Schatten über Nohva - Billy Remie - E-Book

Schatten über Nohva E-Book

Billy Remie

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Beschreibung

Cohen ist Reiter in der Kavallerie des Königs und schwor den Eid, für seine Götter zu kämpfen. Während sich der Krieg in Cohens Heimatland ausbreitete, ist sein einziger Trost die Affäre mit einem Diplomaten am Hof des Königs. In den Armen des anderen Mannes kann er die Grausamkeit des Krieges vergessen. Doch ihre Liebe ist verboten und muss geheim bleiben. Trotzdem begibt sich sein Gefährte in Gefahr, als Cohen ihn nach einer Niederlage am meisten brauchte. Doch selbst er konnte die dunklen Mächte nicht von Cohen fernhalten, und diese hielten eine beunruhigende Prophezeiung für Cohen bereit … *Für all jene, die neugierig darauf sind, was während der Abwesenheit unserer Helden aus der Legenden-aus-Nohva-Reihe in ihrer Heimat geschieht. (Diese kleine Kurzgeschichte spielt vor Band 4.)

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Seitenzahl: 111

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Billy Remie

Schatten über Nohva

Legenden aus Nohva Kurzgeschichte

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Das Herz der Schwarzen Stadt

In der Nacht die Sünde

Bluts- und Waffenbrüder

Geflüsterte Worte

Kleiner Bruder mit großem Herz

Schlacht im Morgengrauen

Leere

Grün stechende Augen

Danksagung

Impressum neobooks

Das Herz der Schwarzen Stadt

Sie schloss die Augen und stimmte ihren Geist auf die Magie um sich herum ein. Draußen hörte sie die schweren Schritte langsam marschierender Truppen, die sich unaufhaltsam den ungeschützten Mauern ihrer Heimat näherten. Nichts konnte die Soldaten dieses Mal aufhalten, sie würden die Stadt stürmen.

Schon seit dem Tag ihrer Geburt lebte sie gemeinsam mit ihresgleichen in der geächteten Küstenstadt im Norden Nohvas. Sie war so jung, das sie sich an die Zeit vor zwei Jahrzenten, von denen sich die alten Hexen noch erzählten, nicht erinnern konnte. Damals, bevor Verräter den König stürzten und alle Erben ermordeten, bevor der Usurpator Rahff der Zweite die Krone Nohvas auf dem Haupt trug, bevor die Kirche Hexen und andere Magieanwender verfolgen und verbrennen ließ.

Aber auch schon zu jener Zeit war die Schwarze Stadt an den Violetten Küsten ein verrufener und verdorbener Ort gewesen, an dem das Verbrechen regierte. Der einzige Unterschied zu heute war, dass der damalige König gewusst hatte, dass diese Stadt uneinnehmbar war. Denn kaum eine Armee war stark genug um sich der Magie hunderter Hexen und Magier entgegen zu stellen. Es wäre wohl auch einfach sinnlos gewesen, tausende Männer dafür in den Tod zu schicken, um eine ohnehin vom salzigen Meereswind verschimmelte Stadt einzunehmen, die keinen großen Nutzen brachte.

Doch die Kirche hatte es getan, mit Unterstützung des Usurpators. Und das aus nur einem einzigen, widerwärtigen Grund.

Sie kamen, um zu töten.

Um ihre Ansicht einer bereinigten Welt durchzusetzen. Eine Welt, in der keine Frau, kein Kind, jemals mehr Macht als ein Mann besitzen durfte. Eine Welt, in der es keinem Bastard gestattet war, mächtiger zu werden als ein Adeliger. Eine Welt ohne Magie.

Die Schwarze Stadt bot ihnen überhaupt nichts. Keine Ressourcen, keinen guten Stützpunkt, selbst der Wiederaufbau würde die Krone mehr Silber kosten als die Schwarze Stadt einfach niederzubrennen. Es ging nicht einmal Gefahr von hier aus, da die Hexen durch die Verfolgungen im Inland freiwillig an diesem Ort blieben, um in Sicherheit und Frieden vor der Kirche leben zu können. Die Gesetzlosen lebten schon seit Jahrzehnten in der Schwarzen Stadt ganz allein unter sich, ohne je die umliegenden Ländereien anzugreifen. Das hatten sie nicht nötig.

Doch der Kirche genügte das Wissen, das Magie in den Bewohnern der Schwarzen Stadt lebte, um immer und immer wieder Truppen zu schicken.

