Notärztin Andrea Bergen 1516 - Hannah Sommer - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1516 E-Book

Hannah Sommer

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Beschreibung

Ein schriller Piepton erklingt und lotst ihn aus tiefem Nebel. Mühsam öffnet Markus die Augen. Ich bin im Krankenhaus!, durchfährt es ihn. Er spürt, wie ihm über eine Nasenbrille Sauerstoff zugefügt wird, und doch fällt ihm das Atmen so schwer wie nie. Verzweifelt ringt er um jeden Atemzug.
Markus weiß, dass die Zeit knapp wird: Seine Lunge hält dem pulmonalen Hochdruck nicht mehr stand! Nur eine Lungenspende kann ihn jetzt noch retten! Ihm bleiben bloß noch wenige Tage! In seinem Herzen wird ein Wunsch immer stärker: Ein letztes Mal möchte er Henning sehen, seinen ehemals besten Freund, und sich endlich mit ihm aussprechen, damit alles wieder gut wird - mit Henning und mit Pia, Hennings hübscher Schwester ...
Wie durch eine Fügung des Schicksals kommt diese Begegnung tatsächlich zustande - doch unter dramatischsten Umständen und ganz anders, als Markus es sich gewünscht hat ...

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Seitenzahl: 117

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Warten auf die gute Nachricht

Vorschau

Impressum

Warten auf die gute Nachricht

Immer wieder stoße ich in meinem Klinikalltag auf schlimme Schicksale – und auf überraschende Wendungen. Diesmal betreffen sie den Patienten Markus Bachmann. Der Arme ist erst vierundzwanzig Jahre alt und wacht jeden Morgen mit der Angst auf, dass heute sein letzter Tag sein könnte. Er leidet an pulmonalem Lungenhochdruck und wartet seit einem Jahr verzweifelt auf eine Spenderlunge.

Nun scheint ein Wunder geschehen zu sein: Ein junger Mann ist aufgrund eines Unfalls viel zu früh gestorben, und seine Organe wurden zur Transplantation freigegeben. Die Blut- und Gewebeübereinstimmung könnte nicht größer sein, und das Zentrale Spenderegister hat Markus tatsächlich die Lunge zugesprochen – ein großer Hoffnungsschimmer für Markus! Allerdings weiß er nicht, dass der Spender sein ehemals bester Freund ist. Wie wird Markus reagieren, wenn er erfährt, dass es Hennings Lunge ist, die ihn am Leben hält?

Das Piepen ihres Pagers riss Andrea Bergen aus dem Schlaf.

Buchstaben liefen über das Display: Einsatz: Autounfall.

Sofort war die Notärztin hellwach. Sie sprang aus dem Bett, das im Dienstzimmer der Notärzte des Elisabeth-Krankenhauses stand, und lief in den Bereitschaftsraum, in dem sich ihr Fahrer Jupp Diederichs und ihr Rettungsassistent Ewald Mielke aufhielten. Ewald reichte Andrea Bergen ihre orangefarbene Rettungsjacke, die sie sofort überzog.

»Heute haben wir keine ruhige Nacht«, stellte sie fest, denn sie waren erst vor einer knappen Stunde von einem Einsatz gekommen. Dort hatten sich zwei Teenager am Bahnhof in die Haare bekommen und eine Schlägerei angezettelt. »Wo müssen wir hin?«

»Auf die Landstraße in Richtung Kastell«, sagte Jupp Diederichs, während sie auf dem Weg in die Fahrzeughalle waren.

Dort parkte der Rettungswagen. Sie stiegen ein, und Jupp Diederichs schaltete Blaulicht und Martinshorn ein, während das Rolltor nach oben fuhr und den Weg freigab. Jupp Diederichs startete den Motor und brauste hinaus in die Nacht.

Es regnete in Strömen. Schon den ganzen Mittag war schlechtes Wetter gewesen, und auch am späten Abend, als sich Andrea Bergen das erste Mal zum Ruhen hingelegt hatte, hatten die Regentropfen gegen die Fensterscheibe geprasselt. Dazu kam der Wind, der durch die Baumkronen fuhr und das Laub mit sich davontrug.

