Tödliches Monogramm - Elisa Scheer - E-Book

Tödliches Monogramm E-Book

Elisa Scheer

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Beschreibung

Das erste Opfer kennt sie nicht, aber das zweite ist einer von Isis unangenehmen Nachbarn, die sie als die "Maden-WG" bezeichnet. Und dann wird noch ein dritter junger Mann ermordet, ein vierter verunglückt, es gibt jede Menge wild gewordene Autos, einen geheimnisvollen Mann, den Isi an jedem Tatort antrifft, reichlich Familienprobleme, dazu einen spannenden neuen Job, einen dubiosen Anwalt und - wie sich mit der Zeit herausstellt - eine Verbindung zu einem Unfall in der Vergangenheit. Bis zum Happy End haben die Kripo und Isi, Matthias und Olaf (die einzige doch ganz nette "Made") noch ordentlich zu tun...

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Seitenzahl: 686

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Alles frei erfunden!

Eventuelle Ähnlichkeiten oder Namensgleichheiten mit wirklich existierenden Personen oder Firmen sind purer Zufall.

Imprint

Tödliches Monogramm. Kriminalroman

Elisa Scheer published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de Copyright: © 2015 Elisa Scheer

Prolog: 1996

„Ich muss jetzt heim“, sagte der eine, „ich will mir Mathe noch mal anschauen.“

„Streber“, murrte sein Kumpel, „jetzt ist es hier doch gerade so lustig!“

„Lustig?“, wiederholte der erste. „Wir hängen hier herum, trinken lauwarmes Dosenbier und rauchen, obwohl es uns gar nicht schmeckt. Was soll daran so toll sein? Da schau ich mir lieber die Sache mit dem Grenzwert noch mal an. Musst du eigentlich gar nichts tun?“

„Wozu?“ Der andere grinste. „Ich sitze morgen doch neben dir, schon vergessen? Und die Freiberger macht garantiert nicht zwei Gruppen.“

„Und wenn sie dich wegsetzt?“

„Macht sie schon nicht. Du kannst ja dann ein bisschen weinen, dir glaubt sie alles.“

„Warum sollte ich?“, fragte der erste und schloss sein Fahrrad auf. „Wenn du am Pult landest, kann ich endlich mal in Ruhe arbeiten, ohne dass du endlos zischelst und zappelst, weil du mal sehen willst.“

„Aber wenn ich am Pult lande, wäre ich sehr traurig“, betonte der andere und starrte seinem Gefährten in die Augen. Der seufzte. „Du bist wirklich eine miese Ratte. Ich weiß schon, wenn du traurig bist, musst du immer soviel reden... Vielleicht sollte ich meinen Alten die Sache mit dem Kaugummiautomaten einfach erzählen, so spießig sind sie auch wieder nicht, und das Ganze ist Jahre her.“

„Diebstahl bleibt Diebstahl. Meinen Alten ist so was egal, aber deinen? Sozusagen besseren Herrschaften, die im feinen Mönchberg wohnen? Die dürfen ja nicht mal wissen, dass du dich mit mir herumtreibst, oder?“

„Spiel hier nicht das Slumkind, du Idiot! Ich fahr jetzt heim, mach du doch, was du willst!“ Er schwang sich auf sein Fahrrad und radelte die dunkle Landstraße entlang. Der andere folgte ihm in einigem Abstand, weil sein klappriges Fahrrad eierte und schwer zu lenken war. Der würde ihn morgen schon spicken lassen, da war er ganz sicher!

Sie radelten hintereinander her, und langsam holte der hintere auf, als die Straße plötzlich von Autoscheinwerfern erhellt wurde und zugleich ein hartes Pling dem hinteren Fahrer signalisierte, dass ihm schon wieder die Kette herausgesprungen war. „Wart mal, meine Kette!“, rief er nach vorne und der vordere drehte sich halb um. Damit hatte der Autofahrer offenbar nicht gerechnet, er versuchte auszuweichen, erfasste aber den Vorderreifen und schleuderte Rad und Fahrer im hohen Bogen ins Gebüsch, bevor er mit quietschenden Reifen zum Stehen kam. Automatisch wiederholte der andere, der im Dunkeln stand, die Buchstaben und Zahlen auf dem Nummernschild. Schicker Wagen – ein BMW?

Dann gab der Wagen wieder Gas und brauste davon, man hörte nur noch das Geräusch des gequälten Getriebes beim Schalten. Er legte sein Fahrrad auf den Seitenstreifen und sprang ins Gebüsch neben der Landstraße. Wo war der andere hingeflogen? Schließlich fand er ihn, still, mit geschlossenen Augen und seltsam verdrehten Gliedmaßen. Als er ihn anhob, kippte der Kopf auf grausige Weise nach hinten weg, und er konnte auch keinen Puls mehr fühlen – sein Kumpel war tot, eindeutig. Gebrochenes Genick, vermutete er. Da konnte er auch nichts mehr machen. Obwohl – er hatte das Kennzeichen. Ein leichtes Lächeln spielte um seinen hübschen Mund.

Mai 2004

I

Herrgott, mussten die so einen Lärm machen? Da raffte ich mich endlich mal auf und schrieb diese blöde Oberseminararbeit fertig – und die Kerle aus der WG feierten schon wieder! Was hatten die eigentlich zu feiern, dieser Loser-Verein? Keiner war mit seinem Studium fertig, keiner hatte Glück im Privatleben, keiner hatte im Lotto gewonnen.

Eigentlich genau wie ich – immer noch nicht fertig mit der Uni, solo, seitdem die Sache mit Axel friedlich eingeschlafen war, und Geld? Ich kam so hin, wenn ich genügend jobbte. Aber ich feierte ja auch nicht, ich bastelte an der Geschichte des ältesten Leisenberger Verlags herum – mein Dissertations-thema, das ich nächste Woche im Doktorandenseminar vorstellen musste. Oder besser, ich würde daran herumbasteln, ärgerte ich mich, wenn die da drüben ihre Scheißmusik nicht dermaßen aufdrehen würden! Konnten die nicht wenigstens was Schönes spielen? Immer dieser Techno-Scheiß!

Ich klopfte an die Wand – zwecklos, das konnten die gar nicht hören. Im Schlafzimmer war es geringfügig ruhiger, dafür hörte man hier die Wagnerkinder weinen. Kein Wunder, dass die nicht schlafen konnten, wenn das Haus im Rhythmus der Bässe wackelte! Wagners waren sowieso arm dran – eine zweijährige Tochter und drei Monate alte Zwillinge, und er hatte gerade seinen Job verloren. Und jetzt fürchteten sie, zwangsweise in ein Einzimmerloch umziehen zu müssen, wegen Hartz 4. Ich hatte schon versucht, der völlig erschöpften Frau Wagner klar zu machen, dass auch die Pfeifen vom Arbeitsamt (Behörde blieb Behörde, und wenn sie sich tausendmal als Agentur aufschmückten) kein Einzimmerappartement finden konnten, das billiger war als diese mehr oder weniger unrenovierte Fünfziger-Jahre-Wohnung: dreieinhalb Zimmer für sechshundert warm, das sollte erst mal einer nachmachen! Außerdem standen fünf Personen ja wohl wenigstens drei Zimmer zu, und die Sozialhilfe ohne Hartz 4 wäre noch einiges härter ausgefallen. Und schließlich war Frank Wagner ein sehr guter Buchhalter, der fand schon bald wieder was – solange er selbst suchte und sich nicht auf diese Agentur verließ!

Dann musste ich wohl – bei zwei Zimmern für vierhundertfünfzig warm – auch das Gehämmer ertragen.

Das Geplärr der Zwillinge nervte mich noch mehr als die Musik. Sie waren ja niedlich, die beiden – ich hatte schon mal auf die zwei aufgepasst, als Sabine dringend mit Jennifer in die Stadt gemusst hatte – aber das dünne Krähen ging über meine Kräfte. Und im Wohnzimmer wackelten die Wände.

Verdammt noch mal! Ich packte meinen Schlüssel, verließ die Wohnung, und klingelte – keine Reaktion. Schließlich ließ ich den Finger auf der Klingel, bis sie Würgegeräusche von sich zu geben begann, und endlich wurde die Tür aufgerissen. „Was ist denn – ach, du bist´s, Isi. Was liegt an?“

Thilo grinste leicht beduselt. Angewidert musterte ich die ausgebeulten Cargohosen und das schmuddelige Feinrippunterhemd und starrte ihn dann erbost an. „Könnt ihr mal euren Krach etwas runterdrehen? Wie soll man bei dem Lärm arbeiten?“

„Arbeiten?“, wiederholte er träumerisch. „Arbeiten... nur Idioten arbeiten... komm rein, wir haben sicher auch noch ein paar Züge für dich. Und ein, zwei Bier...“

„Herzlichen Dank“, fauchte ich, „eure schmierigen Joints und euer Billigbier könnt ihr euch sonstwohin stecken. Dreht die Musik leiser, sonst komm ich mit dem Hackebeil, und dann ist eure Anlage nur noch Schrott!“

„Hackebeil?“, säuselte es hinter Thilo, und Olaf kam ins Bild. Im Muskel-Shirt, der alberne Angeber! Und in Shorts – in Unterhosen. Ich sah hastig weg und bemerkte sein träge-amüsiertes Grinsen. „Was die Frauen von heute so in ihren Handtäschchen haben...“

„Bei so grässlichen Nachbarn kommt als nächstes eine Uzi in mein Handtäschchen“, schnauzte ich und hoffte bloß, dass die Dinger wirklich so hießen. „Du erschreckst mich“, säuselte Olaf. „Willst du nicht doch reinkommen und dich ein bisschen entspannen? Mit mir zusammen?“

Ich täuschte Erbrechen vor. „Nein danke. Macht leiser, dann bin ich wunschlos glücklich. Außerdem glaube ich, dass euch der liebe Hubi gerade das Zimmer vollkotzt, hört ihr das nicht? Hoffentlich hat er die Endstufe erwischt!“

Das war zwar gelogen, man hätte bei dem Krach bestenfalls einen landenden Jumbojet hören können, aber es machte ihnen Beine und die Tür fiel wieder zu.