Lange hatten sich die Hexen gehalten, lange hatten sie sich gegen die Kirche und die Krone verteidigen können. Doch sie wussten alle, dass heute der Tag der Niederlage gekommen war. Sie konnten es im salzigen Wind fühlen, der über die Küste zerrte. Sie konnten es in den müden und geschwächten Gesichtern ihrer Schwestern sehen.

»Sie kommen«, sagte Seehna erstaunlich nüchtern und öffnete die Augen. »Es sind mehrere Hundert.«

»Was sollen wir nur tun?«, hauchten ihre drei Zirkelschwestern wie aus einem Munde.

Seehna stand von ihrem Platz am Boden auf und umrundete ihre Schwestern, die einen Kreis um sie herum gebildet hatten. Es war dunkel in dem Kellergewölbe des alten verlassenen Bordells, nur eine Fackel und vier Kerzen – eine für jede Hexe – spendeten Licht.

»Wir werden gehen«, sagte Seehna zu ihren Schwestern. Sie bückte sich in den kalten Ofen und schnappte sich ein Stück verkohltes Holz.

»Gehen?«, fragte Culina verunsichert. Sie war die jüngste unter ihnen, doch trotz ihrer knabenhaften Gestalt, wirkte sie dank ihrer schneeweißen Haare von hinten wie eine Greisin.

»Wir können dem Usurpator nicht kampflos die Stadt überlassen«, warf Kassins ein. Aus ihren wunderschönen großen Augen funkelte Seehna Trotz entgegen, als sie zurück in den Kreis trat. Von allen vier Schwestern ihres Hexenzirkels war Kassins die Verführerischste. Durch ihre weiblichen Rundungen und ihre vollen Lippen benötigte sie nicht einmal Magie, um Männer auf ihr Lager zu locken. Was sie nicht davon abhielt, dennoch faule Zaubertricks zu verwenden.

Die letzte im Bunde war Annaly. Sie sagte nichts dazu, sie grübelte düster vor sich hin. Ihr pechschwarzes Haar hüllte ihre ernste Miene wie ein Theatervorhang ein. Sie war von ihnen allen die wohl Arglistigste. Seehna hegte keinen Zweifel daran, dass Annaly ihr von allen am ehesten bei dem Zauber helfen würde, den sie plante.

»Wir werden dem Usurpator gar nichts überlassen«, erwiderte Seehna ernst. Sie raffte mit der einen Hand den Rock ihres kratzigen Kleides und bückte sich, um mit der anderen Hand Runenzeichen mittels der Holzkohle auf den Boden zu zeichnen. »Wenn wir hier nicht mehr leben können, wird keiner mehr hier leben!«

Ihre Schwestern sahen ihr eine Weile stumm dabei zu. Erst als sich der Kreis der Runen fast geschlossen hatte, erkannten sie, was Seehna plante.

Culina sprang erschrocken auf und schlug sich die Hand vor den Mund. »Nein! Das können wir doch nicht tun!«

»Welche Wahl haben wir?« Annaly blieb als einzige gelassen sitzen, genau wie Seehna es von ihr erwartet hatte. Sie zeigte auf zwei Runen und wies Seehna sogar daraufhin: »Diese beiden Zeichen müssen vertauscht werden.«

»Danke, meine Schwester.« Seehna umrundete den gemalten Kreis und wischte die beiden Runen fort, um sie zu vertauschen.

»Das ist Irrsinn!« Kassins schüttelte ihre prächtigen, haselnussbraunen Locken. Sie war aufgestanden, schien den Kreis aber nicht verlassen zu wollen.

Seehna beendete die Zeichnung und stellte sich an ihren Platz, den südlichsten Punkt. Annaly saß am östlichsten Punkt. Kassins stand schon am nördlichsten Punkt. Um den Kreis zu schließen musste nur noch Culina zurück an ihren Platz treten.

»Kommt, Schwester.« Seehna ließ die Kohle fallen und streckte ihre beschmutzten Finger nach den Händen ihrer Schwestern aus. Dringlich sah sie sie an. »Wir haben keine andere Wahl. Diese Stadt darf niemals in die Hände der Kirche fallen. Wir haben es alle gesehen.«

Als sie sich zusammengeschlossen hatten, war ihre Gemeinschaft aus Furcht vor der Kirche entstanden, doch heute hielt sie das Band der Freundschaft zusammen. Und der Liebe, dachte Seehna insgeheim und warf einen verstohlenen Blick auf Annaly, die ihr zu schmunzelte. Sie waren eine Familie. Ihre Kräfte waren aufeinander abgestimmt, und zusammen war ihre Magie mächtiger, als sie es sich je hatten erträumen lassen. Doch auch sie würden keiner Armee standhalten. Nicht, nachdem sie schon seit zwei Jahren täglich diese Stadt verteidigten. Ihre Magie schwand, ihre Kräfte neigten sich dem Ende zu. Sie mussten ruhen, ehe sie wieder stark genug waren, etwas zu unternehmen.

