Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die Schreinerin Steffi ist von jammernden Singles umgeben und meint es nur gut, als sie eine Fisch-sucht-Fahrrad-Party veranstaltet, um ihren Freundeskreis endlich zu Paaren zu treiben. Die Folgen dieser Party allerdings verändern ihr ganzes Leben… Außerdem wird die Schreinerei immer mehr von rätselhaften Anschlägen geplagt, die bis zur Existenzvernichtung führen, bis Steffi, Lukas und Marc schließlich nicht mehr weiter wissen - will jemand die Firma? Oder das Gelände? Oder nach einem Schatz graben? Oder soll das ein Racheakt sein? Aber wofür bloß? Warum sind obendrein Steffis Freundinnen alle so dermaßen durch den Wind? Und warum ist die Kommunikation zwischen Steffi und Lukas so gestört? Bis zum Happyend ist es ein weiter Weg...
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 660
Veröffentlichungsjahr: 2015
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Alles frei erfunden!
Imprint
Schluss mit lustig! Kriminalroman
Elisa Scheer
published by: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
„Blond wäre mir natürlich am liebsten, aber so wählerisch bin ich gar nicht mehr.“
Ich zählte innerlich bis zehn. „Gib mal den kleinen Kreuzaufsatz. Nein, nicht den, den kleinen, hab ich gesagt!“
Ich nahm ihn entgegen, steckte ihn auf den Akkuschrauber, zog die Schraube an und gab den Aufsatz wieder zurück. „Jetzt halte das Brett mal fest! Nein, nicht so – etwas höher! Zu hoch, einen Zentimeter tiefer – stopp! Bleib so!“
Danach ließ Marc seine Hände erleichtert sinken und fing wieder an. „Und wenn sie auch noch kochen könnte, wäre es natürlich ganz toll, ich hab diesen Tiefkühl- und Pizzafraß so was von satt. Glaubst du, so was finde ich?"
„Nein, mach lieber mal einen Kochkurs, alter Macho. Gib mal ´ne Schraube. Die doch nicht, eine lange, Himmel noch mal, das hier ist der Rahmen!“
Wenn Marc noch was anderes im Kopf hatte als diese imaginäre Traumfrau, war es mir auf jeden Fall noch nicht aufgefallen. Ich saß hier in einem finsteren Winkel in einer erst halb renovierten Wohnung und passte ein Maßregal ein, und er elendete mich mit diesem Schwachsinn!
„Kannst du eigentlich kochen?“, fing er wieder an.
„Ja, aber nicht für dich. So viel Spaß macht es mir auch wieder nicht. Gib doch eine Anzeige auf, Redseliger Schreiner sucht Traumfrau, blonde Köchinnen bevorzugt, oder so.“
„Verarsch mich nicht dauernd! Ich dachte bloß – du gefällst mir gar nicht so schlecht, und du bist doch auch solo, oder?“
„Stellst du dir so was wie eine Notgemeinschaft vor? So nötig hab ich´s auch wieder nicht.“
„Ach, komm, das wäre doch gar keine schlechte Idee, oder?“
„Marc, wenn du einen Notstand hast, ist das nicht mein Problem. Jetzt hör mit dem Schwachsinn auf, ich möchte das Regal heute noch fertig kriegen, wir haben morgen diese Schrankwand in der Tiepolostraße, schon vergessen? Reich mir mal die Haltestifte an, zwei Stück!“
Er reichte mir brav paarweise die Haltestifte, ich brachte sie an, kroch dann aus dem Regal wieder heraus, wischte es sauber – überall Sägespäne, wie immer – und hängte die Regalbretter ein, genau nach der zittrigen Skizze des Auftraggebers. Bloß gut, dass wir selbst ausgemessen hatten! Das Regal passte in die Nische wie die Hand in den Handschuh. Ich fegte auf, immerzu unterhalten von Marcs Gefasel. „Und sportlich sollte sie sein, und später mal Kinder haben wollen. Außerdem wäre es natürlich gut, wenn sie nicht zu dünn wäre, ordentlich Holz vor der Hütt´n wäre schon wichtig.“
„Typisch Schreiner. Du stellst ja ganz nette Ansprüche, Freundchen. Was hast du denn zu bieten – im Gegenzug?“
„Naja, einen sicheren Job... und ich kann ziemlich oft und lange...“ Er grinste lausbubenhaft.
„Idiot! Wen interessiert das, wie oft und lange? Wie gut ist die Frage! Weißt du, oft und lange legt sich bei Männern ja ziemlich schnell, ihr baut doch ab fünfundzwanzig rapide ab. Wenn dich eine deswegen nimmt, ist sie in ein paar Jahren sicher nicht mehr ausgelastet. Wie alt bist du jetzt? Achtundzwanzig?“
„Blöde Kuh. Was sollte ich denn sonst zu bieten haben?“
„Persönlichkeit! Was du bis jetzt genannt hast – dafür tut es ja wohl auch ihr eigenes Gehalt und ein Vibrator. Was macht dich liebenswert – außer dieser kleine-Jungen-Masche und dem pausenlosen Gequassel?“
„Ich bin ein braver Bub!“, behauptete er, „Ich trinke fast nichts, ich rauche auch nicht -“
„Gut, dann muss sie ja keine Angst um die Gardinen haben. Sonst noch was?"
„Ich kuschele gerne, ich bringe sogar mal den Müll runter und ich kann tanzen.“
„Haha!“ Das hatte ich schon mal gesehen und nur bedauert, dass keine Videokamera für einen kleinen Erpresserfilm zur Hand war.
„Also, damit die liebe Seele Ruhe hat – wenn ich mal wieder eine Party mache, lade ich dich ein, dann kannst du ja gucken, ob du da ein passendes Deckelchen findest, du Topf, du. Sammelst du mal das Werkzeug ein?“
Der Auftraggeber, der bis jetzt in einem anderen Zimmer die Tapezierer gequält hatte, kam, um unsere Fortschritte zu begutachten, und äußerte sich zufrieden. „Das ist aber bestimmt kein Tropenholz, oder?“
„In den Tropen gibt es keine Eichen. Das ist europäisches Holz aus nachhaltiger Produktion mit Ökosiegel, schadstofffrei und langlebig. Das Regal können Sie noch weitervererben. Wir benutzen überhaupt kein Tropenholz, nicht einmal aus Plantagen, man kann das zu schlecht kontrollieren. Mit einem feuchten Lappen gelegentlich abwischen, mehr Pflege braucht das Holz nicht. Können wir noch etwas für Sie tun?“
Nein, der Auftraggeber war restlos zufrieden, unterschrieb alles, nahm die Rechnung entgegen, schluckte etwas (billig waren wir nicht, aber gut) und verabschiedete uns.
Auf dem Weg zur Firma brabbelte Marc ununterbrochen weiter, zuerst darüber, dass er hätte fahren müssen, denn Männer führen besser Auto (was mir nur ein verächtliches Schnauben entlockte) dann weiter über seine Traumfrau, die auch tierlieb sein sollte (das hieß also, das Gassigehen würde an ihr hängen bleiben), die gleichen Sendungen wie er lieben musste (also endlose Tennisturniere und wahre Reportagen über den größten Bagger der Welt und ähnlich spannende Dinge) und überhaupt anschmiegsam sein sollte.
„Was verstehst du unter anschmiegsam? Und jetzt hör endlich auf, mir alle roten Ampeln anzusagen, ich bin nicht blind.“
„Dass sie nicht dauernd was anderes machen will. Und nicht dauernd an mir herummeckert.“
„Schön, schön. Dann ist aber doch klar, dass ich nicht die Richtige für dich bin, oder?“
„Naja, schon – aber du hast so einen tollen Hintern.“
Ich gab es auf. Er war ja ein lieber Kerl, aber man konnte ihn wirklich nicht ernst nehmen. Lieber scheuchte ich ihn mit allem Werkzeug aus dem Auto, als wir endlich zwischen diversen Materialstapeln unseren Parkplatz gefunden hatten. Erleichtert wollte ich mich in mein Büro verziehen, um die Entwürfe für einen Laden in der Florianstraße weiter zu bearbeiten, als der Chef mich rief.
„Na, wie war´s?“
„Problemlos, alles hat nahtlos gepasst, auch mit der Rechnung war alles klar. Kann ich bitte beim nächsten Mal einen Knebel mitnehmen, um Marc zum Schweigen zu bringen? Ich weiß jetzt alles über seine Traumfrau, nur nicht, wo
ich sie hernehmen soll, damit endlich Ruhe ist.“
Lukas lachte kurz auf. „Er ist eben ein Kindskopf! Dass es keine Traumfrauen gibt, wird er schon noch lernen, notfalls eben auf die harte Tour.“
„Sag das nicht so, als gäbe es irgendwo Traummänner! Einer schlimmer als der andere. Aber Marc hat wirklich keinen Bezug zur Realität. War´s das? Mit der Ladeneinrichtung hab ich noch einiges zu tun.“
„Frohes Schaffen – und vergesst morgen die Schränke in der Tiepolostraße nicht.“
„Keine Sorge, alles berechnet, zugeschnitten und verpackt. Ich lade es nachher auf.“
Ich sah Lukas nach, als er mein Büro verließ und über den Gang an seinen eigenen Schreibtisch zurückkehrte. Er wurde immer dünner – aß er überhaupt was oder war er einfach ein asketischer Typ? Andererseits konnte er immer noch einen Bretterstapel hochheben, bei dessen Anblick ich schon in die Knie ging. Warum war er schon wieder so finster drauf? Keine Traumfrauen... bestimmt gab es mehr Traumfrauen als Traummänner! Ich kannte jede Menge tolle Frauen, aber eigentlich nur idiotische Männer. Auch egal, seit Moritz reichte es mir wirklich mit den Kerlen. Wie so ein beschissener Seemann, in jedem Hafen eine Braut. Sogar wenn ich daneben stand, musste er Frauen anmachen, und nicht alle waren solidarisch genug, um ihn abfahren zu lassen. Dass ich den losgeworden war, konnte ich auch heute noch nur als Glücksfall bezeichnen. Seine dummen Sprüche (Das hat doch mit uns beiden gar nichts zu tun, das ist rein körperlich, ein Mann braucht das eben manchmal, ich war besoffen, sie hat angefangen, ich liebe doch nur dich) brachten mich wirklich auf die Palme, und erst, als ich ihn dabei erwischte, wie er sich auf einer mir völlig unbekannten Frau heftig abarbeitete und ihr dauernd seine Liebe erklärte, fiel ihm endgültig keine Ausrede mehr ein – vor allem, weil ich die Szene tatsächlich mit dem Camcorder festgehalten hatte, bevor ich mich unüberhörbar räusperte und damit die hitzige Stimmung ruinierte.