Die Musik wurde aber kaum leiser, stellte ich, wieder am Schreibtisch, erbost fest. Diese blöden Idioten! Tautologie, registrierte mein Germanistenhirn automatisch, aber trotzdem: Wieso hingen die nur so blöde herum? Alle drei waren nicht doof und nicht hässlich und auch keine Junkies (wenn sie auch manchmal so taten), aber sie machten nichts aus sich. Sie liefen rum wie die Penner und kultivierten ein Auftreten, bei dem es jeder Frau mit Geschmack im Handgelenk juckte, sie schauten nur dann in der Uni vorbei, wenn gar nichts Spannenderes anlag (außer Olaf, den hatten sie gerade rausgeschmissen) und hatten, wenn überhaupt, die obskursten Jobs. Drei kleine Gauner, hatte ich manchmal das Gefühl.

Thilo wenigstens sagte manchmal ganz offen, sein Ziel gehe dahin, ohne Arbeit durchs Leben zu kommen – Arbeit sei für die Blöden, er sei zu schlau dafür. Wovon lebte der eigentlich? Und die anderen? Zahlten die Eltern da etwa immer noch? So gut müsste man´s mal haben, ärgerte ich mich schon wieder und versuchte, die ersten Aktivitäten von Johann Friedrich Greiff knapp und übersichtlich auf das Handout zu bringen. Vielleicht noch einen Auszug aus seiner wutentbrannten Kampfschrift Wider die gottlosen Horden der Raubdrucker, insonderheit Herrn Schmieder zu Karlsruhe (Leisenberg 1774)...

Drüben dröhnten die Bässe so laut, dass ich fast mein eigenes Telefon überhört hätte. Im letzten Moment hechtete ich hin und meldete mich. „Ich brauch ein Bier und was Gescheites zu essen“, jammerte es am anderen Ende. Wenn Sandra so kläglich drauf war, hatte sie eine Überdosis Familie genossen – und ich hatte jetzt sowieso keine Lust mehr. Morgen musste ich erst um drei in eine Vorlesung und um sieben arbeiten, also konnte ich ausschlafen. Warum nicht weggehen und hinterher, wenn diese Maden von nebenan zugedröhnt pennten, noch ein bisschen arbeiten?

„Ins Ratlos?“, schlug ich also vor.

„Ja, gut, in einer halben Stunde?“

Da musste ich mich zwar beeilen, aber warum nicht? Ich schraubte den Füller zu, mit dem ich meiner stockenden Arbeitsweise mehr Schwung hatte verleihen wollen, und fuhr in die Stiefel – für Mai war es noch ziemlich kalt, und auf dem Fahrrad erst recht. Geld, Zigaretten, Handy (wozu, wusste ich auch nicht), warme Jacke, Handschuhe – wieso war da mal wieder nur einer? Ich sollte vielleicht doch mal aufräumen!

Der zweite fand sich in der Jackentasche, ich schloss die Tür hinter mir ab und unten die komplizierten Schlösser meines Gefährts wieder auf. Hier wurde ganz schön geklaut, also hatte ich eine dicke Stahlkette durch beide Räder gewickelt und dann alles an den Apfelbaum im Hof gekettet, dazu noch ein Speichenschloss angebracht und ein Zahlenschloss, das die Kette blockierte. Damit saute ich mir zwar jedes Mal die Finger ein, aber immerhin hatte ich das Rad noch. Das konnte natürlich auch an seinem Schrotthaufen-Eindruck liegen, musste ich zugeben, während ich über das Kopfsteinpflaster der Sellinger Straße Richtung Univiertel hoppelte und garantiert wieder ein paar Schrauben verlor. Ein Auto müsste man haben, so wie dieses Schnuckelding, das vorhin vor dem Haus geparkt hatte. Ein Japaner, aber edel, in Silbergrau. So was konnte man ordentlich abschließen, drinnen war es warm, durch die Federung spürte man nicht jeden Katzenkopf, man konnte was mitnehmen, ohne aus dem Gleichgewicht zu geraten... Geld müsste man haben, genügend Geld! Ich hatte zwar Geld, aber nur so viel, dass ich zwei Monate ohne Job überstehen konnte, ohne dass mein Konto ins Minus geriet. Mehr hatte ich noch nie gehabt, mir zahlte ja auch keiner das Studium! Ich kriegte immer nur zu hören Wann bist du denn jetzt endlich mal fertig? Was studierst du gleich wieder? Wozu soll das gut sein? Weiberkram! Kannst du dich nachher wenigstens mal selbst ernähren? Willst du nicht doch lieber heiraten? Einmal muss es ja doch sein!

Erstens – wieso musste es sein? So wie Zahnarzt? Zweitens – wieso musste ich mir das immer anhören, ohne sagen zu dürfen, dass ich längst fertig wäre, wenn ich nicht vom ersten Semester an nebenbei hätte arbeiten müssen? Drittens – den Magister hatte ich ja längst, nur die Diss dauerte so lang. Und viertens ging das meinen Vater gar nichts an – wer sich weigerte zu zahlen, ja, wer seine studierwillige Tochter praktisch rauswarf, der hatte nichts mehr mitzuquatschen!

Der Ärger gab mir den Schwung, den Sophienhügel neben dem Waldburgviertel ganz hochzuradeln, ohne mich auf die Pedale stellen zu müssen – und nun musste ich bloß noch die Sophienstraße entlangrollen, ohne über eine leichtsinnig geöffnete Fahrertür zu fliegen, zweimal abbiegen und das Rad wieder narrensicher an einen Laternenpfahl ketten.

Im Ratlos ging es wie üblich gewaltig zu, aber ich schaffte es doch noch, mich durchzuboxen und einen Zweiertisch am Fenster zu ergattern. Sandra kam nur einen Moment nach mir und ließ sich erschöpft auf den Stuhl mir gegenüber fallen. „Ich halt´s nicht mehr aus!“, stöhnte sie und versuchte, sich im Sitzen aus ihrem Mantel zu schälen.

„Du warst bei deinen Eltern“, stellte ich überflüssigerweise fest.

„Klar. Muttertag. Du etwa nicht?“

„Gestern. Da war Papa nicht da, er findet ja ohnehin, dass Muttertag völlig überbewertet ist, weil er die Kohle ranschafft und Mama angeblich nichts tut. Aber den Krach haben wir schon so oft durchgespielt, darauf hatte ich keine Lust mehr. Und Mama sagt ja doch bloß immer Kind, nun lass doch und guckt verschreckt.“

„Dein Vater ist ein Riesenarschloch“, stellte Sandra fest.

„Darauf einen Dujardin“, stimmte ich zu und winkte Ayse, die sofort herbeieilte und uns zwei Bier und zwei Geflügelsandwichs versprach.

Sandra seufzte und zündete sich eine Zigarette an. „Wolltest du nicht eigentlich aufhören?“, fragte ich und bereute es sofort, denn ihr traten die Tränen in die Augen. „Klar. Ich wollte vieles, aber dann sehe ich sie wieder... findest du mich eigentlich egoistisch? Wenn ich auch mal zur Kenntnis genommen werden möchte?“

„Unsinn, das ist doch ganz natürlich“, widersprach ich sofort. Im Stillen fand ich Sandras Eltern mindestens so furchtbar wie meine eigenen, aber sie verteidigte sie immer, wegen des großen Verlusts.

„Heute auch wieder... Sie haben uns geschmerzt angelächelt, Toni und ich haben unsere Geschenke überreicht und wir hatten auch einen Tisch reserviert, in Herzhofen... aber dann hatte Mutti wieder einen Weinkrampf, weil ihr eingefallen ist, dass Adrian ihr bestimmt auch was geschenkt hätte, wenn er noch da wäre... und schließlich hat Vati uns weggewunken und wir kamen uns mal wieder so vor, als hätten wir die Krise mutwillig ausgelöst.“

„Allmählich könnten sie ja doch mal realisieren, dass sie drei Kinder haben und zwei noch da sind“, fand ich.