Es war ein ungemütlicher Herbsttag, den man lieber mit einem guten Buch vor dem Kamin als draußen in der Kälte verbrachte. Kein Wunder, dass es bei den Witterungsverhältnissen zu einem Unfall gekommen war. Zumal die Straße in Richtung Kastell eine Allee war und dazu recht kurvig. Dort ereigneten sich häufig Unfälle wegen der schlechten Sicht oder weil die Fahrer einfach ihre Geschwindigkeit unterschätzten.

Schon von Weitem sah Andrea Bergen die Unfallstelle. Das orangene Licht der Warnblinkanlagen zuckte durch die Dunkelheit und vermischte sich mit dem Blaulicht der Polizei. Die Unfallstelle selbst war durch ein Warndreieck abgesichert.

Jupp Diederichs parkte den Wagen am Straßenrand, und als die Notärztin die Tür öffnete, prasselte der kalte Regen sofort wieder auf sie nieder. Dennoch hielt sie den Kopf erhoben und verschaffte sich einen Überblick über die Unfallstelle.

Ein Auto war von der Fahrbahn abgekommen und mit der Fahrerseite gegen einen Baum gekracht. Frontal musste es ebenfalls einen Zusammenstoß mitgemacht haben, denn unweit davon stand ein Lastwagen, der deutliche Schrammen an der Stoßstange aufwies.

Der Lkw-Fahrer stand sichtlich unter Schock. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und sprach gerade mit einer Polizistin. Doch wo waren die Insassen des Pkws? Der Notärztin schwante nichts Gutes, wenn sie das verbeulte Blech des Autos sah.

»Der Wagen ist ins Schleudern geraten und in den Gegenverkehr gerutscht«, informierte sie ein anderer Polizist. »Wahrscheinlich durch Aquaplaning oder nasses Laub. Der Lastwagenfahrer gibt an, dass er so schnell nicht mehr reagieren konnte. Sein Fahrzeug hat das Auto erfasst und von der Fahrbahn geschleudert. Dort ist es gegen den Baum geprallt.«

Andrea Bergen nickte mechanisch. »Wo sind die Insassen?«

»Noch drin«, antwortete der Polizist. »Der Rahmen des Autos ist so verzogen, dass wir die Beifahrertür nicht mehr aufbekommen.«

Und die Fahrertür war eingedrückt am Baumstamm, erkannte die Notärztin. Gott bewahre!, dachte sie. Wenn das nur gut ausging ... Eine Gänsehaut lief über ihren Rücken, aber sie blieb ruhig. Aufregung brachte niemandem was, das wusste sie. Wenn sie helfen wollte, musste sie einen kühlen Kopf bewahren.

»Die Feuerwehr ist informiert und auf dem Weg hierher«, sagte der Polizist.

Hoffentlich würden sie bald eintreffen! Für die Insassen des Pkw zählte womöglich jede Sekunde.

Im selben Augenblick hörte Andrea Bergen erleichtert das Martinshorn ihrer Kollegen. Das Feuerwehrauto kam unweit von ihr zum Stehen, und mit wenigen Worten waren die Feuerwehrleute informiert und machten sich an die Arbeit.

Währenddessen kümmerte Andrea sich um den Lkw-Fahrer, der zum Glück nur leicht verletzt war. Sie gab ihm ein Beruhigungsmittel und versorgte seine Platzwunde auf der Stirn mit einem Pflaster. Sie wechselte noch ein paar Worte mit ihm, ehe sie sich wieder zu dem Pkw wandte, um zu sehen, wie weit ihre Kollegen waren.

Mit dem Rettungskoffer in der Hand beobachtete sie, wie sie die Windschutzscheibe zum Bersten brachten, mit Rettungszangen das Blech durchschnitten und den oberen Teil des Fahrzeugs abhoben, damit sie an den Fahrer herankamen.