Ach, Moritz, du Vollidiot – aber so ungewöhnlich warst du wohl auch nicht. Ich war sicher, dass Lukas noch nicht unter einem entsprechenden Exemplar gelitten hatte, also war seine verbitterte Haltung völlig übertrieben.
Warum verschwendete ich damit meine Zeit? Nächte Woche wollten wir in dem Laden anfangen, also sollte ich mit den Entwürfen langsam vorankommen – alles schaffte auch das beste CAD-Programm nicht alleine.
Ich klickte und bastelte, zeichnete und wählte Holztöne aus, bis meiner Ansicht nach die Einrichtung genau so war, wie es a) die Inhaberin gewünscht hatte und wie es b) zu einem Naturkosmetikladen passte, elegant und umweltverträglich zugleich. Was, schon wieder fast fünf?
Ich rannte hinaus und suchte das Equipment für morgen zusammen, hievte es in unseren Lieferwagen, kontrollierte, ob die Türen aus matt klar lackiertem Buchenholz mit kleinen Intarsien in der Ecke (Lukas war ein Meister in solchen Detailarbeiten) tadellos aussahen und wir für Rahmen und Inneneinrichtung genug Einzelteile hatten, verstaute alles narrensicher – dass ja nichts in einer Kurve umfiel und dabei Kratzer bekam! – und kontrollierte den Werkzeugkasten, den Marc schon wieder so schlampig eingeräumt hatte.
Marc saß in meinem Büro auf dem Tisch – ungefragt, aber wenigstens zerknitterte er keine Entwürfe mit seinem Hintern.
„Was gibt´s denn? Beim Vorbereiten für morgen hättest du mir übrigens ruhig helfen dürfen.“
Er reichte mir einen Computerausdruck, ein wunderschönes Bett mit kunstvoll geschnitztem Kopfteil. Unser kleiner Herrgottschnitzer! „Willst du die Ausstattung für einen Folklore-Porno übernehmen oder für die Lustigen Musikanten oder wie diese Zumutung heißt? Schön, aber etwas sehr volksnah, oder?“
„Na und? Viele Leute stehen auf so was, nicht jeder hat diesen kalten High-Tech-Bürogeschmack.“
„Von mir aus. Hast du einen Auftrag, oder willst du die Möbel auf Vorrat produzieren?“
„Weiß noch nicht, aber wir könnten doch anbieten, dass wir auch freistehende Möbel nach Wunsch herstellen, nicht nur Einbauten, oder?“
„Keine dumme Idee. Ich bin direkt beeindruckt – frag doch Lukas mal, was er davon hält!“
Marc war schon halb zur Tür heraus, aber dann drehte er sich wieder um: „Stimmt das, dass man im Supermarkt leicht Mädels kennen lernen kann?“
„Könnte schon sein, probier´s doch mal aus!“
„Wie macht man das?“
„Sag mal, da fehlt´s aber weit, was? Also auf keinen Fall fährst du sie mit dem Einkaufswagen an und entschuldigst dich dann verlogen, das tut nämlich so gemein weh, dass sie bestimmt nicht in Stimmung sind. Doof ist auch das altbewährte Haben wir uns nicht schon mal gesehen? Ich schlage vor, du lässt dich beraten, etwa vor dem Waschmittelregal oder bei den Fertiggerichten. Da profilierst du dich zum einen als einer, der nicht alles gleich besser weiß, und zum anderen als einer, der sich im Haushalt bemüht und nicht der totale Pascha ist. Das müsste gut ankommen. Zum Dank kannst du sie ja dann auf einen Stehkaffee einladen, im Backshop, der ist doch gleich neben dem Ausgang. Oder kaufst du nicht in dem großen Markt an der Kirchfeldener Landstraße ein?“
„Doch. Und dann?“
„Fragst du, ob sie immer um diese Zeit einkauft, und verabredest dich mit ihr wieder im Supermarkt. Das sieht nicht so nach schneller Anmache aus. Erst viel reden und zuhören, dann grabschen, klar?“
„So doof bin ich auch nicht!“ Jetzt war er eingeschnappt, auch recht.
Ach, Marc, warst du denn früher nie auf Parties? Auf dem Schulhof? In der Berufsschule, in der wir uns doch wohl alle in manchen Fächern zu Tode gelangweilt hatten (Englisch auf Hauptschulniveau, und das nach vierzehn Punkten im Leistungskurs!)? Er musste das Baggern doch besser draufhaben!
Als alles erledigt war, wünschte ich Lukas, der angestrengt auf seinen Monitor starrte, einen schönen Abend und machte, dass ich nach Hause kam.
Ich mochte meine Wohnung eigentlich recht gerne, obwohl sie schon ein bisschen verkommen war; das Haus sollte auch bald abgerissen werden. Allerdings stand die Bautafel schon länger vor dem Haus, und uns hatte immer noch keiner gekündigt. Bevor es wirklich dringend wurde, wollte ich nicht ausziehen, so billig würde ich nie wieder wohnen – zwei Zimmer und ein schrottreifes Bad, für insgesamt nur vierhundert Euro warm, das war wirklich konkurrenzlos, und die Lage, am nördlichen Ende der Sophienstraße, halb im Uni-, halb im Waldburgviertel, war wunderbar, alle Kneipen in Reichweite und nur zehn Minuten zu Holz nach Maß in der Bonifatiusstraße kurz vor der Kirchfeldener Landstraße.
Gut, das große Zimmer mit der wackligen Küchenzeile aus den frühen Siebzigern war schon recht schäbig, aber man konnte es bei Bedarf heizen, und meine beiden Sperrmüllsofas waren saugemütlich, ebenso der große alte Tisch mit dem Sammelsurium von Stühlen, die ich im Wertstoffhof oder auf Flohmärkten gefunden und liebevoll aufgearbeitet hatte. Ideal für gemütliche Ratschrunden mit Bier und Chips, auch mal einen zünftigen Skat oder einen Fußballabend – aber auch ein reines Weibertreffen, wenn wir mal wieder alle nicht verstanden, warum die Männer so bescheuert waren, was ziemlich regelmäßig vorkam.
Fernseher, Videorecorder, DVD-Player und ein großes Regal voller Kassetten, DVDs und eselsohriger Taschenbücher ergänzten das gemütliche Ambiente. Das zweite, nicht mal halb so große Zimmer enthielt nur mein Bett und einen Kleiderschrank, die Abstellkammer war angenehm groß und bis zur Decke voller Gerümpel, das Bad war scheußlich, aber funktionsfähig, es gab heißes Wasser und eine kräftige Klospülung – was wollte man mehr?
Natürlich waren die weinroten Kacheln eine Katastrophe, aber ich hatte die Wände grau gestrichen, jede Menge Werbung aus den Vierzigern kopiert, laminiert und aufgehängt, dazu allerlei Schnickschnack im Art-deco-Stil verteilt und mir einen geschmacklosen Silberschwan als Wasserhahn an der Wanne gegönnt. Wenn das Bad etwa doppelt so groß wäre, könnte man es sich als Teil einer der legendären Studiogarderoben vorstellen, aber so erzielte ich wenigstens immer einen Lacher, vor allem, wenn Leute auf dem Klo saßen und die Werbung genauer in Augenschein nahmen (Most Doctors Are Smoking Camel war mein Liebling, aber auch die Behauptung, nur Campbell´s Tomatensuppe gäbe unseren Jungs so viel Power, dass sie die Japse mit links platt machten, hatte ihre unfreiwillige Komik).
Ich stand noch im Hausflur und schraubte an dem verbeulten Briefkasten herum, als ich klappernde Schritte auf der Kellertreppe hörte. Schlapp, klapp, schlurf – Birkenstock, eindeutig. Das konnte nur Alfred sein, Flucht war zwecklos. Ich fischte meine Post endlich aus meinem Fach – Werbung – Werbung – Telefonrechnung – Postkarte – Werbung – Käseblatt. Das meiste landete gleich im Papierkorb unter dem Briefkasten; als ich mich mit Postkarte und Telefonrechnung der Treppe zuwandte, stand Alfred direkt vor mir und strahlte freundlich. „Grüß dich, Steffi!“
„Grüß dich“, antwortete ich muffig, aber das nützte mir gar nichts.