„Ja, denke ich auch. Aber dann komme ich mir wieder so egoistisch vor... immerhin lebe ich, mir geht´s eigentlich gut, Toni auch – und Adrian ist tot.“

„Aber das ist Jahre her! Allmählich müsste das doch ein bisschen verblassen und die beiden müssten eigentlich mal wieder ihren Alltag zur Kenntnis nehmen.“

Sandra schnaubte. Allmählich schien der Ärger den Kummer zu besiegen. „Von wegen! Bei allem und jedem heißt es Macht ihr das bitte, ihr wisst doch... dafür sind wir nun wirklich nicht in der Verfassung...“

„Mein Gott, ihr habt doch auch getrauert, immerhin war er euer kleiner Bruder!“

„Ja, aber eben nicht lebenslang. Toni hat nicht mit ihrem Freund Schluss gemacht, ich hab weiter studiert – ich glaube, das nehmen sie uns übel. Dass für uns das Leben irgendwann weiter gegangen ist. Weißt du was? Ich musste heute die Bügelwäsche nach oben tragen, und da hab ich gesehen, dass Tonis Zimmer nun eine Wäschekammer ist und meins so eine Art Gästekabuff – als ob da jemals jemand käme – und Adrians Zimmer schaut noch genauso aus wie damals, mit dem FC Bayern-Bettbezug und dem steinalten Rechner, seinem Jugend-forscht-Trostpreis und den Abenteuerbüchern. Über dem Sessel liegt sogar noch ein verknautschtes Hemd, und in der Ecke steht die volle Sporttasche. Fehlt bloß noch die rote Kordel vor der Tür. Aber wenn wir mal aus irgendeinem Grund zurückmüssten – dafür hätten sie keinen Platz.“

„Ist es vielleicht auch, weil Adrian eben der Sohn war?“, fragte ich, weil mein Vater nur Augen für Philipp hatte, der sich aber auch nicht öfter sehen ließ, weil er Papa so wenig leiden konnte wie ich. „Ja, vielleicht. Ich glaube, so arg wie bei euch ist es nicht, aber man merkt es schon auch: Nur noch die Mädchen übrig... eigentlich unglaublich, in welchem Jahrhundert leben wir denn!“

„Das scheint manchen aus der Elterngeneration wirklich nicht so ganz klar zu sein“, stimmte ich leicht verbittert zu. „Da kommt unser Bier, das haben wir uns verdient.“ Wir nahmen jeder einen gewaltigen Schluck und bestellten sicherheitshalber gleich Nachschub, dann setzte Sandra ihr Glas ab. „Weißt du, sie tun mir ja immer noch Leid, aber seit Adrians Tod ist die Familie wirklich kaputt. Sie kümmern sich um nichts mehr, Toni sorgt dafür, dass die Putzfrau und ab und an ein Gartenbaufritz das Nötigste machen, ich kümmere mich um alles Geschäftliche, Steuererklärungen und so – aber sie wissen gar nicht, wie wir so leben, ich glaube, sie wissen nicht mal unsere Adressen. Jedenfalls rufen sie uns nie an, immer müssen wir das machen. Sie sitzen einfach so rum, und einmal am Tag schauen sie sich Adrians Fotoalbum an, vermute ich. Zu fragen trauen wir uns schon gar nicht mehr.“

„Habt ihr sie nie mal eingeladen, damit sie mal rauskommen?“

„Oft und oft. Dann guckt Mutti waidwund drein und sagt Hier haben wir aber doch unsere Erinnerungen, wollt ihr uns das nehmen? Als hätten wir verlangt, dass sie ausziehen, und sie nicht bloß zum Kaffee eingeladen! Irgendwann haben wir aufgegeben.“

„Ich dachte, Toni wollte im Juni heiraten?“

„Tut sie auch. Aber in aller Stille, die Eltern kann sie ja doch nicht einladen, und ohne sie kann sie kein rauschendes Fest feiern. Wir haben schon überlegt, ob wir es ihnen überhaupt erzählen sollen. Auch, dass Toni mit Marc für zwei Jahre nach Frankreich geht.“

„Dann musst du ja alles alleine machen!“ Ich war entsetzt, das war wirklich zuviel, schließlich hatte Sandra bei dem Wirtschaftsprüfer, bei dem sie arbeitete, reichlich zu tun und außerdem ab und zu auch mal ein Privatleben. „Ich finde, ihr solltet es ihnen sagen“, meinte ich nach einem weiteren Schluck, „auch wenn es vielleicht ein Schock ist. Aber vielleicht wachen sie dann ja endlich mal auf.“

„Eher sind sie entrüstet“, wandte Sandra trübe ein, „dass wir es wagen, weiter zu leben, ist ja ohnehin ein Affront. Und deshalb ist es wohl auch uninteressant, wie wir weiter leben.“

„Verflixt, das Ganze ist jetzt bald zehn Jahre her und es war ein Unfall! Ich will absolut nicht herzlos sein und ich respektiere auch die Trauer um ein Kind - aber nach so langer Zeit? Weißt du, wenn er verschwunden wäre und man bis heute nicht wüsste, was aus ihm geworden ist, aber so? Man muss doch mal loslassen können!“

„Sag das nicht mir. Wir haben losgelassen. Manchmal würde ich meine Eltern am liebsten auch loslassen.“

„Das solltet ihr vielleicht wirklich tun. Kann es nicht sein, dass sie gar keinen Grund haben, wieder aufzutauchen, solange ihr sie so umhegt?“

Sie zuckte die Achseln. „Wahrscheinlich hast du Recht. Warum wir so tüdelig sind, weiß ich auch nicht. Vielleicht schlechtes Gewissen.“

„Weil ihr noch lebt? Das ist ja wohl die Höhe!“, zischte ich. „Werfen sie euch das etwa vor?“

„Nein, wenigstens nicht direkt. Aber wenn eine von uns ihn gefahren hätte...“

„Ihr wusstet doch gar nicht, dass er noch mal in die Schule wollte! Genauso könnten eure Eltern sich Vorwürfe machen, dass sie genau da gebaut haben, wo nur diese Rennstrecke zur Schule führt!“

„Meinst du, das tun sie? Möglich wär´s. Ach, nach so langer Zeit hat das doch alles keinen Sinn mehr. Hören wir auf damit!“

Gerne, aber Sandra ließ das Thema ja doch nicht los – nicht bei diesen geradezu besessenen Eltern! Die Geflügelsandwichs lenkten uns vorübergehend ab, und als auch noch Petra auftauchte und sich einen Stuhl an unseren Tisch zog (nicht ohne sich erst einmal mit einem anderen zu verhaken), fiel es uns leichter, das Thema zu wechseln. Dachten wir wenigstens.

„Was soll ich meiner Mami bloß zum Muttertag schenken?“, fragte sie uns und sah uns hilfesuchend an, die blauen Augen weit aufgerissen. „Ich kann doch nicht immer mit Herzchenpralinen da auftauchen!“

„Wo willst du denn jetzt noch was hernehmen?“, fragte Sandra leicht gereizt, weil Petra diese Hilflosigkeit so penetrant zur Schau trug. „Es ist schon fast acht. Willst du einen Spätbesuch starten?“

„Aber nein, nächsten Sonntag doch erst, Dummerchen!“ Petra lachte fröhlich, aber dann sah sie unsere unbewegten Mienen und ihr Lachen erstarb. „Nein... sagt, dass das nicht wahr ist! Heute?“ Wir nickten gewichtig. „Scheiße!“, jammerte sie los. „Was mach ich denn jetzt? Ich hab´s schon letztes Jahr vergessen! Wieso erinnert ihr mich denn nicht daran?“

„Wieso kaufst du dir nicht endlich mal einen Kalender und trägst so was ein?“, fuhr ich sie an. „Du bist ein erwachsener Mensch, du musst doch langsam mal deine Termine geregelt kriegen!“

„Hab ich doch! Aber den muss ich irgendwo liegen gelassen haben, jedenfalls finde ich ihn nicht mehr. Nun schaut nicht so, als ob euch so was nie passieren würde!“

„Ich hab in der siebten Klasse mal mein Hausaufgabenheft verloren“, sagte Sandra, „aber das war das letzte Mal. Und nach zwei Tagen hatte ich ein neues und alles nachgetragen. Und du, Isi?“

„Einmal meine Seminarkarte, im ersten Semester. Aber ich wusste, wo ich die vergessen haben musste, und da war sie auch. Kein Problem. Nee, Petra, so was passiert einem denkenden Menschen eigentlich ab einem gewissen Alter, etwa zehn, nicht mehr. Dann kauf dir halt so ein DIN A 0-Ding und pinn´s dir an die Wand! Das verlierst du garantiert nicht.“

„Das sieht ja scheußlich aus, ich will doch nicht in einem Büro wohnen!“ Ein bisschen Büro hätte ihr gar nicht geschadet, fand ich. Und Sandra auch, so wie sie die Augen verdrehte. „Jedenfalls solltest du schauen, dass du Blümchen und Kuchen auftreibst oder so und schleunigst bei deiner Mami zu Kreuze kriechen“, schlug Sandra vor. „Am Bahnhof kriegst du sicher alles, was du brauchst.“

„Am Bahnhof? Da ist doch alles total teuer!“

„Wer nicht mitdenkt, muss mehr zahlen“, sagte ich mitleidlos.

„Habt ihr nicht noch was?“

„Was denn? Eine halbtote Topfpflanze oder so? Angeschmuddelte Topflappen? Eine angebrochene oder steinalte Schachtel Pralinen? Du kannst deiner Mami doch nicht irgendwelchen Krempel von anderen Leuten mitbringen! Notfalls probier´s an der Tankstelle, vielleicht haben die noch ein paar Blumen zum Sonderpreis.“ Manchmal hatte Petra ja schon einen Hau, fand ich.

Sie murrte, lehnte es ab, etwas zu bestellen, und trank mein Bier aus. Danach erhob sie sich, sagte: „Dann werd ich mal...“ und ging, nicht ohne den Stuhl mitten im Gang stehen zu lassen. Seufzend räumte ich ihn aus dem Weg. Petra würde sich auch im Leben nicht mehr ändern! „Lieber eine Scheißfamilie als so sein wie Petra“, fand Sandra und machte sich über ihr zweites Bier her. Ich schob das Glas weg, dem Petra den Garaus gemacht hatte, und nahm mir ebenfalls mein frisches. Köstlich!