Der Airbag hing schlaff vor dem Lenkrad, Blut sickerte aus der Stirn des Fahrers, sein Kopf war zur Seite gekippt. Ansonsten befand sich zum Glück niemand im Wagen.

»Sie können jetzt ran!«, rief ihr einer der Feuerwehrleute durch den strömenden Regen zu.

Sofort eilte Andrea Bergen zu ihrem Patienten. Sie leuchtete ihm in die Pupillen. Keine Reaktion. Sie tastete nach seinem Puls. Er war viel zu schwach. Vermutlich hatte er innere Verletzungen davongetragen und blutete in den Bauchraum. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Das sah nicht gut aus!

»Ewald, Jupp, bitte helft mir dabei, den Patienten aus dem Fahrzeug zu bergen«, wies sie ihr Rettungsteam an.

Ihre Sanitäter fassten mit an, und zusammen schafften sie es, den Fahrer aus dem Wagen zu bekommen. Dort untersuchte die Notärztin ihn weiter, legte ihm einen Tubus, um ihn zu intubieren, und zog ihm ein Stiffneck zur Stabilisierung der Halswirbelsäule an. Währenddessen legte Ewald Miehlke einen Zugang und hängte eine Infusion an.

Andrea war erleichtert, dass ihre Sanitäter so gut mit ihr zusammenarbeiteten. Wenn es darauf ankam, funktionierten sie wie ein Uhrwerk. Jeder ihrer Handgriffe ging in den nächsten über, sodass sie keine wertvolle Zeit verloren.

»Der Patient ist transportbereit«, informierte sie ihr Rettungsteam. »Wir müssen ihn umgehend ins Elisabeth-Krankenhaus bringen.«

Sofort eilten Jupp Diederichs und Ewald Mielke zum Rettungswagen, um die Trage zu holen. Sie betteten den Patienten darauf und schoben ihn in den Fond des Fahrzeugs.

Andrea verabschiedete sich mit knappen Worten bei ihren Kollegen von der Feuerwehr und der Polizei und stieg zu dem Mann nach hinten ein. Besorgt überwachte sie die viel zu schwachen Vitalparameter.

»Kommen Sie schon«, murmelte sie. »Halten Sie durch.«

Sie spürte, wie sich der Rettungswagen gleich darauf in Bewegung setzte, hörte, wie Ewald Miehlke sie per Funk im Elisabeth-Krankenhaus anmeldete. Hoffentlich schafften sie es bis dorthin.

Jupp Diederichs lenkte den Rettungswagen in halsbrecherische Geschwindigkeit durch den strömenden Regen, doch Andrea hatte keine Angst. Sie wusste, dass er ein sicherer Fahrer war und niemals etwas riskieren würde. Dennoch kam ihr die Strecke heute länger vor, was wahrscheinlich daran lag, dass es ihrem Patienten so schlecht ging.

Endlich sah sie das gut beleuchtete Gebäude des Krankenhauses, ein alter Backsteinbau, der um diverse Anbauten erweitert und modernisiert worden war. Unter der überdachten Patientenanlieferung kam das Fahrzeug zum Stehen. Die Türen wurden von außen geöffnet, Dr. Fritz Homberg, der Leiter der Notaufnahme, half ihr dabei, die Trage herauszuholen.

»Henning Rebner, fünfundzwanzig, bewusstlos nach einem Autounfall. Vitalparameter kaum vorhanden. Ich habe einen Zugang ...« Die Notärztin wurde von dem schrillen Piepen der Geräte unterbrochen.

»Nulllinie!«, rief Dr. Homberg. »Sofort reanimieren!«

***

Inken saß am Krankenbett ihres Mannes und hielt seine Hand. Als sie von der schrecklichen Nachricht gehört hatte, war sie sofort ins Krankenhaus gefahren. Seitdem ließ sie Henning nicht mehr aus den Augen. Erst als es klopfte, blickte sie auf. Es war Pia, Hennings jüngere Schwester. Sie hatten blonde, gelockte Haare und die gleichen lupinenblauen Augen. Inken dachte immer wieder, wie ähnlich sie sich waren, nicht nur äußerlich.