»Lasst uns einfach von hier fortgehen!«, sagte Culina nun. Entsetzt trat sie vor, sie konnte nicht glauben, was Seehna plante. »Ich bitte euch, das führt doch zu nichts!«

»Der Usurpator darf die Küste niemals einnehmen«, erinnerte Annaly ihre Schwester. Sie stand auf und legte ihre Hand in Seehnas, die andere streckte sie nach Kassins aus. Doch Kassins zweifelte ebenfalls, genau wie Culina.

»Wir haben unsere Kräfte einst vereint, um die Macht des Sehens zu erlangen«, erinnerte Seehna ihre Schwestern, »und ihr wisst alle, was wir gesehen haben.«

»Wenn Rahff die Küste einnimmt, gibt es keinen Ort mehr, der sicher vor ihm wäre.«

»Aber damit«, Kassins deutete auf den Runenkreis, »machen wir die Schwarze Stadt auch für uns unbewohnbar.«

»Aber die Magie wird hier herrschen«, warf Annaly ein, »und solange hier Magie herrscht, durch welches Wesen auch immer, solange sind wir noch nicht ausgestorben.«

»Das ist genau der Grund, weshalb uns die Menschen so fürchten.« Culina schüttelte bedauernd ihren Kopf. »Gibt es denn wirklich keinen anderen Weg mehr?«

»Je mehr sie von uns töten, je schwächer wird die Magie«, warnte Annaly. »Stellt euch nur vor, wir ließen zu, dass sie die Stadt nehmen und uns alle töten. Selbst wenn wir entkommen, schwächt es unsere Kräfte. Also geben wir der Schwarzen Stadt ein Herz aus Magie, aus dem wir unsere Macht ziehen können.«

»Aber es wäre Dunkle Magie, aus der wir dann Kraft ziehen werden«, warf Kassins ein.

»Besser als nichts«, konterte Annaly. »Oder willst du deine Kräfte verlieren? Schutzlos und hilflos sein, in einer Welt, die von Frauenhassern und Mördern regiert wird?« Fordernd bewegte sie ihre Finger zu Krallen. Die Ungeduld stand ihr tief ins Gesicht geschrieben. Dass sie so gereizt erschien, lag an ihrer Angst, ihre Kräfte zu verlieren.

Sie konnten sie alle verstehen. Wenn eine Hexe ihrer Macht beraubt wurde, stahl man ihr damit Herz und Seele.

Seehna drückte Annalys Hand, um sie zu beruhigen. »Ich lasse nicht zu, dass uns etwas geschieht.«

Seufzend ergab sich Kassins und klatschte wiederwillig ihre Hand in Annalys. Dann sah sie zu Culina und bot ihr die andere Hand dar.

Doch ihre jüngste Schwester zögerte unsicher.

»Wenn wir unsere Kräfte verlieren«, sprach Seehna auf sie ein, »können wir niemandem mehr helfen.«

»Sie haben recht«, lenkte nun auch Kassins ein. »Denk an all jene, die uns und unsere Magie noch brauchen werden. Denk an all die Frauen, die unsere Hilfe nötig haben.«

»Ich lasse nicht zu, dass auch nur eine von uns als hilflose Magd endet. Oder als Asche auf einem Scheiterhaufen.« Annaly grinste zynisch. »Oder noch schlimmer, als Gattin eines fetten Lords.«

Seehna lächelte sie an, und erhielt dafür ein verschmitztes Lächeln zurück.

Seufzend stampfte Culina zurück an ihren Platz. Doch bevor sie den Kreis schloss, fragte sie noch befürchtend: »Haben wir die Macht, sie an diesen Ort zu binden? Ich will nicht Grund für eine Plage sein.«

»Wir haben die Macht«, versicherte Seehna.

Noch einmal atmete Culina tief durch, dann schloss sie die Augen und legte ihre Hände mit Nachdruck in Kassins` und Seehnas Hände.