„Ich denke, wir müssen uns mit unseren Geschwistern trösten“, schlug ich vor. „Toni ist doch echt nett, oder? Und Philipp ist auch ganz in Ordnung. Für einen Bruder wenigstens.“

„Ja, schon. Aber Toni geht ja nach Bordeaux. Vielleicht kein Wunder, wenn die beiden Weinbau studiert haben, was kann man da im Bierland schon werden.“

„Und dann bist du ganz alleine, meinst du?“

Sie starrte in ihr Bierglas und schwenkte den Inhalt hin und her.

„Ich bin doch auch noch da, Mensch! Und was ist mit Florian?“

Sie zuckte die Achseln. „Flo? Der ist nicht der Typ für so was. Nett, lustig – aber nicht belastbar. Der macht die Fliege, wenn ich stressig werde.“

„Ehrlich? Warum behältst du ihn, wenn er so wenig taugt?“

„Wieso so wenig? Er ist nett und lustig, wie gesagt. Und gut im Bett. Mehr wollte ich eigentlich gar nicht. Als Seelentröster hab ich ihn nicht engagiert, also muss er das auch nicht können. Und wenn es ihm zu viel wird und er sich davon macht – schade wär´s schon. Ich mag keine einsamen Nächte.“

Ich verstand das nicht – entweder war ein Mann rundum perfekt, oder er konnte mir gestohlen bleiben. Wenn man es wie Sandra machte, brauchte man womöglich ja mehrere – einen fürs Bett, einen zum Reden, einen zum Heimwerken, einen für den Sport... Viel zu anstrengend!

„Liebst du ihn?“, fragte ich, und sie zuckte wieder die Achseln.

„Weiß ich nicht. Was ist schon Liebe? Wenn man jahrelang diese fast schon manische Trauer bei uns zu Hause sieht, dann fragt man sich doch, ob man sich so was antun soll. Was ist, wenn ich jemanden wirklich liebe, und ihm passiert was? Werde ich dann so wie meine Eltern?“

„Dass du gar nicht mehr lebst, außer, um zu trauern? Glaube ich nicht, dazu bist du doch viel zu normal.“

„Das waren meine Eltern vor Adrians Tod auch, täusch dich da nicht.“

Es gelang mir den ganzen Abend hindurch nicht, sie aus ihrer deprimierten Stimmung zu reißen – Florian taugte als Ersatzthema nichts, ihr Beruf nicht (nicht einmal meine Dummheit beim Verfassen der Steuererklärung!), ihre schöne neue Wohnung nicht. Und meine Eltern, Haustyrann und Hascherl, auch nicht, aber das hatte ich auch nicht wirklich erwartet.

Mein letzter Versuch war Gejammer wegen meiner Dissertation, die mal wieder festhing, weil mir wichtige Quellen fehlten; normalerweise putzte mich Sandra dann sofort herunter, weil ich mit fast neunundzwanzig immer noch nicht fertig war, während sie schon seit zwei Jahren sehr ordentlich verdiente – aber heute ging sie auf dieses Gambit auch nicht ein, sondern starrte nur trübe in ihr leeres Bierglas. Wenn das nicht mehr half, half wohl gar nichts mehr. Schließlich kam der Zeitungsmann in die Kneipe und bot den neuen MorgenExpress feil; ich kaufte ein Exemplar und schlug sofort das Kinoprogramm auf, in der Hoffnung, Sandra wenigstens damit ablenken zu können – aber es lief nur Mist, wie ich sogar selbst zugeben musste. Frustriert stopfte ich die Blätter in die Tasche. „Und wenn wir uns ein schönes Video reinziehen? Morgen vielleicht? Mit Chips dazu?“

„Morgen muss ich ins Fitness“, wehrte Sandra ab. „Und was wäre überhaupt ein schönes Video?“ Ja, da hatte sie mich natürlich. Geschwister, Eltern, Tod und Liebe schieden schon mal aus. Außer Western und Weltraumquark blieb da nicht viel – und wer wollte so was schon sehen?

II

Ich radelte extra vorsichtig nach Hause und schob sicherheitshalber den Sophienhügel hinauf – nicht, dass ich noch wackelte und mich ein übereifriger Beamter ins Röhrchen blasen ließ! Auch wenn ich kein Auto hatte, meinen Führerschein brauchte ich noch. Der schöne silberne Schlitten war weg, vor dem Haus standen nur noch die üblichen Krücken, unter denen der nächste TÜV-Termin sicher grausige Ernte halten würde. Ich rollte auf den Hof und kettete meinen eigenen Schrotthaufen wieder an den Apfelbaum.

Halb elf – eigentlich konnte ich noch ein bisschen arbeiten, beschloss ich im Treppenhaus. Jedenfalls war es jetzt himmlisch still im Haus, die Maden schienen sich zusammengerollt zu haben. Kaum saß ich wieder am Tisch, hatte ich keine Lust mehr – wie immer. Etwas essen? Nein, hatte ich doch gerade erst, und ich hatte mir die Normalfigur mühsam genug erhungert, um sie jetzt nicht wieder aufs Spiel zu setzen. Obwohl – ich war so fleißig geradelt, da durfte ich vielleicht doch... Nein. Außerdem war sowieso nichts Gescheites im Haus, ich hatte mal wieder das Einkaufen vergessen.

Lustlos schlenderte ich ins Bad und betrachtete mich im Spiegel. Vielleicht sollte ich mal über einen neuen Look nachdenken? Ach, wozu, sah ja doch keiner. Schatz, heute siehst du aber besonders gut aus! – ja, Pustekuchen! Niemand nannte mich Schatz, niemand hatte mich lieb. Papa verachtete mich, weil ich bloß ein Mädchen war und so sinnlos herumstudierte, Mama hatte nur Angst, ich könnte mit Papa streiten und sie müsste die dicke Luft dann ausbaden, Philipp war freundlich, aber genau genommen war ich ihm auch egal, er interessierte sich nur für seine Gesetzestexte. Papa fand das auch ganz richtig so, Männer mussten ihren Beruf an die oberste Stelle setzen.

Sandra hatte eigene Sorgen, Petra kam auch nur, wenn sie etwas brauchte oder jemand sie aus ihrem neuesten Schlamassel ziehen sollte. Und einen Liebhaber hatte ich ja nicht mehr. Axel war ohnehin nicht mehr wirklich liebevoll gewesen. Gerade, dass er nicht gemurmelt hatte Isi, nicht jetzt, ich hab Kopfweh. Kunststück, wenn man nebenbei noch zwei andere Miezen hatte, das musste ja an den Kräften zehren!

Gerüchteweise hatte ich allerdings gehört, dass diese beiden voneinander erfahren und sich ganz übel gegen ihn verbündet hatten. Da war er nicht so friedlich davon gekommen wie bei mir! Ich grinste versonnen und stellte wieder mal fest, dass mein Mund zu groß war. Und die Nase zu klein. Und lange Wimpern waren ja was Nettes, aber wieso konnten sie nicht so dunkelbraun sein wie meine Haare? Typisch, dunkle Haare auf den Beinen und aschblonde Wimpern – das musste eine Sonderform von Murphys Gesetz sein.

Immerhin waren die Haare nicht schlecht, sie glänzten sogar ein bisschen im Licht der Badezimmerlampe. Schneiden sollte ich sie vielleicht mal wieder... aber nicht jetzt. Das Referat war wirklich wichtiger.

Dunkle, glänzende Augen hätte ich gerne gehabt, aber natürlich hatte ich Mamas blassgraue Farbe geerbt. Wenigstens war ich nicht aschblond wie sie, dann hätte ich wirklich leblos gewirkt. Naja, ganz nett insgesamt, aber nichts Besonderes.

Ich sollte wirklich das Referat weitermachen, ich hatte ja keine Alternative.

Und morgen musste ich die Bücher aus der Unibibliothek holen, die ich bestellt hatte. Wo war eigentlich meine Chipkarte? Ich wühlte in der Tasche nach meinem Geldbeutel (Mist, nur noch siebzehn Euro, und die mussten bis Freitag reichen, vorher durfte ich nicht an den Geldautomaten) und fand die Zeitung. Geldverschwendung. Fünfzig Cent für nichts, Sandra hatte ja nicht ins Kino gewollt. Dann sollte ich die Zeitung wenigstens lesen!

Die Opposition beschuldigte der Regierung der Unfähigkeit (nichts Neues, was sollten sie denn sonst sagen?), im Rathaus hatte es einen bösen Krach zwischen Bürgermeister Richter und den Anhängern seines Rivalen gegeben, der mittlerweile im Knast saß. Fast wäre es zu Handgreiflichkeiten gekommen. Eine Leiche war im Prinzenpark entdeckt worden, die unglückliche Finderin rang mit einer Nervenkrise. Die Stadtverwaltung hatte neue Öffnungszeiten des Städtischen Museums beschlossen: Ab jetzt war mittwochs zu, wohl um sich vom Rest der Welt zu unterscheiden und die Touristen zu verwirren. Ein Fall von Vandalismus hatte sich im Helenenbad ereignet, umgeworfene Papierkörbe und obszöne Graffitis an den Umkleidehäuschen. Hatte das überhaupt schon wieder auf? Das Wetter sollte besser werden. Ach ja, und der örtliche Gewerkschaftsvorsitzende, der letzte Woche vor einer ziemlich kläglichen Maidemonstration mehr Solidarität angemahnt hatte, war mit der Hand in der Kasse erwischt worden. Ich grinste. Schön blöd!