„Ich hab was für dich, ich denke, du kannst es brauchen. Hier!“
Faszinierend – der Gemeindebrief von St. Korbinian. Ich betrachtete es ratlos. „Was soll ich denn damit?“
„Lesen! Auch du brauchst doch sicher mal spirituellen Trost, und Jesus kann dir in jeder Lebenslage helfen.“
„Denkst du, ich hab Probleme? Mir geht´s doch prima, wobei soll Jesus mir denn helfen?“
„Ohne Jesus kann es dir gar nicht wirklich prima gehen“, erläuterte er mir mit strengem Blick. „Willst du nicht doch mal zu unserem Bibelkreis kommen, am Freitagabend um sieben?“
„Sorry, aber da hab ich schon einen Termin in der Kneipe“, schwindelte ich schnell und rettete mich zur Treppe. „Genussgifte sind keine Lösung! Nur Jesus ist die Lösung!“, rief er mir noch nach, aber ich bog im ersten Stock um die Ecke und tat, als hätte ich das nicht mehr gehört.
Alfred war ein lieber Kerl, aber so was von lästig! Immerzu wollte er mich bekehren, und lieber würde ich den Küchenfußboden mit der Zahnbürste polieren, als zu diesem Bibelkreis gehen. Sollte ich mich in Orange hüllen und behaupten, ich sei Buddhistin? Leider wusste ich gar nicht, was Buddhisten so taten, und Alfred wusste es sicher, er studierte vergleichende Religionswissenschaften und wusste leider alles über alle Religionen, vor allem Dinge, die keiner wissen wollte, etwa den genauen Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten, die Anzahl der bei den Mormonen erlaubten Ehefrauen (bloß noch eine) und die Streitpunkte zwischen Presbyterianern und Baptisten. Zwischen dem zweiten und dem dritten Stock hatte ich die nächste Begegnung der befremdlichen Art – Peter trat auf, schick wie immer, hautenge Lederjeans (oh Gott, nein, das war Plastik oder Lack oder so!), ein dünnes, halb offenes Hemd, das Brusthaar frisch toupiert, eine goldene Kette auf der Brust, das etwas zu lange und zu schüttere Haar betont lässig hinfrisiert, die Koteletten schön buschig... und es klackerte, er hatte sich in seine eisenbeschlagenen Schlangenlederstiefel geworfen.
„Hi, Süße!“
„Auf dem Weg auf die Piste?“
„Logo!“ Er sah aus, als müsste er bei den Mädels abkassieren, die er laufen hatte – oder besser gesagt wie das Klischee eines Zuhälters aus den Siebzigern. „Dann viel Spaß. Tu nichts, was ich nicht auch täte.“
„Dann wird´s aber kein lustiger Abend, Hasi, du bist doch so brav. Wie wär´s denn mal mit uns beiden?“
„Lass stecken, Kumpel – ich bin doch zu brav. Und ich steh auf Glatzen. Ja, wenn du dich kahl scheren würdest, dann... vielleicht... ich kann nichts garantieren.“
Er wurde unter der Sonnenstudiobräune merklich blasser, winkte mir im Vorübergehen affektiert zu und verschwand, mit den Autoschlüsseln klappernd. Natürlich fuhr er das passende Auto – da es für einen Porsche nicht reichte, hatte er eine uralte und halb verrostete Corvette aufgetan, knallrot und unwahrscheinlich laut, für einen neuen Auspufftopf schienen seine dubiosen Geschäfte nicht genug abzuwerfen. Wahrscheinlich aber machte er gar keine dubiosen Geschäfte, sondern arbeitete irgendwo als Lagerverwalter, Postangestellter oder sonst etwas ganz Bürgerliches. Er musste sich ja auch bloß das Hemd zuknöpfen und sich das verführerische Grinsen vom Gesicht wischen, dann wirkte er fast normal. Ein goldener Eckzahn wäre natürlich das Tüpfelchen auf dem i, überlegte ich, als ich meine Wohnung aufschloss und mir die Turnschuhe auszog. Jetzt ein schönes heißes Bad, und dann würde ich unsere Weibergang im Fabrizio´s treffen.
Ging´s mir gut! Die Arbeit machte Spaß, ich wurde auch immer besser darin, mit dem düsteren Lukas und dem albernen Marc kam ich gut zurecht, meine Wohnung war lustig und billig – und wenn es mal so weit sein sollte, würde ich schon etwas anderes finden – meine Freundinnen waren wirklich zuverlässig und lieb, ich war gesund und sah, bis auf meinen etwas sehr runden Hintern, ganz akzeptabel aus. Und Mami nervte auch nur in Intervallen.
Ach, daran hätte ich besser nicht denken sollen – prompt klingelte mein Handy, das auf dem stilecht dunkelgrauen Badeteppich lag.
„Wagner...“
„Kind! Was treibst du so? Du rührst dich ja gar nicht mehr!“
„Wieso, Mami? Wir haben doch erst gestern telefoniert?“
„Aber da musste ich dich anrufen!“ Typisch, darüber führte sie wohl Buch? „Was gibt es denn?“
„Muss es denn immer etwas geben, wenn ich meine einzige Tochter sprechen will?“
„Was sagst du eigentlich, wenn du Paul oder Robbi anrufst? Ich meine, einziger Sohn geht doch da nicht...“
„Was soll das denn, Steffi? Man könnte ja meinen, du freust dich gar nicht!“
Tu ich auch nicht, dachte ich rebellisch, du hast doch wieder irgendwas Grässliches vor!
„Was machst du denn am Samstagabend?“
Da gehe ich zu Alfreds Bibelstunde. Nein, das würde sie nie kaufen, und sie hielt mich außerdem schon für seltsam genug.
„Warum?“, fragte ich also nur misstrauisch zurück.
„Ich habe zwei Theaterkarten, und ich kann leider nicht, meine alte Freundin Sieglinde feiert genau an diesem Tag silberne Hochzeit, naja, und da dachte ich, ob du eine der beiden Karten haben möchtest? Oder beide? Allerdings hätte ich für die andere schon einen Abnehmer, vielleicht. Du könntest das weiße lange Kleid anziehen, und die goldene Kordelkette, und schmink dich doch mal -“
„Welches Stück?“, fragte ich erst einmal zurück.
„Welches Stück? Oh – äh, ich glaube, etwas Modernes, ich komme gerade nicht drauf...“
„Du kaufst Karten und weißt nicht, für welches Stück? Nachtigall, ick hör dir trapsen! Okay, spuck´s schon aus – wer hat die andere Karte gekriegt?“
„Äh, ja – also, Sieglinde wollte mir so gerne aus der Patsche helfen, weil sie mich so spät eingeladen hatte, und sie hat da diesen Neffen, der mit vierunddreißig immer noch unverheiratet ist und wegen seiner Arbeit kaum unter Leute kommt, und da dachte sie, es wäre doch ganz praktisch, wenn sie ihm die andere -“
„Zwei Singles mit einer Klappe? Mami, kannst du den Quatsch nicht mal lassen? Was soll ich denn mit einem Kerl, der nie unter die Leute kommt – sag mal, was macht der denn überhaupt?“
„Er interessiert dich also?“
„Nein!“, schrie ich in den Hörer, „Ich bin bloß neugierig, was das für ein Job sein soll!“
„Er zerlegt Regenwürmer oder so.“
„Wie bitte? Ein pathologischer Fall?“
„Was? Irgendwas mit Biologie eben, ich weiß es nicht so genau. Jedenfalls hat er ein gutes Auskommen.“
„Ich vielleicht nicht?“, fragte ich empört.
„Und er ist Akademiker, ich glaube sogar, er hat einen Doktortitel.“
„Schön für ihn. Übrigens hab ich das weiße Kleid vor Jahren in die Altkleidersammlung gegeben, es sah aus wie ein viktorianisches Nachthemd.“
„Aber stell dir doch mal vor, ein richtiger Doktor!“
„Ach, Mami, was soll das denn? Meinst du, als biedere Handwerkerin soll ich froh und dankbar sein? Und außerdem hab ich nichts anzuziehen, jedenfalls kein albernes Kleid.“
„Gott, du wirst ja wohl irgendetwas haben! Für ein modernes Stück muss man ja auch nicht ganz so tief in die Trickkiste greifen. Aber Steffischätzchen, es wird ja wirklich langsam Zeit für dich.“
„Zeit wofür?“, fragte ich, obwohl ich mir die immer gleiche Antwort schon denken konnte. „Zeit zum Heiraten, du Schäfchen! Willst du denn nicht endlich mal ein Heim, Mann und Kinder?“
„Ich hab ein Heim“, murrte ich, ganz die pubertierende Tochter. Warum ließ ich mich bloß immer wieder auf diesen Unsinn ein? „Ach, du weißt doch, was ich meine! Also, was ist jetzt? Die Karten waren nicht billig! Nimmst du eine?“
„Meinetwegen“, knurrte ich, „aber mach dir bloß keine Hoffnungen. Einen Neffen von Sieglinde kann ich mir schon so richtig vorstellen.“
„Hauptsache, du gehst hin! Hol dir die Karte morgen nach der Arbeit ab, ja?“
Als ich das Gespräch endlich beendet hatte, sank ich wieder tiefer ins heiße Wasser und genoss den Feierabend, bis das Wasser langsam kalt wurde und mir einfiel, dass ich gar nicht mehr so viel Zeit hatte.
Ich zog mich rasch an, Jeans und ein etwas besseres T-Shirt, Stiefel, Blazer, und machte mich auf den Weg ins Fabrizio´s, den einzigen Laden in der Stadt, wo sie wirklich gute Cocktails und eine sehr gästefreundliche Auslegung der Happy Hour mit exzellenter Pizza kombinierten. Das war schon seit zwei Jahren unsere Stammkneipe – jeden Mittwoch. Eine von uns hatte immer Ärger mit den Kerlen, also gab es immer finstere Pläne zu schmieden.