Nacheinander schlossen sie die Augen. Kassins als nächste, Annaly warf Seehna noch einen letzten liebevollen Blick zu, dann schloss auch sie die Augen, und zuletzt senkte Seehna die Lider.

Sofort spürte sie das Knistern in der Luft, als sie ihre Kräfte verbanden und kanalisierten. Sie fielen augenblicklich in einen Singsang ein. Ein Windzug erstand um sie herum, der die Kerzen und die Fackel erlöschen ließ. Die Runen begangen zu leuchten wie feurige Glut und brannten sich in den morschen Dielenboden.

Gemeinsam sprachen sie den Zauber, der das Portal zur Unterwelt öffnete und den Dämonen einen Weg in die Welt der Sterblichen ebnete.

In der Nacht die Sünde

Der feuchte Wind einer verregneten Herbstnacht zog durch jede Ritze des bescheidenen Hauses.

Es war ein kleines Haus, dem Verfall nahe, das sich an ähnliche Gebäude dieser Art reihte. Häuser des ärmeren Viertels.

Doch jedes Dach, ob löchrig oder dicht, war besser als gar kein Dach über dem Kopf.

Cohen nutzte seine Hand als Kelle, um damit das lauwarme Wasser aus der Waschschale zu schöpfen und damit sein schmutziges Gesicht zu waschen. Er schätzte sich schon glücklich, sich und seiner Familie überhaupt eine Unterkunft innerhalb der Mauern gewährleisten zu können. Wäre sein Sold nur um ein Dutzend Silbertaler weniger, säßen er und seine Frau mit den beiden Kindern auf der Straße. Und Ilsa, die kleinste, war noch nicht einmal ein ganzes Jahr alt. Ihr Bruder Marks war auch erst zwei Jahre alt. Das würden sie nicht überleben.

Kaum zu glauben, dass er schon beinahe drei Jahre mit Sigha verheiratet war. Es kam ihm nicht so lange vor. Vermutlich lag dies daran, dass er die meiste Zeit überhaupt nicht anwesend war. Er nahm am Familienleben selten teil. Er liebe die Kinder und Sigha, aber er lebte trotzdem eine Lüge.

Cohen stützte sich mit nassem Gesicht auf den Rand der Waschschale und blickte auf sein Spiegelbild hinab. Sein kurzes Haar schimmerte im Kerzenschein in einem satten Dunkelbraun, seine markanten Gesichtszüge wirkten hart, doch seine Wangen schienen fahl und eingefallen, seine geschwungenen Lippen waren trocken vom Staub der Straße, und unter seinen großen rotbraunen Augen zeichneten violette Ringe sein eigentlich recht attraktives Gesicht. Er wirkte älter, als er sich in Erinnerung gehabt hatte, dabei war es erst gestern gewesen, als er sein Spiegelbild zuletzt gesehen hatte. Die Reise nach Hause hatte ihn ermüdet, sein Körper schrie nach Schlaf. Die vielen Schlachten, in denen er den ganzen Sommer über mit seinen Waffenbrüdern gekämpft hatte, trugen ihren Teil zu seiner Erschöpfung bei. Endlich zu Hause. Und sein Leib und sein Geist schienen es zu spüren und wollten ruhen. Aber noch wollte ihn das Leben nicht die Erholung suchen lassen, denn kaum war er in sein Heim getreten, hatte es an der Tür geklopft. Ein junger Bote hatte ihm die Nachricht überbracht. Noch einmal sollte er das Haus verlassen, er würde in jener Nacht auch nicht zurückkommen.

Doch trotz aller Erschöpfung, verspürte er auch ein warmes Prickeln im Magen. Es war die Vorfreude auf das, was ihn erwartete, wenn er dem Befehl gehorsam folgte.

Eine Wasserperle tropfte von seiner Nasenspitze in die Schale und ließ sein Abbild verschwimmen. Cohen strich mit den Fingerspitzen über die Wasseroberfläche, als wollte er sich selbst fortwichen. Er griff nach einem scharfen Messer und der Schale mit Schaum, dann begann er, sich überall dort zu rasieren, wo es seiner Meinung nach notwendig war. Als er damit geendet hatte, nahm er einen rauen Lappen zur Hand, tunkte ihn in die Schüssel und wusch sich so gründlich wie es ihm durch seine bescheidenen Lebensumstände möglich war.

Es würde schon genügen, beruhigte er sich.

Nachdem er sich die lange Reise vom Körper gewaschen hatte, zog er sich einfache Straßenkleidung an und verließ das Zimmer.