Toll war das alles nicht, jedenfalls keine fünfzig Cent wert, denn das konnte ich alles morgen gratis im Radio hören. Verflixt! Ich warf die Zeitung ärgerlich in den ohnehin schon überquellenden Altpapierkorb. Den sollte ich auch endlich mal wieder ausleeren.

Unlustig machte ich mich nun doch wieder an das Referat-Handout, aber als es so ungefähr stand, war es mit dem letzten Rest Motivation auch wieder vorbei und ich fiel in mein ungemachtes Bett. Morgen musste ich unbedingt mal was in der Wohnung tun, überlegte ich im Halbschlaf. Wenn Papa mich das nächste Mal verächtlich ansah, wollte ich mich wenigstens im Stillen mit dem Gedanken trösten können, dass ich mein Leben im Griff hatte.

Aber seine Achtung zu erwerben – das sollte ich mir besser ein für allemal abschminken. Wenn ich jemanden nicht leiden konnte, konnte er ja auch anstellen, was er wollte, und ich war nicht zu beeindrucken. Warum sollte es Papa anders gehen?

III

Die Sache mit der Selbstachtung beschäftigte mich am nächsten Morgen aber noch, so dass ich mit ganz ungekanntem Eifer das Handout fertig machte und tippte, abspülte, aufräumte, das Bett frisch bezog und die Wohnung einmal durchsaugte. Ich schaffte es sogar noch, meine Wäsche im Keller in die Maschine zu stopfen und sie hinterher im Schlafzimmer aufzuhängen, bevor ich in der Unibibliothek auf die Jagd nach dieser verschwundenen Quelle ging und mir dann die bestellten Bücher abholte.

Die Quelle hatte ich zwar nicht gefunden, aber möglicherweise eine Spur, tröstete ich mich, als ich mit einer großen Tüte Bücher und einer nicht minder großen Tüte Einkäufe nach Hause kam und alles zu verräumen begann. Wenn ich jetzt noch bügelte... Nein, man konnte den Eifer auch übertreiben, und außerdem musste ich langsam wieder zurück, in die Vorlesung. Der Roman des Realismus im europäischen Kontext – naja. Aber manches war ganz interessant, und der Professor konnte wenigstens interpretieren. Und danach hatte ich gerade noch zwei Stunden Zeit, weiter nach der Quelle zu forschen, bevor ich Schreibtischdienst machen musste.

Die Vorlesung war rappelvoll, kein Wunder in der zweiten Sitzung, und ich klemmte mich resigniert auf einen Notsitz und schlug meinen Spiralblock auf. Niemand in Reichweite, den ich kannte – hatten wir früher auch gar so jung und unreif ausgesehen? Allmählich kam ich mir richtig alt vor!

Der Professor pflegte eine zehnminütige Pause nach der Halbzeit einzulegen (wahrscheinlich war er selbst Raucher) und alle Süchtlinge stürzten runter auf die Katharinenstraße: lieber frieren als verzichten!

Ich war ja auch nicht besser, und als ich mit zitternden Fingern mein offenbar leeres Feuerzeug betätigte, kam mir ein besser funktionierendes dazwischen.

„Danke“, sagte ich nach einem kräftigen Zug und betrachtete mir den edlen Spender. Nett. „Ich heiße Jochen“, stellte er sich vor. Groß, schmal, Brasilien-Sweatjacke, Jeans, Sneakers. Gutes Gesicht, dunkelblondes Haar und freundliche braune Augen.

„Isi“, antwortete ich. „Die Vorlesung ist nicht schlecht, was?“

„Ja...“ Das kam etwas zögernd. „Ich weiß nicht recht, ich hab, glaube ich, nicht alles verstanden. Ich bin erst im zweiten Semester, und so toll war bei uns der Deutsch-LK nicht. In welchem Semester bist du?“

Ich rechnete kurz nach. „Wahrscheinlich im achtzehnten“, sagte ich dann. „Ich promoviere gerade. Naja, wenn ich die Diss. jemals fertig kriege.“ Er guckte erschrocken und ich bereute meine Worte. Wieso hatte ich nicht gesagt, siebtes Semester oder so? Dann hätte er mich für klug gehalten statt für uralt, und ein Bierchen und vielleicht ein kleiner Flirt wären drin gewesen. Aber so? So sah er sich nervös um und meinte dann mit künstlichem Auflachen: „Ich glaube, es geht gleich wieder weiter. Also, man sieht sich!“

Jaja. Nicht wenn du es vermeiden kannst, was? Ich folgte den Massen die Treppe wieder hinauf, ergatterte wieder meinen Klappsitz und sah von weitem, wie dieser Jochen seinen Kumpels etwas erzählte und dabei nicht gerade unauffällig in meine Richtung wies. Mensch, Leute, ich hab grade eine getroffen, die muss schon fast dreißig sein! Dass der das nicht peinlich ist?

Ich sollte wirklich endlich fertig werden, es wurde mir tatsächlich langsam peinlich – als säße ich als Abiturientin wieder im Kindergarten.

Aber die Vorlesung war gut, und als wir getrampelt und geklopft hatten, sauste ich sofort wieder in die Bibliothek, um dem Erwachsenenleben wenigstens ein bisschen näher zu kommen. So viel Eifer wurde auch sofort belohnt, nicht mit der gesuchten Quelle (die einzige Sammlung, in der sie stehen sollte, war ausgeliehen und musste vorbestellt werden), aber mit einer anderen, die ich erstaunlich gut brauchen konnte. Ich bestellte, kopierte, lieh aus und zog schließlich sehr zufrieden weiter in die Graf-Rasso-Straße, um bei EventMachine meinen Dienst zu leisten.

Dort traf ich auf wilde Hektik, weil offenbar zwei Partys, ein Konzert und eine große Werbeveranstaltung zeitlich zusammengetroffen waren. Da ich mit den Veranstaltungen selbst nichts zu tun hatte, begnügte ich mich damit, Platz zu machen, damit die Kühlboxen und Materialkisten ohne Unfall nach draußen in die knallroten Lieferwagen geschleift werden konnten. Dann verzog ich mich ins Büro, wo ich zweimal die Woche Hilfsdienste leistete – aufräumen, abheften, Quittungen zusammensuchen, Telefonnotdienst leisten. Es sah mal wieder aus, als sei ein Tornado hindurchgefegt, kein Wunder - wenn alle wussten, dass montags und donnerstags eine Dumme kam, um wieder aufzuräumen, schmissen sie an den übrigen Tagen eben alles einfach auf den Tisch.

Schlecht lebte ich nicht davon, die zahlten zehn Euro netto, und zweimal vier Stunden waren immerhin achtzig Euro die Woche, für den Alltag reichte das, und ich hatte schließlich noch so einen Job – drei Vormittage bei einem Wirtschaftsprüfer, aber nicht bei dem, bei dem Sandra arbeitete. Richtig arbeitete, musste man wohl sagen. Heute lohnte sich der Saustall wirklich! Ich setzte mich, drehte das kleine Radio halblaut auf und begann, alle Zettelchen zu sortieren, ohne auf das Geschrei auf dem Gang zu achten.

So einfach war das gar nicht. Himmel, was war da draußen eigentlich los?

„Das wird Ihnen noch Leid tun!“, schrie jemand.

„Wenn Sie im letzten Moment den Termin ändern wollen, müssen Sie nun mal mit Abstrichen rechnen, hexen können wir auch nicht“, blaffte Edgar, der Geschäftsführer, zurück. Ich konnte seinen Adamsapfel förmlich hüpfen sehen, wie immer, wenn er sich aufregte.

„Ich habe Sie drei Tage vorher verständigt! Sind Sie so unflexibel?“

„Lesen Sie mal das Kleingedruckte! Eine Woche, steht da! Eine Woche!“

„Ich bin nicht taub, verdammt! Und – ich bin Anwalt! Sie hören noch von mir!“

Draußen knallte die Tür ins Schloss, und die Bürotür ging auf.

„Puh, manche Kunden sind solche Arschlöcher, du glaubst es nicht!“ Edgar fiel auf den Besucherstuhl und zündete sich einen dünnen Zigarillo an.

„Was hat er denn?“

Er lachte auf. „Wie beim Tierarzt, was? Ach, dieser Grünne, erst will er einen feierlichen kleinen Empfang für wichtige Mandanten am Freitag, und diesen Samstag ruft er an und sagt, doch lieber am Dienstag schon. Und jetzt kann er sich die Meeresfrüchte von der Backe putzen, die werden doch nur donnerstags eingeflogen – und was sagt er? Dass er Anwalt ist! Muss ein schlechter Anwalt sein, diese Pfeife, das Kleingedruckte ist total korrekt. Na, soll er uns verklagen!“

„Dem sehen wir gelassen entgegen“, stimmte ich zu und studierte stirnrunzelnd eine etwas rätselhafte Rechnung. „Dass Anwälte einen Schlag haben, wissen wir doch aus dem Fernsehen, oder? Und im Notfall frag ich meinen Bruder, der ist auch Anwalt.“

„Mit Schlag?“

„Klar. Aber brauchbar, denke ich.“

„Na, ich sag´s dir, wenn wir ihn brauchen sollten. Aber ich wette mit dir, der verklagt uns doch nicht. Wenn er sich wieder eingekriegt hat, wird er erkennen, dass es nicht anders geht, wenn er so kurzfristig umdisponiert. Na, frohes Schaffen noch – du machst das immer sehr schön.“

Ich bedankte mich artig und sortierte weiter, stellte Belege zusammen, entwarf schon einmal Rechnungen, heftete allerlei Krempel ab, goss die Blumen, wischte etwas Staub und trug allerlei Adressen und Telefonnummern ins Online-Register ein, um die Post-its wegwerfen zu können. Das Telefon schwieg hartnäckig, anscheinend klappten alle Veranstaltungen trotz der Hysterie, die vorhin noch geherrscht hatte. Wie immer eben.