Ich dachte schon, ich sei die erste, aber Barbara war schon da, vor dem obligatorischen Mineralwasser. Unsere kleine Maus, sogar vor Alkohol hatte sie Angst! Ich rutschte neben sie und bestellte mir einen Planter´s Punch und die Karte.
„Na, wie geht´s? Was macht dein Manuel?“
Barbara seufzte. Bevor ich sie nach Einzelheiten aushorchen konnte, kamen Heike und Ulli herein, lachend und redend, sahen uns, winkten und setzten sich. Bis sie uns begrüßt, der Bedienung gewunken, ihre Cocktails bestellt und über das Essen nachgedacht hatten, kam Barbara nicht dazu, zu erzählen, warum sie über ihren Manuel seufzen musste, und wurde auf ihrem Platz immer kleiner. Die Gegenwart von Heike und Ulli, die beide gut einen Kopf größer und grundsätzlich auffallender waren, hatte auf die arme Barbara immer diese Wirkung, obwohl das niemand beabsichtigte.
„Barbara wollte uns was über ihren Manuel erzählen“, verkündete ich schließlich, und Heike und Ulli hörten auf, sich zu streiten, wie viel Limette in einen Caipirinha gehörte.
„Hast du den Kerl immer noch!“, stöhnte Ulli.
„Jetzt lass sie doch erst mal erzählen“, mahnte Heike. „Los, Barbara, was hat er wieder angestellt?“
„Warum sollte er etwas angestellt haben?“
„Du machst wieder dein ausgenutztes Gesicht, wir kennen dich doch!“
Barbara schnitt eine Grimasse. „Ach, eigentlich ist es total lächerlich. Er hat nur erzählt, dass ihm seine Mutter früher immer so schöne Pullover gestrickt hat und dann gemeint, ob ich nicht auch – aber ich kann doch gar nicht stricken. Kann mir das eine von euch zeigen?“
„Klar“, meinte Heike, „aber wenn man keine Übung hat, ist so ein Männerpulli wirklich ein Haufen Arbeit, und um deinen Manuel ist es verdammt weit rum – oder hat er den Bierbauch jetzt mal abtrainiert?“
„Er hat keinen Bierbauch!“ Barbara war empört. „Nur einen ganz kleinen“, vermittelte ich, „aber wirklich zierlich ist er nicht. Heike hat schon Recht, das ist eine Mordsarbeit. Willst du das überhaupt machen?“
„Lieber nicht“, gestand Barbara.
„Mensch, hau wech den Scheiß“, schnauzte Ulli, „was willst du denn mit so einem?“
„Übertreib nicht“, meinte ich, „es reicht doch, wenn sie ihm sagt, dass sie nicht stricken kann und keine Lust hat, es zu lernen. Muss man denn immer gleich Schluss machen?“
Ulli schnaufte empört, und Barbara begann zu weinen. „Er – er hat aber g-gemeint, das w-wäre ein L-Liebesbeweis!“
„Dann frag ihn, ob´s ein anderer Liebesbeweis nicht auch tut!“, schlug Heike vor, die genau wie ich nicht so hardlinermäßig drauf war wie Ulli, die mental immer mit dem Kastriermesser unterwegs war.
„Was denn?“, heulte Barbara weiter. „Weiß ich doch nicht! Koch ihm sein Lieblingsgericht, reparier seinen Walkman, geh mit ihm ins Kino, in einen Film, der ihm auch gefällt...“
„Wir gehen immer in Filme, die ihm gefallen“, wehrte Barbara ab und wischte sich die Augen.
„Ach, ist ja interessant! Und was ist mit den Filmen, die dir gefallen? Und überhaupt, wieso Liebesbeweis? Liefert er dir Liebesbeweise?“ Ulli schäumte weiter.
„Er hat mir die Sommerreifen draufgemacht.“
„Ja, weil ihm so was selber Spaß macht! Toller Liebesbeweis! Und wann kommst du in die Filme, die dir gefallen?“
„Naja, wenn er keine Zeit hat, er macht ja oft Überstunden.“
Oh-oh. Überstunden?? Was für ein Klischee! Ich verpasste Ulli unter dem Tisch einen Tritt, damit sie darauf nicht auch noch hinwies, und schlug vor, Babara sollte Manuel erklären, dass ein von ihr gestrickter Pulli peinlich zu tragen und eine Verschwendung guter Wolle wäre – er solle sich was anderes wünschen und auch einen Liebesbeweis anbieten. „Sollen wir dir das aufschreiben, damit du dich nicht wieder über den Tisch ziehen lässt?“
„Ulli, jetzt hör endlich auf! Was hast du denn von der Männerfront zu berichten?“
Ulli zog eine Grimasse, hatte aber außer einem Kollegen, der sie leichtsinnigerweise Kaffee kochen geschickt hatte, nichts zu erzählen. Und dieser Kollege würde sich von dem Schock so schnell nicht erholen!
„Hast du ihm kochendes Wasser über den Schoß gekippt?“
„Nicht ganz, ich hab bloß gesagt, ich hab jetzt keine Lust auf Kaffee.“
„Boah, wie schockierend! Er ist kreidebleich geworden und hat sich stammelnd entschuldigt, ja?“
„Naja, fast – du hättest meinen Blick sehen sollen!“
Ich nickte wissend, und Heike verkniff sich ein Grinsen. Ulli, der Männerschreck! Den Blick hätte ich ja gerne mal gesehen!
Unsere Pizzen lenkten uns ab, aber sie waren schnell verputzt; wir bestellten gleich die nächste Runde Cocktails und machten mit Thema Nr.1 weiter; nachdem Ulli sonst nichts Spannendes zu berichten hatte, erzählte ich von Marc, der dringend eine Freundin brauchte. Das Sonderangebot stieß leider nicht auf großes Interesse, aber ich beschloss im Stillen doch wieder, alle meine frustrierten Singlefreunde mal zusammenzubringen, vielleicht ergab sich ja doch etwas.
Heike versuchte seit Wochen, einen Kollegen zu umgarnen, der aber immer nur davon erzählte, wie traumatisch die Scheidung gewesen war und wie gemein seine Ex ihn abgezockt hatte. Wir rieten ihr – ausnahmsweise einstimmig – ab, aber aus verschiedenen Gründen: Ich fand einen Kerl, der immer nur von seiner Ex schwafelte, sterbenslangweilig, Barbara sagte etwas von Trauerarbeit und unverarbeiteten Beziehungen, und Ulli fand natürlich, die Frau hätte bestimmt Recht gehabt, ihren Ex fertig zu machen, obwohl sie die Scheidungsvereinbarung doch gar nicht kannte.
Jedenfalls brauchte Heike dringend einen Besseren, und wir versprachen ihr, eifrig Ausschau zu halten. Ich bot ihr den bibelfesten Alfred an, aber sie schüttelte sich. „Jesus liebt dich? Birkenstock? Strahlemann? Kannst du behalten.“
Na gut, ich hatte auch nicht ernsthaft erwartet, den loszuwerden.
„Außerdem, so einen muss man wahrscheinlich erst heiraten, bevor man mit ihm ein bisschen Spaß haben kann“, warnte Barbara. „Spaß? So einer will eine christliche Ehe mit vielen, vielen Kinderchen führen, wetten, da hast du einmal Spaß und sofort die Folgen am Hals. Wenn so einer es überhaupt im Bett bringt! Ich sage nur Missionarsstellung...“ Heike, natürlich.
„Die kann auch was bringen, es kommt immer auf den Partner an“, wandte ich ein, und im Handumdrehen debattierten wir (ein Hoch auf die Cocktails) lautstark über alle möglichen Positionen, bis wir merkten, dass die Leute am Nachbartisch sehr interessiert zuhörten. Daraufhin zogen wir den Kopf etwas ein und stritten uns leise weiter.
„Wenn wir keine anderen Themen finden, können wir uns hier bald nicht mehr sehen lassen“, murmelte Barbara mit roten Wangen. „Die sollen sich nicht so haben, Männer reden doch auch übern nichts anderes“, schimpfte Ulli.
„Stimmt nicht!“, widersprach ich sofort.
„Ach nein? Was haben die denn außer Tussis noch zu bequatschen?“
„Bundesliga, Formel Eins, die Börse, die Macken ihrer Autos...“
„Uninteressant!“, wehrte Ulli verächtlich ab.