»Wie geht es ihm?«, wisperte Pia.

»Schlecht«, gab Inken offen zu. »Die Ärzte wissen nicht, ob er es schaffen wird.«

Pia nickte kaum merklich. Sie trat an das Bett ihres Bruders und streichelte sanft über seine Wange.

»Wir hatten so einen schönen Abend«, sagte sie. »Es ist viel später geworden als gedacht. Ich habe ihm mein Gästezimmer angeboten, aber er wollte unbedingt noch zu dir fahren.«

»Wir waren heute früh zum Brunch verabredet«, murmelte Inken. »Wahrscheinlich wollte er deshalb nach Hause.«

»Es tut mir so leid.« Über Pias Wange rollte eine Träne.

»Es ist nicht deine Schuld. Die Polizei sagt, dass der Wagen ins Schleudern geraten ist. Wahrscheinlich, weil die Fahrbahn nass war.«

»Ich hätte ihn aufhalten müssen.«

»Nein, Pia«, erwiderte Inken mit sanfter Stimme. »Henning hat selbst entschieden, dass er noch fahren möchte. Du darfst dir deswegen keine Vorwürfe machen.«

Eine Zeit lang saßen sie schweigend nebeneinander am Bett, während die Geräte gleichmäßig piepten und Hennings Zustand überwachten.

»Wie geht es dir?«, fragte Pia leise.

Inken seufzte tief. »Offen gestanden, rechne ich mit dem Schlimmsten. Die Ärzte mussten ihn bei Ankunft im Krankenhaus reanimieren. Sie wissen nicht, ob er noch mal aufwacht.«

Pias Augen waren groß, als sie Inken jetzt anblickte. Sie umarmte ihre Schwägerin und drückte sie sanft an sich.

»Das ist so furchtbar«, flüsterte sie tränenerstickt. »Wenn ich irgendetwas tun kann, lass es mich wissen.«

Inken nickte. »Es war so schlimm, als der Anruf kam«, erzählte sie schließlich. »Ich war schon im Bett, aber aus irgendeinem Grund konnte ich nicht richtig schlafen. Ich habe mich ständig von einer Seite auf die andere gewälzt, hatte wirre Träume. Es war fast so, als hätte ich es gespürt.«

Sie fühlte Pias mitleidigen Blick, sah zu Henning, der intubiert an den Geräten hing. Inken atmete tief durch. Sie musste sich einen Moment sammeln, ehe sie weitersprach.

»Er hat schwere innere Verletzungen, dazu ein Schädel-Hirn-Trauma. Die Ärzte sagen, sie wissen nicht, ob er je wieder derselbe ist, wenn er aufwachen sollte.«

Bestürzt schlug sich Pia eine Hand vor den Mund. Inken hörte sie schluchzen, und da umarmten sie sich erneut und hielten sich eine ganze Weile lang nur fest. Pias Nähe tat Inken gut, und sie war froh, dass sie in diesem Moment nicht allein sein musste.

»Geh nach Hause«, flüsterte Pia. »Ich löse dich ab. Dann kannst du duschen und etwas frühstücken.«

Inken schüttelte den Kopf. »Ich möchte lieber bleiben.«

»Das verstehe ich, aber du musst auch auf dich achten. Henning ist nicht geholfen, wenn du hier zusammenklappst. Hol dir wenigstens einen Kaffee und ein belegtes Brötchen unten in der Cafeteria.«

»Danke, Pia«, flüsterte Inken.

Sie wusste, dass ihre Schwägerin recht hatte. Hier konnte sie nichts für Henning tun. Trotzdem fühlte sie sich furchtbar, wenn sie ihn jetzt alleine ließ. Was, wenn das Schlimmste passierte und sie nicht da war? Andererseits konnte sie ihrem Mann auch nicht helfen, wenn sie an seinem Bett saß und nichts tat. Es war entsetzlich, einfach nur zu warten, vor allem, da ihr die Ärzte keine großen Hoffnungen gemacht hatten.

