin Andrea Bergen 1324 - Isabelle Winter - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1324 E-Book

Isabelle Winter

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Bewegt betrachtet die schöne Theresa die erste Ultraschallaufnahme ihres ungeborenen Kindes und kann ihr Glück nicht fassen! Sogleich erfasst sie eine grenzenlose Liebe zu dem kleinen Wesen, das in ihr heranwächst, und sie schwört ihm, es immer zu beschützen - komme, was da wolle. Doch da ist noch etwas, was sie ihrer Frauenärztin zeigen muss - und zehn Minuten später liegt Theresas ganzes Glück in Scherben: Höchstwahrscheinlich leidet sie an Brustkrebs, gerade jetzt, da alles so wunderbar hätte werden können ...

Kurz darauf im Elisabeth-Krankenhaus wird es traurige Gewissheit: Theresa ist schwer krank und muss sich umgehend einer Chemo- und Strahlentherapie unterziehen, wenn sie leben will! Doch die junge Frau weigert sich entschieden - denn sie will ihr Baby nicht gefährden. Sie hat ihm doch versprochen, es immer zu behüten ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 121

Veröffentlichungsjahr: 2017

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Keine leichte Zeit

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock / sanneberg

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-4583-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Ganz kurz nur durfte Theresa im siebten Himmel schweben – dann kam das schreckliche Erwachen! Gleich nachdem die Frauenärztin Theresas Schwangerschaft bestätigt hatte, bekam sie die fürchterliche Diagnose: Brustkrebs! Und seither ist für meine Freundin nichts mehr, wie es einmal war. Ihr Verlobter Florian drängt verzweifelt auf eine Abtreibung, damit Theresa sich endlich den lebensrettenden Therapien unterziehen kann. Doch Theresa weigert sich! Denn Chemo- und Strahlentherapie könnten dem Ungeborenen in dieser Phase der Schwangerschaft sehr schaden …

Seit Monaten sehen wir Ärzte im Elisabeth-Krankenhaus nun schon hilflos zu, wie Theresa schwächer und schwächer wird. Und einsamer – denn Florian konnte ihren Verfall nicht mehr mit ansehen und hat sich von ihr getrennt. Ich selbst habe inzwischen kaum noch Hoffnung: Wenn nicht ein Wunder geschieht, wird Theresa die Geburt ihres geliebten Kindes gar nicht mehr erleben …

»Bis morgen!«, verabschiedete sich Leon Wagner gut gelaunt von seinen Kollegen und Kolleginnen am Elisabeth-Krankenhaus.

»Schönen Abend, bis morgen!«, schallte es zurück.

»Viele Grüße an deine Liebste«, sagte Schwester Assisa lächelnd. Ihr frecher Blick verriet, dass sie mit ihrer Bemerkung darauf anspielte, wie ausgiebig Leon heute in der Mittagspause von seiner hübschen Freundin geschwärmt hatte.

Die Notärztin Andrea Bergen, die gerade vorbeikam, flötete augenzwinkernd: »Ja, genieß den Feierabend mit deiner Alexa!«

Der Krankenpfleger schmunzelte, als er das Krankenhaus verließ und mit beschwingten Schritten über den Parkplatz schlenderte. Sollten die Schwestern und Ärztinnen ihn nur necken! Er hatte allen Grund, Alexa anzuhimmeln. Seit er seinen braun gelockten Engel kennengelernt und das Herz an sie verloren hatte, war sein Leben nicht mehr dasselbe. Wann immer er an sie dachte, breitete sich ein herrliches Kribbeln in seinem Bauch aus, und er strahlte übers ganze Gesicht.

Während er auf direktem Wege nach Hause fuhr, dachte er voller Vorfreude darüber nach, was er und Alexa heute noch vorhatten: Sie wollten es sich mit einem leckeren Essen und einem guten Wein vor dem Fernseher gemütlich machen und ihren Lieblingsfilm ansehen. Das mochte nichts Besonderes sein, doch mit Alexa waren auch die alltäglichsten Beschäftigungen wunderschön.