Um elf verabschiedete ich mich von Edgar, der meine Stunden akribisch vermerkte, sich höflich bedankte und mir einen schönen Abend wünschte, schloss mein Fahrrad auf und strampelte nach Hause. Gut, dass ich nicht am Prinzenpark vorbei musste! Dass man da eine Leiche gefunden hatte, fand ich dann doch etwas gruselig. Was für eine Leiche überhaupt? Ich hätte den Artikel doch mal gründlich lesen sollen, tadelte ich mich selbst, während ich durch die sternenklare und verdammt kalte Nacht radelte und den Vollmond bewunderte, in dessen metallischem Licht alles etwas seltsam aussah – alle Autos silbern, alle Menschen wie blauschwarze Schatten, alle Straßenlaternen noch gelber als sonst.

Eine Frau oder ein Mann? Wen hatten sie da im Gebüsch gefunden? Ob das ein Serienkiller war, wie man sie aus dem Fernsehen kannte? Oder Krach unter Pennern? Ein Mord aus Leidenschaft? Doch gut, dass ich das Altpapier noch nicht weggeworfen hatte – und wenn ich gerade vierzig Euro verdient hatte, konnte ich auch noch mal fünfzig Cent in den MorgenExpress von morgen investieren, in der Kneipe da vorne war gerade der Zeitungsverkäufer, jedenfalls stand sein Mofa auf dem Bürgersteig.

Als ich abstieg, trat er gerade aus der Tür und war nur zu bereit, mir ein Exemplar zu verkaufen. Ich klemmte mir die Zeitung auf den Gepäckträger und fuhr mit neuem Schwung nach Hause, wo ich mir sofort einen Tee kochte und mich mit der Zeitung niederließ.

Nicht viel Neues – nur, dass es sich bis dato um einen nicht identifizierten jungen Mann handelte. Armer Kerl, er hätte doch noch so viele Jahre vor sich gehabt! Sicher, man wusste nicht, was für Jahre – Arbeitslosigkeit, Krebs, hässliche Scheidungen: aber alles zu verpassen, nur weil man einem Durchgeknallten in den Weg geraten war? Ich würde jedenfalls so bald nicht mehr in den Prinzenpark gehen, nahm ich mir vor. Höchstens tagsüber am Wochenende, da war´s ja wohl ungefährlich.

Ich schnitt den Artikel sorgfältig aus und überflog dann den Rest der Zeitung, damit sich die fünfzig Cent wenigstens gelohnt hatten; danach fischte ich die Zeitung von gestern aus dem Altpapier und schnitt auch diesen Artikel aus – das mit dem jungen Mann stand dort auch schon. Jung, ziemlich groß und schmal, rotblond. Klang irgendwie vertraut: Wen kannte ich, der so aussah? Ich ging meinen Bekanntenkreis durch, kam aber nicht drauf. Edgar war außerdem eben noch ziemlich fit gewesen, und niemand würde ihn beschreiben, ohne diesen riesigen Adamsapfel zu erwähnen. Und die Mordsnase.

Philipp (um Gottes Willen, wohin verirrten sich meine Gedanken?) war ebenfalls groß und schlank, aber seine Haare waren so dunkel wie meine, und er trieb sich nicht in öffentlichen Parks herum – bestenfalls fuhr er durch.

Trotzdem, ich wählte schnell seine Nummer, und als ein verschlafenes Grunzen ertönte, legte ich schnell wieder auf. Verflixt, schon zehn vor zwölf? Das hätte ich besser gelassen. Dafür klingelte jetzt mein Telefon. „Was sollte das eben?“, fragte Philipp verschlafen, aber unverkennbar zornig.

„Woher weißt du, dass ich das war?“, fragte ich verblüfft.

„Rufnummernanzeige, du Huhn! Warum rufst du mitten in der Nacht an und legst dann wieder auf?“

Peinlich.

„Sorry – äh...“, ich beschloss, lieber die Wahrheit zu sagen, meine Lügengeschichten hatten noch nie Abnehmer gefunden, und zu anstrengend war mir das jetzt auch. „Ich hatte nur plötzlich Angst – der Tote im Prinzenpark, sie haben ihn doch immer noch nicht identifiziert... und irgendwie kommt mir die Beschreibung doch bekannt vor. Ich wollte nur sicher sein, dass du heil und gesund im Bett liegst.“

Philipp lachte spöttisch. „Weil ich so rotblond bin, ja? Ja, ich hab das auch gelesen, man weiß ja nie, ob es nicht einen unserer halbseideneren Mandanten erwischt hat. Aber mir geht´s gut. Vielleicht einer deiner Exfreunde?“

„Alex ist kein bisschen groß und schmal“, widersprach ich.

„Und dieser – wie hieß er doch gleich? – dieser Herbert?“ Jetzt schien er endgültig wach zu sein.

„Norbert“, korrigierte ich. „Kahl geschoren.“

„Das kann sich in den letzten drei Jahren ja auch mal geändert haben.“

„Nö, den hab ich letzte Woche von weitem in der Uni gesehen. Immer noch Billardkugel. Wenn er so denkt, wie er aussieht, kann ich froh sein, dass ich ihn los bin.“

„Das gilt ja wohl für alle deine Verflossenen, oder? Schräge Truppe.“

„Genau wie deine Exmiezen“, konterte ich wütend. „Teilen die sich eigentlich eine Gehirnzelle?“

„Für meine Zwecke waren sie immer hinreichend“, antwortete er amüsiert. „Vorzeigbar und willig.“

„Dumm fickt gut, was?“ Blöder Hund, und mit so was war man nun verwandt!

„Keine Sorge, sollte ich mal ans Heiraten denken, such ich mir schon eine Gescheitere. Die Tussis amüsieren mich eben.“

„Du bist wie Papa“, behauptete ärgerlich, und das traf ihn nun wirklich: „Nimm das sofort zurück! Ich hab noch nie eine angeschnauzt, weil sie angeblich doof ist! Ich mache keinen Terror!“

„Ja, schon gut.“ Seine Erzählungen über die klugen Aussprüche seiner momentanen Bettgefährtinnen hatten mich schließlich auch schon erfreut – obwohl ich manchmal den Verdacht hatte, dass er einiges selbst erfunden hatte, so bescheuert konnte ein erwachsener Mensch nicht sein.

Das half mir jetzt aber auch nicht weiter, denn die Beschreibung erinnerte mich keinesfalls an einen meiner Verflossenen. So viele waren das außerdem auch wieder nicht gewesen, und das sagte ich Philipp auch. Er gähnte. „Schön für dich. Freu dich an deiner Tugendhaftigkeit und geh endlich ins Bett. Alleine natürlich.“

„Affe!“ Ich knallte den Hörer auf die Gabel. Rotblond, groß und schlank. Verflixt, wahrscheinlich hatte ich mir das nur eingebildet, so sahen ja viele aus. Und wahrscheinlich befasste ich mich bloß damit, um der Greiffschen Verlagsbuchhandlung und ihren Raubdruckerproblemen aus dem Weg zu gehen – keine Chance, ich wollte doch endlich an diesem Unileben raus!

Entschlossen machte ich mich wieder an die Arbeit, aber um Mitternacht hatte ich auch nicht meine beste Zeit, so dass ich bald entnervt wieder aufgab.

Als ich am nächsten Abend – deutlich früher – von der Uni, der Quellenjagd und den Archivarbeiten bei dem Wirtschaftsprüfer nach Hause kam, unzufrieden, weil ich es nachgerade satt hatte, nach Stunden bezahlt zu werden, hatte ich wieder eine Zeitung in der Tasche. Hatte ich schon jemals drei Tage nacheinander Zeitung gelesen, anstatt mir die Nachrichten im Radio oder Fernsehen reinzuziehen?

Ich sank sofort auf meinen Stuhl und begann zu blättern. Da, da stand was. Keine Ermittlungsfortschritte, keine Hinweise auf einen Serientäter (mit höhnischen Kommentaren des entsprechenden Journalisten, schließlich bestritt die Polizei so etwas ja immer, auch wenn es für jeden denkenden Menschen offensichtlich war... Tatsächlich?), aber interessante Details, die im Interesse des Ermittlungsfortschritts nicht veröffentlicht werden sollten. Welcher Ermittlungsfortschritt? Handelte es sich um einen Ritualmord? Der Verfasser spekulierte munter drauflos, schien mir.

Und identifiziert hatten sie den armen Jungen auch noch nicht. Groß, schlank, rotblond, blaue Augen, regelmäßige Züge, zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre alt, gesund... Himmel, vermisste den denn keiner? Das schien doch kein Junkie zu sein, der den Kontakt zu seiner Familie schon vor Jahren abgebrochen hatte! Der musste doch Kollegen haben, Kommilitonen, Freunde – den Eltern musste es noch nicht aufgefallen sein, dass er verschwunden war, überlegte ich.