„Sag das nicht, ab und zu ein gutes Fußballspiel – oder einen richtig schönen Skandal an der Börse – darüber rede ich schon auch ganz gerne, oder über die Frage, ob nicht mal wer anders ein Rennen gewinnen kann als immer bloß Schumi – ist doch langweilig so!“
„Man merkt, dass du nur mit Männern zusammenarbeitest!“
„Ja, und? Ulli, ich versteh dich nicht. Jetzt hat mal eine Frau einen Männerjob und dir passt es auch wieder nicht!“
„Doch, schon, aber du wirst so unweiblich...“
Ich hustete in meinen Planter´s Punch und verlor den Strohhalm. „Weißt du, dass du dich prima mit meiner Mami verstehen müsstest? Vielleicht möchtest du auch noch sagen, dass ich es nie zu Mann und Kinderchen bringe, wenn ich weiterhin so gar nicht fraulich drauf bin und lieber Sägespäne als Schmuck trage?“
„Nein, verflixt, du weißt doch, was ich meine – dir geht die spezifisch weibliche Sicht der Dinge verloren, du identifizierst dich zu sehr mit deinen Kollegen.“
„Mein Gott, die sind doch nicht der Feind! Das sind ganz normale Kerle, und wir wollen nix voneinander, also kann man gut mit ihnen auskommen. Gut, Marc ist ein Kindskopf und Lukas ein bisschen verdüstert, aber sie sind fachlich gut und meistens ganz vernünftig. Was bitte ist die spezifisch weibliche Sicht der Dinge?“
„Du weißt doch“, mischte sich Heike ein, „geringeres Gehalt, Nachteile wegen der Kinderbetreuung, sexuelle Belästigung... Sag bloß, bei euch hängen keine nackten Weiber an der Wand?“
„Nee. Nur ich hab so einen Kalender aufgehängt, mit echt klasse Kerlen, ziemlich sexy, und Lukas und Marc stört es nicht. Wir haben keine Kinderbetreuung, weil wir alle keine Kinder haben, und ich verdiene mehr als Marc, ich bin ja auch besser. Ich halte doch nicht künstlich Ausschau nach Benachteiligungen! Wenn ich etwas feststelle, plärre ich sofort los, versprochen.“
„Du bist viel zu pragmatisch“, murmelte Ulli enttäuscht. „Danke, das nehme ich als Kompliment. Passt doch zu einer Handwerkerin!“
Von meinem Partyplan wollte ich noch nichts sagen, erst einmal in Ruhe überlegen, wen ich alles einladen sollte, also zog ich das Kinoprogramm aus der Tasche und wir brüteten über den verschiedenen Möglichkeiten, ohne uns auf Film oder Termin einigen zu können. Schließlich gaben wir es auf und brachen auf, leider war ja morgen nichts mit Ausschlafen, und nicht nur beim Schrankeinbau, auch in Banken, Kanzleien und Versicherungen konnte man nicht verkatert und glubschäugig zu spät auftauchen.
Kunden waren schon manchmal ein lästiges Volk! Während wir unseren Kram auf dem Teppichboden aufstapelten, Werkzeug bereit legten und zum letzten Mal nachmaßen (wenn wir jetzt einen Fehler fanden, war es ohnehin zu spät), saß der Wohnungsinhaber auf dem Polsterbett mit integriertem Radio im Kopfteil und guckte uns zu. Ich fand im Stillen, dass die bestellte Schrankwand viel zu schön war, wenn man das scheußliche Bett betrachtete – und die Plastiksatinbettwäsche im Leodessin! Die hätte auch zu Peter, dem Möchtegernzuhälter, gepasst.
Er guckte und guckte, während wir die Sockel verschraubten, die Seitenteile und Rückwände einpassten und die Deckplatten vorsichtig aufsetzten.
„Sind Sie sicher, dass das stimmt? Wo ist denn Ihr Chef?“
„Im Büro. Natürlich stimmt das – was irritiert Sie denn so?“
„Nichts Bestimmtes, nur – warum schickt der Meister Hilfskräfte?“
„Wir sind keine Hilfskräfte“, protestierte Marc und zog eine Schraube fest, „wir sind gelernte Schreiner.“
„Ja, Sie vielleicht, aber die Kleine da doch nicht1“
„Doch, ich auch. Was dagegen?“ Ich guckte giftig hinter einem Stapel englischer Schubladen hervor.
„Äh, nein, aber das ist doch ein Männerjob – wie sind Sie denn dazu gekommen?“
„Glück und Ehrgeiz. Nicht alle Frauen sind mit einem Job an der Kasse bei Aldi zufrieden. Sie wollten die Schubladen links in der Mitte?“
„Jaja... ungewöhnlich!“
Ich nahm mir die Führungsschienen vor. „Wieso? In meiner Berufsschulklasse waren zehn Frauen und zwölf Männer, das Verhältnis ist also fast schon ausgeglichen.“
Jetzt schien ihm nichts mehr einzufallen; erst als wir gegen elf eine Pause machten, meckerte er still vor sich hin, dabei fehlten nur noch der kleinere Teil der Inneneinrichtung und die Türen, die an der Wand lehnten. Auf die Idee, uns einen Kaffee zu kochen, kam er aber nicht.
Gegen zwei waren wir fertig, wischten den Schrank noch einmal aus, drückten dem Kunden ein Blatt mit Pflegehinweisen in die Hand und baten um einen Staubsauger, denn ganz ohne Sägespäne ging es eben nie ab. Während Marc saugte, räumte ich das Werkzeug wieder ein (Marc machte mir das zu schlampig), was den Kunden wieder störte. „Warum saugen Sie nicht Staub?“
„Weil er das macht. Ich will sicher sein, dass wir das ganze Equipment wieder eingepackt haben.“
„Hm... seltsam. Aber ich gebe das Blatt mit der Putzanleitung meiner Frau.“
„Na, wenn Ihre Frau fürs Putzen zuständig ist, dann ist das hier wohl für Sie, nicht?“ Ich reichte ihm die Rechnung und bat um eine Unterschrift.
Er unterschrieb zwar, sah mich danach aber verwirrt an. „Wieso ist das für mich?“
„Ich dachte, wenn Sie so traditionsfixiert sind, putzt sie und Sie zahlen dafür? Nein?“
„Nein, das zahlt sie schon auch. Wie komme ich dazu?“
Wozu hielt man sich eigentlich einen solchen Kerl? Er putzte nicht, er zahlte nicht, er redete dumm daher... Die Macht der Liebe? Als wir schon in der Wohnungstür standen, versuchte er noch, Marc vorauszuschicken und sich dann mit mir zu verabreden – eine Frau als Schreinerin, darüber wollte er mehr hören.
„Wir dürfen uns nicht mit den Kunden verabreden, unser Chef ist in dieser Hinsicht sehr streng“, log ich aus purer Gewohnheit. „Ach, das merkt er doch nicht!“
„Und wenn doch? Soll ich meinen Job aufs Spiel setzen?“
„Haben Sie ihn denn so nötig?“
Ich hatte große Lust, die Stichsäge wieder auszupacken. „Haben Sie Ihren Job nicht nötig?“
„Das ist doch was anderes!“
„Wieso? Jeder Mensch muss essen und wohnen, und das kostet eben. Oder wollten Sie mich irgendwo als Nebenbeischlampe in einem Einzimmerappartement halten? Sehen Sie, das wäre Ihnen auch wieder zu teuer!“
„Sie sind ziemlich hart.“
„Gott sei Dank, ja. Sonst würde ich meine Existenz für das kostenlose und unverbindliche Vergnügen der Männer aufs Spiel setzen. Lassen wir´s. Außerdem haben Sie schon eine Frau, und wenn sie schon arbeitet, putzt und Möbel kauft, dann könnten Sie als Gegenleistung doch wenigstens nicht alles anbaggern, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Schönen Tag noch!“
Der würde bei uns nichts mehr machen lassen – aber seine Frau vielleicht, der konnte er diese Szene ja auch schlecht vorspielen! Wir fuhren zurück zu Holz nach Maß, verstauten und ergänzten das Werkzeug, ich legte Lukas den Durchschlag der Empfangsbestätigung und der Rechnung hin und eine Übersicht, wie lange wir gearbeitet hatten, dann begann ich damit, die Einzelberechnungen für den Ladenausbau fertig zu machen, damit wir einiges morgen schon zuschneiden konnten. Marc kam vorbei und setzte sich wieder mal auf meine Schreibtischecke.
„Nimm dir einen Stuhl, du verknautscht die Unterlagen“, murrte ich und tippte weiter.
„Ich war gestern im Supermarkt“, fing er an wie einer, der etwas Weltbewegendes zu erzählen hatte.
„Ist ja prickelnd“, kommentierte ich, weil ich meine Aufreißtipps längst vergessen hatte. „Und? Was hast du Aufregendes gekauft? Nudeln? Klopapier? Kopfsalat?“
„Dieses neuartige Waschpulver, sieht aus wie so kleine grüne Kissen.“ Er strahlte stolz.
„Und du weißt auch, was man damit macht?“
„Klar, ich hab mich ja beraten lassen.“
Jetzt fiel bei mir der Groschen, ich speicherte schnell und sah ihn richtig an. „Du hast deinen ersten Baggerversuch hinter dir? Toll! Erzähl, genau von und Anfang an!“
„Also, zuerst hab ich mir einen Wagen losgekettet -“
„So sehr musst du am Anfang auch nicht anfangen, komm zum Thema!“
„Weiber! Dir kann man´s auch nie recht machen. Na gut, ich brauchte sowieso mal Waschpulver, und diese neuen Dinger kannte ich noch nicht, also hab ich mich mit meinem armer-kleiner-Bub-kennt-sich-nicht-aus-Gesicht davor gestellt und prompt kam eine richtig niedliche Schwarzhaarige vorbei und hat gefragt, ob sie mir helfen kann. Und dann hat sie mir alles erklärt – hast du gewusst, dass sich die Dinger auflösen, wenn die Luftfeuchtigkeit zu hoch ist? – und ich hab sie zum Dank auf einen Backshop-Kaffee eingeladen. Und morgen gegen fünf kommt sie wieder einkaufen.“
„Dann hast du ja alles befehlsgemäß ausgeführt? Sehr brav! Magst du ein Gummibärchen?“
Ich schob ihm die Tüte hin. „Du nimmst mich nie ernst“, maulte er.