Als er die Dachgeschosswohnung im Stadtzentrum betrat, in der sie gemeinsam wohnten, rief er ihren Namen. Doch zu seiner Überraschung antwortete sie nicht und kam ihm nicht entgegen.

Er warf einen schnellen Blick auf die Uhr: Normalerweise war sie um diese Zeit bereits von der Arbeit zurück. Auch ihre Jacke hing an der Garderobe, ihr Schlüssel lag säuberlich in der Schale auf dem kleinen Tisch. Nichts wies darauf hin, dass sie die Wohnung noch einmal verlassen hatte.

Ein ungutes Gefühl machte sich in seiner Magengrube breit, als er von Raum zu Raum lief und nach ihr suchte. In der Küche war sie nicht, ebenso wenig wie im Wohnzimmer oder im Bad.

Seine Hand zitterte, als er die Klinke der Schlafzimmertür umfasste. Viele Räume gab es nicht mehr, sie musste in diesem Zimmer sein. Aber warum antwortete sie nicht? Irgendetwas stimmte hier nicht!

»Alexa!«, stieß er hervor, als er die Tür öffnete und seine Freundin sah.

Reglos lag sie am Boden und sah aus, als schliefe sie friedlich. Ihre braunen Locken waren geradezu malerisch um ihren Kopf drapiert. Die Augen waren geschlossen, die Wangen blass und blutleer.

Sein Herz setzte einen Schlag aus. Er stürzte zu ihr, fiel neben ihr auf die Knie und tastete nach ihrem Puls, während er immer wieder ihren Namen rief. Aus dem Augenwinkel nahm er den Werkzeugkasten und die Leiter neben ihr wahr: Offenbar hatte sie auf eigene Faust versucht, die Lampe zu reparieren, die seit ein paar Tagen kaputt war, und dabei einen Stromschlag erlitten. Er hatte ihr versprochen, sich demnächst darum zu kümmern – aber so, wie es aussah, hatte Alexa nicht so lange warten wollen.

»Um Himmels willen, nein!«, presste er hervor, als er keinen Puls und keine Atmung feststellen konnte. Alexas Herz schlug nicht. An ihren zarten, feingliedrigen Händen waren schwere Verbrennungen zu sehen.

»Hilfe! Wir brauchen einen Notarzt! Hilfe, hört mich denn keiner?«, brüllte er, so laut er konnte. Jemand musste die Rettung verständigen. Er selbst hatte keine Zeit, ins Wohnzimmer zu laufen und das Telefon oder sein Handy zu holen; er musste sich jetzt um Alexa kümmern und durfte keine Zeit verlieren.

Er handelte instinktiv, ohne darüber nachdenken zu müssen. Seine Hände fanden wie von selbst die richtige Stelle am unteren Drittel des Brustbeins. Stark und rhythmisch drückte er ihren Brustkorb immer wieder mit den Handballen ein, um eine Herzdruckmassage durchzuführen.

Nachdem er das dreißig Mal gemacht hatte, beatmete er sie zweimal. Kräftig blies er Luft in ihre Lunge.

»Was ist denn hier los? Was ist denn passiert?« Frau Müller, eine Nachbarin, hatte seine Hilferufe gehört und war durch die offen stehende Wohnungstür hereingekommen. In einem fadenscheinigen, bunt gemusterten Bademantel und hellblauen Hausschuhen stand sie da, rang die Hände und wusste offensichtlich nicht so recht, was sie tun sollte.

»Wählen Sie den Notruf – schnell!«, stieß er hervor, ohne seine Tätigkeit zu unterbrechen. »Herzstillstand, offenbar infolge eines Stromschlags. Sagen Sie das denen am Telefon. Beeilen Sie sich!«

Sie eilte mit wehenden Morgenmantel-Schößen davon, um den Auftrag auszuführen.