Wie lange würde es dauern, bis meinen Eltern so etwas auffiele? Wochen, wahrscheinlich. Papa würde die Achseln zucken, wenn ich verschwunden war. Und Mama würde sich nicht trauen, ohne Papas Genehmigung die Polizei zu verständigen. Philipp würde schließlich sagen Spinnt ihr? Natürlich melden wir Isi als vermisst, das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen! Zu diesem Zeitpunkt hätten Edgar und Dr. Weinzierl, der Wirtschaftsprüfer, sich aber schon längst gewundert. Und Sandra natürlich. Petra nicht, die würde höchstens denken, dass ich verreist sei und sie es nur vergessen habe.

Ich konnte also auch schon ziemlich verwest sein, bevor nach mir gesucht würde. Unerfreuliche Vorstellung! Schützte einen eine feste Beziehung vor so etwas? Und was, wenn der treusorgende Ehemann auf Geschäftsreise war?

Warum war so ein hübsches Kerlchen aber so alleine, dass ihn keiner vermisste? Konnte man davon ausgehen, dass er alleine gewohnt hatte und nicht etwa in einer WG, wenn es so lange dauerte, bis einer nach ihm suchte?

Himmel, WG! Jetzt wusste ich, an wen mich die Beschreibung erinnerte! Thilo sah genauso aus – was, wenn das Thilo war, und Olaf und Hubi mal wieder träge herumhingen, anstatt etwas zu unternehmen?

Ich rannte nach nebenan und klingelte Sturm. Hubi riss die Tür auf und knurrte. „Was ist jetzt wieder? Wir haben weder die Musik zu laut noch qualmen wir was Illegales. Was willst du jetzt wieder?“

Äh, ja. Wie sagte ich das jetzt am besten? „Ist Thilo da?“

„Nö.“

Sehr verdächtig! „Und, wo ist er?“

„Weiß ich doch nicht. Stehst du jetzt auf den? Vergiss es, der mag junges Gemüse, und so frisch bist du auch nicht mehr.“

Hubis spezieller Charme weckte wie immer in mir den Wunsch, ihm eins überzubraten, vorzugsweise mit einem Pflasterstein. Hinter ihm tauchte Olaf auf, wie üblich halbnackt und mit dem ebenfalls üblichen trägen Lächeln. „Welch Glanz an unserer Tür! Was können wir für dich tun, schöne Frau?“

„Schmierlappen“, blaffte ich. „Ich will bloß wissen, wo Thilo ist!“

„Thilo?“ Er zog ein enttäuschtes Gesicht. „Wieso Thilo? Ich dachte immer, meine Reize zögen dich vor unsere Tür?“

„Lass das Geschleime. Wo ist Thilo?“

„Was hat er denn jetzt wieder angestellt, unser Möchtegern-Capone?“

„Sie steht bloß auf ihn“, erläuterte Hubi und grinste breit. Boah, wie konnte man so gelbe Zähne haben! „Kaum“, antwortete ich so kalt wie möglich. „Wann habt ihr ihn zuletzt gesehen?“

Olaf sah mich leicht verwirrt an. „Heute morgen, beim Frühstück. Nicht, dass er direkt was gefrühstückt hätte, verkatert, wie er war, aber er war hier, eindeutig. Wo er jetzt ist, weiß ich nicht. Wieso denn?“

„Ach, nichts“, leitete ich den Rückzug ein, halb erleichtert, halb beschämt. „Wenn er hier war, ist ja alles gut. Tschüss dann!“

Olaf rief noch: „He, warte mal, was sollte das jetzt?“, aber ich verschwand schnell wieder in meiner Wohnung. Machte ich mich hier zum Affen, bloß weil die Beschreibung notdürftig auf einen dieser drei Neandertaler passte? Und hatte Thilo nicht überhaupt mehr so grüne Augen?

Der Ordnung halber schnitt ich den heutigen Artikel auch aus und legte ihn zu den anderen, nahm mir aber vor, morgen weder eine Zeitung zu kaufen noch über diesen Quatsch nachzudenken. Stattdessen würde ich an der Arbeit weiterbasteln, jawohl! Weit kam ich nicht, bevor Petra anrief, voller Entrüstung: Uli hatte sich mit ihr gekracht, bloß weil sie vergessen hatte, irgendeinen blöden Brief einzuwerfen!

„Und, was war das für ein Brief?“, fragte ich, durch Erfahrung gewitzt.

„Ach, was weiß ich, irgendwas mit Steuern oder so. Einspruch, gibt´s das?“

Ich seufzte. „Ja, Petra, das gibt´s, und da gibt es auch Fristen zu beachten. Jetzt muss dein Uli wohl mehr Steuern zahlen, weil du den Brief verbummelt hast. Wieso gibt er ihn auch dir, er müsste dich doch langsam kennen!“

„Mein Gott, ich hab´s ihm angeboten. Ich hab´s doch nur gut gemeint. Kann ich ahnen, dass es so ernst gemeint ist, wenn er sagt Ja nicht vergessen? Da, wo ich dachte, war gar kein Briefkasten mehr, aber ein super neuer Laden, und da hab ich´s eben vergessen. Kann doch mal passieren!“

„Was für ein Laden?“ Ich tippte auf Schuhe – manchmal war Petra wirklich ein wandelndes Klischee.

„Taschen und so. Supersachen. Gut, Fakes, aber ziemlich täuschend. Ich hab mir da ein Chaneltäschchen gekauft, also, du glaubst es nicht, schaut total echt aus, richtig nobel. Und nur neunundvierzig Euro! Da musst du unbedingt auch mal hinschauen, Peutinger Ecke Fuggergasse. Oder da in der Gegend eben.“ Ich seufzte wieder. „Petra, erstens stoßen die Peutinger und die Fuggergasse gar nicht zusammen, da kann´s keine Ecke geben. Und zweitens ist es illegal, Fälschungen zu verkaufen, den Laden wird´s wohl nicht lange geben.“

„Du hörst dich so besserwisserisch an, du könntest glatt Lehrerin sein. Wie dieser doofe Kumpel von meinem doofen Bruder.“

„Nie gehört.“

„Ach, den kennt er noch von der Schule her, so ein großer dunkler Finsterling. Julian Schießmichtot. Der und seine Freundin waren am Samstag bei Paul zu Besuch, na, und ich hab kurz vorbeigeschaut, weil ich kein Geld mehr hatte, und da hat dieser Julian oder Julius oder wie auch immer gefragt, wieso ich zu Paul komme, wenn ich kein Geld mehr habe, stell dir vor!“

„Gute Frage. Das würde mich jetzt aber auch interessieren. Ich gehe in solchen Fällen ja eher zum Geldautomaten, aber ein Bruder – auch eine Möglichkeit. Hast du dir was gepumpt?“

„Musste ich doch, Mensch!“

„Wieso, bist du pleite?“ Ein grässlicher Gedanke beschlich mich. „Haben Sie dich bei Crommer rausgeschmissen?“

„Ja, das auch“, antwortete sie ungeduldig, „aber darum geht´s jetzt doch gar nicht! Der blöde Automat hat meine Karte gefressen, stell dir vor! Frechheit, was? Da musste ich doch zu Paul gehen!“

Da war Paul bestimmt sehr froh.

„Wieso hat der Automat deine Karte gefressen? Und wieso haben sie dich bei Crommer rausgeworfen? Warst du schon beim Arbeitsamt? Oder bei JobTime? Hast du schon was Neues in Aussicht?“

„Isi, nerv nicht rum. Wieso der Automat meine Karte gefressen hat, weiß ich auch nicht. Irgendwas von Guthaben und Berater, dann war der Schirm wieder dunkel. So schnell kann man gar nicht gucken!“

„Vielleicht ist dein Konto überzogen?“

„Mein Konto ist schon seit Jahren überzogen, wieso sollten die sich jetzt plötzlich darüber aufregen?“

„Vielleicht, weil du keinen Job mehr hast?“

„Mein Gott, ich find schon wieder was, die sollen sich nicht so haben! Aber darum geht´s jetzt doch gar nicht!“

Fand ich eigentlich schon. War Petra nicht beinahe zu beneiden, weil sie sogar für Existenzsorgen zu dumm war? Nein, nicht wirklich dumm, aber so was von schusselig... „Worum geht es denn dann? Ich find´s schon irgendwie bedenklich, wenn du deinen Job verloren hast – du nicht?“

„Ach was! Aber stell dir vor, dieser Julius -“

„Julian.“

„Was?“

„Vorhin hast du gesagt, Julian. Ist das schon Alzheimer?“

„Herrgott! Gut, dieser Julian schlägt mir doch glatt vor, einen Kurs zu machen, in Selbstmanagement oder so. Wie findest du das? Ist das nicht eine Frechheit? Als ob ich so´ne blöde Firma wäre!“

„Wenn du so´ne blöde Firma wärst, wärst du längst bankrott. Kein Kunde hätte jemals das Richtige oder überhaupt was geliefert gekriegt. Und wenn, hättest du total verschusselt, eine Rechnung zu stellen.“ Mittlerweile konnte ich meine Erheiterung nicht mehr verbergen.