„Nein, aber du bist schon okay. Ist die niedliche Schwarzhaarige überhaupt noch zu haben?“
„Hätte ich das fragen sollen? Das hast du mir nicht gesagt!“
„Ich dachte, das wüsstest du von selbst! Aber vielleicht ist es besser so – wenn du erstmal nett und harmlos wirken willst, musst du das ja auch nicht sofort wissen. Bevor du dich als Sexmonster outest, solltest du aber schon sicher gehen, dass sie nicht schon in festen Händen ist.“
„Sexmonster! Dass ihr Weiber immer so feindselig seid?“
„War doch bloß ein Witz! Du, herzlichen Glückwunsch und alles, aber ich muss jetzt da weitermachen, am Montag fangen wir doch mit dem Ladeneinbau an!“
„Klar – aber wir nicht, du und Lukas, ich darf aufs Telefon aufpassen.“
„Wieso das denn? Na, auch gut, dann kannst du Bekanntschaftsanzeigen lesen, soll ich dir welche mitbringen?“
„Das wird schon was Rechtes sein! Wieso, weiß ich auch nicht, vielleicht ist es kompliziert. Zeig ihm halt mal deine Entwürfe.“
„Gerne, wenn sie schon fertig wären – gewisse Leute halten mich ja dauernd von der Arbeit ab!“
Marc trollte sich, und ich rechnete weiter, bis ich endlich so weit war, dass ich den Zettelwust auf Lukas´ Schreibtisch knallen konnte. Er sah sich alles durch und brummte zustimmend. „Sieht doch tadellos aus. Mit den Messdaten ist das abgeglichen?“
„Mehrfach, ich bin doch keine Anfängerin. Material ist genug da. Buche mit Ökolackierung, Kordelgriffe, Glasplatten und Glastüren. Einen Feng-Shui-Fimmel hat die Tante aber nicht auch noch, oder?“
„Gesagt hat sie nichts, aber -“ Lukas sah mich ganz alarmiert an. „Glaubst du, sie kommt dann mit runden Ecken oder so was daher?“
„Weiß ich nicht, du hast mit ihr verhandelt. Sah sie so aus?“
„Weniger, eher normal. Naja, was heißt schon normal... ich ruf sie an, das klären wir doch besser vorher.“
Als er nach dem Hörer griff, verließ ich taktvoll sein Büro. Den hatte ich ja sauber erschreckt! Aber das war uns schon einmal passiert, da mussten wir ein perfekt berechnetes Eckschränkchen wieder ausbauen und einen anderen Platz finden, weil es an der alten Stelle den Energiefluss oder so behinderte oder in der Gefühlsecke stand oder was auch immer. Natürlich passte es an jeder anderen Stelle nur notdürftig, und das sah man dann auch.
Ich verstand ja nichts davon, und vielleicht war das auch der Schlüssel zum Lebensglück, aber konnten die Leute das nicht rechtzeitig sagen? Das war doch genauso bescheuert wie Wenn ich das so sehe, möchte ich doch lieber Nussbaum!
Ich saß schon wieder am Rechner und legte den Arbeitsplan mit exakter Zeitberechnung fest, als Lukas hereinschaute. „Alles klar, mit Feng Shui hat sie nichts am Hut, sagt sie. Wir können am Montag wie geplant loslegen, wenn ich ihr morgen die fertigen Entwürfe zeige. Wie lange brauchst du denn noch?“
„Hab´s gleich. Ach, nimm das Zeug mit, ich drucke es noch mal aus, für den Arbeitsplan. Kann ich dann gehen? Ich muss noch was bei meiner Mutter abholen.“
„Jaja, geh nur – und danke für den Feng-Shui-Hinweis, das wäre eine böse Überraschung geworden.“ Er versuchte ein Lächeln, aber das konnte er nicht, so viel hatte ich in den zwei Jahren schon gelernt: Wenn er lächelte, gelang ihm immer nur eine verkrampfte Grimasse, als verberge er seine wahren Gefühle. Armer Hund! Ich lächelte zurück, etwas herzlicher, hoffte ich. „Keine Ursache. Bis morgen dann!“
Mami nervte! Ich war gerade mal fünf Minuten da und schon so gut wie taub! Während ich in dem goldfarbenen Plüschsessel klemmte, in den sie mich genötigt hatte, umschwirrte sie mich pausenlos: „Magst du einen Kaffee? Oder doch lieber einen Tee? Obwohl, Koffein am Abend – ich hab da auch einen Kräutertee, oder Früchtetee, Waldbeeren oder Tropenmischung. Und die guten Kekse, die du so magst, du siehst ganz verhungert aus. Ja? Kekse?“
„Nein, danke. Mami, ich wollte weder was essen noch mich setzen, ich wollte lediglich die Theaterkarte abholen.“
„Immer hast du´s so eilig, hast du denn gar keine Zeit für deine einsame alte Mutter?“
„Och, Mami, jetzt drück hier nicht auf die Tränendrüse! Wieviele Abende in dieser Woche bist du einsam zu Hause? Aber ehrlich!“
Sie musste lachen. „Na gut. Montags war Bingo in der Kirche, am Dienstag war Bridge, gestern musste ich mich erholen – zuviel Sherry! – morgen wollte ich mit Herta ins Kino, im CineArt gibt es Miss Marple-Filme, am Samstag ist Sieglindes Silberhochzeit, und am Sonntag kommen Robbi und Paul zum Mittagessen. Es gibt Rheinischen Sauerbraten.“ Sie sah mich hinterlistig an und hatte schon gewonnen. „Rheinischen Sauerbraten...“ Allein die Worte zergingen mir auf der Zunge! „Okay, am Sonntag – um eins?“
Kaum hatte sie wieder Oberwasser, wurde sie frech: „Du bist voller Sägespäne! Und kannst du dich nicht mal etwas weiblicher anziehen? So ist es doch kein Wunder, dass dich keiner beachtet! Dabei bist du so ein hübsches Mädchen, du könntest - “
„Mami! Lass das, bitte. Ich bin kein Mädchen mehr, sondern eine Frau, ich komme direkt von der Arbeit, und wenn ich da im Blümchenkleid aufkreuze, glotzen mir die Kunden bloß unter den Rock. Findest du das gut?“
„Du musst doch immer das letzte Wort haben!“
Ich erhob mich. „Stimmt! Und damit das so bleibt, gehe ich besser, solange ich mir noch einen guten Abgang leisten kann. Danke für die Karte, Geld gibt´s am Sonntag.“
„Lass nur, Kind, die schenke ich dir!“ Sie drückte mir die Karte in die Hand.
„Danke schön – und das ist mein endgültig letztes Wort. Ciao!“
Ich verschwand, bevor sie mir die Szene ruinieren konnte – dieses Spiel spielten wir seit meinen Teeniejahren, aber damals war sie noch böse geworden, wenn ich immerzu Widerworte gegeben hatte.
Ich kam auf den letzten Drücker ins Theater, so dass ich gerade noch Zeit hatte, einen flüchtigen Blick nach rechts auf eine dunkle Hornbrille und eine etwas eigenartige Frisur zu werfen, bevor die Beleuchtung erlosch und sich, untermalt von einer misstönenden Fanfare, der Vorhang öffnete. Dass das Stück in der Theaterwerkstatt gespielt wurde, war zwar einerseits für mich eine Erleichterung gewesen – so genügten saubere dunkle Jeans, ein weißes Hemd und ein Blazer, dazu eine Krawatte, um bürgerlich-kulturbeflissen zu wirken - , andererseits fand ich das aber beunruhigend, weil ich mich bis jetzt über jedes Stück dort ziemlich gewundert hatte.
Zunächst saßen mehrere Gestalten, Männer und Frauen, auf der völlig kahlen Bühne im Kreis und berieten, ob sie überhaupt spielen oder lieber streiken wollten. War das nun das Stück oder eine Aktion des Theaterpersonals? Und lag vielleicht gerade die Kunst darin, dass das so lange nicht deutlich wurde?
Dann standen sie der Reihe nach auf und zogen sich aus, bis sie bis zur Taille nackt waren. Toll, was sollte das nun bedeuten? Schutzschichten ablegen? Seelen entblößen? Oder etwas anderes? Außerdem fand ich es blöde, neben einem fremden Mann zu sitzen und mit ihm gemeinsam zuzugucken, wie sich andere Leute auszogen.
Paarweise gerieten die Personen nun in Streit und schmierten sich lauter olle Kamellen aufs Butterbrot, nach dem Motto Nie tust du... Immer hast du... Und damals im Urlaub... Das hörte sich an wie ein Beziehungsratgeber, Abteilung Wie man es nicht machen soll. Kampf der Geschlechter? Das Stück hieß Olimpo, der Autor stand nicht auf der Karte, und für ein Programmheft war ich zu spät gekommen.
Olimpo– Olymp? Ärger unter den Göttern? Mars und Venus? Die Personen nannten sich nie gegenseitig beim Namen, aber ich vermutete, die alte Vettel mit dem Hängebusen, die ihrem Gegenüber gerade sämtliche Fehltritte vorhielt, die er je begangen hatte, sollte Juno sein, die ja bekanntlich mit Jupiter viel durchzumachen hatte...
Bis zur Pause war ich angestrengt damit beschäftigt, die Personen zu identifizieren; Mars und Venus hatte ich gefunden, glaubte ich, und die, die von zwei anderen als frigide Kuh beschimpft wurde, sollte wohl die jungfräuliche Diana sein? Minerva entdeckte ich nicht, ich stellte sie mir mit einer Intellektuellenbrille vor.