»Ich ruf dich sofort an, wenn hier irgendetwas passiert«, versprach Pia.

»Danke.«

Inken schenkte ihr ein mattes Lächeln. Mit einem sanften Kuss auf seine Stirn verabschiedete sie sich von Henning und verließ die Intensivstation. In der großen Eingangshalle blickte sie sich um.

Der Morgen war angebrochen. Das fahle Licht war durch die Fenster zu sehen, doch es erhellte den Tag nicht. Drinnen in der Cafeteria war die Neonbeleuchtung eingeschaltet worden.

Als Inken in den frühen Morgenstunden ins Elisabeth-Krankenhaus geeilt war, hatte noch alles im Dunkeln gelegen. Jetzt schien das Krankenhaus langsam zu erwachen. Das erste Personal lief durch die Gänge, ein paar Patienten oder Angehörige durchquerten die große Eingangshalle. Es fühlte sich irgendwie leichter an, jetzt, da sie mehr Menschen um sich herum hatte.

Dennoch war Inken angespannt. Sie fühlte sich wie in einem Film. Ihre Schritte waren unsicher, und sie hatte den Eindruck, als gehörte sie gar nicht hierhin, als steckte sie irgendwo fest zwischen Zeit und Raum. So wie Henning, der bewusstlos im Koma lag.

Sie bestellte sich in der Cafeteria einen Cappuccino und ein Brötchen mit Käse, setzte sich an die große Fensterfront und blickte hinaus. An den Scheiben hingen noch die Regentropfen. Manch einer wurde zu schwer und perlte hinunter.

Inken spürte die Feuchtigkeit auf ihrer Wange – nein, das waren ihre eigenen Tränen, stellte sie fest, als sie sich mit den Fingerspitzen darüberfuhr. Was sollte sie tun? Wie würde ein Leben ohne Henning aussehen? Bei dem Gedanken wurde es ihr ganz schwer ums Herz, und dennoch musste sie sich damit befassen.

Dr. Homberg von der Notaufnahme und die Notärztin Andrea Bergen, die Henning ins Krankenhaus eingeliefert hatte, hatten sie auf das Äußerste vorbereitet. Und trotzdem fühlte sie sich wie eine Verräterin, als sich diese schrecklichen Gedanken heimlich in ihr Bewusstsein schlichen.

Inken schniefte und blinzelte die aufsteigenden Tränen weg.

Es war ein Unfall. Niemand hatte Schuld. Ein einziger Moment, der ihr ganzes Leben aus den Fugen gerissen hatte und womöglich alles in Scherben zurückließ ...

***

Für Markus war es ein Morgen wie jeder andere. Der Wecker klingelte um sieben Uhr. Er schlug die Decke zurück und setzte sich auf. Jetzt brauchte er die erste Pause, er atmete gleichmäßig und sog die Luft in die Lungen. Sauerstoff tat ihm gut.

Mit Mühe schleppte er sich ins Badezimmer, warf einen Blick in den Spiegel. Obwohl er gut geschlafen hatte, war er immer noch müde.

Aber mit dieser Abgeschlagenheit und der Abnahme seiner körperlichen Leistung lebte er nun schon seit zwei Jahren. Wie aus heiterem Himmel war er damals zusammengebrochen, und man hatte bei ihm nach einer eingehenden Untersuchung pulmonalen Lungenhochdruck diagnostiziert.

Heilen konnte man ihn nicht, seine einzige Aussicht bestand in einer Lungentransplantation, auf die er seit über einem Jahr wartete.

Markus holte seine Medikamente aus dem Badezimmerschrank und nahm sie mit einem großen Schluck Wasser ein. Als er sich jetzt wieder im Spiegel ansah, bemerkte er die blauen Lippen, ein weiteres Anzeichen für seinen Sauerstoffmangel.