Leon gönnte sich keine Pause, sondern setzte seine Wiederbelebungsversuche unermüdlich fort. Dreißig Mal Herzdruckmassage, zweimal beatmen – dieser Rhythmus beherrschte sein ganzes Denken.

Tränen rannen über seine Wangen und tropften auf Alexas hübsches, blasses Gesicht hinab, aber das merkte er kaum. Während er innerlich vor Angst und Sorge fast durchdrehte, funktionierte sein Körper wie ein perfekt programmierter Roboter.

Mit sanfter Gewalt griff jemand nach seinen Schultern und schob ihn beiseite. Jetzt erst realisierte Leon, dass Dr. Andrea Bergen mit ihrem Team, den Sanitätern Jupp Diederichs und Ewald Miehlke, angekommen war. Die Notärztin kniete neben Alexa nieder und kontrollierte rasch die Vitalfunktionen.

»Ihr Herz schlägt nicht«, stammelte Leon verzweifelt. »Hilf ihr, Andrea! Bitte!«

Die Notärztin warf ihm einen ernsten, beunruhigten Blick zu, bevor sie sich wieder Alexa widmete und ihr intravenös Adrenalin verabreichte. Leon wurde es eiskalt. Andreas Blick hatte ihm bestätigt, was ihm im Grunde seines Herzens bereits schmerzlich bewusst gewesen war: Die Lage war mehr als ernst.

Minutenlang kämpfte die Notärztin um Alexas Leben. Andrea tat alles, um Leons Freundin zu reanimieren, doch ihre Bemühungen waren vergebens.

»Es tut mir leid, Leon«, sagte sie schließlich stockend und ließ die Hände sinken.

»Nein!«, flüsterte er. »Nein, das ist nicht wahr! Wir müssen es weiter versuchen!«

Mit zusammengebissenen Zähnen und tränenverschleiertem Blick fuhr Leon mit der Herzdruckmassage fort. Wieder und wieder presste er die Handballen ruckartig auf Alexas Brustkorb, bis ein markerschütterndes Knacken verriet, dass er ihr eine Rippe gebrochen hatte.

Er konnte einfach nicht aufgeben. Die Vorstellung, sie zu verlieren, war unerträglich.

»Verlass mich nicht!«, stieß er hervor. »Alexa, bleib bei mir! Mach die Augen auf, ich flehe dich an!«

Andrea legte ihm behutsam die Hand auf die Schulter.

»Es tut mir leid«, wiederholte sie. Ihre Stimme klang erstickt. »Aber es hat keinen Sinn, Leon. Sie … sie ist tot.«

Er nahm Alexas leblosen Körper behutsam in die Arme, drückte sie an sich und hielt sie so fest, als wollte er sie niemals wieder loslassen. Es darf einfach nicht wahr sein!, dachte er immer wieder. Gerade noch hatte er sich darauf gefreut, einen gemütlichen Abend mit Alexa zu verbringen – und nun sollte alles vorbei sein?

Doch obwohl sich alles in Leon gegen diese Erkenntnis sträubte, wusste er, dass Andrea recht hatte: Alexa war tot. Er hatte sie verloren.

***

Andrea Bergen ließ sich langsam auf einen Stuhl sinken. Erst zitterten nur ihre Hände, dann breitete sich dieses Zittern über ihren ganzen Körper aus. Tief atmete sie durch und schloss für einen Moment die Augen.

Ruhig und kontrolliert hatte sie alle Formalitäten abgewickelt und den verzweifelten Leon Wagner getröstet, bis dessen Bruder eingetroffen war. Sie hatte sich beherrscht und ihre eigenen Emotionen unterdrückt, weil es zu ihrem Job gehörte, die Nerven zu bewahren. Aber nun, da sie ungestört war und eine kleine Pause einlegen konnte, fiel die Anspannung von ihr ab. Ein paar Tränen rannen über ihre Wangen.

Sie liebte ihren Beruf, doch an manchen Tagen fiel es ihr schwer, ihre positive Einstellung nicht zu verlieren. Es war hart zu akzeptieren, dass man nicht jeden Patienten retten konnte. Für Alexa Mauser war jede Hilfe zu spät gekommen.