Als es hell wurde, konnte ich mir meinen Nachbarn etwas genauer ansehen. Naja! Wie hatte er sich die Haare denn so seltsam hinbürsten können? Toupiert und gesprayt? Er lächelte etwas verkrampft. „Gefällt ihnen das Stück?“
„Ich weiß nicht recht. Es ist ganz interessant, aber ich habe noch nicht einmal alle Personen identifiziert. Haben Sie zufällig ein Programm?“ Er hatte. „Sie waren etwas spät dran, nicht?“
„Ja, tut mir Leid.“
„Ich kann das schon verstehen. Sie sind doch bestimmt nicht freiwillig hier, oder?“
„Ach, so arg ist das nicht. Wenn ich absolut nicht gewollt hätte, hätte ich das meiner Mutter schon gesagt. Obwohl, sie und Sieglinde zusammen, das ist schon ein harter Brocken.“
Er seufzte. „Sieglinde ist wie eine Kiefervereiterung – man tut alles, nur damit das nervtötende Geplapper aufhört.“
„Versuchen Sie´s mal mit Schocktherapie!“
„Wie soll das funktionieren?“ Er nahm am Buffet zwei Gläser Sekt mit Orangensaft entgegen und reichte mir eins.
„Irgendwas Krasses behaupten. Einmal hat mich meine Mutter derartig wegen Mann und Kinderchen angeödet, dass ich ihr weisgemacht habe, ich hätte die Religion entdeckt und dächte über ein Klosterleben nach. Da war sie platt, für fast zehn Minuten. Länger hab ich das noch nie geschafft.“
Er lachte kurz. „Ich könnte sagen, ich sei längst verheiratet.“
„Ja, am besten sagen Sie, Sie hätten in Dänemark geheiratet – einen ganz süßen Typen... das müsste mindestens für eine halbe Stunde himmlische Ruhe reichen.“
„Eher für einen Schlaganfall. Ich bin einfach gerne Junggeselle, aber das wird sie nie verstehen.“
„Geht mir doch genauso. Ich hab einen Männerberuf, ein paar gute Kumpels,
einige nette Freundinnen und damit bin ich völlig zufrieden, ich will kein Blümchenkleid anziehen und mit einem Kinderwagen herumschieben.“
„Aber das versteht ihre Mutter nicht?“
„Genauso wenig wie Ihre Tante Sieglinde. Kann ich das Programm mal haben?“
Ich studierte die Personalliste und war sprachlos, dann lachte ich.
„Was ist?“ Er zündete sich eine Zigarette an. „Ach, ich dachte, es spielt unter den griechischen Göttern, die sich ihre ganzen Sünden an den Kopf werden – wieso heißt der eine jetzt nicht Jupiter, sondern Dr. Müller? Wieso nennt dieser – dieser Zalettini (nie gehört) sein Stück dann Olimpo, wenn es gar nicht dort spielt?“
„Ich hab ehrlich gesagt überhaupt nichts verstanden, mir kam´s nur wie eins dieser endlosen Beziehungsgespräche vor.“
„Das soll es ja wohl auch sein. Ganz nett, aber man bräuchte eine fertige Interpretation dazu, glaube ich.“
Es klingelte zum zweiten Teil. „Bringen wir´s hinter uns“, seufzte er mit hochgezogenen Augenbrauen. „Kann Sieglinde nicht wenigstens in einen anständigen Shakespeare investieren, wenn sie schon Bekanntschaftsvermittlerlin spielen muss?“
„Ich finde das Stück ganz interessant, man kann dabei über allerlei nachdenken.“
„Über den Kampf der Geschlechter?“
„Ja, so ähnlich. Ich finde, solange ein Stück oder ein Gemälde einen zum Spekulieren anregt, ist es doch in Ordnung, auch wenn man es genau genommen nicht kapiert.“
Er brummte unüberzeugt, aber da wurde es auch schon wieder dunkel.
Die Auseinandersetzungen gingen weiter, nun gingen sich die ersten auch schon an die Kehle, bis es einen gewaltigen Tumult gab und die Hälfte des Personals tot auf der Bühne lag.
Hm. Die Männer schienen zu zwei Dritteln tot zu sein, die Frauen nur zu einem – sollte das etwas bedeuten? Übernahmen die Frauen jetzt die Herrschaft im Götterhimmel oder auch bei Familie Müller? Wie war der Autor eigentlich auf einen so deutschen Namen gekommen? Wäre etwas wie Mazzini oder so nicht einleuchtender gewesen? Italienisch – deutsch – Achse – Faschismus? Bruchstücke von halb verschüttetem Schulwissen behinderten meine Interpretationsversuche.
Tatsächlich traten noch Gestalten in verdächtigen braunen und schwarzen Uniformen auf, einer war so kahl wie Mussolini – aber was das nun genau sollte, kapierte ich nicht so ganz. Als der – wenig enthusiastische – Schlussapplaus verklungen war, erhoben wir uns. „Wie heißen Sie eigentlich?“, fragte ich, als wir an der Garderobe anstanden.
„Bernd. Bernd Schratzner. Und Sie?“
„Steffi Wagner. Ich hätte einen Vorschlag... Ich wollte in nächster Zeit ein Fest machen, um meine vielen Singlefreunde mal zusammenzubringen, vielleicht finden sich ja welche...“
„Und vielleicht finden Sie auch etwas?“
„Gotteswillen! Nein, ich will ein bisschen kuppeln, nicht verkuppelt werden. Ich dachte nur, vielleicht haben Sie auch Lust zu kommen? Vielleicht ist unter meinen Freundinnen die Frau Ihres Lebens, und Sieglinde ist dann endlich mundtot gemacht?“
„Verlockende Vorstellung. Eigentlich suche ich ja nicht direkt nach der Frau meines Lebens, aber zumindest kann ich Sieglinde so einen gewissen Eifer zeigen.“
„So tun als ob? Keine üble Taktik. Wenn Sie mir Ihre Telefonnummer geben, rufe ich Sie an, wenn es so weit ist, den Termin weiß ich noch nicht. Okay?“
„Okay. Wir könnten noch schnell ein Bier trinken gehen...“
Ich sah auf die Uhr. „Was, schon fast halb zwölf? Ich fürchte, das schaffe ich nicht mehr.“
„Aber morgen ist doch Sonntag!“
„Ja, aber ich stehe wegen meines Jobs immer so früh auf, dass ich gewohnheitsmäßig um halb zehn tot umfalle. Wenn ich jetzt noch ein Bier trinke, schlafe ich am Tisch ein. Also, ich rufe Sie an, ja?“
Damit machte ich, dass ich wegkam. Er war ja ganz harmlos, aber diese bauschige Frisur! Vielleicht würde er Heike gefallen? Außerdem war ich allmählich wirklich etwas müde.
Als ich am Sonntag bei Mami ankam, war ich mal wieder die Letzte. Nicht etwa, weil ich zu spät dran war, sondern weil meine Brüder schon eifrig dabei waren, die Speisekammer zu plündern.
„Ihr esst ja wohl alles, was?“, stellte ich fest, als ich lautlos hinter die beiden Gauner getreten war. Robbi ließ vor Schreck ein Glas Gurken fallen. „Schau, was du angestellt hast!“
„Wieso ich? Wisch du nur schön auf!“
Ich setzte mich auf den Küchentisch und sah ihnen zu; Robbi wischte ungeschickt herum und hätte es fast noch geschafft, sich an den Scherben zu schneiden, Paul sackte einen Stapel Fischkonserven ein.
„Warum macht ihr das eigentlich? Seid ihr so pleite?“
„Auch“, gestand Paul, „aber ich nehme alles, wenn ich nicht kochen muss.“
„Ja, dann natürlich“, feixte ich, „diese Fischdinger muss man tatsächlich nicht kochen. Bloß aufmachen und den Inhalt auf ein Brot schmieren, das schaffst sogar du noch. Und dann könntest du den Fisch auch kaufen, anstatt hier Mami zu beklauen.“
„Beklauen? Sie freut sich doch, wenn wir ordentlich was mitnehmen! Sie ist sauer genug, dass du nie etwas haben willst! Und auf das Fischzeugs hat sie mich extra hingewiesen! Was glaubst du, wozu sie das gekauft hat? Sie isst doch keinen Fisch!“
„Stimmt auch wieder“, musste ich zugeben und schlenkerte ärgerlich mit den Beinen. „Aber ich finde es schäbig, dass ihr euch nicht selbst ernähren könnt. Soviel Geld und soviel Kochkunst muss doch gerade noch drinsein, oder?“
„Wir können dafür andere Dinge“, gab Robbi an, der gerade die letzte Gurke in die falsche Mülltüte warf.
„Ach – was denn?“
„Na, zum Beispiel Mamis Staubsauger reparieren!“
Ich schenkte ihm einen müden Blick. „Spinnt der schon wieder?“
„Sagt sie wenigstens.“ Ich holte das altersschwache Ding aus dem Schrank und legte ihn auf den Küchentisch, dann nahm ich den altmodischen Stoffbeutel ab und öffnete die Klappe, hinter der der schwächliche kleine Motor verborgen war. Meiner zu Hause hatte 1200 Watt – und der hier? Wahrscheinlich war die Leitung in Milliwatt zu messen!
Wie üblich war der Keilriemen so mit verfilzten Haaren und festgebackenem Staub umgeben, dass er blockiert hatte. Ich zupfte den Mist ab und warf ihn in den Restmüll, dann klappte ich alles wieder zu, fädelte einen frischen Staubsaugerbeutel in das Stoffding mit dem hässlichen Sechziger-Jahres-Muster und testete ihn. Er jaulte direkt eindrucksvoll und saugte die letzten Glassplitter weg. Okay, vielleicht doch wenigstens hundert Watt...
„Was könnt ihr noch?“, fragte ich dann herausfordernd.
„Spiel dich nicht als große Schwester auf, sonst nehmen wir dich nachher beim Skat aus“, drohte Paul.
„Au ja, ich kann immer Geld gebrauchen, und euer BAföG kommt mir gerade recht. Wenn ihr hier einkauft, braucht ihr ja ohnehin kein Geld.“
„Blöde Schnepfe!“
Ich kicherte, warf einen Blick in den Ofen und ging Mami begrüßen, die im Wohnzimmer auf dem Sofa lag.