„Lach nicht so blöd“, schimpfte Petra sofort. „Was geht das diesen Kerl an? Und überhaupt, als ob ich meinen Kram nicht im Griff hätte!“

„Naja... schau, du hast den Muttertag vergessen -“

„Nur fast! Ich war noch rechtzeitig da, mit Pralinen von der Tankstelle!“

„- Ulis Einspruchserklärung vermasselt, keine ec-Karte mehr, den Job verloren – wieso eigentlich? Das musst du mir schon noch genauer erzählen! – und da findest du, du hättest alles im Griff? Ich denke, so ein Kurs ist gar keine schlechte Idee. Vielleicht lernst du da, dir solche Sachen aufzuschreiben und dir dann auch noch zu merken, wohin du sie geschrieben hast und was die Abkürzungen bedeuten sollen.“

„Du bist genauso schlimm wie dieser Julian und seine Freundin! Mensch, aber die hat vielleicht tolle Haare, richtig kupferrot, und echt! Ich hätte ja nie gedacht, dass es solche Haare auch in echt gibt! Meinst du, wenn ich mir die Haare auch so kupferrot färbe, dass mir das steht?“

„Bloß nicht!“, rief ich in den Hörer, „dazu muss man eine ganz blasse Haut haben! Hat diese Freundin bestimmt, oder? Na, und du bist immer so schön leicht gebräunt – da passt das nicht. Lieber blonde Strähnchen!“

Petra mit roten Haaren – entsetzliche Vorstellung. „Ich hab doch längst Strähnchen“, entgegnete sie unverkennbar beleidigt. „Hast du das noch gar nicht gemerkt? Ich möchte ja mal wissen, wo du deine Augen hast!“ Ich war sprachlos, aber Petra plapperte schon weiter: „Na gut, wenn du meinst, Geschmack hast du ja.“ Na, immerhin.

„Und, warum bist du jetzt deinen Job los?“

„Ach, diese Korinthenkacker! Ich bin bloß ein paar Mal morgens zu spät gekommen, ich meine, das kann doch mal passieren, oder? Hörst du deinen Wecker etwa immer?“

„Logisch. Zuspätkommen ist was für Kleinkinder. Haben sie dich nicht abgemahnt?“ So was kannte ich von meinen diversen Jobs, wenn es mir selbst auch glücklicherweise noch nie passiert war.

„Abgemahnt? Ja, kann sein. Wieso?“

„Na, da hättest du gemerkt, dass dir die Kündigung droht, und du hättest dir einen lauteren Wecker kaufen können. Oder früher ins Bett gehen. Oder Uli bitten, dass er morgens einen nassen Waschlappen nimmt.“

„Sei nicht so perfekt, Isi, das nervt. Was ich dich fragen wollte – findest du, Uli muss sich bei mir entschuldigen? Immerhin hat er mich eine Schusselliese genannt!“

„Finde ich nicht. Petra, du bist eine Schusselliese! Aber eine nette“, fügte ich hastig hinzu. „Entschuldige dich lieber bei ihm. Du könntest ihm natürlich anbieten, den Schaden zu tragen, aber wovon? Such dir bloß schnell einen neuen Job!“

„Ich stell mich nachher wo vor, keine Sorge. Das ist in der Zollinger Minicity, da war ich noch nie.“

„Wieder Immobilien?“

„Keine Ahnung, ich soll den Bürokram machen.“

„Die mögen es, wenn man weiß, was sie machen“, suggerierte ich ihr, aber wahrscheinlich ohne Erfolg, denn in diesem Moment fiel ihr ein, dass sie sich ein Bad eingelassen hatte, und sie beendete das Gespräch eher hastig.

Ich grinste still vor mich hin. Petra...! Alles mal wieder so was von typisch! Ob die Wanne schon übergelaufen oder bloß kalt geworden war?

Nun musste ich aber doch die Geschäftsprobleme der Greiffschen Verlagsbuchhandlung weiter unter die Lupe nehmen und wenigstens einen Teil der ausgeliehenen Bücher durchsehen. Die Sache mit dem Prinzenpark-Mord war für mich gestorben, beschloss ich. Thilo war ja noch gesund und munter. Höchstens konnte ich ihn damit ein bisschen ärgern.

IV

Die Sache war gestorben, jawohl. Warum ich am nächsten Tag nicht nur wieder eine Zeitung kaufte, sondern sogar noch die vermutliche Mordstelle (oder war Fundort nicht gleich Tatort? Fernsehkrimis schulten eben doch nur bedingt) inspizierte, wusste ich auch nicht. Jedenfalls war die Stelle mit den üblichen gelben Bändern abgesperrt und vereinzelte Spaziergänger blieben immer wieder etwas scheu stehen und guckten. Ich machte es genauso, zerrissen zwischen ordinärer Neugierde (ja, okay, Sensationsgeilheit) und der Verlegenheit darüber, dass man sich zu eben dieser Sensationsgeilheit hinreißen ließ. Zu sehen war natürlich nichts. Entweder gab es nichts zu sehen, oder alle möglichen Spuren befanden sich unter dieser schwarzen Plane. Hatte es überhaupt Spuren gegeben? Die Zeitung hatte sich gehütet, etwas über die Todesursache zu schreiben, also hatte es wohl wenig Zweck, sich Ströme von Blut vorzustellen. Vielleicht war der arme Junge ja auch erwürgt worden oder erschlagen.

Eine ältere Frau in Lodenmantel und Trachtenhut, einen silbergrauen Pudel an der Leine, starrte ganz unverhohlen auf die Plane. Ich rümpfte die Nase, setzte mich auf eine Bank ein wenig abseits und vertiefte mich in die Zeitung. Aha, jetzt wussten sie, wie das Opfer hieß: Tobias Bensdorf, vierundzwanzig, Student. Informatik. Und wie üblich keine Feinde, keine riskanten Aktivitäten, völlige Ahnungslosigkeit der Angehörigen.

Ich blätterte weiter – neue Krise im Rathaus, gestiegene Müllbeseitigungskosten, das Stadttheater forderte höhere Zuschüsse, in Rothenwald war bei einer älteren Dame eingebrochen worden, die ganz alleine in einer Riesenscheune zu leben schien (selbst schuld), und die Firma Hamm hatte einen Industriepreis für gutes Design bekommen. Hamm - nie gehört. Wahrscheinlich produzierten sie irgendwelchen unnützen Wohnschnickschnack. Nein, halt, da stand es ja – Taschen und andere Lederwaren. Mit Abbildung. Tatsächlich, gar nicht hässlich. Das wäre was für Petra, dachte ich und grinste vor mich hin.

Ein Mann ging vorbei und musterte mich strafend. Ich sah ihm arglos ins Gesicht, schließlich saß ich hier ja nur so – was, ein Mord? Musste ich verpasst haben. Sehr glaubhaft, mit diesem Revolverblatt in der Hand!

Kein schlechter Typ, überlegte ich und sah dem kräftigen Rücken nach, der Missbilligung auszustrahlen schien. Nicht mehr wirklich jung, aber das schadete gar nichts – mir gefiel es, wenn sich ehemals dunkles Haar langsam mit Grau durchzog. Gar so kurz geschoren hätten die Haare vielleicht nicht sein müssen, und mit Brillenträgern hatte ich es auch nicht so, seitdem Maxi damals in der elften mich mit seiner blöden Hornbrille beim Küssen dauernd gekratzt hatte.

Gute Lederjacke, darunter Jeans. Lange Beine und keine peinlichen Schuhe, sondern Lederstiefel. Ich hatte mal einen ansonsten gut aussehenden Kerl gesehen, der Moonboots getragen hatte – gestorben. Sofort gestorben. Eine naheliegende Gedankenverbindung ließ mich meine eigenen, leider schon etwas abwetzten Penny Loafers studieren, und als ich wieder aufsah, war der Kurzgeschorene weg. Egal, ich hatte ohnehin noch anderes zu tun, als Passanten zu begaffen. Und die Mordstelle – wenn sie es denn war – gab auch nichts her. Was hatte ich eigentlich erwartet?

Als ich nach Hause kam, stand die Tür der WG offen, und die Maden zankten sich lautstark. Irgendwer hatte mal wieder irgendwas nicht gemacht...

„Von euch macht doch nie einer irgendwas“, kommentierte ich, als ich meinen Schlüssel aus der Tasche fischte, „warum regt ihr euch also überhaupt noch auf? Oder ist euch das Bier oder Gott behüte das Gras ausgegangen?“

„Tu nicht so, als wären wir dauernd bekifft!“, schnauzte Hubi mich an. Ich lachte. „Nö – nicht immer, aber immer öfter, was?“

Außerdem roch es aus der Wohnung ziemlich streng – eine unglückliche Mischung aus alten Socken, ungespültem Geschirr, lange nicht weggetragenen Abfällen und in Grasrauch gebeizten Textilien.

„Lüftet doch mal, oder habt ihr Angst vor frischer Luft?“, fragte ich also.

Olaf lächelte langsam und spielte einer seiner langen dunklen Locken. „Nicht jeder ist so ein Frischluftfanatiker wie du... obwohl dir die zarte Röte sehr gut steht...“

„Lass den Quatsch, es ist eben noch etwas kühl draußen. Wer hat denn jetzt was angestellt?“

„Thilo, der Schnarchsack“, ereiferte sich Hubi. „Hat das Telefon schon wieder nicht bezahlt, und jetzt ist es abgestellt.“

Thilo würde gut zu Petra passen, überlegte ich. „Reichen euch eure Handys denn nicht?“

„Olaf kann einen Job kriegen, und wenn die ihn hier anrufen wollen und ihn nicht erreichen, ist der Job weg.“

Ich verdrehte die Augen. „Mir ist ja klar, warum euch keine will, aber so ohne Frauen kommt ihr echt nicht durch den Alltag, was? Olaf, ruf da an und gib denen deine Handynummer. Und dann lad deinen Akku auf und merk dir, wo du das Handy hingelegt hast. Und dann prügelt ihr den guten Thilo mal so richtig durch. Nein, nein, danke, der Rat war kostenlos. Schönen Tag noch!“

Ich knallte meine Tür zu, bevor Thilo sich auf mich stürzen konnte. Lebensunfähige Kerle!