Leons Verzweiflung mitzuerleben hatte ihr tief ins Herz geschnitten. Sie hatte unendliches Mitleid mit dem Krankenpfleger und wünschte, sie hätte ihm diese Qual irgendwie ersparen können.

Eines Tages würde er seinen Kummer überwinden, davon war sie überzeugt. Doch jetzt war das für ihn noch unvorstellbar; seine Welt war gerade tausend Scherben zerbrochen.

Der Piepser der Notärztin meldete sich und signalisierte ihr, dass sie gebraucht wurde. Rasch wischte sie sich die Tränen von den Wangen und straffte die Schultern: Später, wenn sie die Arbeit hinter sich gebracht hatte und zu Hause war, konnte sie ihren Emotionen freien Lauf lassen. Doch jetzt durfte sie sich keine Schwäche erlauben, denn Menschenleben konnten von ihrer Hilfe abhängen.

Entschlossen eilte sie zum Rettungswagen, wo sie von Jupp und Ewald bereits erwartet wurde. Mit Blaulicht und Martinshorn fuhren sie ihrem nächsten Einsatzort entgegen.

***

Ein Jahr später …

Erleichtert atmete Andrea Bergen auf, nachdem sie den Patienten, den sie wegen eines Schlaganfalls versorgt hatte, an die verantwortlichen Ärzte im Elisabeth-Krankenhaus übergeben hatte. Es war ein langer, anstrengender Arbeitstag gewesen. Ihre Augen und Beine schmerzten vor Anstrengung, ihr Magen knurrte, und sie sehnte sich nach einer heißen Dusche.

Eigentlich hätte sie schon vor einer Dreiviertelstunde in den Feierabend starten können, doch wenige Minuten, bevor sie von ihrem Kollegen Dr. Clemens Stellmacher abgelöst worden wäre, war der Notfall gemeldet worden. In solchen Fällen konnte sie natürlich nicht auf die Uhr schauen und darauf bestehen, pünktlich nach Hause zu kommen. Der alte Mann, der nach einem Schlaganfall zusammengebrochen war, hatte ihre Hilfe dringend benötigt.

Nun konnte sie sich theoretisch endlich den wohlverdienten Feierabend gönnen, doch eine Sache wollte sie vorher unbedingt noch erledigen. Sie hatte mitbekommen, dass Herr Stühlinger, der im Krankenhaus mittlerweile so etwas wie ein Dauergast war, heute wieder eingeliefert worden war. Der alte Mann litt an Parkinson, sein Zustand verschlechterte sich in letzter Zeit zusehends.

Seit seine Frau verstorben war, hatte er jeglichen Lebenswillen verloren. Seine Kinder und Enkel waren ihm da leider keine große Hilfe, wie Andrea betrübt festgestellt hatte. Sie besuchten ihn selten und empfanden es offenbar als lästige Pflicht, sich um ihn kümmern zu müssen.

Die Notärztin hatte Mitleid mit Herrn Stühlinger. Wann immer sie etwas Zeit erübrigen konnte, besuchte sie ihn und leistete ihm ein wenig Gesellschaft. Natürlich gehörte das nicht zu ihren Aufgaben, doch der einsame, kranke Mann tat ihr einfach schrecklich leid.

»Frau Bergen!«, sagte er, als sie sein Krankenzimmer betrat. Seine Stimme war leise und undeutlich, und sein Gesicht zeigte wegen der Krankheit kaum eine Regung, doch die Notärztin merkte ihm trotzdem an, dass er sich freute, sie zu sehen.