„Sind die Jungs noch in der Küche?“, fragte sie, nachdem sie mich umarmt hatte. „Klar, sie räumen die Speisekammer aus“, petzte ich sofort. „Das sollen sie ja, ich will doch noch ein bisschen für die beiden sorgen. Kannst du mal nach meinem Staubsauger sehen?“
„Hab ich schon gemacht. Und ich glaube, der Braten ist fertig. Kann ich dir noch was helfen?“
Sie erhob sich mühsam – ein paar Kilo weniger (etwa zwanzig) hätten ihr das Leben sicher leichter gemacht.
„Komm mit, du kannst mir mit den Knödeln helfen. Und Ihr zwei deckt den Tisch!“, rief sie meinen langfingrigen Brüdern zu, die gerade ihre Beute in den Flur stellten. Beim Essen wurde ich dann gnadenlos ins Verhör genommen.
„Wie war´s denn gestern im Theater?“
„Och, ganz nett, allerdings bin ich nicht sicher, ob ich das Stück ganz richtig verstanden habe, es war schon etwas seltsam.“
„Was für ein Stück?“, erkundigte sich Robbi, der Germanistik, Theaterwissenschaften und BWL studierte und vielleicht selbst mal ein Theater aufmachen wollte. Früher war er der Star des Schultheaters gewesen – als Regisseur.
„Olimpo, von Gaëtano Zalettini. Schon mal gehört?“
„Vage...“, Robbi überlegte hörbar, dann hellte sich sein Gesicht auf. „Ist das das, wo sich erst alle ankeifen und dann kommen die Faschisten?“
„So ähnlich. Und wieso heißen die alle Müller?“
„Keine Ahnung, einer aus meinem Seminar war drin und fand es doof, mehr weiß ich auch nicht.“
Mami hatte uns ungeduldig gelauscht und uns währenddessen ungefragt weiteres Blaukraut auf die Teller gelöffelt – schließlich war Gemüse ja so gesund!
„Steffi, ich hab dich nicht ins Theater geschickt, damit du was über das moderne Drama lernst!“
„Wozu dann?“, wunderte sich Paul.
„Um mich mit Sieglindes unbeweibtem Neffen zu verkuppeln“, erklärte ich.
„Verkuppeln! Übertreib doch nicht so!“
„Na, komm, Mami, sei ehrlich. Übrigens sucht der gar keine Frau, aber ich hab ihm versprochen, wenn ich mal ´ne Fisch-sucht-Fahrrad-Party mache, rufe ich ihn an.“
„Hast du seine Nummer?“
„Klar, und wenn ich weiß, wann die Fete ist, rufe ich ihn auch an. Ich will ihn nicht, der pappt sich die Haare mit Spray fest, aber er findet da schon was.“
„Fisch sucht Fahrrad? Kann ich da auch kommen?“ Paul guckte mitleiderregend.
„Klar! Sag bloß, deine Julia hat dich rausgeschmissen?“
„Nein... aber sie guckt schon so. Zurzeit mache ich alles falsch und werde nur kritisiert, ich glaube, sie will mich abschaffen. Allein heute habe ich den Müll nicht runtergebracht, vergessen, dass wir heute vor zwei Jahren zum ersten Mal zusammen im Kino waren, keine Blumen mitgebracht, nicht gesehen, dass sie eine neue Haarfarbe hat, und gestern Nacht war ich zu schnell fertig.“
„Fertig womit?“
„Mami!“
„Was? Ach so – aber das ist nun wirklich kein Thema fürs Mittagessen. Du findest schon noch die Richtige, mein Junge.“
„Gibt´s die überhaupt?“ Robbi guckte grämlich. „Du kannst auch kommen, ich hab jede Menge Solo-Freundinnen, und dann sehen wir schon“, meinte ich großzügig.
Allmählich verlor ich den Überblick, wen ich alles eingeladen hatte, aber egal. Und jeder durfte noch weitere Singlefreunde mitbringen! Als ich das meinen bedauernswerten Brüdern mitteilte, lebten sie richtig auf und futterten sofort den Sauerbraten-Rest auf, als müssten sie schon Energie für die Party sammeln. Alfred, Peter, Marc, Robbi, Paul, ein paar Freunde, dann brauchte ich auch mindestens zehn Frauen – kein Problem. Ach ja, und dieser Bernd durfte ja auch kommen!
Bis ich mich endlich wieder nach Hause flüchten konnte, war es fast fünf, und wir hatten noch brav im Garten an einem Strauch herumgeschnitten und einigen Kram für den Wertstoffhof eingeladen. Mami konnte sich wirklich nicht über ihre Kinder beklagen! Natürlich tat sie es trotzdem, manche ihrer Freundinnen waren nämlich schon Oma, und wir taten einfach nicht dergleichen. Da konnte sie lange warten, es sei denn, Paul schaffte es noch, dass ihm bei seiner Julia das Kondom platzte.
Der Naturkosmetikladen war noch völlig kahl, als wir am Montagmorgen um kurz vor halb acht aufschlossen und begannen, unser Material und das Werkzeug hineinzutragen. Nur der graue Steinfußboden sah ganz ordentlich aus, wenn er anscheinend auch länger keinen feuchten Wischlappen mehr zu sehen gekriegt hatte. Der vorhandene Tresen war potthässlich, aber immerhin enthielt er alle notwendigen Anschlüsse.
Schließlich hatten wir stapelweise geschnittene Paneele und ungeschnittene Bretter, fertige Bauteile und eine Arbeitsplatte hereingeschleift und konnten an die Arbeit gehen.
Mit Lukas konnte man sehr angenehm zusammenarbeiten, denn er hielt die meiste Zeit die Klappe. Marc hätte mir in der gleichen Zeit schon drei Schwänke aus seinem Leben erzählt und seinen Traumfrau-Anforderungskatalog hergebetet.
In friedlichem Schweigen, nur von kurzen Anweisungen und Bitten unterbrochen, verkleideten wir die erste Wand mit den vorbereiteten Paneelen und schraubten dann die Regalhalterungen fest. Während Lukas sich am Nachmittag der zweiten Wand widmete, ging ich daran, den hässlichen Tresen wie vorgesehen zu verkleiden, ebenfalls mit schadstofffrei lackierter Buche, die ich allerdings erst noch zuschneiden musste. Durch das Kreischen der Säge merkte ich erst ziemlich spät, dass die Inhaberin hereingekommen war und sich mit Lukas unterhielt.
Ich verschraubte die mittlerweile passenden Teile und hörte dem Gespräch mit halbem Ohr zu – Musik wäre mir lieber gewesen!
„Kommen Sie gut voran? Kann ich Ihnen etwas bringen?“
„Danke, geht schon“, brummte Lukas und schraubte weiter.
„Sie machen das sehr schön. Dass Sie alleine so viel geschafft haben?“
„Wir sind doch zu zweit!“
Sie guckte kurz hinter die Theke, von wo aus ich ihr vergnügt zuwinkte, aber dafür erntete ich nur ein knappes Nicken.
„Aber Sie sind der Chef?“
Lukas brummt zustimmend. Seine Kundenfreundlichkeit war nicht unbedingt berühmt.
„Und so ein Betrieb läuft gut?“
„Kann nicht klagen.“
„Ich kann ja nur hoffen, dass ich genauso gut zurechtkomme. Wenn ich nächste Woche eröffne, dann kommen Sie doch auch, oder? So schön, wie Sie hier arbeiten, haben Sie das wirklich verdient.“
Lukas antwortete überhaupt nicht mehr, sondern umrundete die Frau stumm, um sich von mir den anderen Akkuschrauber zu holen. Ich zwinkerte ihm zu, aber er behielt sein Pokerface bei. Die Frau sah nicht übel aus, allerdings hatten die intensive Bräune und die blondgesträhnte Mähne mit Naturkosmetik wohl nicht viel zu tun.
Ich arbeitete so lautlos wie möglich an der Theke weiter, weil ich mir diesen Anmachversuch nicht entgehen lassen wollte – köstlich. Nur war der finstere Lukas dafür wirklich das falsche Objekt!
„Sie kommen also?“
„Mal sehen – wenn wir keine Termine haben...“
„Wir?“
„Meine Kollegin und ich.“ Lukas wies hinter die Theke.
„Aber das – ich dachte, das ist bloß ein Lehrling!“
„Nein.“
Sie guckte hinter die Theke, wo ich gerade ein Loch in eine Platte sägte, weil dort das Kabel für die Kasse durchgeführt werden musste. „Sie sind eine Frau?“
Ich sah auf. „Ja, warum?“
„Nur so. Tja, ich muss weg, mit meinen Lieferanten sprechen – Sie kommen alleine zurecht?“ Lukas brummte zustimmend. Der sagte ja auch nichts, wenn er es vermeiden konnte!
Sobald sie ihren Laden wieder verlassen hatte, schnaufte er. „Weiber!“
„Bitte? Die war doch ganz nett?“
„Sie hat dich für den Lehrling gehalten!“
„Wenn schon! Sie hat doch nur ein Cap und Jeans voller Sägemehl gesehen. Und mir kann es doch egal sein, was sie von mir hält, du hast ihr gefallen!“
„Großer Gott, bloß nicht!“
„Nicht dein Typ? Du müsstest ja auch mal wieder unter die Leute, du bist zurzeit nicht gerade toll gelaunt.“
„Nicht mein Typ. Lass mich bloß mit so was in Ruhe. Wie weit bist du mit der Theke?“