»Hallo, Herr Stühlinger«, sagte sie lächelnd. »Ich habe gehört, dass Sie wieder bei uns sind. Da konnte ich es mir ja nicht nehmen lassen, kurz nach Ihnen zu sehen. Wie geht es Ihnen denn?«

»Jetzt geht es mir sehr viel besser als noch vor einer Minute.« Er klang gerührt. »Wie freundlich von Ihnen, dass Sie sich Zeit für mich nehmen! Mit Besuch habe ich gar nicht gerechnet.«

Sie zog sich einen Stuhl heran. »Das ist doch selbstverständlich, ich plaudere gerne mit Ihnen«, sagte sie ehrlich.

Als sie sein Zimmer wieder verließ, war es bereits spät. Sie hatte es nicht übers Herz gebracht, ihn früher zu verlassen. Also hatte sie sich lange und geduldig mit ihm über die Urlaube unterhalten, die er früher gemeinsam mit seiner Frau unternommen hatte und an die er gern zurückdachte.

»Nun aber nichts wie nach Hause«, murmelte sie und steuerte auf den Ausgang zu.

Doch als sie um die Ecke bog, hielt sie mitten im Schritt inne. Ihr Blick war auf Leon Wagner gefallen, der mit einer Kaffeetasse in der Hand vor einem Fenster stand und hinaus in die Dunkelheit starrte.

Kurz zögerte sie, dann ging sie zu ihm und stellte sich neben ihn. »Na, was gibt es da draußen Interessantes zu sehen?«, fragte sie und blickte ebenfalls aus dem Fenster. Doch hinter der Scheibe war es bereits ganz düster, die Sonne war untergegangen. Leise rauschend hatte es zu regnen begonnen. Die Tropfen perlten am Fensterglas hinab und bildeten schimmernde Rinnsale.

»Ehrlich gesagt … habe ich nur nachgedacht«, gestand er verlegen.

Sie konnte sich nur zu gut vorstellen, wo er mit den Gedanken gewesen war: bei Alexa. Ihr Tod lag nun etwas mehr als ein Jahr zurück, doch Leon war noch in tiefer Trauer.

»Es wird besser«, sagte sie leise, »irgendwann. Vielleicht fühlt es sich jetzt noch nicht so an, aber im Laufe der Zeit werden die Wunden heilen.«

Er seufzte. »Ich weiß nicht. Sie fehlt mir jeden Tag. Immer wieder frage ich mich, ob ich sie hätte retten können, wenn ich früher nach Hause gekommen wäre.«

»So darfst du nicht denken«, widersprach sie energisch. »Niemand hätte ahnen können, dass Alexa so einen Stromunfall hatte. Und niemand hätte ihr helfen können, das ist dir doch klar. So traurig das auch ist: Alexa war auf Anhieb tot, sie musste nicht leiden.«

Seine tiefblauen Augen waren leicht gerötet, dunkle Schatten lagen darunter. Langsam nickte er. »Ja, du hast wohl recht. Danke, Andrea. Aber das zu wissen und es auch zu fühlen, das sind zwei unterschiedliche Dinge.«

Sanft drückte sie seine Schulter. »Das glaube ich dir«, sagte sie mitfühlend. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie es ihr ginge, wenn sie ihren Mann Werner durch einen so tragischen Unfall verlieren würde.

Leon lachte leise und freudlos. »Heute hat mich eine junge Frau angesprochen und um ein Date gebeten. Sie war hübsch, nett, sympathisch … Aber wie könnte ich mich auf so etwas einlassen? Nein, unmöglich! Für mich gibt es keine Liebe mehr.«

Mitfühlend betrachtete Andrea ihn von der Seite. Er sah sehr gut aus, so viel stand fest. Sein Gesicht war fein geschnitten und hatte etwas Aristokratisches an sich. Die tiefblauen Augen, die jetzt gerade so melancholisch aus dem Fenster blickten, schienen einem mitten in die Seele sehen zu können.

Die schwarzen Haare betonten seine helle, ebenmäßige Haut. Er war groß und sehr schlank – kein Muskelprotz, aber durchaus nicht unsportlich. Seine ganze Erscheinung erinnert eher an einen Dichter oder einen Pianisten, weniger an einen Krankenpfleger, dachte Andrea bei sich.